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Anhand des wissenschaftsphilosophischen Sachbuches "Der Baum der Erkenntnis" ("El árbol del conocimiento"), das in den 1980er Jahren von den chilenischen Biologen und Neurowissenschaftlern Humberto Maturana und Francisco Varela in spanischer Sprache veröffentlich wurde und für den Soziologen Niklas Luhmann zu einem wichtigen Standbein seiner Theorie der Gesellschaft und der sozialen Systeme wurde, soll gezeigt werden, wie einerseits Selbstübersetzung von der Wissenschaft in die Öffentlichkeit und andererseits Fremdübersetzung von der einen Sprache in die andere - in diesem Fall aus dem Spanischen ins Deutsche und Englische - Interferenzen und Reibungen innerhalb des Wissenstransfers produzieren. Zunächst soll ein Überblick über die unterschiedlichen Formen des Popularisierens als interdiskursive Selbstübersetzung gegeben werden. Im zweiten Teil wird dann die interlinguale Übersetzungsleistung diskutiert, die das spanische Original durch jeweils andere Sprach- und Forschungskontexte leicht verändert und dem fremdsprachigen Begriffsrepertoire einverleibt. Zuletzt soll in einem dritten Teil mit Rückgriff auf Luhmann das Prinzip der Autopoiesis als ein Prozess ausgewiesen werden, der bereits in "El árbol del conocimiento" nicht einfach als ein Wissenstransfer zu verstehen ist, sondern als ein Transfer der Bedingungen, wie Wissen im Übersetzen vom Übersetzen entsteht.
Die maßgebliche Position des Übersetzungskonzepts ergibt nicht nur aus dem unweigerlich vielsprachigen, migrierenden und interdisziplinären Denken des Philosophen, Psychoanalytikers, Ökonomen und Aktivisten Cornelius Castoriadis. Vielmehr existiert ein konkreter Kern des Translatorischen in den zwei konstitutiven Gegenständen seiner Philosophie, im Imaginären einerseits und anderseits in der Politik, die auf die imaginäre Verfasstheit der Gesellschaft zurückgeht. Ob also Castoriadis seinen eigenen Text vom Französischen in die griechische Sprache überträgt oder ob er die Vorstellungswelt der kapitalistischen Gegenwart beschreibt - in beiden Fällen geht es um die Übersetzung als einen kreativen Prozess innerhalb der Sprache, des Denkens oder der Politik.
Die komplexe und diffizile Frage, der im vorliegenden Beitrag nachgegangen werden soll, ist die nach Heines Eigenschaft als Selbstübersetzer, womit das Hauptaugenmerk auf die sprachlichen d. h. mehrsprachigen Grundlagen seiner Vermittlungstätigkeit gerichtet wird. Denn die Bezeichnung Heines als Selbstübersetzer kann im Gegensatz zur Assoziierung mit dem Begriff des Kulturtransfers durchaus überraschen. Mit Heines Sprachkompetenz im Französischen und dem auktorialen Status seiner französischen Schriften werden Forschungsfragen berührt, die in der Heine-Kritik von ihren Anfängen bis heute durchaus kontrovers diskutiert werden. In diesem Zusammenhang wäre auch nachzudenken über den für die Analyse von Heines Schreib- und Veröffentlichungspraxis relevanten Begriff von Übersetzung bzw. Selbstübersetzung. Kann man im Falle Heines wirklich von einem alleinigen deutschen Original sprechen und den französischen Fassungen seiner Schriften - wie oft geschehen - einen bloß sekundären Status zuweisen? In diesem Problemzusammenhang spielt neben den textgenetischen und sprachlich-translatorischen Aspekten auch die Perspektive der Selbstdarstellung bzw. Selbstvermarktung des Dichters eine bedeutende Rolle, insofern man bei Heine von einer regelrechten Inszenierung als zweisprachigem Autor reden kann. Die von mir im Folgenden vertretene These wird hierbei lauten, dass Heinrich Heines durchaus fragwürdiger Status als Selbstübersetzer über normative Übersetzungs- und Sprachkompetenzkriterien hinaus vor allem als doppelte - d. h. binationale und zweisprachige - 'auctoritas' aufzufassen ist. Anders gesagt: Über die komplexe Frage der Textgenese hinaus soll die von Heine bewusst eingenommene Rolle als direkter Akteur zweier nationaler Wissenssysteme betont werden. Unter diesem Blickwinkel wird nicht zuletzt ein bemerkenswerter Nexus zwischen den vermittelten Wissensinhalten und deren sprachlichem Transfer sichtbar. So soll gezeigt werden, dass Heines dezidiert antinationalistisches, kosmopolitisches und universalistisches Denken zwischen Deutschland und Frankreich seine formale Entsprechung in einer interlingualen Wissenszirkulation zwischen der deutschen und der französischen Sprache findet, in deren Medium die von ihm entwickelten und vermittelten Theorien und Thesen prozessual entwickelt und weitergeschrieben werden. Eine solche Sichtweise auf Heine als translingualen Schriftsteller wurde bisher nicht immer ausreichend von der Forschung berücksichtigt und gewürdigt. Wie allgemein im Zusammenhang mit bikulturellen und bilingualen Autoren sowie sprachlich hybriden Schreibverfahren wird man mit blinden Flecken der Forschung und nationalphilologischen Widerständen konfrontiert, die eine mehr oder weniger symbolische 'Vereinsprachigung' von Heines Werken befördern oder implizieren. Dieser Umstand betrifft nicht nur die deutsche Heine-Rezeption, sondern ist bedauerlicherweise auch in der interkulturell aufgestellten französischen Germanistik der jüngeren Zeit zu beobachten, wie ich in einem abschließenden Exkurs zeigen möchte.
Zwar verfasste und veröffentlichte Schlegel das Gros seiner Schriften auf Deutsch, mehrere wichtige Publikationen erschienen aber auf Französisch und Latein. Schlegels berühmte Übersetzungsleistungen und seine mehrsprachige Publikationspraxis legen die Vermutung nahe, er habe sich als Selbstübersetzer betätigt, um etwa seine deutschsprachigen Schriften für ein internationales Publikum zugänglich zu machen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Entweder wurden seine Schriften von Dritten übersetzt, mit oder ohne Mitwirkung des Autors, oder er selbst hat die jeweilige Schrift direkt in der Fremdsprache verfasst. Diese Sprachwahl ist meines Erachtens ein wesentlicher Grundzug von Schlegels Publikationsstrategie. Schlegel übersetzte seine Schriften weder selbst noch gab er sie als Selbstübersetzungen an. Und trotzdem lässt sich bei Schlegel das Phänomen der Selbstübersetzung feststellen. Denn er übernahm frühere Gedanken, Ausdrücke und Botschaften in neue, in einer anderen Sprache verfasste Schriften und passte sie dem Zielpublikum an. So tauchen äquivalente Textpassagen, seien es einzelne Sätze, seien es ganze Absätze, in Texten auf, die in unterschiedlichen Sprachen verfasst wurden. Diese Selbstübersetzungen spiegeln auf einer interlingualen Ebene die enge intertextuelle Vernetzung seines scheinbar disparaten Werks wider und sind eng mit analogen intralingualen Verfahren wie Kommentieren, Paraphrasieren, Zusammenfassen oder Zitieren verbunden, die Schlegels Schreib- und Arbeitsweise prägen. Seine Texte zeichnen sich durch eine starke Selbstreferenz aus, die über die häufig vorkommenden und selten ausgewiesenen Selbstzitate sowie die Übernahme und Weiterentwicklung bereits an anderer Stelle ausformulierter Gedanken hinausgeht. Zunächst soll Schlegels selbstreferentielle Schreibweise anhand eines kurzen zweisprachigen Textvergleichs veranschaulicht werden (I.). Anschließend wird im Hauptteil dieses Beitrags (II.) Schlegels Selbstübersetzung anhand der "Comparaison entre la Phèdre de Racine et celle d'Euripide" und der Wiener Vorlesungen "Über dramatische Kunst und Literatur" beleuchtet. In einem abschließenden Abschnitt (III.) soll die mehrsprachige Publikationspraxis hinterfragt und die Bedeutung der Sprachwahl für Schlegels Denken erläutert werden.
Seit Jacob Burckhardts Thesen zum Individualismus in der Renaissance gilt das 'Selbst' als eine eingehend diskutierte Größe, die ungeachtet ihrer diversen Erscheinungsformen nicht nur als das bündige Kennzeichen einer Schwellenzeit, sondern geradezu als ihr alleiniges Produkt angesehen wurde: die Epoche zwischen Spätmittelalter und Aufklärung steht schlichtweg für den 'Ursprung' der modernen Individualität. [...] Dem wohl prominentesten oratorischen Initiator, der explizit für eine 'reformatio mundi' steht, widerfuhr seitens der historiographischen Nachwelt bezeichnenderweise beides, eine ergebene Verklärung als Führergestalt sowie die Apotheose im prometheischen Schema: Martin Luther gilt bis heute nicht nur als 'Rebell' oder 'Revolutionär', sondern vor allem auch als 'Schöpfer der deutschen Schriftsprache'. Spätestens hier gilt es zu differenzieren. Gerade die Person des Wittenberger Gelehrten, Predigers und Seelsorgers gibt Anlass zur sorgsamen Klärung eines frühneuzeitlichen Selbst-Bewusstseins. Das Selbst-Verständnis des Augustinermönchs gründet zunächst ausschließlich in theologischen Traditionen und ist daher vor allem mit Komposita wie 'Selbsterforschung', 'Selbstgespräch' ('soliloquium') und 'Selbsterkenntnis' ('cognitio sui') in Verbindung zu bringen. Diese Kategorien aber sind primär und unlösbar an die Sündhaftigkeit jedes einzelnen Menschen gekoppelt [...] Und dennoch - in diesem der Moderne eher fremd anmutenden Katalog der genannten Komposita begegnet tatsächlich auch die 'SelbstÜbersetzung': als Praxis und Phänomen wie in Form erhellender Paraphrasierungen. Voraussetzung für die Praxis scheint zunächst ein Geschehen auf der machtpolitischen Ebene zu sein. Mit dem Rückgang der von Papst und Kaiser getragenen Universalherrschaft im westlichen Europa, mit dem Schwinden eines nachantiken Herrschaftsanspruchs ('translatio imperii') im Sinne des mittelalterlichen römischen Reichsgedankens ist gleichermaßen auch der rasch fortschreitende Rückgang des Lateinischen als flächendeckende Gelehrten- und Verwaltungssprache eingeleitet. Indem nun die einzelnen regionalen Teilherrschaften nach politischer Autonomie streben, erhält auch die polyphone Sprachkultur Europas einen neuen Stellenwert: weitgehend noch pränationale, also eher territoriale Interessenkollektive verlegen sich auf die Regelung ihrer Angelegenheiten im eigenen Idiom. Dieses kann damit aus dem Schattendasein eines als 'laienhaft' und 'illiterat' verachteten Ungenügens heraustreten und sich als vollgültiges Pendant der antiken Vorgaben erweisen. [...] Ein zweites Novum tritt zeitgleich hinzu. Zwecks parteigebundener Regelung der lokalen und bald auch der bi- oder multilateralen Angelegenheiten erhalten die antiken Vorgaben der Redekunst eine neue und sehr zentrale Funktion: das vor Ort im Sinne bestimmter Interessen auftretende Einzel- oder Kollektivsubjekt (Territorialgewalt) artikuliert sich sprachlich-persuasiv, vertritt einen lokalen Standpunkt ('opinio' / 'point de vue') und versucht seine Zuhörer durch Überzeugung zu einem politisch wirksamen Handeln zu bewegen. Hierfür dient der Autortext, ebenso aber auch seine zweckgerichtete Übersetzung. In dieser konkretisiert sich ein Subjekt nicht nur als Mittler zwischen Parteien, Ständen und Interessen, sondern auch zwischen Sprachen und Kulturen.
Die Funken der Erlösung : Journal zur Übersetzung des Romans "Die Jakobsbücher" von Olga Tokarczuk
(2020)
"Für unsere Übersetzung waren all diese Überlegungen insofern bedeutsam, als wir zu entscheiden hatten, welche kulturhistorischen Verortungen wir schaffen, welche Konnotationen wir aufrufen wollten - durch die Verwendung eben dieses oder jenes Wortes -, und mit welchen Mitteln es möglich wäre, auch das Prozesshafte der Geschichte abzubilden, den Weg, den Jakob und Frank und seine Compagnie zurücklegen, im Sinne der physischen wie der kulturellen Topographie."
Am 23. April 1967 hält Theodor W. Adorno im Deutschlandfunk einen Radiovortrag über Stefan George. Es ist nicht das erste Mal, dass Adorno sein ambivalentes Verhältnis zu dessen Dichtung thematisiert: Nachdem er unter dem Einfluss der Zweiten Wiener Schule zwischen 1925 und 1928 einige von Georges Gedichten vertont hatte, 1939/40 den Briefwechsel zwischen George und Hugo von Hofmannsthal besprochen hatte, 1957 auch in "Lyrik und Gesellschaft" ausführlich auf George zu sprechen kam, stellt Adorno in diesen bilanzierenden Überlegungen noch einmal die Frage, was an George überhaupt zu 'retten' sei. Er greift damit eine Problematik auf, die auch Walter Benjamin Zeit seines Lebens beschäftigt hat. [...] Insbesondere in Georges Baudelaire-Übersetzungen löse sich das ein, was wiederum Benjamin von einer gelungenen Übersetzung "forderte" - die rücksichtslose, fast gewalttätige Erweiterung der (eigenen) Sprache, ihr ephemerer Charakter, die beinahe "wörtliche Versenkung in die andere Sprache". Auch wenn Adornos Eloge auf Georges Übersetzungen deren Qualität sicherlich gerecht wird, befremdet doch die Nähe, in die an dieser Stelle Georges Veränderung der deutschen Sprache und Benjamins Reflexionen zur Übersetzung gerückt werden. Adorno übergeht in seiner Überblendung von Georges Praxis und Benjamins Übersetzungstheorie einen zentralen Punkt, dem sich die folgenden Überlegungen widmen wollen: Benjamins (Neu-)Übersetzung Baudelaires samt ihrem Vorwort "Die Aufgabe des Übersetzers" gewinnt aus der polemischen Distanzierung von George und seinem Kreis überhaupt erst Gestalt, sein übersetzerischer Anspruch ist in radikaler Abgrenzung zu George konzipiert. Um Georges antagonistische Rolle in Benjamins Theorie und Praxis der Übersetzung zu verdeutlichen, sollen vor allem der literaturbetriebliche Kontext von Benjamins "Die Aufgabe des Übersetzers", die Akteure, gegen die er sich wendet, sowie die Metaphern und Bilder, in die Benjamin seine Theorie der Übersetzung kleidet, in den Blick gerückt werden. Zunächst gilt es dafür, das komplexe Verhältnis Benjamins zu dem Übersetzervorbild und -antipoden George sowie dessen Kreis zu skizzieren. Ich möchte mich dann insbesondere auf das Bild vom "inneren Bergwald der Sprache selbst" konzentrieren, das Benjamin an zentraler Stelle als subtile Spitze gegen George und dessen Dante-Übersetzung verwendet. An diesem Bild erhellt sich zugleich das von Benjamin herausgestellte distanzierte Verhältnis des Übersetzers zu seinem Material, die sogenannte 'Aufgabe des Übersetzers'.
"Wie kann ich die Čechen differenzieren? In städtische u. ländliche (Machar u. Brezina)?" fragte Hugo von Hofmannsthal unsicher Hermann Bahr, als er den Editionsplan für die "Österreichische Bibliothek" konzipierte. Die Frage mag, was die tschechische Literatur betrifft, etwas naiv erscheinen, sie zeigt jedoch, dass Hofmannsthal zumindest von zwei markanten Vertretern der frühen tschechischen literarischen Moderne eine gewisse Kenntnis besaß. Der Dichter und Feuilletonist Josef Svatopluk Machar (1864–1942) lebte seit 1889 in Wien. Bahr hatte ihn im Juli 1892 kennengelernt und bei der Gründung der Wochenschrift "Die Zeit" mit ihm zusammengearbeitet, und auch nach Bahrs Rückzug von dieser Zeitschrift 1899 fungierte Machar als wichtiges Verbindungsglied zu tschechischen Schriftstellern und Politikern einschließlich T. G. Masaryks. In der deutsch-österreichischen Presse zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Machars Namen zu stoßen, war nicht schwer. Öfters wurden seine Konflikte mit der katholischen Kirche erwähnt, die er mit seinen Feuilletons, Gedichten und Vorträgen provozierte. Zudem war er zum meistübersetzten tschechischen Dichter avanciert. Grund hierfür waren nicht nur die Qualität seines Werkes und seine wachsende Popularität bei tschechischen Lesern - derlei tschechische Schriftsteller ließen sich mehrere finden. Der Hauptgrund bestand vielmehr darin, dass er in Wien lebte und etliche seiner dortigen Freunde ihn übersetzt hatten. Einer von ihnen war Emil Saudek, der Hofmannsthal auf den zweiten der oben genannten tschechischen Dichter, den Symbolisten Otokar Březina, aufmerksam machte. Dieser bislang wenig bekannte Umstand soll im Folgenden beleuchtet werden.
Als eines der "treibenden Kräfte" des Internets kann das populäre Videoportal YouTube angesehen werden, das täglich von Millionen von Internetnutzern besucht wird. Es ist nicht nur ein Online-Feld, in dem Menschen aus aller Welt Videos aus den unterschiedlichsten Weltbereichen oder ihrer Interessen teilen, sondern auch aus sprachlicher Sicht handelt es sich um einen faszinierenden Ort. Dies spiegelt sich in der sog. YouTube-Sprache wider, die das Hauptthema dieses Beitrags ist. Das Hauptziel des Beitrags ist es dabei, auf das Phänomen "YouTube-Sprache" aufmerksam zu machen und sie in Bezug auf die Merkmale der Internetsprache zu behandeln. Das zusammenhängende Ziel ist es, durch konkrete Beispiele darauf hinzuweisen, wie sich diese "Sprache" im Deutschen, bzw. im deutschsprachigen YouTube-Bereich, manifestiert. Ein weiteres Ziel besteht in der Klärung einiger angeführter Beispiele der YouTube-Sprache, d.h. der Wörter, bzw. Wortverbindungen, die zum gesamten Charakter dieser Sprache beitragen.