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Rezension zu Christoph Ribbat: Blickkontakt: Zur Beziehungsgeschichte amerikanischer Literatur und Fotografie (1945-2000), München (Wilhelm Fink) 2003. 359 Seiten.
Dass das Verhältnis von Literatur und Fotografie nach wie vor als ein vergleichsweise unterakzentuiertes Forschungsfeld der medienwissenschaftlich zwar zusehends sensibilisierten, die fortschreitende Entpriviligierung des Skripturalen jedoch oftmals noch immer mit Skepsis verfolgenden Philologien gelten darf, steht außer Frage. Folglich ist jede Studie, die sich um die Aufarbeitung der mannigfaltigen Wechselbeziehungen von 'Schreiben' und 'Lichtschreiben' bemüht, zunächst einmal zu begrüßen. Wenn sie dann auch noch in qualitativer Hinsicht überzeugt - umso besser. Zumindest über weite Strecken gelingt dies der hier zur Diskussion stehenden Untersuchung durchaus, die sich den US-amerikanischen Literatur-Fotografie-Interdependenzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmet.
Ulrike Ottinger gilt als eine der eigenwilligsten deutschen Filmemacherinnen von internationalem Rang. Vom Surreal-Theatralischen, vom Stilisiert-Artifiziellen bis zum Ethnologisch-Abbildenden, vom Fiktionalen bis zum Dokumentarischen reicht ihr Œuvre. Ihre Motive findet sie in Europa, Asien und Nordamerika. Im Zentrum der Ausstellung stehen ihre großformatigen Fotografien, die häufig parallel zu den Filmarbeiten entstanden sind, jedoch ganz eigene visuelle Akzente setzen. Regionale Schwerpunkte bilden dabei China und die Mongolei, die Ottinger wiederholt bereist hat. Das Abwegige, Abseitige und Groteske rückt sie in den Mittelpunkt ihrer Bilder. Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden. Überbordende Dreh- und Arbeitsbücher, vielschichtige Collagen ihrer Recherchen, verdeutlichen den filmischen Arbeitsprozess. Die phantasievollen Kostüme aus Filmen wie DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE (1984) oder JOHANNA D´ARC OF MONGOLIA (1989) arrangiert Ottinger zu theatralen Installationen.
Erkundungen der Moderne : László Moholy-Nagy: zwei Debatten mit Erwin Quedenfeldt und Hans Windisch
(2007)
Wir wollen nicht das objektiv der unzulänglichkeit unseres
seh- und erkenntnisvermögens unterordnen, sondern es soll
uns gerade helfen, unsere augen aufzuschließen.
Lázló Moholy-Nagy
Wenn László Moholy-Nagy in seiner Zusammenfassung einer Debatte mit Hans Windisch, die 1929 in der Avantgarde-Zeitschrift i10 erschien, in der Replik von Windisch in Klammern ein Fragezeichen ergänzt, so markiert er damit eine radikale Differenz, kennzeichnet eine Sollbruchstelle in den zeitgenössischen Debatten über die Aufgabe der Photographie, in denen es um nichts geringeres als eine Grundorientierung der Moderne insgesamt geht. Zur Diskussion steht eine grundlegende Frage der Moderne, ja die Klärung einer für "den heutigen stand der fotografie lebenswichtigen" Frage. Der Satz in der von Moholy-Nagy annotierten Fassung lautet: "die ergänzenden vorstellungen unserer einbildungskraft sind viel revolutionärer (? m-n), als es die exakteste abschrift unseres daseins ist." Es geht, mit anderen Worten, um die Klärung der Frage, ob und in welcher Weise Kunst beanspruchen könne, revolutionär zu sein und Entscheidendes zur Revolution der Wahrnehmung und auch der Denkungsart beizutragen.
Wenn man in der Photographietheorie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach strikt gegenübergestellten und sich wechselseitig ausschließenden Positionen sucht, liegt es auf der Hand, Walter Benjamin und Albert Renger-Patzsch zu nennen, den der kritischen Theorie nahestehenden Theoretiker auf der einen Seite und den Protagonisten der neusachlichen Photographie auf der anderen. Zwischen ihnen liegt ein vermeintlich unüberwindlicher Graben, den nicht zuletzt Walter Benjamins berühmtes Diktum aus der "Kleinen Geschichte der Photographie" ausgehoben hat, das Benjamin auch in seinem Aufsatz "Der Autor als Produzent" unentschärft wiederaufgenommen hat.
Wenn man den 1961 publizierten Text von Albert Renger-Patzsch "Über die Grenzen unseres Metiers. Kann die Fotografie einen Typus wiedergeben?" liest, so trägt er kaum noch Spuren der fraglos scharfen Kritik, die ihn veranlasst hatte. August Sander, gegen den er sich richtet, wird von Renger noch nicht einmal namentlich -und sei es beiläufig - erwähnt (einzig in der Einleitung der Redaktion wird er explizit benannt) und auch der historische Kontext von Sanders großangelegtem Projekt "Menschen des 20. Jahrhunderts" wird bestenfalls am Rande gestreift. In einer ganzen Reihe von Briefen äußerte Renger-Patzsch hingegen seine Kritik an Sander, die er bereits bei Erscheinen von Sanders Buch "Antlitz der Zeit" gegenüber Carl Georg Heise in ähnlicher Deutlichkeit formuliert hatte, unverblümt. Renger hatte 1960 den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie erhalten und erfuhr, dass Sander ein Jahr später ebenfalls für diese Auszeichnung vorgesehen war. Dieser Preis "zeichnet bedeutende Leistungen aus, die mit Hilfe der Photographie erzielt wurden, insbesondere auf künstlerischem, humanitärem, karitativem, sozialem, technischem, erzieherischem oder wissenschaftlichem Gebiet". Genau diese Leistung konnte Renger-Patzsch in Sanders Werk nicht erkennen. Daher wandte er sich gleich an mehrere einflussreiche Mitglieder und nicht zuletzt an Gerhard Schröder, den damaligen Präsidenten der Gesellschaft, um gegen Sander als möglichen Preisträger seinen Einspruch einzulegen.
Die Literatur Eduard Mörikes hat häufig mit optischen Medien zu tun. Als Dichter, der zugleich Maler war, interessierte sich Mörike sehr für optische Techniken wie die Phantasmagorie, auch Laterna magica oder Zauberlaterne genannt, oder eben für die Photographie. Malerei, Phantasmagorie, Photographie - alle diese Techniken werden in Mörikes Schriften thematisch. Außerdem versuchte Mörike, in seinen Texten selbst, genauer: durch die Schriftzeichen, eine gewisse Bildlichkeit zu erzeugen. Somit wird die Bildlichkeit bei Mörike ein wichtiges Thema. Dieses soll im Folgenden untersucht werden und zwar, wie bislang selten unternommen, im Kontext der Mediengeschichte. Analysiert werden sollen hier drei Textbeispiele: Das erste Beispiel ist der erstmals 1832 erschienene Roman 'Maler Nolten', der ein von Mörike so genanntes "phantasmagorisches Zwischenspiel" mit dem Titel 'Der lezte König von Orplid' enthält. Als zweites wird sein in der Forschung kaum beachtetes Gedicht aus dem Jahr 1853 'Der Frau Generalin v. Varnbüler, Vorsteherin des Katharinenstifts' aufgegriffen, ein Gelegenheitsgedicht über Gruppenphotos. Das dritte Beispiel schließlich ist 'Die schöne Buche', ein Gedicht von 1842, das manchmal auch als Dinggedicht bezeichnet wird. Die Analyse dieser Werke wird zur Erhellung der folgenden Frage führen: Was veranlasste Mörike zum Schreiben der Dinggedichte, oder wie wurde das Genre Dinggedicht durch ihn in die Geschichte der deutschen Literatur eingeführt?
Auf den Bildern Chris McCaws hinterlässt das Licht nicht nur Spuren, sondern Wunden. Das Foto erleidet die Einwirkung des Lichts – Bedingung der Möglichkeit fotografischer Medialität – sichtbar als Zerstörung der eigenen Substanz; eine Verwundung, die dann als solche ausgestellt wird. Der amerikanische Fotograf nutzt großformatige Analog-Kameras, um mit diesen den Verlauf der Sonne über einen langen Zeitraum zu dokumentieren. Durch die dafür notwendige, sehr lange Belichtungszeit brennt das Sonnenlicht Spuren in das Negativ und zeichnet damit den Verlauf des Gestirns am Firmament als physische Spur der Zerstörung nach. Die Faszination dieser seltsam unheimlichen und intensiven Bilder liegt darin, dass sie als "Ikonen des Realen" sehr deutlich machen, dass das Problem der Indexikalität, trotz aller Bemühungen dieses Gespenst abendländischer Präsenzmetaphysik aus der Fotografietheorie zu vertreiben, nicht aufhört, konstitutives Moment fotografischer Medien zu sein und die Theorie zu beunruhigen. Nach wie vor "legt" Fotografie ihrem Namen entsprechend "Zeugnis ab" für das Licht, das einmal auf fotosensitive Oberflächen gefallen ist und aus diesem Grund ist das Interesse an Begriff und Phänomen des Zeugen nicht nur durch den Zeugenschaftsdiskurs des Holocaust motiviert, sondern auch und gerade als medientheoretisches Problemfeld bedeutsam. Aber was für ein Begriff von Zeugenschaft ist hier im Spiel, bzw. wie wirken medientheoretische Erwägungen auf den Begriff des Zeugen ein und umgekehrt?
Die Wissenschaftshistorikerin Jimena Canales setzt Benjamins Kunstwerk-Aufsatz und die "Kleine Geschichte der Photographie" in ihren wissenschaftshistorischen Kontext. Seine Reflexionen zur Fotografie stehen, so Canales, paradigmatisch für eine veränderte Wahrnehmung der Fotografie, die von den Zeitgenossen nicht länger als originalgetreue, sondern künstliche Abbildung der Wirklichkeit angesehen wird. Benjamins Analogie von Fotografie und Psychoanalyse nimmt Canales zum Anlass, die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft und die damit verbundene strikte Abgrenzung von hermeneutischen und experimentellen Methoden in Frage zu stellen.
Der Medienwissenschaftler und Philosoph Markus Rautzenberg untersucht in seinem Beitrag die Denkfigur des Indexikalischen. Er vergleicht dazu Benjamins Überlegungen zur Bildlichkeit mit Hans Blumenbergs Reflexionen über die Vergleichbarkeit von fotografischer Belichtung und Begriffsbildung, Charles Sanders Peirce Semiotik und Ernst Jüngers Essays "Über den Schmerz". Benjamins theoretische Aussagen zur Fotografie oszillieren nach Rautzenberg zwischen dem Ideal einer mechanischen Objektivität und einer neuplatonischen Blendungsmetaphysik. Anhand von Benjamins Texten historisiert Rautzenberg den Gegensatz von 'Magie' versus 'Technik', um zu zeigen, dass diese Unterscheidung erst mit dem Aufkommen der Fotografie denkbar wird.