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Der Deutschunterricht in den ersten Jahrzehnten nach 1800 versuchte durch Stilübungen und aus der Rhetorik übernommene Techniken die Schüler zu befähigen, Texte verschiedener Art zu verfassen und sie, wie in Bismarcks Zeugnis vermerkt ist, zur sprachlichen Gewandtheit zu befähigen. Ob die Lektüre literarischer Werke in deutscher Sprache eine der Voraussetzungen dazu sei, war umstritten. Erst in den auf das Jahr 1830 folgenden Jahrzehnten setzte sich die Ansicht durch, daß literarische Bildung, vor allem vermittelt durch die Werke 'klassischer' Schriftsteller, eine der Aufgaben des deutschen Unterrichts sei. Man könnte die Gleichzeitigkeit der Epoche "Vormärz! und des genannten Vorgangs der Aufnahme klassischer deutscher Literatur in den Unterricht der Schulen, zunächst des Gymnasiums, dann aber auch der anderen Schularten, als zufällig ansehen.
Ich stelle fest – und mich zumindest erstaunte das –, dass es zwischen Literaturwissenschaft und Biotechnologie in einem wirklich zentralen Bereich interdisziplinäre Berührungspunkte gibt. Dass auch die Frage nach dem gelingende oder scheiternde Symbolgebrauch hier hinzugehört, werde ich im Folgenden zu zeigen versuchen. Ich befasse mich zu diesem Zweck mit der Schaffung von künstlichen Menschen in der fiktionalen Literatur und frage, welche Rolle der Symbolgebrauch und die Erzeugung semantischer Information in diesem Vorgang jeweils spielt. Im Speziellen wird es gehen um die Entzifferung von Lebensschrift bei GOETHE, ARNIM und MEYRINK.
Im Rahmen der vorliegenden Fallstudie zur Bewusstmachung der Lese- Verstehens- und Recherchekompetenz bei Studierenden des Fachbereichs Übersetzen und Dolmetschen wird der Vorschlag einer didaktischen Progression bei der Strukturalisierung des Unterrichts für literarische Übersetzung erarbeitet. Dies wird am Beispiel der türkischen Übersetzungen von Goethes Briefroman "Genç Werther'in Acıları" versucht darzustellen. Zu unterstreichen ist hier jedoch, dass die Unterrichtseinheit nicht, wie es nach übersetzungstheoretischem Ansatz zu verfolgen ist, mit der Analyse des Ausgangstextes "Die Leiden des jungen Werther" (Goethe, 1774) strukturiert ist. Diese Arbeit hat zum Ziel, den Versuch einer (in Anlehnung an die kognitions- und psychologisch wissenschaftlichen Erkenntnisse) didaktisch modellierten Vorgehensweise mehrerer aufeinanderfolgenden Unterrichtsphasen zu veranschaulichen. Der Fokus liegt jedoch hierbei auf dem Einstieg in die Unterrichtseinheit, wobei der Lese- und Verstehensprozess auf seinen Verlauf hin empirisch zu untersuchen gilt. Dazu wird die Datenerhebungsmethode angesetzt, die in der Kognitionspsychologie und der Übersetzungsprozessforschung fundiert. Die Datenauswertung erfolgt deskriptiv. Dieses Orientierungsmuster, welches zum Ziel hat, die Selbstsicherheit der Studierenden in Bezug zu unterschiedlichen Teilkompetenzen wie Lesen, Verstehen und Recherchieren, zu fördern, soll aus der Grundvorlage selbstkritischer Unterrichtserfahrung zur Durchführung des angegebenen Materials im Übersetzungsunterricht anregen.
Ellen Keys Goethebild
(2007)
Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren Selma Lagerlöf, August Strindberg und Ellen Key die in Deutschland meistgelesenen schwedischen Schriftsteller. Im Gegensatz zu Lagerlöf und Strindberg schrieb die Reformpädagogin und Frauenrechtlerin Ellen Key (1849-1926) aber keine Belletristik, sondern von ihr wurden in erster Linie der pädagogische Text "Das Jahrhundert des Kindes" und die feministisch-theoretische Arbeit Über "Liebe und Ehe" gelesen. Als ihre Vorbilder wurden Jean-Jacques Rousseau und dessen Überlegungen zu "natürlicher Erziehung" des Kindes bzw. Friedrich Nietzsches Gedanke vom Übermenschen erwähnt. Daß Ellen Key sowohl zu ihrer Auffassung in Erziehungsfragen als auch zu ihrer Frauenrolle durch ihre Bewunderung für Goethe gekommen war und sogar die erste schwedische Goethebiographie geschrieben hatte, war aber damals und ist noch heutzutage in Deutschland kaum bekannt. [...] Im folgenden möchte ich zeigen, welche entscheidende Bedeutung Goethe für Ellen Keys Leben und Werk und in Anlehnung daran für die Formung des Goethebildes in Schweden gehabt hat, und auch wie Ellen Keys Goethebild entstanden ist.
In seinem Buch "Einfache Formen" (1930) entwickelt André Jolles in Auseinandersetzung mit Goethes Naturkunde die Vorstellung einer besonderen Zeitlichkeit der von ihm so genannten "Einfachen Formen", die er als "Jedesmaligkeit" bezeichnet. Jolles greift damit den morphologischen Gedanken einer Vielgestaltigkeit von Form vor dem Hintergrund der sprachwissenschaftlichen Debatten seines politisierten akademischen Umfelds in Leipzig auf, das den Saussure'schen Systemgedanken der Sprache unter Rückbezug auf Wilhelm von Humboldt holistisch umdeuten wollte. Der Aufsatz verortet Jolles' Überlegungen in der formorientierten Literatur- und Kulturtheorie der Zeit. Anhand seiner Zeitbegriffe und seines Formkonzepts wird gezeigt, wie er die zeitgenössischen Ideen der Ganzheit und der Verzeitlichung von Form im Ausgang morphologischer Fragen auf eigenwillige Weise interpretierte.
Vorwort
(2020)
Lange waren Formkonzepte dem Zug der Zeit entzogen, um dann am Ende des 18. Jahrhunderts, und prominent in Goethes Naturforschung, massiv unter ihren Einfluss zu geraten. Wenn Goethes Überlegungen zu Morphologie und Metamorphose Manifestationen der im späten 18. Jahrhundert auf breiter Front beobachtbaren Verzeitlichungsprozesse darstellen, drängt sich die Frage auf, wie das Verhältnis von Zeit und Form in der als Zeitkunst verstandenen Literatur des Autors wirksam wurde.
Nicolas Berg wirft einen Blick auf die intensive und facettenreiche Goethe-Verehrung deutsch-jüdischer Milieus um 1900. Mit Goethe habe sich im deutschen Judentum grundsätzlich die Hoffnung auf eine Anverwandlung "universeller Werte der Kultur" verbunden, und die Beschäftigung mit Goethes Leben und Werk sei aus diesem Grund weder mit bloßer "Klassikerbeflissenheit" noch mit gängigem "Kulturnationalismus" zu verwechseln. Dies erkenne man nicht zuletzt daran, dass jüdische Spielarten der Goethe-Aneignung eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Goethe keineswegs ausgeschlossen hätten. Berg erinnert an die Fülle philologischer, philosophischer wie populärwissenschaftlicher Goethe-Arbeiten von jüdischen Autoren. Von besonderer Attraktivität sei dabei oft der Goethe'sche Bildungsgedanke gewesen, da dieser die Überwindung "beruflicher Barrieren" wenigstens im Imaginären zugelassen habe. Das Bedürfnis nach einem Ausweis deutsch-jüdischer Affinitäten zeige sich darüber hinaus an der Behauptung einer inneren Verwandtschaft v. a. zwischen Spinoza und Goethe, die spätestens um 1900 zum Topos aufsteige. Der Blick auf die gesellschaftspolitischen Realitäten der Zeit drohe freilich, die gesamte Konstellation als traurige "Phantasmagorie" offenzulegen.
Goethes Opus summum Faust ist - wie keine andere seiner Dichtungen - ein Werk voller Musik, von durchaus realisierbarer, ja oft genug realisierter Bühnenmusik, also von instrumentalen, lied- und kantatenhaften Einlagen über szenische Analogien musikdramatischer Formen bis zu einer imaginären oder symbolischen Welt der Töne. Kaum eine dramatische Dichtung der Weltliteratur ist so sehr von unhörbarer Musik erfüllt und trotz der zahllosen kompositorischen Annäherungsversuche, trotz der deutlich opernhaften Strukturen des zweiten Teils letzten Endes doch so unkomponierbar wie Faust.
Die Zeit danach vorstellen : Überlebensfiguren bei Goethe, Kleist, Nietzsche und Heiner Müller
(2009)