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Warum Sanktionen in der Ukraine-Krise unverzichtbar sind – und doch ein heikles Instrument bleiben
(2014)
Die Sanktionen gegen Russland im Gefolge der Ukraine-Krise wurden in einer Reihe von Beiträgen (siehe insbesondere die Beiträge von Thomas Schubäus und Christopher Daase) in die Nähe von ‘Zwangsdiplomatie’ gerückt und für überzogen erklärt. Der Westen trage mit einer verfehlten Politik selbst einen Gutteil der Schuld an der Eskalation der Krise und mache sich durch Hantieren mit Doppelstandards unglaubwürdig. Er habe einen sehr einseitigen Blick auf die Vorgänge zunächst in Kiew, dann auf der Krim und in der Ostukraine und sei deshalb unfähig, die berechtigten Interessen Moskaus wahrzunehmen und in seiner Politik zu berücksichtigen. Doch worin besteht, so bleibt als Frage im Raum, die Wahrnehmungsverzerrung der westlichen Politik – was sind die Tatsachen, die nicht zureichend zur Kenntnis genommen werden? Und worin bestehen die berechtigten Interessen Russlands, die der Westen missachtet haben soll?...
Die Krimkrise dominiert seit Wochen die Medien (und auch dieses Blog). Und sie wird überall anders aufgenommen: In konservativen Kreisen der USA kann man fast schon Freude ob der Möglichkeit eines neuen kalten Kriegs erkennen, während Europa mit sich selbst und seiner Angst vor den möglichen Effekten von Sanktionen hadert. Die Echokammer der Außen- und Sicherheitspolitikgemeinde diskutiert all das seit Beginn der Krise. Dabei verliert man aber schnell außer Augen, welch teils skurrile Blüten die Krimkrise tragen kann. Gott sei Dank gibt es das Internet und in ihm die kleine Insel der japanischen Netzgemeinde, die erkannt hat was wirklich wichtig ist: Die Staatsanwältin der Krim sieht gut aus.
Nach dem umstrittenen Referendum in derOstukraine wird wieder über schärfereWirtschaftssanktionen gegen Russland gestritten. ImZentrum der Auseinandersetzung zwischenBefürwortern und Kritikern von Wirtschaftssanktionen steht die Frage: Wieerfolgversprechend sind Sanktionen, das Verhalten Russlands zu ändern?Aber das ist die falsche Frage! Ihr liegt das Missverständnis zugrunde, dassSanktionen in erster Linie den Zweck haben, einen Übeltäter zu bestrafenund ihn dazu zu zwingen, von seinem Tun abzulassen. Zwei Dinge werdenhier verwechselt: Sanktionen und Zwangsdiplomatie...
Rückkehr zu G7?
(2014)
Die Krimkrise verlangt allen Beteiligten das höchste diplomatische Geschick ab, es gilt eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden, denn die kann niemand wollen. Ein Versuch „des Westens“ gegenüber Russland als eine geschlossene und starke Partei aufzutreten, ist die gemeinsame Erklärung der G7, die am Montag letzter Woche (02. März) zunächst vom Weißen Haus und am Folgetag auch durch die anderen Mitglieder bekannt gegeben wurde. Darin verurteilen die G7 die „Verletzung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine“ und fordern Russland auf, die Probleme auf der Krim durch friedliche Mittel zu lösen.
Die Intervention Russlands auf der Krim im März dieses Jahres und die derzeitige Situation in der Ostukraine haben zu einer Diskussion darüber geführt, ob es sich hierbei um einen „Fall für die Schutzverantwortung“ handelt. Als zentrales Argument für sein Eingreifen führt Russland schließlich den Schutz bedrohter russischer Zivilisten an. In einem Gastbeitrag erläutert Roland Harris, warum die Intervention nicht mit dem Schutz der Menschenrechte der ethnischen Russen rechtfertigt werden kann.
Die russische Avantgarde ist als Kunst der Vorhut bekannt. Ihr berühmtester Fotograf Alexander Rodtschenko verkündete Anfang der 20er Jahre: "Das konstruktive Leben ist die Kunst der 'Zukunft'" und brachte damit eine Fortschrittshaltung auf den Punkt, wie sie in jenen Jahren auch für den kapitalistischen Westen galt. Anders aber als im Westen kam die Avantgarde-Kunst nach der Oktoberrevolution in Russland in die seltene Position, an dem großen Projekt des Aufbaus der neuen sozialistischen Gesellschaft beteiligt zu sein und setzte dadurch etwas in Bewegung, was anderswo in der Welt noch nicht einmal vorstellbar war: die Flexibilisierung der Zeit - das Spiel mit der Zeit. Hatte das 19. Jahrhundert die zeitliche Synchronisierung in Form der Taktung des industriellen Arbeitstages, der Vereinheitlichung der Eisenbahnzeiten und der Ordnung der Welt in Zeitzonen hervorgebracht, schien es Anfang des 20. Jahrhunderts um mehr zu gehen als das Standardisieren - um die Steigerung von Zeit, also um erhöhte Geschwindigkeiten durch neue Fortbewegungsmittel, um steigende Arbeitsleistung und um zunehmende Lebenserwartungen. Diese ökonomische Haltung erfuhr in den künstlerischen Experimenten der 20er Jahre eine enorme Vervielfältigung: Zeit wurde eine Variable für die verschiedensten Manipulationen wie das Springen in der Zeit oder Collagieren von Zeit, wenn es auch bei diesen Verfahren immer um das Vorwärtsstreben ging. Schließlich galt es, die Zukunft des Neuen Menschen nicht nur zu propagieren, sondern auch herbeizuführen und Beschleunigungsprozesse allein schienen hier nicht effektiv genug. Man musste die ablaufende Zeit irgendwie überlisten oder vielmehr die Zeitwahrnehmung der Bewohner Russlands überlisten, die von all den Modernisierungsprozessen, die sie zu erwarten hatten, noch nicht viel merkten. Das war eine paradoxe Situation: Die Wirklichkeit, die Zukunft, für die die russischen Arbeiter sich anstrengen sollten, kannten sie noch gar nicht, und daher musste diese moderne Wirklichkeit zunächst von den Künstlern entworfen und vor Augen geführt werden. So entstanden Fotografien, Gebäude, Filme und Plakate, die zum einen zeigten, was zu tun war und zum anderen versuchten, zu einer spontanen Entwicklung von Fortschritt beizutragen. Hierzu bedienten sich die Künstler der Praktiken, die auch in den Wissenschaften verbreitet waren – Menschen wurden ebenso vermessen wie Stadtpläne; Fotografien montierten Ereignisse und schienen sie damit anzuhalten und sichtbar zu machen, gerade wie dies die Arbeitswissenschaften mit menschlichen Bewegungen vermochten; im Film liefen die Bilder vorwärts und rückwärts, Zeit schien völlig frei handhabbar, während in der Medizin Verjüngungsexperimente stattfanden, die versuchten, die physiologische Zeit tatsächlich zurückzudrehen. Ich möchte die wichtigsten Beispiele für diese Vorgänge präsentieren und dabei verdeutlichen, wie sehr dieses experimentelle Hantieren mit Zeit nicht nur die Künstler interessierte, sondern sich zeitgleich in der Physiologie antreffen ließ. Und dieser Zusammenhang ist entscheidend, denn er bereitet die Situation vor, die uns heute mit dieser 'wilden Zeit' der 20er Jahre verbindet und auf die ich abschließend zu sprechen kommen werde.