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Die toxikologische Charakterisierung von Chemikalien und Arzneimitteln basiert auch heute noch hauptsächlich auf Toxizitätstests an Labortieren. Insbesondere die Prüfung auf Kanzerogenität fordert eine große Tieranzahl mit einer hohen Belastung der eingesetzten Tiere und ist sehr zeit- und kostenintensiv. Folglich stellt die Entwicklung von Methoden als Ergänzung und potenziellen Ersatz für Tierversuche ein Ziel der molekularen und zellulären Toxikologie dar. Diese Methoden umfassen verkürzte oder minimal invasive in vivo- sowie in vitro-Versuche, welche der toxikologischen Prüfung von Substanzen gemäß dem 3R-Prinzip dienen könnten.
Das Ziel dieser Arbeit war es, den Einsatz von Toxikoproteomics und -genomics im 28-Tage-Test (Toxizitätsstudie nach wiederholter oraler Gabe in Ratten), die in der Toxikologie routinemäßig durchgeführt werden müssen, zu untersuchen. Daneben wurden entsprechende Lebergewebeproben aus der in vivo-Prüfung mit den Daten aus einem hepatozytären Zellkultursystem als Ersatz- und Ergänzungsmethode verglichen. Identifizierte mechanistische Daten und putative Biomarker könnten für die Ableitung von chronisch-toxischen Potentialen von Substanzen genutzt werden und eine frühere Vorhersage zu kanzerogenen Potentialen von Stoffen erlauben.
Die in der Arbeit gewählten Modellsubstanzen stammten aus drei verschiedenen mechanistischen Kategorien: genotoxische Kanzerogene [Diethylnitrosamin (DEN), Aflatoxin B1 (AFB), Cupferron (CUP)], nicht-genotoxische Kanzerogene [Tetrachlorkohlenstoff (CCl4), Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP), Clofibrat (CF)] und hepatotoxische Nicht-Kanzerogene [Diallyl Phthalat (DAP), Benzaldehyd (BA), Ketokonazol (KC)].
Im ersten Teil der Arbeit wurden Rattenlebern aus den behandelten Tieren (ausgewählte Substanzen: AFB, CUP, CF, BA, KC) und den entsprechenden Kontrollen auf Veränderungen der globalen Genexpression nach 3, 7 und 28 Behandlungstagen untersucht. Das Ziel war es, nach kurzer Expositionsdauer charakteristische Wirkmechanismen auf Ebene der Genexpression zu erfassen, welche als frühes Indiz für zelluläre Transformation in Richtung Lebertoxizität bzw. Tumorentwicklung verwendet werden könnte. Dabei wurde gezeigt, dass eine Aktivierung verschiedener Prozesse, wie oxidativer Stress, Zellzyklus, Apoptose, Zellwachstum sowie spezifische Mechanismen infolge der verursachten Schädigung durch die eingesetzten Verbindungen bereits ab Tag 3 detektiert werden konnten. Mit der Genexpressionsanalyse wurden zudem auch einige putative Biomarker, welche kanzerogene Veränderungen beschreiben können, an Tag 28 identifiziert. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Daten der toxikogenomischen Analyse mit den histopathologischen Beobachtungen für diese Substanzen gestützt werden.
Im darauf folgenden Teil der Arbeit sollte eine Proteommethode zur Identifizierung und Charakterisierung putativer Protein-Biomarker im Plasma eingesetzt werden, die eine verbesserte Vorhersage von Prozessen der chemisch induzierten Leberkanzerogenese innerhalb des geforderten 28-Tage-Tests erlauben. Der Vorteil der Nutzung von Plasma ist, dass die Tiere dafür nicht getötet werden müssen und man den Verlauf der Veränderungen in weniger Tieren über viele Zeitpunkte hinweg verfolgen kann. Hierfür wurde das Rattenplasma von Tag 3, 7 und 28 der mit genotoxischen und Nichtgenotoxischen Kanzerogenen behandelten Tiere mittels zweidimensionaler Gelelektrophorese und anschließender Identifizierung mit MALDI Massenspektrometrie untersucht. Die Ergebnisse zeigten bei den genotoxischen als auch Nichtgenotoxischen Kanzerogenen eine Vielzahl von Proteinen, die in akut toxischen Prozessen, wie z.B. dem Fettstoffwechsel, der Immunantwort und dem Proteinmetabolismus involviert sind. Als putativer Biomarker konnte zum Beispiel Alpha-1-Antitrypsin identifiziert werden, das auch im Serum bei Patienten mit Leberzellkarzinomen erhöht ist. Eine klare Unterscheidung zwischen den Mechanismen der genotoxischen und Nicht-genotoxischen Kanzerogene war allerdings auf Basis dieser begrenzten Daten nicht möglich.
Im dritten Teil der Arbeit wurden Rattenhepatozyten mit den gleichen fünf ausgewählten Ausgangssubstanzen wie im in vivo-Experiment behandelt. Das Ziel bestand darin, die Eignung von primären Rattenhepatozyten in Collagen-Sandwich-Kulturen als in vitro-Modell zur Prädiktion von hepatotoxischen Effekten zu überprüfen. Der Vergleich des in vitro-Systems zu den in vivo-Daten an den Behandlungstagen 3 und 7 zeigte, dass zwischen in vivo und in vitro eine gute Korrelation der mechanistischen Genexpressionsveränderungen nach Behandlung mit AFB und CF zu detektieren war. Des Weiteren lieferte die Behandlung der primären Rattenhepatozyten mit CUP detaillierte Hinweise auf den toxischen Mechanismus, wogegen in den Leberproben keine vergleichbaren Erkenntnisse gewonnen werden konnten. So konnte für CUP in vitro z.B. ein starker Einfluss auf das Netzwerk der nukleären Rezeptoren gezeigt werden. Der Vergleich des in vivo- und in vitro-Testsystems nach Behandlung mit den hepatotoxischen Substanzen KC und BA zeigte im Gegensatz zu AFB und CF nur eine sehr geringe Übereinstimmung der differentiell deregulierten Gene bzw. Signalwege. Ein möglicher Grund für die Unterschiede könnten die eingesetzten Dosierungen sein, welche möglicherweise nicht direkt miteinander verglichen werden können.
Die Ergebnisse dieser Arbeit demonstrieren, dass die eingesetzten molekulartoxikologischen Methoden frühe Hinweise liefern können, die sowohl eine Zuordnung zu toxischen Wirkmechanismen als auch eine Identifizierung von kanzerogenesespezifischer Biomarker-Kandidaten ermöglichen. Zudem zeigte der Vergleich der in vivo / in vitro-Testsysteme eine gute Übereinstimmung in den identifizierten Signalwegen nach Behandlung mit den Testkanzerogenen. In Zukunft könnten diese Methoden in den kürzeren in vivo-Prüfungen wie z.B. 28-Tage-Test eingesetzt werden, um die konventionellen toxikologischen Prüfsysteme zu unterstützen.