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Das Gedicht „Ungeduld“, mit der Anfangszeile „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“, erschien 1820 in der Sammlung "Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten". Ähnlich wie „Der Lindenbaum“ wurde auch dieses Gedicht Wilhelm Müllers im 19. Jahrhundert zum Volkslied, das vielfach komponiert, unzählige Male illustriert und auch parodiert wurde. Die Wendung „Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!“ wurde als Liebes- und Treueschwur zum geflügelten Wort. Mit dem Text und einer Biographie des „Griechenmüller“ publiziert das Goethezeitportal 27 alte Postkarten mit gemalten oder fotografierten Motiven dieses Liedes.
Das Gedicht „Der Lindenbaum“ (1823), mit den Anfangszeilen „Am Brunnen vor dem Tore / Da steht ein Lindenbaum“, aus dem Zyklus „Die Winterreise“ von Wilhelm Müller ist zum Volkslied geworden. Es wurde mehrfach komponiert, vor allem durch Franz Schubert, und vielfach illustriert. Mit dem Text und einer Biographie des „Griechenmüller“ publiziert das Goethezeitportal 20 alte Postkarten mit gemalten oder fotografierten Motiven dieses Liedes.
Varianten oder Zeichen : zur Diskussion um die Textlichkeit der Bibel von Spinoza bis Derrida
(2007)
»Die Bibel: iss für mich’n unordentliches Buch mit 50 000 Textvarianten. Alt und buntscheckig genug, Liebeslyrik, Anekdoten [...]«. Zugegeben: Arno Schmidt, in dessen 1955 erschienener Erzählung Seelandschaft mit Pocahontas sich der dem Verfasser keineswegs unähnliche Protagonist derart spöttisch äußert, mag nicht gerade der berufenste Kommentator für die Heilige Schrift sein! Allzu oft und unmissverständlich hat dieser sogenannte ›Solipsist in der Heide‹ klar gemacht, dass er sich als Atheist verstand und auch als solcher verstanden wissen wollte. Aber trotzdem: Wer der Bibel nicht glaubt, der kann sie womöglich umso unbefangener als Text wahrnehmen, kann sich eventuell umso ernsthafter mit ihrer Sprachlichkeit auseinandersetzen und Qualitäten erkennen, die über den theologischen Wahrheitsgehalt hinausreichen und doch mit der Frage nach der Wahrhaftigkeit des Schriftsinns verbunden bleiben.
Stifter-Gänge
(2007)
Ist 'das Ding' Stifters liebstes Substantiv, so darf 'gehen' als sein bevorzugtes Verb gelten. In der Erzählung 'Der Waldgänger' sieht sich etwa der an einem lebensweltlichen und geographischen "Scheidepunkte" innehaltende Wanderer von einer Landschaft umgeben, in der die Dinge buchstäblich ihren Gang gehen:
'Ganz oben, wo das Thal mit noch geringer Tiefe anfängt, begann auch ein winziges Wasserfädlein, neben dem Wanderer abwärts zu gehen. Es ging in dem Rinnsale neben dem Wege unhörbar und nur glizzernd vorwärts, bis es durch die Menge des durch die Höhen sickernden Wassers gestärkt vor ihm plaudernd und rauschend einher hüpfte, als wolle es ihm den Weg durch die Thalmündung hinaus zeigen [...]. Sie gingen an manchem Waldabhange, an mancher schattigen Stelle vorbei [...], sie gingen an manchen zerstreuten Häuschen, an mancher Mühle, an mancher auf einem tiefgelegenen Wiesenflecken weidenden Kuh vorüber, bis endlich nach einigen Stunden Wanderns [...] die hingebreitete große Ebene begann. Der Bach ging breit und wallend links gegen die Felder und Bäume [...]. (WG, 98f)'
Dem Gang der Dinge untersteht der Lauf der Welt. Diese Identität von Naturvorgängen und Lebensläufen immer neu, allen Irrwegen und Katastrophen, allen Sprüngen und Brüchen zum Trotz, unter Beweis stellen zu wollen, tritt Stifters Autorschaft an. Trauma und Trost seines Universums liegen beschlossen in dem fast stereotyp wiederkehrenden Satz: "Und so ging es immer fort."
Schiller-Motive auf Postkarten : eine Dokumentation ; Wilhelm Tell ; Verlag Theo Stroefer, Nürnberg
(2007)
Die anonyme Postkartenserie wurde vom Kunstverlag Theo Stroefer in Nürnberg zum 100jährigen Jubiläum von Schillers „Wilhelm Tell“ 1904 oder aus Anlass der Schillerfeiern 1905, zum 100. Todestag des Dichters, auf den Markt gebracht. Die Illustrationen bilden ein historisches Zeugnis der Schillerrezeption. Den Bildern gibt das Goethezeitportal den Bezugstext bei.
Zum 100. Todesjahr Schillers brachte der Verlag von Hans Bleher in Stuttgart eine sechsteilige Postkartenserie heraus. Die Karten sind Montagen von Bildern aus den jeweiligen Lebensabschnitten und Schaffenszeiten: Bildnisse, Ansichten von Erinnerungsorten, Szenen aus Dramen etc. Dieses Bildmaterial wird auf den sorgfältig gestalteten Karten, einem Dokument der Schillerfeiern 1905, erläutert.
Dass der Name Spinoza und seine Schriften in der philosophischen und literarischen Rezeption des 17. und 18. Jahrhunderts für eine spezifische Form des kritischen Denkens stehen, die insbesondere in den Beiträgen und Debatten einer radikalen Aufklärung verhandelt wird, ist seit den Studien Paul Vernières ("Spinoza et la pensée française avant la Révolution". Paris: PUF 1954) und Winfried Schröders ("Spinoza in der deutschen Frühaufklärung". Würzburg: Königshausen und Neumann, 1987) bekannt. Der genannte Zusammenhang zeigt sich indessen in Yves Cittons Studie unter einem völlig neuen Blickpunkt. Der Einsatz des Buchs ist, wie bereits der Titel signalisiert, ein doppelter: Zum einen geht es um jene philosophisch-systematische Problematisierung des Freiheitsbegriffs, wie sie Spinoza in seinem Hauptwerk, der Ethik, durchführt. Zum anderen gilt die Aufmerksamkeit den vielfältigen Resonanzen und Fortschreibungen, die das 'System' Spinoza in den Kreisen der philosophes, den Diskussionen der Salons und in Romanen der französischen Aufklärung hervorruft. Die Arbeit rekonstruiert diese beiden in Form und Stil gänzlich verschiedenen Diskursstränge, indem sie sie in einer parallelen, durchgängig auf zwei Ebenen geführten Lektüre miteinander konfrontiert. Die Resonanz, die die spinozistischen Topoi in den Debatten und literarischen Fiktionen der Aufklärung erhalten, zeugt von der produktiven Anregungskraft des Spinozaschen Ansatzes, der sich so weniger als ein fertiges Denkgebäude denn als eine kombinatorische "Maschine der Ideenproduktion" ("machine-à-articuler-de-la-pensée", S. 19) erweist. Ob die Umschriften und Interpretationen des unter dem Namen Spinoza tradierten Gedankenguts, die die philosophische Imagination des 18. Jahrhunderts auf solche Weise hervorbringt, noch durch die Autorität der Spinozaschen Texte gedeckt sind, lässt sich dabei zumeist nicht ohne weiteres entscheiden. Von daher ist die Diskussion, die dort im Zeichen des Spinozismus geführt wird, unter Begriffen wie ‘Einfluss' oder 'Rezeption' kaum zureichend zu erfassen (vgl. S.43). Zutreffender lässt sich, wie Citton vorschlägt, das imaginaire spinoziste, das aus jenen Debatten hervorgeht, als Produkt der inventio, als 'Erfindung' beschreiben (S. 42-43). Die Vorstellung einer Erfindung des Spinozaschen Projekts verdankt sich dabei weniger, wie man zunächst meinen könnte, einer postmodernen oder poststrukturalistischen Inspiration, sie kann sich vielmehr auf die Selbstbeschreibungen der Epoche berufen. Schon von einem zeitgenössischen Beobachter des 18. Jahrhunderts, der der anti-spinozistischen Offensive angehört, Joseph Adrien Lignac, wird das Tun derer, die er für Spinozisten hält, als eine "invention" bzw. "seconde invention" beschrieben (S. 42). Man mag ein Moment von Ironie darin sehen, dass an dieser re-inventio des Spinozaschen Projekts, die zugleich eine Radikalisierung und eine Refundierung ist, offenbar auch diejenigen teilhaben, die es, der Intention nach, in aller Entschiedenheit angreifen und bestreiten. Die anti-spinozistischen Gegner befördern, ohne es zu wollen, die Verbreitung und Vertiefung jenes spinozistischen Gedankenguts, das sie prima facie bekämpfen (vgl. S. 44-45). Mehr noch: Die Gegner sind bisweilen sogar die scharfsichtigeren Leser Spinozas: in ihren Polemiken lassen sie die radikaleren Implikationen von Spinozas Entwurf mitunter deutlicher zutage treten als seine spinozistischen Nachfolger. Zur Verwischung der Grenze von Diskurs und Gegendiskurs, die sich hier zeigt, tragen indessen, wie Citton scharfsinnig beobachtet, auch die Spinozisten bei. Denn auch sie schließen keineswegs nur in positivem oder bestätigendem Sinne an Spinoza an. Im Gegenteil: diejenigen, die Spinozas Konzept fortschreiben, berufen sich kaum je in zustimmender Weise auf ihren 'Meister'. Charakteristisch für dessen aufklärerische Nachfahren ist vielmehr ein Moment der Negation, der zumindest partiellen Zurückweisung, durch das sie sich vom 'System' Spinozas abzugrenzen und zu unterscheiden suchen (vgl. S. 39-40, 43-44).
Von Edgar Allan Poe über Charles Baudelaire bis zu Walter Benjamin und Franz Hessel gilt der Typus des Flaneurs als ein ebenso faszinierender wie unverzichtbarer Bestandteil der modernen Großstadterfahrung, anhand dessen sich eine für den Epochenwandel im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert charakteristische Haltung bzw. Verhaltensform beispielhaft nachvollziehen lässt. Aus dem unvollendeten ‚Passagenwerk‘ Walter Benjamins ist der flanierende Großstadtbewohner nicht wegzudenken, der bevorzugt die Auslagen der Schaufenster besichtigt und - gelegentlich in Begleitung von angeleinten Schildkröten - durch die Passagen spaziert. Er ist offensichtlich beides zugleich: ein symptomatisches Phänomen der Kultur moderner Metropolen und ein Gegengewicht zu jener Beschleunigungserfahrung im Fahrwasser von Modernisierungsprozessen, insofern er die selten gewordenen Eigenschaften der Langsamkeit und Beschaulichkeit kultiviert. Während die erwähnten Beispiele vertraute Erscheinungsformen im Panorama der Literaturgeschichtsschreibung bilden und in Darstellungen zur literarischen Moderne in Europa entsprechend häufig genannt und zitiert werden, lassen sich neben den bekannten Autoren und Texten zu Figur und Habitus der flanierenden Müßiggänger durchaus noch Quellen entdecken, die bislang eher wenig Berücksichtigung gefunden haben. Margaret A. Rose hat mit ihrem neuen Buch Flaneurs & Idlers eine bemerkenswerte Edition von zwei bislang schwer zugänglichen Texten aus dem Umkreis der Kulturgeschichte des Flaneurs vorgelegt. Gemeint sind Louis Huart, "Physiologie du flâneur" und Albert Smith, "The Idler upon Town" (1848).
Goethes »Faust«, dessen erster Teil unter dem Titel »Faust. Eine Tragödie« zur Ostermesse 1808 erschien, regte bald Illustratoren an. Der junge Peter Cornelius zeichnete ab 1809 Blätter zu diesem Werk und ließ sie durch Sulpiz Boisserée – einem der frühesten Sammler altdeutscher Malerei und Verfechter der Vollendung des Kölner Domes – Goethe zukommen, der die glückliche Verschmelzung von Form und Inhalt lobte, jedoch vor Überschätzung der altdeutschen Kunst warnte. Die 12 Blätter eschienen mit einer Widmung an Goethe 1816 bis 1826 im Verlag von F. Wenner in Frankfurt. Das Goethezeitportal publiziert alle Zeichnungen und fügt Dokumente zur Entstehungsgeschichte wie zur Aufnahme durch Goethe bei. Die Kompositionszyklen von Cornelius, Moritz Retzsch und Eugène Delacroix, die bedeutendsten zu Goethes Lebzeiten, können nun miteinander verglichen werden.
In Jonathan Safran Foers bebildertem Roman Extremely Loud & Incredibly Close (2005) erzählt das neunjährige Wunderkind Oskar von seiner Suche nach dem Schloss, das zu jenem Schlüssel passt, welchen er im Wandschrank seines Vaters gefunden hat. Auslöser für die Suche ist die Trauer um den Vater Thomas Schell (Junior), der durch den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 stirbt. Neben diesem main plot wird auch die Geschichte des Großvaters Thomas Schell (Senior) und der Großmutter Oskars erzählt, die nach der Bombardierung Dresdens nach New York City emigrieren. Im Folgenden soll näher untersucht werden, inwiefern in Extremely Loud & Incredibly Close auf der erzählerischen und vermittelnden Ebene - unter besonderer Berücksichtigung der Abbildungen - ästhetische und textuelle Konstruktionsprozesse thematisiert bzw. reflektiert werden.