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Eine finalisierte Fassung des Beitrags wird 2024 in einem von Burchard/Schmitt-Leonardy/Singelnstein/Zabel herausgegebenen Sammelband („Alternativen zum Strafrecht“) erscheinen.
Im Zentrum des Beitrags steht jedoch nicht der Versuch, positiv Alternativen zum oder im Strafrecht zu formulieren. Vielmehr ist der Begriff der Alternativlosigkeit erkenntnisleitend, konkret die Identifizierung gesellschaftlich-politischer Wirkmächte und innerstrafrechtlicher Deutungsmuster, die eine (auch) strafrechtliche Bewältigung der durch den menschengemachten Klimawandel aufgeworfenen Konflikte alternativlos erscheinen lassen können.
Dazu wird die jüngst aufgekommene Debatte um ein Klimaschutzstrafrecht aus einer zukunftssoziologischen und strafrechtswissenschaftlichen Perspektive analysiert. Im Zentrum des Beitrags steht die These, dass sich gerade die Verbindung von katastrophischen Zukunftsvorstellungen – hier erschlossen über den zukunftssoziologischen Schlüsselbegriff der Imagination und deskriptiv-analytisch als „Klimakatastrophismus“ bezeichnet – und Exzeptionalisierungen des Strafrechts als Treiber in die imaginative Sackgasse der Alternativlosigkeit erweist.
Die verdichtete Imagination, das die Zukunfts eine Katastrophe sei („Klimakatastrophismus“), befördert als ein an Boden gewinnendes kollektives Deutungsmuster eine intensivierte Sozialkontrolle und Punitivität.
Der kriminalpolitisch expansive Kurs einer mit radikalisierten Selbsterhaltungsfragen konfrontierten Gesellschaft scheint in gesellschaftlich wie dogmatisch tief verankerten Exzeptionalisierungen des Strafrechts – wie der Zuschreibung, (nur) strafwürdige Sozialschädlichkeit adressieren zu dürfen, dies aufgrund einer regulativen und expressiven Ausnahmestellung aber auch in besonderer Weise zu können (oder zu müssen) – durchaus Widerhall zu finden. Dadurch entsteht ein strafrechtsexpansives (weil rechtfertigendes) Momentum, das der ohnehin in der Herausbildung begriffenen Legalisierung eines Klimaschutzstrafrechts Vorschub leistet.
Es entspricht den vornehmen Aufgaben der Strafrechtswissenschaft, diesen Entwicklungen prospektiv vorauszugreifen, sie aufzuklären und kritisch zu wenden – gerade im Hinblick auf die Gegenläufigkeit und Brüchigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen oder die Kontingenz eines als politisch gelesenen Strafrechts. Eine kritische Strafrechtswissenschaft darf sich dabei nicht allein, allemal nicht unreflektiert auf tradierte Formen der Strafrechtsbegrenzung zurückziehen.
Das Ziel der BMBF-finanzierten Forschungsprojekte „Nachhaltige Mobilität in Lincoln 1“ und „Nachhaltige Mobilität in Lincoln 2“ ist es, Erkenntnisse zu Veränderungen im Mobilitätsverhalten von Personen zu erlangen, die in ein autoreduziertes Quartier umziehen. Dazu wurden zwei aufeinander aufbauende Vollbefragungen der erwachsenen Bewohner*innen der autoreduzierten Lincoln-Siedlung in Darmstadt durchgeführt. Im Rahmen der ersten Befragung im Jahr 2020 wurden 1.140, im Rahmen der zweiten Befragungswelle, 2021, 1.614 Fragebögen verteilt. Der Rücklauf belief sich 2020 auf n = 166 (14,6 %), in 2021 auf n = 231 (14,3 %). Der vorliegende Bericht beschreibt das methodische Vorgehen im Rahmen der Befragungen. Hierfür wird auf das besondere Panel-Design der Studie eingegangen. Dieses ermöglicht sowohl Einblicke in den Umzug in die Siedlung, als auch in das Leben in der Siedlung im Verlauf eines Jahres, und die damit einhergehenden Veränderungen im individuelle Mobilitätsverhalten. Der Bericht stellt dazu die zentralen Inhalte des Fragebogens vor und erläutert die Durchführung der Befragungen. In deren Rahmen wurden die Bewohner*innen der Lincoln-Siedlung insgesamt dreimal kontaktiert. Um die Bereitschaft zur Teilnahme zu steigern, wurden im Vorfeld der Erhebungen mittels einer Pressemitteilung auf die Befragung aufmerksam gemacht und Ankündigungsschreiben in die Briefkästen der Bewohner*innen verteilt. Eine Woche nach der eigentlichen Fragebogenverteilung wurden Erinnerungsschreiben verteilt. Ferner geht der Methodenbericht auf den Umgang mit dem Rücklauf sowie auf die Datenaufbereitung und - eingabe ein, bevor die soziodemographischen Daten der Teilnehmer*innen auf ihre Repräsentativität geprüft werden.
Die Lincoln-Siedlung in der Wissenschaftsstadt Darmstadt ist sowohl bundesweites Modellprojekt in Sachen nachhaltiger Mobilität als auch Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte. Im Projekt NaMoLi II wird die Zufriedenheit der Bewohnenden in der Lincoln-Siedlung mit dem Mobilitätskonzept und seiner Umsetzung analysiert. Des Weiteren wird geprüft, ob und in welcher Form die vorhandenen Rahmenbedingungen eine nachhaltige Mobilität fördern und wie sich die im Quartier bzw. im Umfeld vorhandenen Angebote der Versorgung und sozialen Infrastruktur auf das Mobilitätsverhalten insbesondere neu Zugezogener auswirken. Hierzu hat eine ausgewählte Bevölkerungsgruppe aus der Lincoln-Siedlung über einen Zeitraum von einer Woche Tagebuchprotokolle ihrer täglichen Mobilität geführt. Teilgenommen haben 14 Haushalte mit insgesamt 28 Personen, die zum Zeitpunkt der Erhebung maximal 15 Monate im Quartier gelebt haben. Die Protokolle wurden von allen Haushaltsangehörigen ab dem Grundschulalter geführt, jüngere Kinder sind in den Tagebüchern der Eltern erfasst. Notiert wurden Wegezwecke und Wegeziele, das genutzte Verkehrsmittel, Start- und Ankunftszeit sowie die (geschätzte) Entfernung. Des Weiteren wurden Kennwerte zur Haushaltsstruktur erhoben, zu geänderten Gewohnheiten nach dem Umzug in die Lincoln-Siedlung sowie nach Problemen in der Alltagsmobilität gefragt. Die Ergebnisse der Mobilitätstagebücher bieten einen interessanten Einblick in den Mobilitätsalltag einer spezifischen Teilnahmegruppe, die ein besonderes Interesse an Mobilitätsthemen gezeigt hat und die sich weitgehend nachhaltig in ihrem Alltag bewegt. Das Fahrrad ist das wichtigste Verkehrsmittel, gefolgt von den eigenen Füßen. Die Mehrzahl der Wegeziele liegt innerhalb eines Radius von bis zu zwei Kilometer. Die multimodalen Angebote im Quartier werden gut genutzt. Es hat sich gezeigt, dass die Methode der Tagebuchprotokolle über einen längeren Zeitraum zielführend ist, um Hinweise für die Alltagstauglichkeit des Mobilitätskonzeptes sowie zu dessen Weiterentwicklung bzw. Nachsteuerung zu erlangen.
Diese Forschungsarbeit analysiert die Rolle des Superblock-Konzepts in neoliberalen Stadtpolitiken am Beispiel der Stadt Offenbach am Main. Die Stadt, einst von industrieller Bedeutung, kämpft seit dem Ende des Fordismus mit finanziellen Schwierigkeiten, die zu einer restriktiven Austeritätspolitik geführt haben. Auf der Suche nach einer positiven Imageveränderung und im Wettbewerb um einkommensstarke Bevölkerungsschichten und Unternehmen initiierte Offenbach verschiedene Strategiepapiere und neue Stadtentwicklungsprojekte. Die Idee, den Offenbacher Stadtteil Nordend im Stile eines Superblocks umzugestalten, wird seit kurzem von verschiedenen Akteur*innen in der Stadt diskutiert. Bei Superblocks handelt es sich um eine grundlegende Transformation des Straßenraumes durch die Neugestaltung des Verkehrs in kleinteilige Abschnitte. Der motorisierte Individualverkehr wird umgeleitet und Freiflächen für die kollektive Nutzung entstehen. Die Forschungsarbeit basiert auf sechs qualitativen Expert*innen-Interviews mit verschiedenen Akteur*innen aus Offenbach. Durch die Interviews konnten die Einschätzungen der Expert*innen zum Superblock-Konzept sowie dessen Verhältnis zur Stadtentwicklungspolitik Offenbachs analysiert werden. Sie betonen die grundsätzliche Eignung des Nordends für die Implementierung des Superblock-Konzepts. Als Instrument der Mobilitätswende könnten Superblocks den öffentlichen Raum transformieren, die Lebensqualität steigern und speziell den im Nordend lebenden einkommensschwachen Haushalten zugutekommen. Dennoch zeigt sich in den Interviews eine Ambivalenz zum Superblock-Konzept im Kontext der Stadtentwicklungspolitik, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Herausforderungen und Probleme der Umsetzung. Deutlich wird die prekäre finanzielle Situation Offenbachs im Kontext der Neoliberalisierung des Städtischen, deren Auswirkungen sich an den Aushandlungen über das Konzept der Superblocks exemplarisch äußert. Die Studie zeigt die Widersprüchlichkeiten eines innovativen Mobilitätskonzeptes innerhalb neoliberaler Stadtpolitiken auf und fragt nach dem Zusammenhang von Mobilitätsforschung und kritischer Stadtforschung.
Der Beitrag führt in das sozialpsychologische Phänomen des Gruppendenkens ein. Kennzeichen und Gegenstrategien werden anhand von Zeugenaussagen vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss am Beispiel des Aufsichtsrats illustriert. Normative Implikationen de lege ferenda schließen sich an. Sie betreffen unabhängige Mitglieder (auch auf der Arbeitnehmerbank), Direktinformationsrechte im Unternehmen (unter Einschluss von Hinweisgebern) und den Investorendialog (auch mit Leerverkäufern).
Methodenbericht zur Haushaltsbefragung "Mobilität im Quartier" in Frankfurt am Main und Darmstadt
(2023)
Mit dem Ziel, die Zustimmung der Bevölkerung zu verschiedenen verkehrspolitischen Maßnahmen im Bereich des Parkraummanagements zu ermitteln, wurde im März 2022 eine quantitative Haushaltsbefragung (N=1.186) in acht Quartieren in Darmstadt und Frankfurt am Main durchgeführt. Insgesamt wurden je Quartier 600 Fragebögen verteilt und ein Rücklauf von 25% erzielt. Die Stichprobenauswahl erfolgte dabei mithilfe des Random-Route-Verfahrens und der Last-Birthday-Methode. Die Befragung „Mobilität im Quartier“ wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes QuartierMobil 2: Persistenz und Dynamik urbaner Mobilität – Strategien zur Zukunft des städtischen Parkens sowie alternativer Mobilitätsangebote durchgeführt und knüpft an Erkenntnissen aus der ersten Projektphase (QuartierMobil, 2017-2020) an. Im Methodenbericht werden zunächst der Projektkontext und die thematischen Schwerpunkte des Fragebogens vorgestellt. Anschließend werden die Auswahl der Stichprobe, die Durchführung der Befragung sowie der Rücklauf und das Vorgehen bei der Datenaufbereitung beschrieben. Zuletzt wird die Struktur der Stichprobe dargestellt und mit amtlichen Daten der beiden Städte Darmstadt und Frankfurt am Main verglichen.
Trotz der von der EZB eingeleiteten Zinswende in der zweiten Jahreshälfte 2022 als späte Reaktion auf die deutlich unterschätzte Persistenz hoher Inflationsraten im Euroraum sind die Realzinsen sowohl in der Ex-post-Betrachtung als auch in der Ex-ante-Betrachtung keineswegs als restriktiv einzuschätzen. Die Banken haben allerdings recht rasch strengere Vergaberichtlinien beschlossen, und die Nachfrage im Wohnungsbau und bei den Hypothekarkrediten ist stark eingebrochen.
Die Autoren thematisieren die Bedeutung von Zahlungsstromeffekten bei Annuitätenkrediten und analysiert hier vor allem den sogenannten Front-Loading-Effekt. Danach führen höhere Nominalzinsen selbst bei vollständig antizipierten Inflationsraten und unveränderten Realzinsen zu starken finanziellen Zusatzbelastungen in den ersten Phasen der typischerweise langen Kreditlaufzeit. Derartige Liquiditätseffekte können die Zahlungsfähigkeit bzw. die Zahlungsbereitschaft der privaten Investoren empfindlich verringern. Dies gilt vor allem bei Darlehen in Form der Prozentannuität, da hier zusätzlich ein Laufzeitenverkürzungseffekt auftritt. Solche Darlehen sind in Deutschland recht populär.
Mit Blick auf die Zukunft sehen die Autoren auch eine reale Gefahr für den Bestand an Wohnungsbaukrediten, wenn es zu einer Refinanzierung des großen Bestands an billigen Wohnungsbaukrediten kommt, ein Risiko, das auch Auswirkungen auf die makroökonomische und finanzielle Stabilität hat.
Mobilität ist eine Grundvoraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Ist der Möglichkeitsraum potenzieller Ortsveränderungen eingeschränkt – beispielsweise durch räumliche, finanzielle oder körperliche Barrieren oder Ängste –, wird von Mobilitätsarmut gesprochen. Wie Mobilitätsarmut auf der Verwaltungsebene verhindert werden kann, zeigt dieser Policy Brief des Projektes Social2Mobility. Diese Handlungsempfehlungen basieren auf Erkenntnissen des Projektes Social2Mobility und adressieren insbesondere Verwaltungsmitarbeitende der Fachplanungen Verkehrs-, Raum- und Sozialplanung von der Kommunal- bis zur Landes- und Bundesebene. Ziel des Projektes Social2Mobility war es, die soziale Teilhabe armutsgefährdeter Personen durch eine Steigerung ihrer Mobilitätsoptionen zu stärken. Der Policy Brief erläutert die Problematik von Mobilitätsarmut, thematisiert deren Relevanz und zeigt verschiedene Facetten von Mobilitätsarmut auf. Er beinhaltet fünf verschiedene Handlungsfelder zur Verhinderung von Mobilitätsarmut. Der Policy Brief soll zu einer dezernats- und abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit der Fachplanungen Sozial-, Raum- und Verkehrsplanung zur Lösung von Mobilitätsarmut anregen. Synergieeffekte und gegenseitige Potentiale bei einer Zusammenarbeit werden dabei herausgestellt. Hierzu gehören beispielsweise die Anwendung von Verkehrsnachfragemodellen in der Sozialplanung oder die Berücksichtigung vielfältiger unterschiedlicher Lebenslagen und der daraus hervorgehenden Mobilitätsbedarfe in der Verkehrsplanung.
Mobilität ist eine wesentliche Voraussetzung, um an außerhäuslichen Aktivitäten teilzunehmen und somit am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Da das Nutzen von Verkehrsmitteln mit Kosten verbunden ist, kann dies insbesondere für Personen mit geringen Einkünften eine Mobilitätsbarriere darstellen und das Risiko erhöhen, von mobilitätsbezogener sozialer Exklusion betroffen zu sein.
Eine besondere und tragende Rolle fällt dem öffentlichen Personennahverkehr zu (ÖPNV), auf den wir mit diesem methodischen Beitrag eingehen möchten: Zunächst tragen wir zusammen, wie finanzielle ÖPNV-Erschwinglichkeit quantifiziert werden kann, wobei wir auf Grundlage internationaler Fachliteratur zwei Ansätze (beobachtete und potenzielle Erschwinglichkeit) unterscheiden. Anschließend diskutieren wir mögliche Indikatoren für die ÖPNV-Erschwinglichkeit, die auf dem Einkommen privater Haushalte basieren. Darüber hinaus skizzieren wir einen GIS-basierten Indikator für den Nutzen des Deutschlandtickets, das seit Mai 2023 bundesweit im ÖPNV gilt.
Die Erklärung von Intelligenz fasziniert Menschen seit Jahrtausenden, scheint sich doch mit ihr die menschliche Singularität gegenüber Natur und Tier zu manifestieren. Zugleich betonen nicht nur philosophische Strömungen, sondern auch die Mathematik, die Neuro- und die Computerwissenschaften die Abhängigkeit menschlicher Intelligenz von mechanistischen Prozessen. Ob damit eine Verwandtschaft beider Formen der Informationsverarbeitung verbunden ist oder genau umgekehrt fundamentale Unterschiede bestehen, ist seit knapp hundert Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. Fest steht allerdings, dass Maschinen jedenfalls in manchen Bereichen die menschliche Leistungsfähigkeit in Schnelligkeit und Präzision übertreffen können. Nähert man sich dieser Vorstellung, drängt sich die Frage auf, ob es sich empfiehlt, bestimmte Entscheidungen besser von Maschinen treffen, jedenfalls aber unterstützen zu lassen. Neben Ärzten, Rechtsanwälten und Börsenhändlern betrifft das auch Leitungsentscheidungen von Unternehmensführern.
Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ein Überblick über Formen künstlicher Intelligenz (KI) gegeben. Im Anschluss fokussiert der Beitrag auf die Rolle von KI im Kontext von Vorstandsentscheidungen. Dazu zählen allgemeine Sorgfaltspflichten, wenn über den Einsatz von KI im Unternehmen zu entscheiden ist. Geht es um die Unterstützung gerade von Vorstandsentscheidungen stellen sich zusätzlich Fragen der Kooperation von Mensch und Maschine, der Delegation des Kernbestands von Leitungsentscheidungen und der Einstandspflicht für KI.
Der deutsche und der europäische Gesetzgeber kodifizierten 2013 bzw. 2019 verwandte Schutzrechte zugunsten von Presseverlegern. 2021 und 2023 erließen Australien und Kanada Sondergesetze zum Schutz der Presse im Internet. In den USA und der Schweiz sind entsprechende Legislativvorhaben anhängig. Ultimatives Ziel all dieser Interventionen ist es, ein tragfähiges digitales Pressewesen zu
gewährleisten. Presseverlegern soll zu Einnahmen verholfen werden, die von Betreibern von Suchmaschinen, News-Aggregatoren, Medienbeobachtungsdiensten und sozialen Netzwerken bezahlt werden sollen. Der Beitrag unterscheidet in rechtsvergleichender Betrachtung zunächst zwei Typen der Presseförderung im Internetzeitalter, nämlich einen klassisch-eigentumsmäßigen Ansatz – paradigmatisch realisiert im deutschen Recht – und einen systemisch-marktregulativen, von medienpolitischen Erwägungen geleiteten Ansatz – paradigmatisch verwirklicht im australischen und kanadischen Recht. Anschließend werden die sich spiegelbildlich verhaltenden Vor- und Nachteile dieser beiden Regulierungstypen benannt. Der folgende Abschnitt stellt hybride Lösungen im französischen, italienischen und schweizerischen Recht vor. Schlussbemerkungen führen zurück zur international-vergleichenden Perspektive und zur Frage, was ein wie auch immer gearteter Schutz der Presse in Anbetracht der tektonischen Verschiebungen, die die Online-Kommunikation mit sich bringt, zu bewirken vermag.
Bei der Realisierung der dringend nötigen Verkehrs- und Mobilitätswende sind Möglichkeiten der Befriedung menschlicher Mobilitätsbedürfnisse unabhängig von privater Autonutzung ein wichtiger Baustein. Im Rahmen dieser Arbeit werden darum instrumentelle, affektive und symbolische Motive der privaten Lastenradnutzung qualitativ erforscht. Das Lastenrad hat in den vergangenen Jahren insbesondere in urbanen Räumen an Popularität gewonnen und ermöglicht für den Transport von weiteren Personen, insbesondere Kindern, Tieren oder größeren Lasten eine emissionsarme oder -freie Fortbewegung. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass bei den instrumentellen Motive die häufig nach Gender verteilte Sorgearbeit eine entscheidende Rolle einnimmt. Dabei erfüllt das Lastenrad das von den Ansprüchen Transportoptionen, Zeitsouveränität, Geschwindigkeit, Erreichbarkeit und Multifunktionalität geprägte Mobilitätsbedürfnis von Personen, die neben Sorge- auch Lohnarbeit im Alltag leisten, im urbanen Raum auf einzigartige Weise. Auch für Personen, deren Alltag nicht maßgeblich durch diese Doppelbelastung geprägt ist, stellt die mit dem Lastenrad mögliche optimierte Überwindung von Raum- und Zeitwiderständen ein relevantes instrumentelles Motiv dar. Hinzu kommen soziale Interaktion, Gesundheit und Klimaschutz. Dabei ist die Lastenradnutzung stark mit positiven emotionalen Reaktionen und hedonischem Erlebniswert verknüpft. Symbolisch drückt sie einen hohen finanziellen und sozialen Status der Besitzer*innen aus und genießt hohes Ansehen in ihrem sozialen Umfeld. Gleichzeitig kann mit der Lastenradnutzung das Bedürfnis nach Individualität und Distinktion erfüllt und der hohe Stellenwert, den nachhaltige Mobilität für die Lastenradbesitzer*innen dieser Untersuchung hat, ausgedrückt werden.
Indikatorengestützte Ansätze zur nachhaltigen urbanen Mobilität: Ergebnisse einer Literaturanalyse
(2023)
Das Forschungsprojekt „MOWENDIKO: Konzeptstudie zur Entwicklung eines Mobilitätswendeindex für Kommunen“ untersucht die Einflussfaktoren auf urbane, nachhaltige Mobilität vor dem Hintergrund, dass bisher keine umfassende, standardisierte und wissenschaftlich fundierte Bestimmung von Indikatoren, welche den Fortschritt einer Mobilitätswende in Kommunen abbildet, besteht. Hierfür wird der zentrale Begriff der Mobilitätswende in den wissenschaftlichen Diskurs über die sozio-ökologische Transformation von Mobilität und Verkehr eingeordnet und das Konzept der Mobilitätskulturen erläutert, das als Ausgangspunkt für die Erfassung der vielfältigen Einflussfaktoren auf Verkehr und Mobilität dient. Grundlage der Erarbeitung des Mobilitätswendeindex ist die Untersuchung von indikatorengestützten Ansätzen aus dem Bereich nachhaltige, urbane Mobilität, die im Rahmen einer Literaturanalyse untersucht wurden. Analysiert wurden 35 Indikatorensysteme, die Aspekte von Mobilität, Radverkehr, Fußverkehr, Öffentlicher Verkehr und Nachhaltigkeit abbilden. Die Ergebnisse der Literaturanalyse verdeutlichen, dass ein solcher Index sowohl subjektive als auch objektive Einflussfaktoren auf Mobilität abbilden sollte. Darüber hinaus zeigt sich, dass der Fokus auf die Operationalisierung des politischen Prozesses der Mobilitätswende eine Lücke in der bisherigen Forschung zur indikatorengestützten Analyse von Mobilität und Verkehr darstellt.
Urbane Ordnungen der (Post-)Migration : Staatsrassismus in der (neoliberalen) "Stadt der Vielfalt"
(2023)
In Städten ist die (post)migrantische Gesellschaft verortet. Obwohl Menschen mit (familiären) Migrationsgeschichten große Teile der Stadtbevölkerung stellen – bei Kindern längst in der Mehrheit –, birgt diese Vielfalt keine gleichen Rechte: Gesellschaft und Ökonomie sind von rassistischen Ordnungen geprägt und der Staat ignoriert dies oder trägt dazu bei. Mathias Rodatz zeigt am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main, wie aktuelle städtische Vielfaltspolitiken eine andere, gleichberechtigte Stadt versprechen – und unter neoliberalen Umständen doch ins Leere laufen. Er theoretisiert sie als Politiken transnationaler Stadtbürgerschaft, deren Potenzial zu einer tatsächlichen Herausforderung des Staatsrassismus in der Stadt es noch zu realisieren gilt.
Im Rahmen des Maßnahmenpakets zur Förderung fahrradfreundlicher Infrastruktur wurde der Frankfurter Grüneburgweg zur Fahrradstraße umgebaut. Mit Fokus auf Gewerbetreibende wurde zwischen März und April 2023 eine Studie zu den Auswirkungen der Fahrradstraße auf dem Grüneburgweg im Frankfurter Westend durchgeführt. Insgesamt wurden 12 Interviews mit ortsansässigen Einzelhandel- und Gastronomiebetreiber:innen geführt. Im Zentrum standen dabei die Auswirkungen der Fahrradstraße auf die geschäftlichen Aktivitäten sowie Einflussfaktoren der Akzeptanz solcher Maßnahmen. Es konnte herausgearbeitet werden, dass die Fahrradstraße aus Sicht der ansässigen Gewerbetreibenden einen negativen Einfluss auf die Erreichbarkeit des Grüneburgwegs hat. Dies geht laut den befragten Gewerbetreibenden mit Umsatzverlusten, einem Rückgang an Kund:innen und Problemen mit der Warenlieferung einher. Ferner wird von einigen Gewerbetreibenden kritisiert, nicht rechtzeitig seitens der Stadt über den Umbau informiert worden zu sein und kein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Fahrradstraße zu haben. Die von vielen Gewerbetreibenden wahrgenommenen Auswirkungen auf ihre geschäftlichen Aktivitäten, ihre Einbeziehung in den Planungs- und Umbauprozess sowie ihr eigenes Mobilitätsverhalten sind zentrale Einflussfaktoren für die Akzeptanz der Fahrradstraße. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Gewerbetreibende zwar eine positive Einstellung zur Fahrradstraße haben, jedoch den Grüneburgweg nicht als einen geeigneten Standort für eine Fahrradstraße halten. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass für künftige Umgestaltungen besonders auf eine gute Kommunikation der Stadt mit den Gewerbetreibenden geachtet werden muss.
Um eine grüne Transformation der Volkswirtschaft zu erreichen, werden Finanzmärkte und die mit ihnen verbundenen Banken eine wichtige Rolle einnehmen müssen. Aber allein vermögen Banken und Kapitalmärkte wenig, wenn sie nicht im Kontext einer klugen, politischen Rahmensetzung und einer transparenten Erfassung der verursachten Schäden auf Unternehmensebene gesehen werden. Diese drei Pfeiler stellen bildlich den tragenden Unterbau für eine Brücke hin zu einer klimaneutralen Wirt-schaftsverfassung dar. Ihr Zusammenwirken ist eine Voraussetzung dafür, dass die Finanzwirtschaft die benötigten Finanzmittel für die grüne Transformation bereitstellen kann.
Der Beitrag bietet eine Einführung in das Thema „Vertrauen als Topos der Plattformregulierung“. Dazu wird in einem ersten Schritt das allgemeine Verhältnis zwischen dem sozialen Tatbestand „Vertrauen“ und dem Recht als das einer komplementären, wechselseitigen Wirkungsverstärkung beschrieben. Im Hinblick auf die vertrauensfördernde Rolle des Rechts wird in einem zweiten Schritt zwischen der Funktion des Vertrauens bzw. der Vertrauenswürdigkeit als Tatbestandselement einer Vorschrift und den hieran geknüpften Rechtsfolgen unterschieden. Auf der Basis dieser Grundlagen gibt der Aufsatz in einem dritten Schritt einen Überblick über Bezugnahmen auf „Vertrauen“ in der deutschen und europäischen Plattformregulierung seit 2015. Hierzu zählen sektorale Regelungen gegen Hasskriminalität und Desinformation sowie zum Schutz des Urheberrechts, die 2022 in den horizontal angelegten Digital Services Act mündeten, der ein insgesamt „vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ gewährleisten soll. Viertens stellt der Beitrag ein abstrakt-analytisches Konzept des Vertrauens vor, das sich gut zur Analyse der aufgezählten Vertrauensbeziehungen und ihrer rechtlichen Regelungen eignet. Ein abschließender Ausblick deutet die Proliferation des Vertrauenstopos als Ausdruck einer Vertrauenskrise im digitalen Zeitalter. Die erstrebte Vertrauenswürdigkeit des Online-Umfelds bildet ein normatives Minimum, das über gesetzliche Verhaltenspflichten und Privilegien für vertrauenswürdige Akteure der Zivilgesellschaft erreicht werden soll. Ob dies gelingt und überhaupt wünschenswert ist, ist freilich offen. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Topos des Vertrauens in der Digital- und Plattformregulierung hat gerade erst begonnen.
Gegen den Landeshaushalt 2022 des Freistaats Thüringen bestehen nach Einschätzung von Helmut Siekmann erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. In einem Gutachten kommt Siekmann zu dem Schluss, dass sich die festgestellten globalen Minderausgaben im Vergleich zum gesamten Haushaltsvolumen nicht rechtfertigen lassen. Der verfassungsrechtlich gebotene Haushaltsausgleich sei nur dadurch erzielt worden, dass die eigentlich gebotenen Einzelkürzungen nicht vom Parlament entschieden, sondern der Exekutive überlassen worden seien. Durch Globale Minderausgaben soll der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben erreicht werden, ohne dafür erforderliche und politisch oft schwer durchsetzbare Kürzungen bei Einzeltiteln vornehmen zu müssen.
In Thüringen fehlen der Minderheitskoalition aus Linke, SPD und Grünen im Parlament vier Stimmen für eine eigene Mehrheit. Sie muss damit bei allen Entscheidungen eine Unterstützung der oppositionellen CDU aushandeln. Siekmann weist in seinem Gutachten darauf hin, dass die Veranschlagung von globalen Minderausgaben gleich welcher Art in keinem Fall die Exekutive ermächtigt, bestehende Verpflichtungen nicht zu erfüllen.
Der Beitrag stellt dar, wie Online-Plattformen in den Bereichen Urheberrecht, Hassrede und Desinformation in der EU reguliert wurden. Die Analyse ergibt einen Regulierungskreislauf, der in vier Phasen ablief. Bis zum Jahrtausendwechsel war es die Legislative, die einen allgemeinen gesetzlichen Rahmen für die Online-Kommunikation in Gestalt von Äußerungsverboten und Haftungsprivilegierungen definierte. Dieser Rahmen wurde im folgenden Jahrzehnt von den Betreibern der neu entstehenden Plattformen unter Ausnutzung ihres privatautonomen Gestaltungsspielraums implementiert. In der dritten Phase ab ca. 2010 verschärften die Judikative und die Exekutive die sich aus dem allgemeinen gesetzlichen Rahmen ergebenden Mindestanforderungen an die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen, Hassrede und Desinformation. In der vorläufig letzten Phase des Regulierungskreislaufs ab 2017/2018 ergriff wieder der Gesetzgeber die Initiative, indem die Standards, die in den Phasen zwei und drei entwickelt worden waren, kodifiziert und teilweise nochmals angehoben wurden. Damit ist der Kreislauf der unionalen Plattformregulierung allerdings nicht zu seinem Ende gekommen. Vielmehr ist bereits erkennbar, dass sich nun wieder eine eher experimentell-tastende Phase privatautonomer Implementierung und ko-regulativer Fortentwicklung des neuen gesetzlichen Rahmens anschließt. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Bewertung dieser Entwicklung hin zu mehr hoheitlicher Kommunikationskontrolle.
In den letzten zwei Jahrzehnten sind Anmeldungen von Rechten des geistigen Eigentums (intellectual property, IP) bzw. Verletzungsklagen wiederholt an der unzureichenden Bestimmtheit des exklusiv beanspruchten Gegenstands gescheitert. Ihren Ausgang nahm diese Entwicklung im Markenrecht mit Entscheidungen des EuGH (Stichworte: Sieckmann, Heidelberger Bauchemie, Dyson, IP Translator, Oy Hartwall) und später auch des BGH (Stichwort: UHU). Die markenrechtlichen Grundsätze strahlten auf das Designrecht (Stichworte: Sporthelm, Mast-Jägermeister) und zuletzt auch auf das Urheberrecht (Stichwort: Levola) aus. Im Folgenden werden die maßgeblichen Urteile zur Schutzfähigkeit von Zeichen, Designs und Werken zusammengetragen und systematisiert. Dabei treten zwei Aspekte eines Bestimmtheitsgebots zu Tage, die, wie abschließend zu zeigen sein wird, auch im Patentrecht gelten
Der Beitrag nimmt kritisch zum gegenwärtig anhängigen EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) Stellung. Die Kernthese lautet: Big Tech muss reguliert werden, aber nicht wie im DSA vorgesehen. Zur Untermauerung dieser Position werden fünf grundlegend problematische Aspekte des DSA benannt. Es wird gezeigt, dass die derzeit verhandelten Fassungen des DSA (1) die Vertragsfreiheit nicht kommunikationsmächtiger Vermittlungsdienste missachten, (2) automatisiertes Overblocking begünstigen, (3) auch legale, aber in unspezifischer Weise „schädliche“ Äußerungen ins Visier nehmen, (4) einen vagen und für die Kommunikationsregulierung generell unpassenden Risikopräventionsansatz verfolgen und (5) eine Kommunikationsüberwachungsbürokratie errichten, die ihrerseits keinen zureichenden öffentlich-demokratischen Kontrollen unterliegt. Als Reaktion auf diese Befunde wird vorgeschlagen, (1) nur sehr großen Online-Plattformen inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf ihre AGB zu machen, (2) die Verpflichtung/Berechtigung zum Einsatz automatischer Moderationssysteme auf offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu beschränken, (3) im DSA auch keine indirekten Pflichten zur Unterdrückung legaler, aber „schädlicher“ Inhalte vorzusehen, (4) das systemische Risiko des Art. 26 Abs. 1 Buchst. c DSA ersatzlos zu streichen und (5) die DSA-Bürokratie staatsfern auszugestalten und einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen.
Der Beitrag bietet eine Übersicht der unionalen und deutschen Rechtsbegriffe zur Bezeichnung von Diensten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Neben Rechtsquellen der ersten Regulierungsgeneration (insbes. E-Commerce- und InfoSoc-Richtlinie) werden 26 Gesetze bzw. Gesetzesvorschläge aus den letzten fünf Jahren in die Bestandsaufnahme einbezogen. Die einzelnen Dienstebegriffe werden erläutert und nach Maßgabe ihrer technisch-sozialen Funktion klassifiziert. Die vergleichende Analyse arbeitet Unterschiede und Überschneidungen sowie allgemeine dogmatische Grundsätze heraus, etwa zur Beurteilung multifunktionaler Dienste. Besonderes Augenmerk gilt Diensten wie sozialen Netzwerken und Messengern, deren juristische Einordnung ungeklärt ist. Der Beitrag schließt mit begrifflichen Reformvorschlägen für das künftige Digitalrecht.
Der Beitrag bietet einen Überblick über den entstehungsgeschichtlichen Hintergrund sowie den Inhalt des ursprünglichen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) 2017, seine Wirkungen in der Praxis und die Änderungen durch die NetzDG-Reform 2021. Es wird gezeigt, dass aus einem Regelwerk mit engem Fokus auf die Durchsetzung des Strafrechts in OnlineNetzwerken ein Plattformregulierungsgesetz wurde, das sowohl Löschgebote (Strafrecht) als auch Löschverbote (Meinungsfreiheit) prozeduralisiert. Während das NetzDG 2017 keinen nennenswerten Niederschlag in gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen fand und inzwischen auch kaum noch eine Rolle in der Löschpraxis der Netzwerke spielt, dürfte es dazu beigetragen haben, dass die Netzwerkbetreiber ihre privaten Kommunikationsregeln verschärft haben. Hintergrund für diese „Flucht in die AGB“ ist, dass die großen Netzwerkbetreiber und der Gesetzgeber dasselbe Nahziel verfolgen: Einer Verrohung der Debattenkultur soll aus ökonomischen bzw. gesellschaftspolitischen Gründen entgegengewirkt werden. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf den Digital Services Act (DSA), mit dem der Compliance-Ansatz des NetzDG europäisiert würde.
Im Zuge der fortlaufenden Digitalisierung im Mobilitätssektor werden aktuell besonders in Großstädten verstärkt geteilte on-demand Fahrdienstleistungen implementiert. Das sog. Ridepooling beschreibt eine dynamische und digitale Form des konventionellen Sammeltaxis, bei welcher durch eine intelligente Algorithmik mehrere voneinander unabhängige, zeitlich korrespondierende Fahrtwünsche in Echtzeit zu einer Route kombiniert werden. So können einander unbekannte Kund*innen gemeinsam und gleichzeitig nach ihren individuellen Bedürfnissen auf Direktverbindungen befördert werden. Viele der Ridepooling-Angebote werden in urban geprägten Raumstrukturen von privaten Verkehrsunternehmen - teilweise sogar eigenwirtschaftlich - betrieben und als nachhaltige Mobilitätsform beworben: Sie soll die sich individualisierenden Mobilitätsbedürfnisse der Bürger*innen befriedigen, dadurch städtische Problematiken wie hohe Luft- und Lärmbelastung, Staubildung sowie Flächenknappheit adressieren und zu einer umweltfreundlichen Verlagerung des lokalen Verkehrsaufkommens (Modal Shift) führen.
Die vorliegende Arbeit untersucht am Beispiel der Großstädte Berlin und Hamburg, wie und unter welchen Zielsetzungen der unterschiedlichen Akteure die neuen Angebotsformen implementiert wurden und welche Auswirkungen sie auf die städtischen Mobilitätssysteme haben.
Durch Expert*innen-Interviews mit städtischen Behörden, öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünden und Expert*innen für digitale und städtische Mobilität soll der aktuell noch geringe Forschungsstand über die Zielsetzungen, Formen und Auswirkungen von Ridepooling-Angeboten in städtischen Räumen um praxisnahe Betrachtungen und Erkenntnisse erweitert werden. Es kann angenommen werden, dass die unterschiedlichen Ausgestaltungen der untersuchten Angebote von ioki, CleverShuttle, MOIA und BerlKönig dabei durchaus voneinander differierende Effekte auf das Nutzungsverhalten der Kund*innen und die städtische Verkehrsgestaltung sowie deren ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsdimensionen haben.
Im Januar 2020 änderte sich für viele Menschen die bis dahin gekannte Normalität durch das Aufkommen des Covid-19-Virus. Dies äußerte sich in einem gravierenden Einfluss auf die physische Mobilität und führte zu einer teilweisen Verlagerung in die virtuelle Mobilität. Angelehnt an die in dieser Arbeit dargestellten Forschungsansätze ist festzustellen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen eingeschränkter Mobilität und sozialer Exklusion von sozialer, politischer, ökonomischer sowie persönlicher Partizipation besteht. Diese Korrelation unter pandemischen Bedingungen wurde zum Zeitpunkt der Analyse kaum untersucht, weshalb es die Zielsetzung dieser Arbeit war, die Thematisierung der Einschränkungen mobilitätsbedingter sozialer Teilhabe durch die Covid-19-Pandemie im medialen Diskurs zu erörtern.
Die quantitative Analyse der drei Zeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit ergab, dass die mediale Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand nur einen marginalen Teil der Artikel prägt und damit eine Randnotiz der Gesellschaft darstellt. Die darauffolgende qualitative Inhaltsanalyse der thematisch passenden Zeitungsartikel lassen auf die Notwendigkeit einer Erweiterung der existierenden theoretischen Exklusionsdimensionen schließen. Grund dafür sind das Auftreten einer Infektionsangst sowie einer neuen Reichweite der Digitalisierung als grundlegende Exklusionsstrukturen während der Pandemie. Insbesondere in der Entscheidung um den Umgang mit dem ÖPNV spiegeln sich vielfältige gesellschaftliche Fragen um Sicherheit und Gesundheitsschutz, aber auch um soziale Teilhabe und Zugang.
Mit dem Ziel, Erkenntnisse darüber zu gewinnen unter welchen Umständen verkehrspolitische Maßnahmen seitens der Bevölkerung befürwortet und angenommen werden, wurde im Hebst 2020 eine quantitative Haushaltsbefragung (N = 832) in vier Frankfurter Befragungsgebieten durchgeführt. Als Untersuchungsgegenstand wurde die Umwandlung von Auto- in Fahrradspuren ausgewählt – eine Maßnahme, die in Folge des Frankfurter Radentscheids entlang verschiedener Verkehrsachsen in Frankfurt geplant und teilweise bereits umgesetzt wurde. Dabei wurde deutlich, dass die Akzeptierbarkeit für die zukünftige Umsetzung einer solchen Maßnahme zur Neuaufteilung öffentlicher Räume in Frankfurt insgesamt sehr hoch ausfällt. Unter Heranziehung des stage model of self-regulated behavioural change (SSBC) konnte zudem aufgezeigt werden, dass sich eine starke Orientierung am Auto negativ auf die Höhe der Akzeptierbarkeit auswirkt, während eine regelmäßige Nutzung des Fahrrads höhere Zustimmungswerte für die Maßnahme hervorruft. In einem zweiten Schritt wurde weiterhin untersucht, inwiefern die bereits umgewandelten Radspuren zwischen der Alten Brücke am Main und dem Friedberger Platz im Frankfurter Nordend, eine Veränderung in der Wahrnehmung und Verkehrsmittelnutzung der Befragten begünstigen und somit auch wirksam sind. Dabei wurde mitunter ersichtlich, dass es seit der Umwandlung sowohl zu einer gesteigerten Fahrradnutzung als auch zu einer reduzierten Autonutzung entlang der umgewidmeten Strecke gekommen ist.
In der Publikation reflektieren Forschenden aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaft und Medizin sowie Praktiker aus Medien und Politik den Einfluss wissenschaftlicher Expertise in Krisenzeiten. Dabei werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Covid-19-Pandemie, der Finanz- und Wirtschaftskrise, der Flüchtlingskrise und der Klimakrise herausgearbeitet. Die Gespräche wurden im November/Dezember 2021 geführt.
Die notwendige ökologische Transformation aber auch darüberhinausgehend die zunehmenden Erwartungen, die Gesellschaft und Politik an die Wirtschaft stellen, erfordern eine Prüfung des Wettbewerbsrechts und seiner Durchsetzung, insbesondere auch der dabei verwendeten (ökonomischen) Konzepte und Methoden, dahingehend, ob die aktuelle Praxis nicht einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen in unbegründeter Weise im Wege steht. Auf europäischer Ebene hat der Diskurs darüber im Jahr 2021 erheblich an Fahrt gewonnen. Wir stellen wesentliche Initiativen dar. Dabei zeigt sich unseres Erachtens allerdings auch, dass für eine konstruktive Weiterentwicklung noch die nötigen konzeptionellen und methodischen Grundlagen fehlen.
In the aftermath of the Wirecard scandal the German lead stock market index DAX has undergone a series of reforms, including the introduction of a profitability criterion based on EBITDA for new DAX members and enhanced financial reporting requirements with specified sanctions for non-compliance. Furthermore, DAX members need to adhere to certain provisions in the German Corporate Governance Code relating to audit committees. The final step of the reform was implemented in September 2021: the extension of the DAX from 30 to 40 constituents, with the ranking based solely on the free float market capitalisation. After one year of experience with the new design of the DAX, this paper concludes that the reform has strengthened the DAX in terms of diversification, quality and adaptability. However, there is still room for further improvement by introducing a minimum ESG score for DAX companies and thus making sustainability a relevant factor in the selection process. In addition, full compliance with the recommendations of the German Corporate Governance Code should be a condition for DAX companies. Furthermore, the profitability criterion should be applied on a continuous basis to ensure that loss-making companies can be excluded from the DAX after a grace period.
In vielen Städten werden gemeinschaftlicher Wohnprojekte in unterschiedlicher Weise gefördert, weil sie dauerhaft bezahlbares und sicheres Wohnen ermöglichen sowie positiv ins Quartier wirken (sollen). Mitunter kommt dabei die Frage auf, wie ein solcher Mehrwert für das Gemeinwohl bestimmt und wie die Projekte seitens der fördernden Kommune begleitet werden können. Mit diesen Fragen hat sich das Forschungsprojekt 'Gemeinschaftliches Wohnen als kommunales städtebauliches Instrument. Monitoring, Vernetzung und Auswertung gemeinschaftlichen Wohnens in Frankfurt am Main (GeWokosl)' in explorativer Weise befasst. Ziel war es einen Monitoring-Ansatz vorzubereiten, mit dessen Hilfe die Quartiersangebote städtisch geförderter gemeinschaftlicher Wohnprojekten erfasst und unterstützt werden sollen. Dazu wurden Interviews mit zuständigen Verwaltungen in Hamburg, Tübingen, Leipzig und Stuttgart sowie Gruppendiskussion mit sechs gemeinschaftlichen Wohnprojekten in Frankfurt am Main geführt. Ein Monitoring der Wirkungen in das Quartier wird von allen Beteiligten als eine Herausforderung gesehen, da es eine Erfassung der qualitativen projektspezifischen Dynamiken erfordert. Insgesamt zeigen die Interviewergebnisse mit den Stadtverwaltungen ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, einen die Wohnprojekte unterstützenden Ansatz zu entwickeln und dem Anspruch, die gemeinwohlorientierten Beiträge der Projekte zu kontrollieren und zu steuern. Die Projekte fordern in diesem Kontext eine zuverlässige finanzielle Unterstützung für ihr soziales Engagement und den Ausbau der städtischen sozialen Infrastruktur. Das Forschungsvorhaben wurde als Kooperation zwischen der Stabsstelle Wohnungsmarkt, Mietrecht und innovative Wohnprojekte des Amtes für Wohnungswesen Frankfurt am Main sowie der Professur von Bernd Belina am Institut für Humangeographie der Goethe-Universität im Zeitraum von Mai 2021 bis Februar 2022 durchgeführt.
Der Koalitionsvertrag 2021 sieht eine generationengerechte Absicherung des Rentenniveaus durch eine teilweise aus Haushaltsmitteln finanzierte Kapitaldeckung vor. Um dieses Ziel zu verwirklichen, wird hier die Einführung einer Generationenrente ab Geburt vorgeschlagen. Dabei wird aus Haushaltsmitteln ein Betrag von € 5.000 für jedes Neugeborene nach Grundsätzen des professionellen Anlagemanagements am globalen Kapitalmarkt angelegt. Konzeptionell soll sich diese Generationenrente am Modell der Basisrente(§10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG) orientieren, d.h. die akkumulierten Gelder sind weder beleihbar, vererbbar noch übertragbar und können frühestens ab Alter 63 zugunsten einer lebenslangen Monatsrente verwendet werden. Unsere Berechnungen zeigen, dass durch die hier vorgeschlagene Generationenrente unabhängig vom Verlauf der individuellen Erwerbsbiographie, Altersarmut für die vom demographischen Wandel besonders betroffenen zukünftigen Generationen vermieden wird.
Im Herbst 2020 wurden im Rahmen des vom Land Hessen geförderten LOEWE-Schwerpunktes „Infrastruktur – Design – Gesellschaft“ zwei Haushaltsbefragungen durchgeführt mit dem Ziel, die Akzeptanz und Wirkung verkehrspolitischer Maßnahmen zur Neuaufteilung öffentlicher Räume in Frankfurt am Main zu untersuchen. In der ersten (postalischen) Befragung (N = 853) wurden in den vier Befragungsgebieten Altstadt/Sachsenhausen-Nord, Nordend, Eschersheim und Bonames/Nieder-Eschbach mithilfe des Random-Route-Verfahrens Fragebögen verteilt. In der parallel dazu stattfindenden reinen Onlinebefragung (N = 1.422) wurden alle Frankfurter Stadtteile angesprochen.
Ziel des Berichts ist es, die methodische Vorgehensweise der Erstellung, Durchführung und Auswertung der Erhebung zu beschreiben. Dazu werden die thematischen Schwerpunkte und Zielsetzungen der beiden Befragungen erläutert, die Vorgehensweise bei der Verteilung und Verbreitung der Befragungen und des Pretests sowie die Aufbereitung der Datensätze. Weiterhin werden der Rücklauf und die Repräsentativität der Stichproben analysiert und zuletzt potentielle Fehlerquellen thematisiert.
The article traces and analyzes the negative globality of pandemic fears. It follows them through literary texts, psychological theories of individual and collective fears as well as legal documents. Rather than treating fears as law’s other, notably pandemic fears are included in the controversial discussion on how law protects (or should protect) peoples’ freedom in a pandemic. In closing, the article presents different forms of fear defense and fear denial such as conspiracy myths.
Der Einsatz von Künstliche Intelligenz (KI) – Technologien eröffnet viele Chancen, birgt aber auch viele Risiken – insbesondere in der Finanzbranche. Dieses Whitepaper gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Anwendung und Regulierung von KI-Technologien in der Finanzbranche, und diskutiert Chancen und Risiken von KI. KI findet in der Finanzbranche zahlreiche Anwendungsgebiete. Dazu gehören Chatbots, intelligente Assistenten für Kunden, automatischer Hochfrequenzhandel, automatisierte Betrugserkennung, Überwachung der Compliance, Gesichtserkennungssoftware zur Kundenidentifikation u. v. m. Auch Finanzaufsichtsbehörden setzen zunehmend KI-Anwendungen ein, um große und komplexe Datenmengen (Big Data) automatisiert und skalierbar auf Muster zu untersuchen und ihren Aufsichtspflichten nachzukommen.
Die Regulierung von KI in der Finanzbranche ist ein Balanceakt. Auf der einen Seite gibt es eine Notwendigkeit Flexibilität zu gewährleisten, um Innovationen nicht einzudämmen und im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Strenge Auflagen können in diesem Zusammenhang als Barriere für die erfolgreiche Weiter-)Entwicklung von KI-Applikationen in der Finanzbranche wirken. Auf der anderen Seite müssen Persönlichkeitsrechte geschützt und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar bleiben. Die fehlende Erklärbarkeit und Interpretierbarkeit von KI-Modellen entsteht in erster Linie durch Intransparenz bei einem Großteil heutiger KI-Anwendungen, bei welchen zwar die Natur der Ein- und Ausgaben beobachtbar und verständlich ist, nicht jedoch die genauen Verarbeitungsschritte dazwischen (Blackbox Prinzip).
Dieses Spannungsfeld zeigt sich auch im aktuellen regulatorischen Ansatz verschiedener Behörden. So werden einerseits die positiven Seiten von KI betont, wie Effizienz- und Effektivitätsgewinne sowie Rentabilitäts- und Qualitätssteigerungen (Bundesregierung, 2019) oder neue Methoden der Gefahrenanalyse in der Finanzmarktregulierung (BaFin, 2018a). Andererseits, wird darauf verwiesen, dass durch KI getroffene Entscheidungen immer von Menschen verantwortet werden müssen (EU Art. 22 DSGVO) und demokratische Rahmenbedingungen des Rechtsstaats zu wahren seien (FinTechRat, 2017).
Für die Zukunft sehen wir die Notwendigkeit internationale Regularien prinzipienbasiert, vereinheitlicht und technologieneutral weiterzuentwickeln, ohne dabei die Entwicklung neuer KIbasierter Geschäftsmodelle zu bremsen. Im globalen Wettstreit sollte Europa bei der Regulierung des KI-Einsatzes eine Vorreiterrolle einnehmen und damit seine demokratischen Werte der digitalen Freiheit, Selbstbestimmung und das Recht auf Information weltweit exportieren. Förderprogramme sollten einen stärkeren Fokus auf die Entwicklung nachhaltiger und verantwortungsvoller KI in Banken legen. Dazu zählt insbesondere die (Weiter-)Entwicklung breit einsetzbarer Methoden, die es erlauben, menschen-interpretierbare Erklärungen für erzeugte Ausgaben bereitzustellen und Problemen wie dem Blackbox Prinzip entgegenzuwirken.
Aus Sicht der Unternehmen in der Finanzbranche könnte eine Kooperation mit BigTech-Unternehmen sinnvoll sein, um gemeinsam das Potential der Technologie bestmöglich ausschöpfen zu können. Nützlich wäre auch ein gemeinsames semantisches Metadatenmodell zur Beschreibung der in der Finanzbranche anfallenden Daten. In Zukunft könnten künstliche Intelligenzen Daten aus sozialen Netzwerken berücksichtigen oder Smart Contracts aushandeln. Eine der größten Herausforderungen der Zukunft wird das Anwerben geeigneten Personals darstellen.
In diesem Text werden, ausgehend von der Unterscheidung von Autorität und Autoritarismus, zunächst Entwicklungen im Gefahrenabwehrrecht (Polizeirecht) rekonstruiert, die sich autoritär kennzeichnen lassen. Die Entfesselung des (rechtsstaatlich gebändigten) Leviathan wird dann weiterverfolgt im Recht des Infektionsschutzes. Der Fokus liegt hier auf den anti-corona Gesetzen zum Schutz der Bevölkerung der Jahre 2020 und 2021. In einer Art Gegenprobe wird der infektionsschutzrechtliche Autoritarismus daraufhin überprüft, ob er alternativlos war, problemlos auf die rechtsstaatliche Spur zurückgeführt werden oder sich als demokratisches Gemeinschaftsprojekt interpretieren lassen könnte.
Die BaFin hat im August 2021 eine Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen vorgelegt. Diese soll regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Fonds als „nachhaltig“, „grün“ o.ä. bezeichnet und vermarktet werden darf. Zwar sind aufsichtsrechtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, die Qualität von Informationen zu Nachhaltigkeitscharakteristika von Finanzprodukten zu erhöhen, grundsätzlich zu begrüßen. Der Erlass der konsultierten Richtlinie ist jedoch nicht zu befürworten. Im Lichte der einschlägigen unionsrechtlichen Regelwerke und Initiativen ist unklar, welchen informationellen Mehrwert diese rein nationale Maßnahme schaffen soll. Ferner bleibt auf Grundlage des Entwurfs unklar, anhand welcher Maßstäbe die „Nachhaltigkeit“ eines Investmentvermögens beurteilt werden soll, sodass das primäre Regelungsziel einer verbesserten Anlegerinformation nicht erreicht würde.
Dieser Artikel behandelt das Zusammenspiel von staatlich organisierten sozialen Sicherungssystemen und der privaten Eigenvorsorge durch Vermögensbildung als Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Die jährlichen Ausgaben der verschiedenen staatlichen Sicherungssysteme belaufen sich auf rund ein Drittel des erwirtschafteten Bruttosozialprodukts, wobei die umlagefinanzierten Alterssicherungssysteme für die Arbeitsnehmer den größten Anteil ausmachen. Sachvermögen in Form von selbst genutzten Wohnungen sowie Finanzvermögen in Form von Bankeinlagen und Ansprüche gegen private Versicherungen machen den größten Anteil der Eigenversorge aus. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus sowie des demografischen Wandels der Gesellschaft wird die Eigenvorsorge durch Anlagen an den internationalen Wertpapiermärkten sowohl für Selbständige als auch Arbeitsnehmer immer bedeutender.
Der Beitrag erläutert die Fragestellung, die Kernthesen und den juristischen Erkenntniswert einer „Ontologie des Immaterialgüterrechts“. Ihr Untersuchungsgegenstand ist die Frage, auf welchem Verständnis der Wirklichkeit, genauer: seines Schutzgegenstands, das IP-Recht beruht. Nicht die Seinsweise des Rechts wird analysiert, sondern die hiervon zu unterscheidende Seinsweise einer bestimmten Klasse von Rechtsobjekten, nämlich Immaterialgütern und insbesondere urheberrechtlichen Werken. Die diesbezügliche ontologische und historische Betrachtung ergibt, dass es sich beim abstrakt-unkörperlichen Werk um eine sprachbasierte Konstruktion handelt, die als sozial-institutionelle Tatsache wirkmächtig ist, weil und soweit Menschen seit ca. 200 Jahren so sprechen und denken, als gäbe es unkörperliche Werke – obwohl diese metaphysische Annahme nicht plausibel ist. Der Beitrag erläutert weiter, dass sich das Urheber- und IP-Recht auf der Basis dieser Einsichten und einer alternativen, handlungs- und artefaktbasierten IP-Theorie besser erklären lässt als auf dem Boden des herrschenden Paradigmas vom abstrakten Immaterialgut bzw. Werk. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Dogmatik und Anwendungspraxis des geltenden Rechts als auch im Hinblick auf die ökonomische Analyse und den Rechtsvergleich. Die normativen Implikationen dieser deskriptiven Erkenntnisse sind hingegen begrenzt und richten sich vor allem an die Urheberrechtswissenschaft. Diese sollte tunlichst nicht mehr so reden und argumentieren, als existierten abstrakte Werke, die dem Berechtigten wie Sachen exklusiv zugeordnet sind.
Die Distributed Ledger- bzw. Blockchain-Technologie führt zu einer zunehmenden Dezentralisierung von Finanzdienstleistungen („Decentralised Finance“), die weitgehend ohne die Einschaltung von Finanzintermediären angeboten werden können. Dazu trägt wesentlich die sog. „Tokenisierung“ von Vermögensgegenständen, Zahlungsmitteln und Rechten bei, die verschlüsselt als „Kryptowerte“ in verteilten Transaktionsregistern digital abgebildet werden können. Der vorliegende Beitrag erläutert die Grundlagen und Anwendungsfelder dezentraler Finanzdienstleistungen mit Kryptowerten, die mittelfristig die gesamte Architektur des Finanzsektors verändern könnten. Dieser Trend betrifft längst nicht nur die kontrovers diskutierten Zahlungsverkehrssysteme mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin, sondern Handelsplattformen, Kapitalmärkte oder Unternehmensfinanzierungen. Es bildet sich ein rasch wachsendes Ökosystem aus Startups, Technologieunternehmen und etablierten Finanzdienstleistern, für das jedoch noch ein verlässlicher regulatorischer Rahmen fehlt. Die derzeit auf europäischer Ebene diskutierte Initiative „MiCA (Markets in Crypto Assets)“ geht in die richtige Richtung, sollte aber im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzsektors zeitnah umgesetzt werden.
Ziel der vorliegenden Studie war es, herauszufinden, in welcher Weise ein im Sommer 2020 durchgeführter Verkehrsinfrastruktureingriff an einer Hauptverkehrsstraße in Frankfurt zu einer Verbesserung der wahrgenommenen Lebensqualität der Anwohnenden beiträgt. Es wurde geprüft, ob der Wegfall einer Fahrspur für den motorisierten Individualverkehr (MIV) und der gleichzeitige Bau eines Radfahrstreifens einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der Anwohnenden hat. Insgesamt wurden 445 Haushalte an der Friedberger Landstraße vor und nach dem Umbau befragt. Die Lebensqualität wurde in Bezug auf das Konfliktpotenzial und Sicherheitsempfinden im Verkehr, die Aufenthaltsqualität sowie den wahrgenommenen Lärm und die Luftqualität vor und nach dem Bau der Fahrradspur erhoben. Es zeigt sich, dass die wahrgenommene Lebensqualität nach dem Eingriff in fast all diesen Bereichen positiver bewertet wurde als vor dem Eingriff. Dies deutet darauf hin, dass die reduzierte Infrastruktur für den MIV und die gleichzeitige Errichtung einer Fahrradspur einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der Anwohnenden haben.
Die Lincoln-Siedlung, eine ehemalige Housing Area der US-Army im Süden von Darmstadt, wird seit dem amerikanischen Truppenabzug im Jahr 2008 als autoreduziertes Wohnquartier entwickelt. Der Autobesitz der Bewohner*innen wird über eine zentrale Stellplatzvergabe mit einem Stellplatzschlüssel von 0,65 Parkplätzen pro Wohneinheit reglementiert. Gleichzeitig stehen zahlreiche Alternativen, wie eine verbesserte Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur, eine eng getaktete ÖPNV-Verbindung in die Innenstadt, mehrere (teils vergünstigte) Carsharing- und Fahrradverleihangebote sowie eine Mobilitätsberatung zur Verfügung. Die vorliegende Studie stützt sich auf eine quantitative Haushaltsbefragung (N = 166), evaluiert die genannten Elemente alternativer Mobilität aus Bewohner*innensicht und untersucht die umzugsbedingten Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Bewohner*innen. Diese befürworten die Maßnahmen grundsätzlich, bezweifeln jedoch teilweise deren Wirksamkeit, etwa hinsichtlich der Minderung von Verkehrsaufkommen und Schadstoffbelastung. Im Hinblick auf das Mobilitätsverhalten zeigen die Daten eine signifikante Verringerung von Besitz und Nutzung privater Pkw im Vergleich zum Zeitraum vor dem Umzug in die Lincoln-Siedlung. Die Nutzung von Carsharing-Angeboten sowie Bus und Bahn ist hingegen signifikant angewachsen. Diese Veränderungen sind hinsichtlich der überwiegend kurzen Wohndauer der befragten Personen sowie der andauernden Quartiersentwicklung bemerkenswert. Als künftige Maßnahmen konnten bessere Informationen über das Gesamtkonzept und die einzelnen Mobilitätsangebote sowie die Kommunikation von Visionen der fertiggestellten Siedlung identifiziert werden.
Nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 wird sich die künftige Bundesregierung mit einer Reihe drängender Herausforderungen befassen müssen. Aus Sicht des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE haben die folgenden, miteinander verbundenen Einzelpunkte dabei Priorität:
1. Schaffung eines ordnungspolitischen Pakets zur Sicherung globaler Gemeinschaftsgüter, wie etwa des Klimas
2. Initiative zum Aufbau notwendiger Datensätze und Standards für eine zielgenaue Nachhaltigkeitsgestaltung an den Finanzmärkten
3. regulatorischer Fahrplan zur Erfassung, Ermöglichung und Einhegung einer digitalen Transformation des Finanzsystems
4. Vollendung der Bankenunion, insbesondere durch einen „europäischen Schlussstein“: der Schaffung einer einheitlichen Aufsicht und Letztabsicherung
5. Durchbrechung des „Doom-Loop“ zwischen Staaten und Banken in Europa, insbesondere durch Begrenzung des Umfangs, in dem eigene Staatsanleihen im Portfolio von Banken liegen dürfen
6. ernsthafter Versuch zur Schaffung eines einheitlichen und integren europäischen Kapitalmarkts mit einer Aufsicht nach US-Vorbild
7. Banken- und Kapitalmarktunion als wesentliche Bausteine für eine grundlegende Reform der Altersversorgung mit mehr Teilhabe aller Bürger:innen an der Leistungsentwicklung der Volkswirtschaft
Das LG Mannheim hat in einer Entscheidung einen sog. Faktencheck auf Facebook für lauterkeitsrechtlich unbedenklich erklärt. Die folgende Urteilsbesprechung zeigt jedoch, dass die Entscheidung weder in der Begründung noch im Ergebnis zu überzeugen vermag. Denn der konkrete Faktencheck ist geeignet, den Wettbewerb zwischen Nachrichtenseiten zu verfälschen.
Seit dem 1. Januar 2018 erhalten alle aktiven Beamt*innen, Richter*innen, Tarifbeschäftigte und Auszubildende des Landes Hessen eine Freifahrtberechtigung, sodass sie den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr im gesamten Bundesland kostenlos nutzen können. Diese Umstellung stellt den Anlass für die Fallstudie dar, die die Auswirkungen der Einführung eines solchen Tickets am Beispiel der Beschäftigten der Goethe-Universität Frankfurt untersucht. Im Frühjahr 2019 wurde eine quantitative Online-Befragung an der Goethe-Universität durchgeführt (n=1686). Als Grundlage und Vergleichsdatensatz diente eine Studie, die im Jahr 2015 an der Goethe-Universität durchgeführt worden ist.
Ziel der Befragung war es, Informationen über die Verkehrsmittelnutzung sowie die Einstellungen zu unterschiedlichen Mobilitätsangeboten zu erhalten. Der Schwerpunkt der Befragung lag dabei auf der Nutzung des hessischen Landestickets, sodass die Forschungsfrage untersucht wurde, welche mobilitätsbezogenen Verhaltensänderungen das hessische Landesticket hervorruft. Im Vergleich der Befragungen unter den Beschäftigten der Goethe-Universität 2015 und 2019 lässt sich in der Studie von 2019, ein Jahr nach der Einführung des hessischen Landestickets, ein signifikanter Anstieg der regelmäßigen Nutzung des öffentlichen Verkehrs erkennen. Im Hinblick auf eine erhoffte Verkehrswende weg von motorisiertem Individualverkehr hin zu ökologisch freundlicherem, öffentlichem Personennahverkehr lassen sich aus diesem Ergebnis politische Implikationen ableiten.
Plastikmüll ist ein zentrales Umweltproblem des 21. Jahrhunderts. Ein Großteil dieses Mülls stammt aus lediglich kurzzeitig genutzten Einwegverpackungen. Lebensmittelhersteller und Lebensmittelhandel stehen vor der Herausforderung, eine nachhaltige Gestaltung, Nutzung und Reduktion von Kunststoffverpackungen voranzutreiben. Drei Überlegungen sind hier zentral. Erstens muss der Einsatz von kurzlebigen Einwegverpackungen möglichst vermieden und reduziert werden. Zweitens müssen in den Bereichen, in denen Vermeidung nicht möglich oder ökologisch sinnvoll ist, Materialien nach Nachhaltigkeitskriterien (Ökobilanzen, toxikologische Tests) ausgewählt und Verpackungen dementsprechend gestaltet werden. Drittens müssen Unternehmen Ressourcen für betriebliche Innovation bereitstellen und Veränderungsprozesse möglichst transparent und partizipativ gestalten. Neben technischen Innovationen sollten soziale Innovationen und organisatorische Anpassungen im Mittelpunkt stehen. Dieser Policy Brief bietet eine wissenschaftlich fundierte Grundlage insbesondere für Unternehmen und Verbände in der Lebensmittelversorgung, aber auch für politische Entscheidungsträger*innen sowie Mitarbeitende in
Behörden, die sich diesen Erfordernissen stellen und damit als Pioniere der Nachhaltigkeit zu einer Lösung des Plastikmüllproblems beitragen wollen.
Der Beitrag stellt zunächst dar, dass und warum dem geltenden UWG ein schlüssiger innerer Zusammenhang fehlt, und zwar sowohl im Hinblick auf den Prüfungsaufbau für Ansprüche als auch im Hinblick auf die im Gesetz zum Tragen kommenden materiellen Systematisierungskriterien. Sodann wird ein Vorschlag für einen alternativen Gesetzesaufbau unterbreitet, der am unverändert richtigen Gedanken festhält, wonach Wettbewerbsverhalten in seinen komplexen Auswirkungen auf sämtliche Marktteilnehmer ganzheitlich zu erfassen und zu regulieren ist, während die Orientierung an Gruppen von Marktteilnehmern zwangsläufig zu Abgrenzungsproblemen führt. Folglich bilden im unterbreiteten Vorschlag nicht die Schutzsubjekte des UWG, sondern der Unwertgehalt der geschäftlichen Handlung (Irreführung, Aggressivität, sonstige Wettbewerbsverfälschung) das primäre Systematisierungskriterium. Übergeordnetes Ziel des Vorschlags ist es, die methodengerechte Anwendung des geschriebenen Rechts zu erleichtern und auf diese Weise gesetzesferne Eigenrationalitäten der Praxis einzuhegen.
Zur Reform der Einlagensicherung: Elemente einer anreizkompatiblen Europäischen Rückversicherung
(2020)
Bankeinlagen bis 100.000 Euro sind de jure überall im Euroraum gleichermaßen vor Verlusten geschützt. De facto hängt der Wert dieser gesetzlichen Haftungszusage unter anderem von der Ausstattung des nationalen Sicherungsfonds und der relativen Größe des Bankensektors in einer Volkswirtschaft ab. Um die Homogenität des Einlagenschutzes zu gewährleisten und die Bankenunion zu vollenden, bedarf es einer einheitlichen europäischen Einlagensicherung. Die bestehende implizite Risikoteilung im Euroraum ist ordnungspolitisch nicht wünschenswert. Ferner kann eine explizite und glaubwürdige Zweitsicherung Fehlanreize zur Übernahme exzessiver Risiken verhindern, bevor es zum Schadensfall kommt. Daher plädiert dieser Beitrag für ein zweistufiges, streng subsidiär organisiertes Rückversicherungsmodell: Nationale Erstversicherungen würden einen festgeschriebenen Teil, die europäische Rückversicherung nachrangig den Rest der Deckungssumme besichern. Die Rückversicherung gewährt diese Liquiditätshilfen in Form von Kassenkrediten. Weil die Haftung auf nationaler Ebene verbleibt, werden Risiken geteilt aber nicht vergemeinschaftet. Marktgerechte Prämien müssen nicht nur das individuelle Risikogewicht einer Bank sondern auch länderspezifische Risikofaktoren berücksichtigen. Zuletzt braucht der Rückversicherer umfangreiche Aufsichtsrechte, um die Zahlungsfähigkeit der Erstversicherer mit Hinblick auf die nationalen Haftungspflichten jederzeit sicherzustellen.
Die zunehmende Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche der Gesellschaft mit neuen digitalen Technologien, insbesondere mit künstlicher Intelligenz, hat zur Entstehung von smarten Ordnungen geführt. Darunter werden Ordnungen verstanden, die darauf ausgerichtet sind, durch intelligentes Design und mit Hilfe algorithmischer Operationen Abweichungen von ihren Normen zu minimieren oder ganz unmöglich zu machen. Der Beitrag erläutert einige Beispiele smarter Ordnungen und zeigt auf, dass zumindest im Grundsatz zwischen einer algorithmisch optimierten, normadressatenorientierten Prävention und einer adressatensubstituierenden Präemption abweichenden Verhaltens durch digitale Technologien unterschieden werden kann. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet sodann die Frage ob und, gegebenenfalls, in welchem Sinne, smarte Ordnungen überhaupt noch normative Ordnungen sind. Im Verlauf der Analyse zeigt sich, dass Rechtsordnungen und andere normative Ordnungen zwar das Ziel einer effektiven Durchsetzung ihrer Normen verfolgen, aber nicht das Ideal vollständiger Nicht-Abweichung. Es wird deutlich, dass es zu den wesentlichen Aspekten normativer Ordnungen gehört, dass sie an Personen adressiert sind, die sie sich als autonome und zugleich fehlbare Personen zu eigen machen müssen und dabei unvermeidlich über die faktische Freiheit zur Normabweichung verfügen. Smarte Ordnungen hingegen erfüllen diese Kriterien nicht oder nur in geringem Maße. Letztlich sind sie nur in einem schwachen Sinne normativ, soweit die in technischen Prozessen implementierte Normativität für die Betroffenen noch präsent ist. In dem Maße jedoch, wie Normativität und ihre technische Realisation sich vermischen, bis ihre erfahrbare Präsenz abnimmt, verlieren sie ihren normativen Charakter.
Die Zukunft der Freiheit
(2020)
Im Zentrum des Beitrags steht die Frage, ob und wie sich Freiheit verändert, wenn wir uns in Echo-Räumen bewegen, also in digitalen sozialen Netzwerken und in digitalen Welten, die aus den Vorhersagedaten des eigenen Verhaltens zusammengesetzt sind. Beide Varianten digitaler Welten werden als Bestätigungswelten charakterisiert, in denen der Nutzer sich in relevanten Aspekten seines Selbst nicht nur spiegelt, sondern immer wieder bestätigt und anerkannt sieht und auch andere bestätigt und anerkennt. Der Aufsatz verdeutlicht, dass es für die Frage der Freiheit in solchen Bestätigungswelten nicht nur darauf ankommt, ob wir nach den jeweils eigenen Gründen handeln oder nach Regeln, die wir gemeinsam mit anderen akzeptieren können. Denn solche Ansätze beruhen auf der unausgesprochenen Prämisse eines statischen Selbst, eine so verstandene Freiheit wäre eine statische Freiheit. Dem wird ein Verständnis von Freiheit als dynamischer Prozess gegenübergestellt, zu dem es gehört, die eigenen Gründe zu ändern. Dazu muss sich das Selbst von diesen Gründen aber erst einmal distanzieren und sich zu sich selbst verhalten können, was die Erfahrung von Widerspruch und Widerstand voraussetzt. Komplementär zu diesem Widerspruch ist es zudem auf Vertrauen angewiesen, um die Herausforderungen der Freiheit anzunehmen. Es wird gezeigt, dass sich beide Aspekte, die Freiheit als Risiko des Widerspruchs und das für die Freiheit notwendige komplementäre Vertrauen, in den digitalen Bestätigungswelten verflüchtigen.
Die rechtshistorische Forschung konzentriert sich auf die Herausbildung spezifisch juristischer Figuren wie das frühneuzeitliche Privileg oder das spätere „geistige Eigentum“. Die Geschichte des urheberrechtlichen Werkbegriffs – immerhin der Gegenstand der „Werkherrschaft“ des Urhebers – hat demgegenüber verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit erfahren. Dabei ist letztlich unstreitig, dass auch die Vorstellung eines von seinen Verkörperungen unabhängigen und daher abstrakt-immateriellen, eigentumsfähigen Werks keine gegebene Wirklichkeit darstellt, sondern erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts etabliert ist. Der Beitrag historisiert das Urheberrecht ausgehend von seiner – so die Hypothese – vorgestellten Wirklichkeit. Betrachtet werden drei Vorbedingungen, die das juristische Reden und Denken in Kategorien eines abstrakt-unkörperlichen, eigentumsfähigen Werks und damit zugleich das „geistige Eigentum“ an diesem Werk möglich gemacht haben: Reproduktionstechnologien, das Ideal des genialen Werks und die dezentral-anonyme Marktwirtschaft.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist einseitig auf die Löschung rechtswidriger Inhalte ausgerichtet. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber ein ganzheitlicher Regulierungsansatz, der darauf abzielt, dass Anbieter großer Universalplattformen gleichermaßen rechtswidrige Inhalte löschen und rechtmäßige Kommunikation nicht willkürlich beeinträchtigen. Dazu wird hier ein konkreter Entwurf zur Änderung des NetzDG nebst Begründung vorgelegt.
Der Beitrag nimmt zu den Entscheidungen des BGH v. 21.2.2019 in Sachen HHole (for Mannheim) u.a., wonach die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks eine „andere Beeinträchtigung“ im Sinne des § 14 UrhG darstellt, kritisch Stellung. Hinterfragt wird insbesondere, worauf sich Entstellungen oder Beeinträchtigungen gem. § 14 UrhG beziehen, was also unter einem „Werk“ gem. § 14 UrhG zu verstehen ist.
Erasmus, christlicher Humanismus und Spiritualität in Spanien und Neu-Spanien (16. Jahrhundert)
(2020)
Schriften des Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) entfalteten während des 16. Jahrhunderts eine große Wirkung in Spanien. Auf Grundlage der klassischen wie der jüngeren Historiographie widmet sich der Aufsatz diesem religions- und kulturgeschichtlichen Phänomen – mit Seitenblicken auf Luther – in vier Teilen: Nach einer Skizze zu Leben und Werk des christlichen Humanisten behandelt der zweite Teil den Erasmianismus in Spanien von seiner Erfolgsgeschichte in den 1520er Jahren (etwa bei Hof, an den Universitäten und in Übersetzungen) bis zur Verfolgung seiner Anhänger seit den 1530er Jahren durch die Inquisition. Drittens werden neuere Forschungstendenzen diskutiert, die das klassische, von Marcel Bataillon geprägte Bild korrigieren und weiterentwickeln, auch im Hinblick auf das ambivalente Verhältnis von Scholastik und Humanismus. Der letzte Teil widmet sich dem Einfluss des Erasmus in Neuspanien (Mexiko) am Beispiel von (Erz-) Bischöfen und Mönchen sowie von frühkolonialen Fallstudien.
Mobilität ist eine wesentliche Voraussetzung für soziale Teilhabe. Jedoch ist Mobilität mit Kosten verbunden, sodass die soziale Teilhabe bei geringen finanziellen Mitteln gefährdet sein kann. Das Projekt Social2Mobility begegnet dieser Problematik, indem es das Ziel verfolgt, die soziale Teilhabe von Menschen, die von finanzieller Armut betroffen oder bedroht sind, durch Stärkung ihrer Mobilität zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, soll im Rahmen des Projektes in der Region Hannover ein Reallabor eingerichtet werden. Das Arbeitspapier begleitet dessen Konzeption und geht der Frage nach, inwiefern in der Region Hannover ein Reallabor zum Thema mobilitätsbezogene soziale Exklusion eingerichtet werden kann. So werden in diesem Arbeitspapier die konzeptionellen Überlegungen zur räumlichen Verortung, zur Zielgruppenauswahl und zu möglichen Themen für das Reallabor dargestellt. Zudem werden die Spezifizierung auf die Zielgruppen Haushalte mit Kindern und ältere Menschen (ab 60 Jahren) sowie die Auswahl der Kommune Ronnenberg als Verortung für das Reallabor begründet.
Das Working Paper bietet die zusammenfassende Stellungnahme von Prof. Volker Wieland zum Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank für Anleihen des öffentlichen Sektors (Public Sector Purchase Programme, PSPP) am Bundesverfassungsgericht am 30.07.2019. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Frage der Einordnung des PSPP als monetäre, geldpolitische Maßnahme und der Verhältnismäßigkeit des Programms und seiner Umsetzung. Ebenfalls wird kurz auf die weiteren Fragen zur Umsetzung, insbesondere Ankündigung, Begrenzung und Abstand zum Primärmarkt für Staatsanleihen eingegangen.
Der Beitrag erläutert aus rechtswissenschaftlicher Sicht, welche Begriffe, Perspektiven und Methoden zur Beantwortung folgender Frage geeignet sind: Wie lässt sich erklären, dass das gerade einmal ca. 200 Jahre alte Rechtsgebiet des „geistigen Eigentums“, dessen Legitimität stets heftig umstritten war, praktisch weltweite Anerkennung in nationalen, supranationalen und völkerrechtlichen Rechtsquellen finden konnte und die globalen Handels- und Kommunikationsströme auch tatsächlich wirksam reguliert? Oder anders gewendet: Wie kann ein schwacher Geltungsanspruch eine faktisch wirkmächtige Ordnung hervorbringen? Nach kritisch-diskurstheoretischen Ansätzen bildet der Streit um Rechtfertigungen den zentralen Treiber normativer Ordnungen. Der Aufsatz zeigt jedoch, dass im Hinblick auf das „geistige Eigentum“ normexterne Bedingungen wie technischer Fortschritt und der Wandel der allgemeinen Wirtschaftsordnung von entscheidender Bedeutung waren und der Frage nach den Gründen z.T. logisch vorausliegen. Schließlich wird gezeigt, dass sozialontologische Analysen besonders gut geeignet erscheinen, strukturelle Normativität/Macht zu adressieren, die unterhalb expliziter Rechtfertigungen bzw. im „Hintergrund“ angesiedelt ist, so wie Sprache generell die logische Voraussetzung für ein rechtfertigendes Rede-und-Antwort-Stehen bildet.
Die durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz erfolgte Ausweitung des Verlustrücktrags ist dem Grunde nach ein hochgradig geeignetes und insbesondere breitenwirksames Mittel zur Stützung der Konjunktur. Das vorliegende Policy White Paper legt dar, dass allerdings Art und Umfang der gewählten Ausweitung unzureichend sind. Hierzu analysieren die Verfasser, wie sich die Ausweitung auf Unternehmen unterschiedlicher Größe und Rechtsform auswirkt. Auf Basis dieser Analyse zei-gen sie sodann, dass gemessen an den verfolgten konjunkturpolitischen Zielen es geboten gewesen wäre und weiterhin geboten ist, den Verlustrücktrag auf die Gewerbesteuer zu erstrecken.
Diese Arbeit nimmt Weiße Freiwillige aus Deutschland in den Blick, die einen Freiwilligendienst im Ausland geleistet haben und in rassistischen Machtverhältnissen eine privilegierte, das heißt Weiße Position einnehmen. Dabei dienen die Critical Whiteness Studies als fruchtbare Grundlage, um die Auseinandersetzung mit Rassismus aus Weißer privilegierter Perspektive zu untersuchen. Die Arbeit geht daher der Frage nach: Inwiefern die Erfahrungen im Freiwilligendienst und die begleitenden rassismuskritischen Seminare Weiße Nord-Nord und Nord-Süd Freiwillige dazu anregen, ihre Privilegien zu reflektieren und sich kritisch im rassistischen Machtsystem zu positionieren. Die Analyse der Interviews mit Weißen Freiwilligen zeigt, dass die Interviewten zum einen unterschiedliche Konfrontationserfahrungen mit Whiteness gemacht haben und zum anderen ihre daraus resultierenden Reflexionsprozesse und Umgangsweisen sehr divers ausfallen. Unterschiede zeigen sich jedoch nicht nur zwischen den Nord-Nord und Nord-Süd Freiwilligen, sondern auch situationsabhängig anhand der jeweiligen Erfahrungen der einzelnen Weißen Freiwilligen. Aus diesen Untersuchungen lässt sich ableiten, dass es auch für rassismus- und machtkritische Begleitseminare weiterhin eine zu bewältigende Herausforderung bleibt, die Relevanz der persönlichen Auseinandersetzung mit Whiteness und somit mit eigenen Privilegien und Verstrickungen in Rassismus – unabhängig vom Zielland des Freiwilligendienstes – zu vermitteln.
Die Coronakrise und die Eindämmungspolitik der Nationalstaaten hat gravierende wirtschaftliche Folgen. Nicht alle EU-Mitgliedsstaaten sind in gleicher Weise gewappnet und manche werden derzeit heftiger von der Coronakrise getroffen als andere. Eine Möglichkeit, europäische Solidarität zu organisieren, ist die Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen, so genannter Corona-Bonds. Dieser Beitrag diskutiert das Für und Wider der Corona-Bonds und ihrer Alternativen: Weder Gemeinschaftsanleihen noch eine Ausweitung des EZB-Engagements sollten das Mittel der Wahl sein. Wir plädieren vielmehr für direkte, auf europäischer Ebene koordinierte Transferzahlungen an bedürftige Mitgliedsstaaten.
Angesichts des kürzlich von der Bundesregierung verabschiedeten Konjunkturpakets, stellen sich die Autoren des Policy Letters die Frage, ob und inwieweit die angekündigte Mehrwertsteuersenkung sowie der Kinderbonus zur substantiellen Ankurbelung des Binnenkonsums führt. Aus den für das Haushaltskrisenbarometer erhobenen Daten zu Einkommensänderungen sowie Einkommens- und Kündigungserwartungen, können die Ökonomen keine zu erwartende Schwächung der Binnennachfrage ableiten. Der überwiegende Teil der deutschen Wohnbevölkerung scheint kurzfristig nicht davon auszugehen, finanzielle Einbußen aufgrund der Pandemie zu erleiden. Die Erwartungen hinsichtlich der künftigen Einkommensentwicklung haben sich gar über die letzten vier Umfragewellen graduell verbessert. Ferner kann dargelegt werden, dass weder die Konsum- noch die Sparneigung durch die Corona-Krise zum gegenwärtigen Zeitpunkt langfristig stark beeinflusst wird. So geben derzeit lediglich 10 Prozent der Befragten an, größere Anschaffungen angesichts der Pandemie vollständig gestrichen zu haben. Anfang April 2020 lag dieser Wert noch bei 16 Prozent. Die Befragten berichteten in 71 Prozent der Fälle ihre Konsumpläne und in 78 Prozent der Fälle ihre Sparverhalten nicht geändert zu haben. Im Lichte dieser Ergebnisse lassen sich Maßnahmen, die auf eine unspezifische Stimulierung der Binnennachfrage abzielen, nicht substantiell begründen und rechtfertigen.
Inflation ist ein Konstrukt. Sie wird von unterschiedlichen Akteuren unterschiedlich wahrgenommen. Zum Teil passiert dies, weil Warenkörbe differieren, zum Teil weil Erwartungen unterschiedlich gebildet werden. Dieser Beitrag diskutiert die Heterogenität der Inflation und ihrer Wahrnehmung und was dies für die Zielgröße der Zentralbankpolitik bedeutet.
In diesem Beitrag wird ein Vorschlag vorgestellt, wie es trotz langfristiger Niedrigzinsen möglich ist, die vor 18 Jahren eingeführte Riester-Rente so umzugestalten, dass alle Beteiligten davon profitieren. Wird die Mindestauszahlung am Ende der Vertragslaufzeit nur für die Eigenbeiträge, nicht aber für die staatlichen Zulagen garantiert, können deutlich höhere Renditen erzielt werden. Unter dem Strich haben dann nicht nur Privatleute mehr Geld aus ihrer Altersvorsorge, sondern der Staat wird mehr Steuern einnehmen und die Anbieter haben mehr Spielraum für bedarfsgerechte Produktgestaltung.
This article has two aims: it discusses the use and function of a very specific contract clause in Hellenistic time and explores the possibilities and limits to use databases and their automated searches and visualisations as heuristic tools. It is argued, that praxis … kata to diagramma is mainly a regional variety of an executionclause and not connected to the Greek type lawcourts as supposed by Mitteis and Wolff. Graph-databases can help to see different possible decisive features at the same time and show, which connections are more intensive than others, but automated analysis is slowed down and blurred by the lack of categorizing specific to the questions of legal history
This article has two aims: it discusses the use and function of a very specific contract clause in Hellenistic time and explores the possibilities and limits to use databases and their automated searches and visualisations as heuristic tools. It is argued, that praxis … kata to diagramma is mainly a regional variety of an executionclause and not connected to the Greek type lawcourts as supposed by Mitteis and Wolff. Graph-databases can help to see different possible decisive features at the same time and show, which connections are more intensive than others, but automated analysis is slowed down and blurred by the lack of categorizing specific to the questions of legal history
In Offenbach am Main wurde im Herbst 2018 eine Fahrradstraßen-Teststrecke eröffnet, die Teil des Vorhabens ist, die Stadt fahrradfreundlicher zu gestalten. Um herauszufinden, inwiefern das Design dieser Teststrecke einen Einfluss darauf ausübt, wie die Fahrradstraße von den Verkehrsteilnehmenden wahrgenommen und genutzt wird, wurden im Rahmen dieser Forschungsarbeit im Mai 2019 zwei Fokusgruppengespräche mit Nutzer*innen durchgeführt. In den Fokusgruppen wurden unter der Betrachtung der Fragestellung unterschiedliche Konzeptvorschläge der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG) thematisiert. In der Forschungsarbeit wird herausgearbeitet, wieso es sinnvoll ist, das Design der gebauten Umwelt näher zu betrachten und vor allem es gezielt zu verändern, wenn es darum geht, mehr Stadtbewohner*innen zum Fahrradfahren und hiermit zu einem umweltfreundlicheren Fortbewegen zu motivieren. Basierend auf den Ausführungen von JENSEN (2014, 2016) zum Mobilitätsdesign und unter Verwendung seines staging mobilities frameworks konnten die Erfahrungen der Teilnehmenden der Fokusgruppen ausgewertet und erste Aussagen über den Einfluss des Designs auf die Wahrnehmung und Nutzung der Teststrecke getroffen werden.
Mit einem um die Behandlungskapazität des Gesundheitssystems erweiterten epidemiologischen SIRD-Modell werden Mechanismen und Dynamik einer Virusepidemie wie Corona anhand von stilisierten politischen Reaktionsmustern (Ignore, Shutdown, Ignore-Shutdown-Relax) simuliert. Ferner werden aus dem Modell Lehren für die statistische Analyse von Corona gezogen, wie die Aussagekraft publizierter Verdopplungszeiten und Reproduktionszahlen. Die Dunkelziffer unbestätigter Fälle und die im Epidemieverlauf variable Genauigkeit von medizinischen Infektionstests werden diskutiert. Zur Messung der medizinischen Kosten von Corona sowie für regionale und internationale Vergleiche wird ein Schadensindex der verlorenen Lebenszeit vorgeschlagen. Zuletzt geht die Arbeit kurz auf die ökonomischen Kosten von Corona in Deutschland ein.
Mehr Nachhaltigkeit im deutschen Leitindex DAX - Reformvorschläge im Lichte des Wirecard-Skandals
(2020)
Im Rahmen der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals wird ebenfalls eine Änderung der Kriterien zur Aufnahme in den deutschen Leitindex DAX diskutiert. Die bislang von der Deutschen Börse vorgelegten Vorschläge zur Reformierung des DAX gehen in die richtige Richtung, sind aber nicht weitreichend genug. Es bedarf eines deutlichen Zeichens, dass sich künftig nur solche Unternehmen für den DAX qualifizieren können, die ein zumindest befriedigendes Maß an Nachhaltigkeit gemessen durch einen ESG (Environment, Social, Governance)-Risk-Score in ihrer Geschäftstätigkeit erreichen. Eine Simulation verdeutlicht, dass nach ESG-Kriterien seit langem kritisch betrachtete Unternehmen dem DAX nicht mehr angehören würden. Dies würde klare Anreize bei den Unternehmen setzen, Nachhaltigkeitsaspekte stärker als bisher in ihrer Strategie zu berücksichtigen. Letztlich kann eine Neugestaltung wichtiger Aktienindizes einen Beitrag dazu leisten, dass mehr Kapital in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und Sektoren fließt.
Mit dem Ziel, Erkenntnisse zum individuellen Mobilitätsverhalten im Zusammenhang mit der Gestaltung des umgebenden Verkehrssystems zu gewinnen, wurde im Rahmen des vom Land Hessen geförderten LOEWE-Schwerpunkts „Infrastruktur – Design – Gesellschaft“ im März und April 2019 eine schriftliche Haushaltsbefragung in einem innerstädtischen Gebiet der Großstadt Offenbach am Main durchgeführt (n=701). Der vorliegende Bericht beschreibt die methodische Vorgehensweise bei der Umsetzung und Datenerfassung dieser Erhebung. Dabei wird auf die vorbereitenden Maßnahmen mit Hinblick auf die Erstellung des Fragebogens und weiterer Befragungsmaterialen sowie die Durchführung des Pretests und der eigentlichen Hauptbefragung eingegangen. Um die Bereitschaft einer Teilnahme zu erhöhen, wurden die Haushalte mittels Vorankündigungsschreiben, Pressemitteilung und Erinnerungsrundgang mehrfach kontaktiert. Außerdem wurde ein Teil der Rücksendeumschläge mit Sonderbriefmarken versehen. Abschließend befasst sich der Bericht mit dem Erhebungsrücklauf, der Dateneingabe und -aufbereitung sowie dem ermittelten Antwortverhalten und der Repräsentativität der Stichprobe.
Seit dem 1. Januar 2018 erhalten alle aktiven Beamt*innen, Richter*innen, Tarifbeschäftigte und Auszubildende des Landes Hessen eine Freifahrtberechtigung, sodass sie den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr im gesamten Bundesland kostenlos nutzen können.
Diese Umstellung stellt den aktuellen Anlass für eine Fallstudie zum Thema Verkehrshandeln am Beispiel der Beschäftigten der Goethe-Universität Frankfurt a.M. dar. Im Frühjahr 2019 wurde eine quantitative Online-Befragung an der Goethe-Universität durchgeführt (n=1686). Als Grundlage und Vergleichsdatensatz diente eine Studie, die im Jahr 2015 an der Gothe-Universität durchgeführt worden ist.
Ziel der Befragung war es, Informationen über die Verkehrsmittelnutzung sowie die Einstellungen zu unterschiedlichen Mobilitätsangeboten zu erhalten. Der Schwerpunkt der Befragung lag dabei auf der Nutzung des hessischen Landestickets.
Das folgende Arbeitspapier befasst sich mit der Methodik der Online-Befragung und dokumentiert das Vorgehen von der Fragebogenerstellung, die Stichprobenauswahl, über die Durchführung bis zur Datenaufbereitung und reflektiert die Repräsentativität der Daten.
Feministische Erinnerungskulturen : 100 Jahre Frauenstimmrecht. 50 Jahre Autonome Frauenbewegung
(2019)
Nach der 2008 startenden Finanzmarktkrise sind Maßnahmen zur Regulierung und Stabilisierung der Finanzmärkte in das Zentrum der politischen und der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Insbesondere die hohen fiskalischen Kosten der Staaten zur Stützung ihrer Bankensysteme sowie die volkswirtschaftlichen Kosten infolge des Einbruchs des Wirtschaftswachstums in den Jahren nach der Insolvenz der US Investmentbank Lehman Brothers hatten einen globalen Konsens über die Notwendigkeit neuer Regulierungsmaßnahmen zur Folge. Im Ergebnis wurden das internationale Regulierungswerk Basel III sowie weitere nationale Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors neu konzipiert und in Europa im Wege einer in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie (die Capital Require-ments Directive IV - CRD IV) sowie einer Verordnung (die Capital Requirements Regulation CRR, welche unmittelbar geltendes Recht darstellt) eingeführt.
Vor diesem Hintergrund analysiert das vorliegende interdisziplinäre Gutachten die Auswirkungen der Regulierungsmaßnahmen, die zwischen 2008 bis zu Beginn des Jahres 2018 umgesetzt wurden auf dem deutschen Finanzsektor.
Künstliche Intelligenz als Ende des Strafrechts? Zur algorithmischen Transformation der Gesellschaft
(2019)
Does Artificial Intelligence (AI) imply the end of criminal law and justice as we know it? This article submits that AI is a transformative technology that seemingly assumes and optimizes the rationalities of criminal law (the effective prevention of crime; the objective, neutral and coherent application of the law etc.), namely by replacing the counterfactual guarantees of the law with the factual guarantees of technology. As a consequence, AI must not be trivialized by criminal law theory. Likewise, it is not enough to subversively criticize the current weaknesses of AI (e.g. vis-à-vis the “bias in, bias out” problem). Rather, criminal law theory should draw on the highflying promises of AI to reflect upon the foundational premises of criminal law. For a criminal law that is mostly a governance tool in the administrative and/or welfare state, AI applications promise the culmination of the law’s very objectives (like the effective inhibition and prevention of crime, e.g. by means of predictive policing; or the political determination of fuzzy sentencing rationales in sentencing algorithms that ensure equal sentences for comparable crimes). For a criminal law, however, that protects liberal freedoms and rests on inter-personal trust, AI may well lead to the passing of the law’s very ideals (e.g. of the presumption of innocence, which can no longer be upheld once everyone, ordinary citizens and judges alike, is deemed a possible risk). The question about “AI as the end of criminal law?” thus eventually raises the two-pronged question “Which criminal law for which society?”. Indeed, what is the status of freedom (esp. in a surveillance society needed to power Big Data driven algorithms), trust (esp. under the zero trust paradigm that underlies many risk assessment algorithms) and future (esp. when algorithms make predictions based on past data) once AI enters into the administration of criminal justice? These are the questions, or so I respectfully submit, that criminal law theory needs to address today in order to come up with a criminal law that is both (for pragmatic reasons) open to technology as well as (for humane reasons) sensible. In all of this, we must take to heart Joachim Hruschka’s great legacy and remain intellectually honest.
Dieses Working Paper zeigt Wege auf, wie völkerrechtlich verbindliche Regeln im Bereich der Cyber-Sicherheit entwickelt werden können. Wichtige Wegmarken können dabei nichtbindende Normen darstellen; auch aus Völkergewohnheitsrecht – besonders dem Kooperationsgebot – lassen sich präventive Schutzpflichten für Staaten (‚due diligence’) ableiten. Diesen präventiven Schutzpflichten müssen Staaten mit gemeinsamem Handeln zur Hebung von Cyber-Sicherheit gerecht werden. Um langfristig Rechts-sicherheit zu schaffen und Cyber-Sicherheit ganzheitlich zu fördern, führt aber kein Weg am Abschluss eines verbindlichen Übereinkommens über Cyber-Sicherheit vorbei.
n der Literatur wird oftmals angeführt, dass die Grunderwerbsteuer weder aus Sicht des Äquivalenzprinzips noch aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips zu rechtfertigen ist und daher in einem modernen Steuersystem nichts verloren hätte. Das vorliegende Papier weist darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer Parallelen zur Grundsteuer aufweist und sich, zumindest aus ökonomischer Sicht, in eine Grundsteuer umbauen ließe. Dies könnte insbesondere dann interessant sein, wenn die derzeitige deutsche Grundsteuer in eine reine Flächensteuer umgebaut wird, die den Wert der Bebauung unbesteuert lässt. Ein Umbau der Grunderwerbsteuer, bei der der Kaufpreis dynamisiert wird und dann einer jährlichen Steuer unterworfen wird, hat einige Vorteile. Diese resultieren daraus, dass der negative Effekt auf die Zahl der Immobilientransaktionen (Lock-in-Effekt) abgemildert würde. Könnte die Dynamisierung treffsicher an die regionale Immobilienpreisentwicklung angepasst werden, entfällt der Lock-in-Effekt für Immobilien, die bereits einmal der dynamisierten Grunderwerbsteuer unterworfen waren, sogar komplett. Dies hat nicht nur positive Effekte auf das Funktionieren des Wohnungs- und Arbeitsmarktes, sondern kann auch dem Problem der Share Deals entgegen wirken.
Die Publikation bietet einen Überblick zu den unterschiedlichen Formen und Herausforderungen des Wissenstransfers zwischen Universitäten, Ministerien, Behörden und Medien.
Inhaltsverzeichnis:
Birgitta Wolff, Georg Krausch und Hans Jürgen Prömel: Dialogorientierte Wissenschaftskommunikation als Gewinn für Universitäten und Praxis – Vorwort
Andreas Monz: Bedarf und Anforderungen an wissenschaftliche Expertise—der Blick aus der Praxis
Nina Janich: Warum Wissenschaftskommunikation manchmal so schwer ist … und auch deren Bewertung
Florian Meesmann: Dialog Wissenschaft und Medien—der Blick aus einer Rundfunkanstalt
Birgit Stark: Wissenschaftskommunikation in Zeiten rapiden Medienwandels
Manfred Niekisch: Dialoge der Vielfalt: Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft
Heike Kaupp: Von der Wissenschaft in die Behördenpraxis
Nicole Deitelhoff: Mehr Mut zur Relevanz
Im Rahmen einer angewandten kritischen Geographie beschäftigen wir uns in unserer Masterarbeit mit Realen Utopien auf Quartiersebene und zeigen, dass eine alternative Neuausrichtung der Stadtplanung und -entwicklung nötig und möglich ist. Die Grundlage dafür bildet eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Utopie und der Ebene des Quartiers. Das städtische Quartier bildet einen Möglichkeitsraum, einen space of hope (Harvey 2000), in dem Alternativen jenseits kapitalistischer Verwertungsinteressen praktiziert und gelebt werden können. Diesen Möglichkeitsraum gilt es vielfältig zu gestalten und gegenwärtigen, neoliberalen Stadtentwicklungs-paradigmen Reale Utopien(Wright 2017a) entgegenzustellen. Dabei stellt sich die Frage: Welche Gegenentwürfe zu aktuell herrschenden Paradigmen in der Stadtentwicklung zeigen uns Wege aus der Alternativlosigkeit und hin zu einer solidarischen Praxis auf Quartiersebene?Für die Beantwortung dieser Frage werden potentielle und bereits existierende Reale Utopien identifiziertund analysiert. In dieser Analyse werden Instrumente, Forderungen und Strategien herausgearbeitet, derer es Bedarf um Risse im kapitalistischem System auszuweiten, zu verteidigen und zu verstetigen. Die Ergebnisse lassen sich unter den Begriffen der Solidarität, Dekommodifi-zierung, Demokratisierung und Vergesellschaftung zusammenfassen. Sie sind die zentralen Bedin-gungen, die für die Verwirklichung Realer Utopien und damit für gesellschaftliche Transformation, entscheidend sind. Darauf basierendwird ein Kompass für ein solidarisches Quartier erarbeitet.
Die Europäische Zentral Bank hat am 6. Juni 2019 beschlossen, die Nullzinspolitik bis Mitte 2020 beizubehalten, obwohl mit dieser das Inflationsziel von 2% seit Jahren, in Japan seit Jahrzehnten, verfehlt wird. Nach dem Neo-Fisher-Effekt sollte, gegeben dieses Ziel, der Zins nicht gesenkt, sondern gehoben werden, weil die Inflationsrate der Differenz von Nominal- und langfristig stabilem Realzins entspricht. Zwar senken rasche Zinserhöhungen Nachfrage und Preise, aber daraus folgt nicht notwendig, dass niedrige Zinsen die Nachfrage anregen. Gemäß neueren Untersuchungen werden langsam durchgeführte Zinserhöhungen bei rationalen Erwartungen dagegen das Preisniveau heben. Der Aufsatz untersucht die begleitenden Verteilungswirkungen und stützt die These mit Überlegungen aus dem 19. Jahrhundert, wonach die gestiegenen Preise durch die Erhöhung der Zinskosten erklärt werden können.
Im Frühjahr 2018 wurde innerhalb des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „QuartierMobil“ eine Haushaltsbefragung im innenstadtnahen Stadtteil Frankfurt-Bornheim durchgeführt (N = 1027). Für die Stichprobenauswahl wurden das Random-Route-Verfahren und die Last-Birthday-Methode angewendet. Der Fragebogen wurde in Abstimmung mit den Projektpartner*innen, dem Referat Mobilitäts- und Verkehrsplanung der Stadt Frankfurt sowie dem Planungsbüro Planersocietät, entwickelt. Ziel der Befragung war es, die Dynamiken und Präferenzen der Bewohnenden des Quartiers hinsichtlich ihrer Alltagsmobilität, Verkehrsmittelnutzung und Einstellungen zu Konfliktsituationen zu erhalten. Der Schwerpunkt der Befragung lag auf dem Parken im urbanen Quartier und möglichen Gestaltungsoptionen des städtischen Parkraummanagements hin zu einer nachhaltigeren Mobilität und einer Erhöhung der Aufenthalts- und Lebensqualität im Quartier.
Ziel dieses Beitrags ist der Vergleich von Formen und Diskursfunktionen der nominalen Anredeformen in verschiedenen Fernsehwahldebatten aus Brasilien, Portugal, Deutschland, Frankreich und Spanien.
Die sprachvergleichende Perspektive ist aus mehreren Gründen von besonderem Interesse. Zum einen liegt ein sprachstruktureller Unterschied zwischen dem Portugiesischen und den anderen Sprachen vor, der darin besteht, dass das Portugiesische eine große Zahl nominaler Anredeformen in sein Pronominalparadigma integrieren kann, wohingegen es diese Möglichkeit im Deutschen, Spanischen und Französischen nicht oder nur sehr begrenzt gibt.
Ein anderer Unterschied ist, dass es im Portugiesischen einen gewissen Spielraum dafür gibt, die interlokutive Distanz in der Interaktion durch Anredeformen auszuhandeln, was sich auch in den Wahldebatten zeigt. In den anderen drei Sprachen besteht diese Möglichkeit nur sehr eingeschränkt.
In allen fünf Debatten stehen die Anredeformen jedoch in engem Zusammenhang mit Fragen, wie z.B. der, wie Respekt oder Professionalität gezeigt wird, wodurch somit ein gewisser Zusammenhang zwischen der Wahl der Anredeformen und dem diskursiven Ethos manifest wird. Die Wahl der Anredeformen kann als strategisch betrachtet werden, wie auch der Wechsel von der Anrede zur delocutio in praesentia (Rede über den Gesprächspartner in seiner Gegenwart). Doch trotz dieser Parallelen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung, die die Frage nach interkulturellen Differenzen aufwerfen.
Big data, data mining, machine learning und predictive analytics – ein konzeptioneller Überblick
(2019)
Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wächst die Bedeutung von Big Data Analytics, maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz für die Analyse und Pognose ökonomischer Trends. Allerdings werden in wirtschaftspolitischen Diskussionen diese Begriffe häufig verwendet, ohne dass jeweils klar zwischen den einzelnen Methoden und Disziplinen differenziert würde. Daher soll nachfolgend ein konzeptioneller Überblick über die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Interdependenzen der vielfältigen Begrifflichkeiten im Bereich Data Science gegeben werden. Denn gerade für Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik kann eine grundlegende Einordnung der Konzepte eine sachgerechte Diskussion über politische Weichenstellungen erleichtern.
In diesem explorativen Beitrag machen wir uns Gedanken über die Zukunft von Deutscher Bank und Commerzbank und entwickeln einen neuen Zugang zu dem Thema: Statt einer Fusion von DB und CB schlagen wir eine Teilfusion nur der Datenzentren vor – es entsteht auf diese Weise die Grundlage für eine Open Banking Plattform als „utility“, also als Betrieb im Eigentum der Nutzer, an der perspektivisch weitere Finanzinstitute teilnehmen können. Die über die Daten kooperierenden Institute bleiben mit Blick auf Produkte und Dienstleistungen unverändert Konkurrenten – „national champions“ entstehen auf diese Weise nicht. Aber es wird damit in Europa die Basis für einen erfolgversprechenden Wettbewerb mit den großen Datenplattformen aus USA und China (Facebook, Amazon, Alipay) gelegt, die früher oder später in den Finanzmarkt eindringen werden. Das von uns vorgeschlagene Modell einer offenen Datenplattform für Banken verhindert das Entstehen von „national champions“ und schützt damit auch das Kernanliegen der Bankenunion: Die Schaffung eines Finanzsystems, dessen Banken jede für sich ausscheiden können ohne eine systemische Krise auszulösen, und ohne den Steuerzahler zu einer Rettungsaktion zu zwingen
Die Digitalisierung der Kommunikation: Gesellschaftliche Trends und der Wandel von Organisationen
(2019)
Die Publikation bieten einen Überblick zu den mit der Digitalisierung der Kommunikation zusammenhängenden gesellschaftlichen Trends wie Always-On Kultur, Shitstorm, Fake News und den Auswirkungen auf Schulen, Medien, Nichtregierungsorganisationen, Arbeitswelt und Sport.
Diese Publikation liegt auch als Science Policy Paper 6 in englischer Sprache vor (urn:nbn:de:hebis:30:3-478533).
Inhaltsverzeichnis:
Christian Reuter, Tanjev Schultz, Christian Stegbauer: Die Digitalisierung der Kommunikation: Gesellschaftliche Trends und der Wandel von Organisationen – Einleitung
Daniel Lambach: Digitale Welt und reale Welt – keine Gegensätze mehr
Leonard Reinecke: Schöne neue Smartphone-Welt? Psychologisches Wohlbefinden im Spannungsfeld von digitaler Autonomie und ständiger Vernetztheit
Christian Reuter: Fake News und manipulierte Meinungsbildung
Christian Stegbauer: Massenhafte Wutanfälle im Internet oder kann der Shitstorm jeden treffen?
Volker Schaeffer: „Wir haben schon immer in Bubbles gelebt“ – Chancen und Gefahren der Digitalisierung in den Medien
Angela Menig, Verena Zimmermann, Joachim Vogt: Die digitale Transformation der Arbeitswelt – Chance oder Risiko?
Stefan Aufenanger, Jasmin Bastian: Einsatz digitaler Technologie in Schulen
Angelika Böhling: Entwicklungszusammenarbeit goes digital– Chancen und Herausforderungen der digitalen Kommunikation von Nichtregierungsorganisationen
Josef Wiemeyer: Digitale Interaktion und Kommunikation im Sport
Der Band untersucht die Ursachen, Ausprägungen und Reaktionen auf die Entstehung bzw. Erstarkung populistischer Parteien und Bewegungen in Deutschland und Ostmitteleuropa.
Inhaltsverzeichnis:
Arthur Benz: Populismus als Herausforderung für Wissenschaft und Praxis - Einleitung
Dirk Jörke: Populismus – Ursachen und falsche Antworten
Michael Edinger: Mobilisierung gegen das Establishment. Zu einem Wesensmerkmal populistischer Strömungen
Claudia Landwehr und Nils D. Steiner: Populismus – eine Nachfrageperspektive
Joachim Klose: Ein Land, zwei Perspektiven? Zum Populismusin Ost- und Westdeutschland
Petra Guasti und Lenka Buštíková: Populismus in Ostmitteleuropa und der Verzicht auf Politik
Im Mittelpunkt Deutsch
(2018)
Der Beitrag bietet eine Übersicht zu den Zusammenhängen zwischen Immaterialgüterrechten (IP [intellectual property]-Rechte), Privatautonomie und Innovation. Demnach beruht das IP-Recht auf der Annahme, dass erst die Kombination aus fungiblen Ausschließlichkeitsrechten und Privatautonomie – also die juristische Form der Marktwirtschaft – einen innovationsförderlichen Effekt verspricht. Dementsprechend kombiniert das geltende Recht ein hohes materielles IP-Schutzniveau mit einer weitreichenden Anerkennung der Privatautonomie der Berechtigten. Dieser Regulierungsansatz hat den Vorteil, dass sehr anpassungsfähige Rahmenbedingungen für Innovationen geschaffen werden. Wer für seine Innovation eine umfassende Exklusivität benötigt, kann unter Geltung der beiden genannten Prinzipien ebenso operieren wie Akteure, die auf IP-Schutz teilweise oder ganz verzichten möchten, weil ihnen dies unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen vorzugswürdig erscheint. Und doch erläutert der Beitrag, dass die naheliegende Folgerung zu kurz greift, der Gesetzgeber könne sich darauf beschränken, möglichst umfassende und zugleich fungible IP-Rechte zu kodifizieren, da der Markt stets für eine effiziente und auch sonst sozial wünschenswerte Ressourcenallokation sorge. Denn die mit ausschließlichen IP-Rechten verbundenen Transaktionskosten stehen diesem Ziel nicht selten im Wege. Damit zeigt sich, dass keine noch so elaborierte Vertragsrechtstheorie die Frage nach dem Sinn des logisch vorrangigen Eigentums erübrigt.
Deutschland und Europa
(2018)
Otmar Issing erörtert die Reaktionen in Deutschland auf die Pläne des französischen Präsidenten Macron aus dessen viel beachteter Rede zur Zukunft Europas an der Pariser Sorbonne. Issing wertet das Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD als Abschied von der Vorstellung einer auf Stabilität gerichteten europäischen Gemeinschaft und mahnt an, den einheitlichen Markt und die damit verbundenen Freiheiten nicht durch überzogene Ambitionen zu gefährden und damit zunehmendes Misstrauen gegenüber Europa zu fördern.
Insbesondere in der geplanten Weiterentwicklung des ESM zu einem im Unionsrecht verankerten Europäischen Währungsfonds sieht Issing die Auslieferung der durch den Fonds zur Verfügung gestellten Mittel an eine politische Mehrheit. Zudem führe die Bestellung eines europäischen Finanzministers zur Schaffung einer die Währungsunion ergänzenden Fiskalunion und damit zur Verlagerung finanzpolitischer Kompetenz von der nationalen auf die europäische Ebene. In letzter Konsequenz bedeute dies eine Aufgabe des grundlegenden Prinzips der demokratischen Legitimierung und Kontrolle finanzpolitischer Entscheidungen.
Das Ergebnis der Sondierungsgespräche muss man als Abschied von der Vorstellung einer auf Stabilität gerichteten europäischen Gemeinschaft verstehen. Damit werden die Versprechen gebrochen, die man den Bürgern in Deutschland vor der Einführung des Euros gegeben hat.
Der Beitrag analysiert die Voraussetzungen für stabiles Geld und setzt sich dabei grundlegend mit Hayeks Thesen zu alternativen Währungssystemen sowie dessen fundamentaler Kritik an der Möglichkeit zur Gestaltung der Geldpolitik auf wissenschaftlicher Basis auseinander. Er prüft Hayeks Vorschlag zur Entnationalisierung des Geldes und seine Thesen zur Überlegenheit des im privaten Wettbewerb geschaffenen Geldes. In diesem Zusammenhang schlägt der Beitrag einen Bogen zur aktuellen Diskussion über Kryptowährungen und wirft die Frage auf, ob virtuelle Währungen wie etwa Bitcoin geeignet sind, den Hayekschen Währungswettbewerb zu entfalten. Sodann wird im Gegensatz zu Hayeks Forderung nach einer Abschaffung der Zentralbanken deren entscheidende Rolle für anhaltendes Wachstum bei stabilen Preisen skizziert und die Wichtigkeit der Unabhängigkeit von Notenbanken für die dauerhafte Durchführung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik hervorgehoben. Gleichwohl ergeht der Hinweis, dass Notenbanken mit der Überschreitung ihres Mandats auf lange Sicht gesehen selbst den Status ihrer Unabhängigkeit unterminieren können und damit die Rückübertragung der Kompetenz für zentrale geldpolitische Entscheidungen auf Regierung und Parlament provozieren. Die Gefahren der weitgehenden Unabhängigkeit einiger weniger an der Spitze der Notenbanken anerkennend wird anschließend die Bedeutung ihrer Rechenschaftspflicht und Transparenz ihrer Entscheidungen unterstrichen.
Das vorliegende Arbeitspapier untersucht Ungleichheit aus verschiedenen interdisziplinären Perspektiven auf Ursachen und Implikationen.
Inhaltsverzeichnis:
Philipp Harms, Claudia Landwehr, Mario Scharfbillig, Daniel Schunk: Ungleichheit: Interdisziplinäre Perspektiven auf Ursachen und Implikationen - Einleitung
Konstantin M. Wacker: Warum wir Ungleichheit verringern müssen, um globale Armut bis 2030 zu beenden
Joachim Klose: Heimatverlust als Indikator zunehmender Ungleichheit
Gunnar Otte: Bildungsforschung und Bildungsreformen
Sibylle Kalmbach: Bildungsgerechtigkeit und Ungleichheit im Hochschulbereich – am Beispiel von Stipendien
Claudia Landwehr und Oliver Tüscher: Ursachen ungleicher politischer Beteiligung
Michael Edinger: Gleicher Zugang zur Macht? Über soziale Schließungsprozesse in der Politik
Sascha Huber: Wählermobilisierung und Ungleichheit in Deutschland: Ein Feldexperiment zur Steigerung der Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016
Tonio Rieger: Der ganzheitliche Ansatz zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit
Im Jahr 1564 veröffentlicht der Ulmer Militärexperte und -schriftsteller Leonhard Fronsperger die Schrift "Von dem Lob deß Eigen Nutzen", in der er darlegt, dass die konsequente Verfolgung des eigenen Nutzens als individuelle Handlungsmaxime im Ergebnis zu einer Förderung des Gemeinwohls führt. Das etwas mehr als hundert Seiten umfassende Werk wird in Frankfurt am Main, einem Zentrum des europäischen Buchdrucks und -handels, verlegt und findet Erwähnung im ersten veröffentlichten Katalog der Frankfurter Buchmesse. Fronsperger präsentiert seine für die damalige Zeit durchaus revolutionäre These in der Form eines satirischen Enkomions und unterlegt sie mit einer umfangreichen Gesellschaftsanalyse. Er stellt fest, dass die politischen Herrschaftsformen, die gesellschaftlichen Institutionen und die wirtschaftlichen Handelsbeziehungen auf einer konsequenten Verfolgung des eigenen Nutzens aller Akteure beruhen und dass sich die von der Kirche geforderte Ausrichtung des individuellen Handelns am Gemeinwohl in der Realität nicht finden lässt. Vielmehr hält er die Kritik der Theologen am egoistischen Handeln des Einzelnen für falsch, empfindet er doch den Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Großen und Ganzen als gut funktionierend.
Im Folgenden dokumentieren wir zunächst die Biografie des Autors, die Entstehung und Verbreitung des Werks und seine besondere literarische Form. Anschließend diskutieren wir die zentrale These in drei verschiedenen geistesgeschichtlichen Kontexten, die jeweils von besonderer Bedeutung für die Herausbildung der neuzeitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftstheorien sind. Erkenntnis- und staatstheoretisch weist Fronspergers Werk deutliche Parallelen zu den Analysen auf, die Niccolò Machiavelli und später Giovanni Botero in Italien zur Bedeutung der auf den individuellen fürstlichen Interessen basierenden Staatsräson bzw. zu den Triebkräften erfolgreicher Stadtentwicklung vorlegten. Markante Unterschiede gibt es dagegen zu den Ansichten der deutschsprachigen Reformatoren im Anschluss an Luther, die zwar die Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre propagieren und damit die Entwicklung einer eigenständigen Moral für das Wirtschaftsleben befördern, dort allerdings mehrheitlich die Orientierung am "Gemeinen Nutzen" propagieren. Indem Fronsperger dagegen die Verfolgung des Eigennutzes fordert, nimmt er wirtschafts- und gesellschaftstheoretische Einsichten über das Wesen und die Auswirkungen der Arbeitsteilung vorweg, die erst 150 Jahre und später von Bernard Mandeville und Adam Smith in England und Schottland formuliert wurden. Das Werk Fronspergers bietet damit ein herausragendes Beispiel dafür, wie sich aus dem Zusammenspiel von wirtschaftlichem Erfolg, einem realistischen Menschenbild und manchen Aspekten der Reformation in deren Folge ein neues normatives Verständnis von den Antriebskräften ökonomischer und gesellschaftlicher Dynamik entwickelt, das später als der "Geist des Kapitalismus" bezeichnet wird.
Das Immaterialgüterrecht bildet eine der ältesten und inzwischen umfangreichsten Materien des Einheitsprivatrechts. Fast alle Staaten der Erde sind Mitglieder der World Intellectual Property Organization und bekennen sich als solche zur Förderung des „geistigen Eigentums“. Allerdings ist der Rechtsschutz nach dem seinerseits universell anerkannten Territorialitätsprinzip auf das Territorium des jeweiligen Gesetzgebers beschränkt. Zu dieser geografischen Fragmentierung treten fremdenrechtliche Beschränkungen des Zugangs zum lokalen Rechtsschutz hinzu. Der Beitrag erläutert, welche Akteure die Spannung zwischen globaler Kommunikation und fragmentiertem Immaterialgüterrechtsschutz auf welche Weisen regulativ bearbeiten. Dabei wird unterschieden zwischen der Rechtsangleichung bei fortdauernder Fragmentierung, der Schaffung supranational einheitlicher Verfahren, Immaterialgüterrechte und Gerichte sowie informellen Kooperationen zwischen Privaten und Patentämtern. Die Leitfrage der Bestandsaufnahme lautet, ob all diese Phänomene im Sinne von Kropholler und David als funktionales Einheitsrecht begriffen werden können, ob es sich also um Rechtssätze handelt, bei denen die Einheitlichkeit ihrer Geltung im Interesse des unverfälschten internationalen Handels zu einem besonderen Rechtszweck erhoben wurde, oder ob man lediglich objektiv-formal eine rechtlich bindende Einheitlichkeit konstatieren kann, die primär ein anderes Ziel verfolgt, nämlich: die weltweite Stärkung des Immaterialgüterrechtsschutzes. Den Abschluss bildet eine kritische Stellungnahme zur verbreiteten Annahme, die weit fortgeschrittene Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechts sei ein großartiger Erfolg.
Die Förderung von Fahrradmobilität und öffentlichem Verkehr ist ein wesentlicher Baustein zur Gestaltung einer ökologisch nachhaltigeren, sozial verträglicheren und ökonomisch tragfähigen Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in Deutschland. Mit einer verbesserten intermodalen Verknüpfung werden beide Verkehrsträger attraktiver und somit häufiger genutzt. Öffentliche Verkehrsunternehmen gewinnen dadurch vergrößerte Einzugsbereiche von Haltestellen, können Spitzenbelastungen abfedern und verbessern ihr Image. Fahrradfahrenden ermöglicht die Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln größere Reichweiten, was gerade auch in randstädtischen, suburbanen oder ländlichen Regionen bedeutsam werden kann. Letztlich leistet die Verknüpfung der beiden Verkehrsträger einen Beitrag zur Daseinsvorsorge und für den Klimaschutz.
Der Handlungsleitfaden wurde innerhalb des Forschungsprojektes „Verbesserte Integration des Fahrrads in den öffentlichen Verkehr – Systematische Erschließung von Handlungsoptionen und Bewertung von Best-Practices“ erarbeitet. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.
Die Verknüpfung des Fahrrades mit dem Öffentlichen Verkehr (ÖV) kann den Umweltverbund stärken, den Übergang von einem Verkehrssystem auf das andere erleichtern und eine attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr schaffen. Die vorliegende Arbeit repräsentiert den zweiten umfassenden Projektbericht innerhalb des Forschungsprojektes „Verbesserte Integration des Fahrrads in den öffentlichen Verkehr – Systematische Erschließung von Handlungsoptionen und Bewertung von Best-Practices“. Im ersten Projektbericht (ebenfalls in dieser Arbeitspapierreihe erschienen – Nr. 15) wurden die Entwicklungen der letzten Jahre in den infrastrukturellen Themenfeldern Fahrradmitnahme, Fahrradverleihsysteme und Fahrradabstellanlagen aufgearbeitet und Fragen zu Kommunikation und Marketing der Angebote sowie zu Möglichkeiten der fortschreitenden Digitalisierung zur verbesserten Integration von Fahrrad und Öffentlichem Verkehr diskutiert. Darauf aufbauend werden im vorliegenden Bericht die Ergebnisse vertiefender Fallstudien dargestellt, mit dem Ziel, Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für die Integration von Fahrrad mit Öffentlichem Verkehr aufzuzeigen und in einem späteren Schritt daraus Handlungsempfehlungen zur Stärkung dieser Integration für Kommunen und Verkehrsanbieter geben zu können. Für die Fallstudien wurden solche Beispiele ausgewählt, die einen Vorbildcharakter haben und als nachahmenswert für andere Städte und Regionen gelten können bzw. aus denen sich Erkenntnisse für die Stärkung der Integration von Fahrradverkehr mit dem ÖV ziehen lassen. Zudem sollten die verschiedenen infrastrukturellen Themenfelder abgedeckt sein. Neben einer Darstellung der jeweils fallspezifischen Besonderheiten wird zu jedem Fallbeispiel das Betreiber- und Geschäftsmodell dargestellt und es erfolgt eine Bewertung, die sowohl die Sicht der Betreiber als auch die der Nutzenden beachtet.
Folgende Fallbeispiele werden behandelt:
Die hessischen Verkehrsverbünde Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und Nordhessischer Verkehrsverbund (NVV) bieten eine kosten- und sperrzeitfreie Mitnahmeregelung für Fahrräder an.
Das MVGmeinRad Mainz ist als Fahrradverleihsystem ein Teil des kommunalen ÖPNV-Unternehmens.
Zu den Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen wurden in der Fallstudie drei unterschiedlich große Anlagen einbezogen: Dein Radschloss des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) für kleine, das Radhaus Offenburg für mittelgroße und die Radstation Düsseldorf für große Standorte.
München wurde schließlich für eine kommunale Strategie zur verbesserten Verknüpfung von Fahrrad und Öffentlichem Verkehr ausgewählt, da dort eine Vielzahl von Maßnahmen zur Stärkung der Fahrradmobilität sichtbar sind.
Über Scheinriesen: Was TARGET-Salden tatsächlich bedeuten : eine finanzökonomische Überprüfung
(2018)
Der TARGET-Saldo der Bundesbank beläuft sich gegenwärtig auf knapp 1 Billion Euro. Kritikern zufolge birgt dieser Umstand hohe Lasten und Risiken für den deutschen Steuerzahler und zeigt, dass Deutschland zu einem „Selbstbedienungsladen“ im Eurosystem geworden sei. Vor diesem Hintergrund erörtert das Papier im Detail, wie TARGET-Salden überhaupt entstehen und was sie finanzökonomisch bedeuten. Die wirtschaftspolitische Analyse kommt zu dem Schluss, dass - anders als von den Kritikern behauptet- unter den Bedingungen einer Währungsunion im Normalbetrieb - TARGET-Salden lediglich Verrechnungssalden ohne weitere Implikationen sind, die aber nützliche Informationen über ökonomisch tieferliegende, regionale Verschiebungen geben können. Unter dem Extremszenario eines Zerfalls der Währungsunion können TARGET-Salden zwar als offene Positionen interpretiert werden, deren spätere Erfüllung würde aber ähnlich dem Brexit von komplizierten politischen Verhandlungen abhängen, sodass über die Werthaltigkeit allenfalls spekuliert werden kann. Sollte man das Extremszenario für bedeutend halten, und politisches Handeln fordern, erscheinen zwei Lösungen sinnvoll. Beide Vorschläge führen zu einer institutionellen Stärkung der Eurozone: i) die Einführung einer Tilgungspraxis, wie sie im US-amerikanischen Fedwire-System angewandt wird. Dabei handelt es sich um eine rein fiktive Tilgung in Form einer Umbuchung auf einem gemeinsamen (Offenmarkt-)Konto bei der EZB; ii) die Bündelung aller monetären Aktivitäten bei der EZB, sodass eine regionale Abgrenzung von Zahlungsvorgängen entfällt (und damit die TARGET-Salden verschwinden), weil alle Banken in direkter Beziehung zu ein und derselben Zentralbank stehen und der Zahlungsverkehr direkt zwischen den beteiligten Banken stattfindet.
Passt das deutsche Dreisäulensystem in eine zunehmend harmonisierte Bankenstruktur für Europa?
(2018)
Das deutsche Bankensystem ruht seit Jahrzehnten auf drei Säulen: den privaten Kreditbanken, einschließlich der großen Banken in Aktionärsbesitz, den öffentlichen Banken und den Genossenschaftsbanken. Fast nirgendwo anders in Europa hat ein solches Dreisäulensystem überlebt. Passt es also noch in ein Europa, in dem die Bankpolitik, die Regulierung und die Aufsicht inzwischen weitgehend in die Zuständigkeit der EU fallen? Für eine Bewahrung des Systems sprechen vor allem Gesichtspunkte der Stabilität. Angesichts ihrer Gruppenzugehörigkeit sind die deutschen "stakeholder-value-orientierten" Banken der Säulen 2 und 3 finanziell keineswegs weniger erfolgreich, sogar ein wenig erfolgreicher als die "shareholder-value-orientierten" Großbanken der Säule 1. Insbesondere schwanken ihre Geschäftszahlen deutlich weniger als jene der Großbanken, die in der Regel ein riskanteres Geschäftsmodell verfolgen. In vielen Privatbanken ist die Gewinnorientierung und damit auch die Bereitschaft, hohe Risiken einzugehen, aus ordnungspolitischer Sicht zu hoch, was die Systemstabilität tendenziell gefährdet. Zudem erfüllen die Genossenschaftsbanken und Sparkassen eine regionalpolitische Ausgleichsfunktion und haben eine gesamtwirtschaftlich stabilisierende Wirkung.
Zum ersten Mal wurde in Deutschland eine groß angelegte wissenschaftliche Studie zur Machbarkeit und zum Nutzen einer säulenübergreifenden Renteninformationsplattform durchgeführt, unter realen Bedingungen und mit mehreren tausend Teilnehmern. Die beiden zentralen Ergebnisse sind, dass ein elektronisches Rentencockpit auch in Deutschland technisch machbar ist und beträchtlichen individuellen Zusatznutzen für die Bürgerinnen und Bürger stiften würde. Die Langfristanalysen der Pilotstudie zeigen, dass selbst die einmalige Schaffung von Rententransparenz für viele Teilnehmer Anlass genug ist, ihren Rentenplan zu überdenken und sich aktiv mit ihrer Altersvorsorge auseinanderzusetzen und ihr Verhalten zu ändern. Teilnehmer mit Zugang zu einem elektronischen Rentencockpit fühlen sich nach der Studie deutlich besser informiert und neigen dazu ihr Sparverhalten stärker anzupassen als Personen ohne Zugang. Die außerordentlich hohe Bereitschaft zur Teilnahme und die Antworten in den Online-Befragungen sind zudem Beleg für den großen Bedarf an systemgestützter, individueller Rententransparenz. Soll ein Rentencockpit Verbreitung in Deutschland finden, scheint eine automatisierte, elektronische Bereitstellung von Vertragsdaten von Seiten der Rententräger jedoch unabdingbar, da die eigenständige Suche und teilmanuelle Bereitstellung von Standmitteilungen für die meisten Studienteilnehmer ein großes Hindernis darstellt.