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Die Frage nach Konflikten zwischen den Rechtskulturen der USA und Deutschlands wirft ein kürzlich erschienener zweisprachiger Sammelband auf. Wer aber so fragt, der fragt nach mehr als Differenz. Er sucht nach Differenz in Interaktion, in der unterschiedliche Geltungsansprüche gleichzeitig erhoben werden. Sonst ginge es um das weniger abenteuerliche Vergleichen eines Nebeneinander. Leider bleibt die Publikation der Bayerischen Amerika-Akademie aber hierbei stehen und streift die emphatische Frage ihres deutschen Titels nur in Einzelbeobachtungen. Der Einfluss des amerikanischen Rechts in vielen internationalen Verträgen – Ausdruck der politischen Hegemonialstellung der USA – und die Dominanz amerikanischer Juristen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung der USA – hätten jedoch Anlass gegeben, immunologische Reaktionen an lebenden Rechtskörpern zu studieren. So aber bleibt es bei der In-vitro-Insemination des deutschen Lesers mit Hinweisen darauf, dass und warum die anderen es anders machen (etwa in Beiträgen zur Kriminalprävention von Streng und Kelling oder zum Jugendstrafrecht von Silverman). In letzterem, in kulturhistorischen Erklärungsversuchen des Warum, findet der Band freilich seinen gedanklichen Schwerpunkt und einige interessante Einsichten. Lamento also nach hinten und Lob nach vorne. ...
Das hier zu besprechende Buch könnte durchaus im Regal der Ratgeberliteratur stehen, wo es von einem klugen Buchhändler unter Titeln wie "Easy self-business" oder "Einmaleins des modernen Karrieremanagement" eingeordnet wurde. Dabei handelt der Band gar nicht von den Schremps, McKinseys oder Kerrys unserer Tage. Seine Helden gehörten stattdessen allesamt dem vornehmsten Gremium der heiligen römisch-katholischen Kirche an, waren erfolgreich bei ihrer "Jagd nach dem roten Hut", sind einmal im Zeitraum zwischen 1500 und 1800 von Päpsten zu Kardinälen kreiert worden. Durch die Art und Weise jedoch, wie in diesem Sammelband ein gutes Dutzend purpurrote Kurienkarrieren aus dem Zeitalter des Barock nachgezeichnet werden, treten soziale Muster und Gesetzmäßigkeiten, persönliche ‚hard‘ und ‚soft skills‘ zutage, von denen man einige für verblüffend aktuell halten mag – Faktoren und Fähigkeiten, die auch heute noch nach oben befördern, und dies längst nicht nur auf Kirchentreppen. Ein solcher Befund könnte im allzu seriösen Geschichtswissenschaftler den Verdacht schüren, hier handle es sich um triviale Rückprojektionen einer viel späteren Zeit in doch so ganz andere geschichtliche Epochen hinein. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Denn die Wahrnehmung historischer Alterität wird in der Einführung des Herausgebers als geradezu konstitutiv für das angewandte historiographische Konzept erklärt: Ihr hohes Credo der Unterhaltsamkeit ("Wir wollen den Leser über das Leben in der Vergangenheit informieren und ihm dabei die Beschäftigung mit dieser Vergangenheit so leicht, so angenehm, so unterhaltsam wie möglich machen", S. 7) können die Autoren erklärtermaßen nämlich nur dann erfüllen, wenn sie das "Spannungsverhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart" (S. 8) wirklich herausarbeiten, also die historisch fernen Wertesysteme, Etiketten und Rahmenbedingungen aus ihrer Zeit heraus zu verstehen suchen und in ihrer ganzen Gegenwartsdifferenz auch deutlich machen. Dass am Ende dem heutigen Leser dann doch so vieles bekannt und karrieretechnisch immer noch brauchbar erscheint, spricht nicht allein – aber auch – für katholisch-konfessionskulturelle Genialität im Umgang mit anthropologischen Konstanten. Jedenfalls mag das durchweg herzerfrischend geschriebene Buch aufgrund einer solchen Aktualität seinen Weg nicht nur auf die Schreibtische der gelangweilten Zunft, sondern auch auf die Nachttische der schlaflosen Aufsteiger von heute finden! ...
Eine Schlinge ist eine Schlinge. Zugleich ist sie ein markantes Symbol für den Tod durch Erhängen. Doch galt das Zeichen der Schlinge für diese grausame Tötungsart erst seit dem 18. Jahrhundert, als der spezifische Henkersknoten erfunden worden war. Zuvor wurden die zum Tode Verurteilten von einer Leiter aus mit einem Strick um den Hals an eine Leine gehängt und die Leiter dann weggestoßen. Entsprechend war das Symbol für die Strafe des Strangulierens eine Leiter. Der Kunstwissenschaftler Samuel Y. Edgerton, der in seinem wunderbaren Buch Pictures and Punishment von 1985 die Bestrafungsszenen auf Bildern als rechtshistorische Quelle erschlossen hat, schreibt in dem Sammelband Kunst als Strafe über den Nutzen, den Künstler lange Zeit aus der Todesstrafe zogen. Die Getöteten und anschließend Sezierten boten im Mittelalter und der Renaissance das beste anatomische Anschauungsmaterial für die Maler menschlicher Körper. So hat beispielsweise auch das bekannte Werk von Andreas Vesalius De fabrica corporis humani von 1543 von den Hingerichteten profitiert. ...
Flächenverbrauch und Landschaftszerschneidung gehören mit immer noch steigender Tendenz zu den gravierenden Umweltproblemen in der heutigen Zeit. Verantwortlich dafür sind vor allem der Bau von Verkehrsanlagen sowie von Energietrassen und -leitungen. Die Zerschneidung von Lebensraumen ist eine der wesentlichsten Ursachen für den besorgniserregenden Arten- und Lebensraumverlust. Durch den Barriereeffekt von Straßen wird die Wiederansiedlung, Ausbreitung und die Bildung stabiler Populationen sehr vieler Tierarten verhindert. Daneben hat die Zerschneidung auch negative Auswirkungen auf andere Schutzguter, insbesondere auf den Wasserhaushalt und das Lokalklima, und kann zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen.
Rezension zu Bernhard F. Scholz: Emblem und Emblempoetik. Historische und Systematische Studien, Berlin (Erich Schmidt) 2002 (= Wuppertaler Schriften; Bd. 3). 421 Seiten.
Der Titel der Arbeit verbirgt, was der Autor seinen Lesern sogleich offenherzig eingesteht: Bei der Studie des ausgewiesenen Emblematik-Kenners Bernhard F. Scholz handelt es sich um eine Zusammenstellung von "Arbeiten zur Poetik des Emblems", die "während der letzten drei Jahrzehnte geschrieben" wurden (11). Manches ist an dieser Stelle erstmals veröffentlicht, manches erstmals übersetzt, vieles überarbeitet oder wiederveröffentlicht, und dies alles in einer Form, die auf das Verhältnis zwischen der vorliegenden Textfassung und den teils älteren, teils unveröffentlichten Überlegungen nicht transparent ist; was von ihnen an welcher Stelle Eingang in den Band gefunden hat, bleibt jedenfalls einigermaßen im Dunkel, sieht man davon ab, dass die Bibliographie rund 35 Arbeiten aus der Feder des Autors verzeichnet (403-406), deren früheste auf das Jahr 1982 datiert. Dass die ambitionierte Arbeit auf diesem Weg die Hypothek mitführt, nicht nur punktuell auch die aktuellere Forschung berücksichtigen zu müssen, liegt auf der Hand.
Rezension zu Magdalena Marszałek: "Das Leben und das Papier". Das autobiographische Projekt Zofia Nałkowskas 'Dzienniki' 1899-1954, Heidelberg (Synchron) 2003. 187 Seiten.
Magdalena Marszałeks Monographie über die Tagebücher der polnischen Schriftstellerin Zofia Nałkowska (zugleich ihre Berliner Dissertation von 2002) geht dezidiert über eine biographisch-historische Lektüre hinaus, ohne deren Gewinn in Frage zu stellen. Dabei richtet die Verfasserin ihr Augenmerk wesentlich auf den Schreibakt selbst, zum einen auf die textuellen, diskursiven und interaktiven Bedingungen diaristischer Selbstkonstituierung und zum andern auf die performativen ich-konstitutiven Schreibeffekte. Damit erschließt die Studie nicht nur alternative Zugänge zu den Tagebüchern Nałkowskas, die bislang vornehmlich Gegenstand historiographischer Kommentare und ohne nennenswerte literaturkritische Resonanz geblieben sind. Vielmehr entwickelt Marszałek zur Analyse der Selbst-Konstruktionen Nałkowskas zunächst eine theoretische Grundlage, die auch über die Beschäftigung mit den Tagebüchern dieser Autorin hinaus einen produktiven Beitrag zur Entwicklung einer Theorie der Gattung darstellt.