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Durchblicke im Rückblick : Prof. Jürgen Bereiter-Hahn über 40 Jahre Erfahrungen mit Lichtmikroskopie
(2017)
Ich bin Biologe. Das ist eine Wissenschaft, die sich mit Strukturen beschäftigt und diese sind besonders gut in Bildern darstellbar. Ich achte auch auf den ästhetischen Wert von Bildern, er trägt oft wesentlich zur Verständlichkeit der Aussage bei, besonders in Publikationen. Aber ich bin auch Wort-affin. Es ist mir sehr wichtig, gut zu formulieren. Ich habe auch Philosophie studiert und jetzt arbeite ich mehr in dieser Richtung. Derzeit beschäftige ich mich mit dem Verhältnis von Biologie und Normen. ...
"Ästhetisch ist, was hilft"
(2017)
Robert Anton ist zuständig für die Pflege und Entwicklung der Außenanlagen aller Campi der Universität und Technischer Leiter des Wissenschaftsgartens am Riedberg. Mit seinem Team sorgt er nicht nur dafür, dass die Grünanlagen schön aussehen, sondern er stellt auch Pflanzen für Vorlesungen und Praktika bereit, unterstützt die Wissenschaftler bei Freilandversuchen und bildet Gärtner aus. Diese Aufgaben füllen seine Zeit aus. Sein oberster Taktgeber ist dabei der Rhythmus der Natur. An diesem Wintertag hat er deswegen auch Zeit, sich mit mir zu unterhalten. "Im Winter geht alles etwas geruhsamer. Da räumen wir auf, spülen Blumentöpfe und bereiten die Aussaat im Frühling vor." ...
Die Verarbeitung während des Hörprozesses von Säugetieren verläuft von der Kochlea mit den inneren und äußeren Haarsinneszellen (äHZ) über afferente Nervenbahnen bis zum auditorischen Kortex (AK). Die daran beteiligten Schaltstationen und deren Funktion sind überwiegend aufgeklärt. Die Hörbahn ist zudem in besonderer Weise durch efferente Rückkopplungen gekennzeichnet, die interne Modulationen sowie sekundäre Reaktionen auf den Reiz ermöglichen. Anatomisch betrachtet verlaufen efferente Projektionen vom AK zu sämtlichen am Hörprozess beteiligten Kerngebieten. Vom Olivenkomplex erfolgt über mediale und laterale Fasern eine Innervation der äHZ bzw. des Hörnervs. Trotz der gut beschriebenen Anatomie ist die funktionelle Beziehung zwischen dem AK und der Peripherie weitgehend ungeklärt. In der vorliegenden Arbeit wurde der funktionelle Zusammenhang vom AK zu den äHZ in der mongolischen Wüstenrennmaus untersucht. Dafür wurde entweder eine pharmakologische Blockierung der Kortexaktivität durch den Natriumkanalblocker Lidocain erzeugt oder eine Aktivierung der Kortexaktivität durch die Anwendung elektrischer Reize ausgelöst. Der Einfluss der Manipulationen wurde in der Kochlea mittels Messungen von Distorsionsprodukt-otoakustischen Emissionen (DPOAE) erfasst. Diese entstehen durch die nichtlineare Verstärkung leiser Schallsignale durch die äHZ zur Erzielung hoher Sensitivität und Frequenzauflösung. Die DPOAE treten als kubische (z. B. 2f1-f2) und quadratische (z. B. f2-f1) Verzerrungen auf und geben Aufschluss über unterschiedliche Parameter der äHZ-Verstärkungsfunktion.
Die Lidocainversuche wurden entweder kontra- oder ipsilateral zur DPOAE-Messung durchgeführt. In beiden Konstellationen traten nach der Lidocaininjektion Erhöhungen und Verringerungen der DPOAE-Pegel im Vergleich zur Basismessung oder unveränderte DPOAE-Pegel auf. Im Mittel lagen die Pegeländerungen bei ca. 11 dB, in Einzelfällen betrugen sie bis zu 44,8 dB. In den Gesamtdaten waren die Effekte nach kontralateraler Injektion oft signifikant größer als nach ipsilateraler Injektion. Ebenso waren die Effekte in der 2f1-f2 Emission meist signifikant größer als in der f2-f1 Emission. Zudem wurde beobachtet, dass signifikant größere Effekte bei einer Stimulation mit Pegeln von 60/50 dB SPL im Vergleich zu 40/30 dB SPL erreicht wurden. Grundsätzlich trat in allen Datensätzen eine Reversibilität der DPOAE-Pegel mit zunehmender Versuchsdauer auf. Die Effekte waren direkt nach der Injektion am größten und erreichten je nach Stimuluspegel und Emissionstyp nach 28-100 min die Basispegel. In keinem der Datensätze lag eine Abhängigkeit der im Kortex gereizten charakteristischen Frequenz (CF) zum betroffenen Frequenzbereich in der Kochlea vor. Die Effekte waren über den gesamten gemessenen Frequenzbereich von 1-40 kHz nachweisbar. Allerdings waren die Frequenzbereiche von 1-10 kHz und 30,5-40 kHz besonders stark von der Lidocaininjektion betroffen.
Auch nach der elektrischen Reizung wurden die drei oben beschriebenen Effekttypen definiert. Mit 54,6 % war der Prozentsatz unveränderter DPOAE-Pegel allerdings sehr hoch. In den anderen beiden Kategorien konnten zusätzlich Differenzierungen im zeitlichen Verhalten der DPOAE-Pegel vorgenommen werden. In 21,6 % bzw. 16,5 % der Datensätze waren die Verringerungen bzw. Erhöhungen bis zum letzten gemessenen Zeitpunkt nach der elektrischen Reizung irreversibel und nur in jeweils 2,8 % der Datensätze war eine Reversibilität zu verzeichnen. In diesen Fällen war die Effektdauer mit im Mittel 31 bzw. 25 min kürzer als in den Lidocainversuchen. Auch die Effektstärken waren mit maximal 23,9 dB und je nach Effekttyp im Mittel 5,1-13,7 dB geringer als nach der Lidocaininjektion. Die größten Effekte traten in einem mittleren Stimuluspegelbereich von 45-55 dB SPL auf. Wiederum konnte keine Abhängigkeit des betroffenen Frequenzbereichs von der kortikal gereizten CF nachgewiesen werden. In Einzelfällen waren auf DPOAE-Ebene nur die Frequenzen ober- und unterhalb der kortikalen CF beeinflusst, wohingegen bei der CF selbst keine Effekte auftraten.
Durch Kontrollexperimente (Salineinjektion bzw. Einführen der Elektrode ohne elektrische Reizung) konnte nachgewiesen werden, dass die Effekte durch die Manipulation der Kortexaktivität hervorgerufen wurden. Somit liegt eine funktionelle Beziehung zwischen dem AK und der Peripherie vor, die langanhaltende massive Ausmaße annehmen kann. Die Effektrichtung ist vermutlich durch die exzitatorisch oder inhibitorisch wirkenden Neurone vom Colliculus inferior zum Olivenkomplex bedingt. Die größeren Effekte in der kontralateralen Konfiguration lassen sich durch die Diskrepanz in der Anzahl der gekreuzten (2/3) und ungekreuzten (1/3) medialen Efferenzen erklären. Die kubischen Komponenten der äHZ-Verstärkungsfunktion scheinen stärker beeinflusst zu sein als die quadratischen Komponenten, was in größeren Pegeländerungen in der 2f1-f2 Emission resultiert. Die teils großen Effektstärken sowie die nicht vorhandene Frequenzabhängigkeit zwischen AK und Kochlea sind vermutlich auf den großen Kortexbereich zurückzuführen, der von den gewählten Injektionsvolumina bzw. elektrischen Reizstärken betroffen war. Die großen Effekte im mittleren Stimuluspegelbereich lassen sich sowohl mit einer möglichen Schutzfunktion der Efferenzen vor zu lauten Schallereignissen als auch mit einer Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses zur erleichterten Detektion akustischer Signale in Einklang bringen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Aktivität des AK einen starken Einfluss auf periphere auditorische Mechanismen hat, wodurch die kochleäre Verarbeitung akustischer Signale je nach kortikalem Verarbeitungsstatus massiv modifiziert werden kann.
Ziel dieser Dissertation war es, die biologische Rolle der Autophagie für die Entwicklung, Alterung und mitochondriale Qualitätskontrolle in dem Ascomyceten Podospora anserina zu untersuchen. Folgende Ergebnisse wurden dabei erzielt:
1. Der Verlust einer funktionalen Autophagie-Maschinerie ist in P. anserina mit einem Defekt der Sporen-Entwicklung bzw. -Keimung charakterisiert.
2. Es konnten drei Methoden zur Untersuchung der Autophagie in P. anserina etabliert werden: 1) Die Verwendung eines Gfp::PaAtg8-Stamms ermöglicht die Fluoreszenzmikroskopische Bestimmung der Autophagosomen-Anzahl; 2) Die phänotypische Charakterisierung des PaAtg1-Deletionsstamms unter verschiedenen Stressbedingungen (z. B. Stickstoffmangel, Rapamycin) liefert Hinweise auf eine mögliche Autophagie-abhängige Stressadaption; 3) Die Verwendung des „GFPcleavage assays“ ermöglicht einen quantitativen Nachweis genereller und selektiver Autophagie (hier: Mitophagie).
3. In zwei voneinander unabhängigen Experimenten wurde ein altersabhängiger Anstieg der Autophagie für P. anserina demonstriert: Das Autophagie-Niveau nimmt in gealterten P. anserina-Kulturen zu. Gleichzeitig resultiert der Verlust der Autophagie in ∆PaAtg1 in eine reduzierte Lebensspanne. Unter Stressbedingungen (hier: Stickstoffmangel) wird dieser positive Einfluss der Autophagie auf die Lebensspanne im Wildtyp sogar noch verstärkt.
4. Der unerwartet „gesunde“ Phänotyp der PaSod3-Deletionsmutante ist abhängig von einer funktionalen Autophagie-Maschinerie. Der Mitophagie wurde eine besondere Rolle als Kompensationsmechanismus für den Verlust von PaSOD3 zugeteilt, da das Mitophagie-Niveau in dieser Mutante erhöht ist. Am Beispiel dieser Mutante, für die ein erhöhter Superoxid-Ausstoß nachgewiesen wurde, konnte eine Dosis-abhängige Wirkung von ROS in P. anserina identifiziert werden. Eine geringe zelluläre ROSMenge verursacht eine mitohormetische Reaktion, die eine Induktion der Mitophagie zur Folge hat und sich positiv auf den Organismus auswirkt. Übersteigt die zelluläre ROS-Dosis einen kritischen Punkt, kommt es zur Induktion des autophagischen Zelltods und damit zum vorzeitigen Tod des Individuums.
5. Der Verlust der PaCLPXP-Protease führt zu Beeinträchtigungen in der Funktion und Zusammensetzung der mitochondrialen Atmungskette. Dieses Defizit im Energiemetabolismus wird über eine Induktion der AOX, vor allem aber über eine ZUSAMMENFASSUNG 127 gesteigerte Autophagie kompensiert. Die deutlich verlängerte Lebensspanne der verschiedenen PaClpXP-Deletionsmutanten (∆PaClpX, ∆PaClpP und ∆PaClpXP) ist abhängig von einer funktionalen Autophagie-Maschinerie. Interessanterweise konnte keine kompensatorische Funktion der Autophagie oder Mitophagie für den Verlust der mitochondrialen i-AAA-Protease PaIAP in P. anserina nachgewiesen werden.
Autophagie/Mitophagie stellt einen übergeordneten Qualitätskontrollmechanismus in P. anserina dar, der den Organismus sehr effektiv vor zellulären Schäden und Dysfunktionen bewahrt und einen positiven Einfluss auf die Alterung, Entwicklung und Energieversorgung einnimmt.
In dieser Arbeit wurde der Hefepilz Xanthophyllomyces dendrorhous als vielseitige biotechnologische Plattform für die Produktion von Carotinoiden verwendet. Durch genetische Modifikationen der Carotinoidbiosynthese wurde ein Astaxanthin-Hochproduzent zur Akkumulation des farblosen Phytoens, das die menschliche Haut vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlung schützt und des gelben Zeaxanthins, das zur Förderung und Erhalt der Sehfähigkeit beiträgt, befähigt. Zur Generierung eines Phytoen-Hochproduzenten wurde das Gen crtI (Phytoen-Desaturase) inaktiviert und der Phytoengehalt durch Überexpression der Gene HMGR, crtE und crtYB gesteigert. Die Generierung eines Zeaxanthin-Hochproduzenten beinhaltete die Inaktivierung des Gens asy (Astaxanthin-Synthase) und die heterologe Expression einer bakteriellen ß-Carotin-Hydroxylase CrtZoXd.
Die Inaktivierung der Gene erfolgte mit spezifischen Knock-Out-Konstrukten, die mittels homologer Rekombination in crtI oder asy integrierten. Nachdem die Transgene auf Vektoren mit verschiedenen Antibiotikaresistenzen kloniert wurden, wurde die Überexpression durch genomische Integration in die ribosomale DNA erreicht. Anschließend wurde die Carotinoidzusammensetzung der Zellextrakte durch Hochleistungsflüssigkeitschromatographie an einer C18-Trennsäule oder durch Dünnschichtchromatographie bestimmt. Der Knock-Out-Nachweis erfolgte mittels Polymerase-Kettenreaktion und Amplifikation der Genloci, während die Anzahl integrierter Carotinoidgene durch quantitative Real-Time-PCR bestimmt wurde. Die Kultivierungen von X. dendrorhous wurden sowohl in Schikanekolben als auch in einem 2L-Bioreaktor durchgeführt.
Im Zuge der genetischen Modifikationen konnte der Ploidiegrad des Wildtyps bestimmt werden, der bis dahin unbekannt war. Durch das Auftreten von instabilen heterozygoten Stämmen und deren Überführung zu stabilen Homozygoten wurde die Existenz eines diploiden Genoms nachgewiesen. Um die für die biotechnologische Anwendung notwendige Stabilität der Carotinoidbiosyntheseleistung zu erreichen, wurden zwei Strategien entwickelt. Hierbei erfolgte die Stabilisierung der Stämme als Folge mitotischer Rekombination nach Subkultivierung und anschließender Farbselektion oder durch Induktion des sexuellen Zyklus und Sporulation.
Der crtI-Knock-Out führte zur Akkumulation von 3,6 mg/g dw Phytoen. Anschließend wurde die Limitierung der Phytoensynthese durch crtYB-Überexpression aufgehoben und die Versorgung der Carotinoidbiosynthese mit Vorläufermolekülen durch HMGR- und crtE-Überexpression erhöht. Im Bioreaktor wurde durch die Anwendung eines dreistufigen Fed-Batch-Prozesses, der eine effiziente Glucoseverwertung sicherstellte, mit 10,4 mg/g dw die höchste bis dato publizierte zelluläre Phytoenkonzentration im stabilisierten Hochproduzenten erreicht.
Der asy-Knock-Out führte zur Akkumulation von 4,5 mg/g dw ß-Carotin, das anschließend durch heterologe Expression der codon-optimierten ß-3,3-ß-Hydroxylase crtZoXd im Hochproduzenten zu 3,5 mg/g dw Zeaxanthin umgesetzt wurde. Zur Optimierung des Vorgehens wurden Knock-In-Konstrukte entwickelt, mit denen beide Schritte (Knock-Out und Integration von Carotinoidgenen) in nur einem molekular-biologischen Schritt durchgeführt und 94 % des in einem Wildtypstamm vorhanden ß-Carotins zu Zeaxanthin umgesetzt wurden. Die Optimierung der Wachstumsbedingungen bei der Bioreaktor-Kultivierung des stabilisierten Zeaxanthinproduzenten führte mit 10,8 mg/L zu einem 5-fach höheren Zeaxanthingehalt im Vergleich zur Schikane-Kultivierung.
Durch den Einsatz der Pentosen Arabinose und Xylose als alternative Kohlenstoffquellen wurde der Carotinoidgehalt der Phytoen- und Zeaxanthin-Hochproduzenten um 70 bzw. 92 % im Vergleich zur Glucose-Kultivierung gesteigert, wobei die Gründe für diesen Effekt in einer stärkeren Kohlenstoffverwertung und der Hemmwirkung von Glucose vermutet wurden. Aus verschiedenen pflanzlichen Abfallstoffen kann Xylose durch Hydrolyse freigesetzt werden, deren Nutzung zum Aufbau einer nachhaltigen und kostengünstigen biotechnologischen Carotinoidproduktion beitragen kann.
Darüber hinaus wurden multioxigenierte Zeaxanthinderivate, von denen eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit vermutet wird, durch kombinatorische Biosynthese erhalten. Durch die schrittweise Integration der Gene crtZoXd, crtG (ß-2,2-Hydroxylase) und bkt (ß-4,4-Ketolase) in eine ß-Carotinmutante wurde die Biosynthese von Zeaxanthin, Nostoxanthin und schließlich von 4-Keto-Nostoxanthin und 4,4-Diketo-Nostoxanthin erreicht. Anschließend erfolgte die chemische Reduktion zu den neuartigen Carotinoiden 4-Hydroxy-Nostoxanthin und 4,4-Dihydroxy-Nostoxanthin und der zweifelsfreie Nachweis aller vier Carotinoide anhand der mittels Massenspektrometrie bestimmten Molekülmassen und Fragmentierungsmuster.
In der vorliegenden dreiteiligen Studie werden Mongolische Wüstenrennmäuse untersucht, deren Hörspektren im tieffrequenten Bereich und deren Unterscheidungsfähigkeiten von Kommunikationsrufen denen des Menschen ähneln. Die extrazelluläre Aktivität im primären auditorischen Kortex (AI) der narkotisierten Versuchstiere, evoziert durch Reintöne und arteigene Kommunikationsrufe, wird in der linken (LH) und rechten Gehirnhemisphäre (RH) aufgenommen. Es werden Multikanalelektroden (16 Eingangskanäle) verwendet, welche eine simultane Aufnahme der neuronalen Aktivitäten aller kortikalen Schichten ermöglichen. Zur Analyse der neuronalen Mechanismen werden Wellenformen einzelner Elektrodenkanäle und Aktivitätsprofile, bestehend aus den Wellenformen aller Elektrodenkanäle in einem Zeitfenster von 600 ms, auf Ebene von Aktionspotentialen (MUA), lokalen Feldpotentialen (LFP) und Current-source-density (CSD) Analysen, untersucht. Während MUAs die neuronalen Aktionspotentiale im Nahfeld der Elektrode reflektieren, umfassen die LFPs die summierten Potentiale (inhibitorisch und exzitatorisch) von Neuronen eines größeren Areals. Die CSDs hingegen werden durch die Integration von LFP-Wellenformen benachbarter, linear angeordneter Elektrodenkanäle berechnet und ermöglichen so eine Lokalisation der Ursprünge geräuschspezifischer Aktivitätsflüsse.
Im ersten Teilprojekt werden CSD-Profile in Antwort auf unterschiedliche Reintöne untersucht, um die Aktivitätskomponenten, die so genannten Sinks, für weiterführende Analysen zu quantifizieren. Es können zwei primäre (s1 und s2), drei mittlere (s3-s5) und vier späte (s6-s9) Sinks in einem Zeitfenster von 600 ms definiert werden. Eine Veränderung der Stimulusfrequenz eine Oktave über und unter der charakteristischen Frequenz (CF), beziehungsweise des Lautstärkepegels = 24 dB über der minimalen Schwelle, führt zu qualitativen Veränderungen in der CSD-Profilstruktur. Die Sink s7 wird durch Stimuli mit niedrigem Lautstärkepegel weniger verlässlich evoziert, wohingegen die Sink s9 bei Stimuli eine Oktave über der CF verlässlicher evoziert wird. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass im AI die spektralen Informationen eine Oktave über und unter der CF asymmetrisch integriert werden.
Auf Einzelschichtebene konnte bereits gezeigt werden, dass spektrotemporale Eigenschaften von Stimuli durch MUAs schlechter reflektiert wurden als durch LFPs, was vermutlich eine direkte Konsequenz der unterschiedlichen Ursprünge der Signaltypen ist. Daher werden im zweiten Teilprojekt die spezifischen Unterschiede der MUA-, LFP- und CSD-Antworten auf Ebene kortikaler Schichten und kompletter laminarer Profile untersucht, um die Unterschiede und den Informationsgehalt der drei Signaltypen zu charakterisieren. Signifikante Unterschiede, welche durch zwei Reintöne und sieben Kommunikationssignale evoziert werden, können verstärkt im mittleren und späten Latenzbereich und in granulären und infragranulären Schichten vorgefunden werden. Der Grad der Rufspezifizität ist in LFP und CSD-Antworten im Vergleich zu demjenigen in MUA-Antworten größer. Die Segregationsleistung ist im Vergleich zu einzelnen kortikalen Schichten in den von kortikalen Kolumnen abgeleiteten laminaren Profilen um den Faktor 1,8-2,6 erhöht. Die Neuronenpopulationen einzelner kortikaler Kolumnen sind vermutlich wichtig für die Kodierung von Geräuschen, welche sich in ihren spektrotemporalen Eigenschaften unterscheiden.
Viele vorangegangene Studien konnten zeigen, dass die Gehirnhemisphären akustische Signale asymmetrisch verarbeiten. Daher werden im dritten Hauptteil die laminaren Profile der LH und RH quantitativ und statistisch verglichen. Die MUA-, CSD-Profile und im geringeren Maße auch die LFP-Profile zeigen systematische Unterschiede auf signifikantem Niveau in der Dauer, Onset Latenz und vertikalen Ausdehnung bestimmter Aktivitäten. Kommunikationsrufe evozieren in der LH, welche beim Menschen auf Sprachstimuli spezialisiert ist, im Vergleich zur RH komplexere CSD-Profile. Die neuronale MUA-, LFP- und CSD-Aktivitätsstärke ist in der RH für weniger komplexe Stimuli teilweise signifikant erhöht. Die Asymmetrie in der Auftrittsverlässlichkeit der Sink s6 lässt vermuten, dass sich die intrakolumnäre Vernetzung in Schicht VIa zwischen der LH und RH unterscheidet. Die wenigen, signifikanten und nicht systematischen Unterschiede zwischen den Sink-Parametern der LH und RH nach kortikaler Ausschaltung mit dem GABAA-Rezeptor Agonist Muscimol weisen darauf hin, dass die Hemisphärenasymmetrie durch Prozesse des ipsilateralen Kortex maßgeblich beeinflusst wird.