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Im Juni 2001, wenige Wochen vor der Tagung, die dieser Band dokumentiert, traten im deutschen Fernsehen zwei Frauen auf, deren Zusammentreffen bereits Wochen zuvor von den Medien intensiv vorbereitet und kommentiert worden war. Auf ein »TV-Duell« der besonderen Art hatte man die ZuschauerInnen eingestimmt, die ihr Interesse denn auch durch hohe Einschaltquoten bekundeten. Was machte die Begegnung von Alice Schwarzer und Verona Feldbusch in einer Talkshow zu einem solchen Medienereignis? Was stand in diesem Duell auf dem Spiel, in dem es offensichtlich nicht um die Entscheidung für oder gegen eine Regierung ging wie etwa in dem ebenfalls traditionell als Duell inszenierten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf oder in den nach diesem Vorbild auch in Deutschland erstmals veranstalteten TV-Duellen zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber vor der Bundestagswahl 2002?
Schon bei seiner Einführung in die wissenschaftliche Literatur meinte der Begriff Déjà vu anderes als er besagt. Die beiden Primärquellen, auf die sich Ludovic Dugas in seinem terminologisch grundlegenden Artikel von 1894 bezog, verwenden bezeichnenderweise auch gar nicht diesen Ausdruck, sondern einen allgemeineren ...
Machen wir uns nichts vor. Auch wenn "Event" zum "PR-Wort der letzten Jahre" gekürt worden ist, wenn "Events auf die Besucher wie eine moderne Konsumdroge" wirken, wenn gar vom "Trend zum Event" gesprochen wird, von dem alle Bereiche der Gesellschaft längst so stark erfaßt sind, daß sich ihm nichts und niemand mehr entziehen kann – es bleibt dabei: Wann auch immer davon in Verbindung mit Kultur die Rede ist, da hat man es mit einem bösen Kampfbegriff zu tun. Mit "Eventisierung der Kultur" ist ihr steter Verfall gemeint. Und das Label "Eventkultur" gibt den Zustandsbegriff für eine Gesellschaft, die antrat, mit Kunst und Literatur die höchsten Höhen des Menschenmöglichen zu erreichen, und die nun ihr Bestes, Schönstes und Wahrstes bei einem Schaustellerwettbewerb auf dem Jahrmarkt verhökert. Event, das ist das "zur Sensation hoch inszenierte Nichtereignis, und die größte Kunst im Medienspiel ist das lauteste Krähen". Hier wird, so scheint es, "die Kunst zum bloßen Anlaß für den Konsum (...), zum Alibi", weil sie "in sonderbarer Perversion der alten Horazischen Ästhetik des 'utile cum dulci' und des 'prodesse et delectare', Zucker auf eine Sache streut, die sonst keinem mehr schmeckt." Und das passiert en masse: "Anschwellende Programmhefte, ausufernde Veranstaltungskalender, zunehmender Festivaltourismus, Boom der Multiplex-Kinos, Expo, Millenium Dome – was ist", so fragt sich da der kritische Betrachter mit Blick aufs Literarische, "was ist aus dem Erzählen geworden?" ...
Pfeilzeichen sind im Alltag des postmodernen Menschen mindestens ebenso präsent, wie es die Pfeile im Leben unserer jagenden Vorfahren gewesen sein dürften. Sie übernehmen wichtige Funktionen bei der Orientierung im Raum, bei der Bedienung von Geräten und bei der Tradierung von Wissen. Pfeilzeichen finden sich draußen wie drinnen, in gedruckten wie in digitalen Medien, sie sind Bestandteile von Bildern, Texten und mathematischen Formeln und vermitteln in vielfältiger Weise zwischen Text, Bild und Zahl. Im Laufe der Zeit hat sich das Pfeilzeichen zu einer hochflexiblen Zeichenfamilie mit einem breiten Spektrum an Formen, Bedeutungen und Funktionen entwickelt. Diese "semiotische Karriere" des Pfeilzeichens möchten wir im folgenden Abschnitt an ausgewählten Beispielen aus Kunst, Literatur und Alltag nachzeichnen, um uns anschließend der erneuten Ausdifferenzierung des semiotischen Potenzials in den neuen Medien zuzuwenden. Die Pfeilzeichen dienen uns dabei als Beispiel, um drei Thesen über Prozesse semiotischen Wandels zu belegen: 1. Neue Zeichenfunktionen und -bedeutungen bilden sich stets auf der Basis bereits vorhandener Funktionen und Bedeutungen heraus. Dabei werden alte Bedeutungen in den seltensten Fällen ersetzt; vielmehr handelt es sich um Prozesse semiotischer Ausdifferenzierung, bei der "ältere" Funktionen und Bedeutungen mit verändertem Stellenwert erhalten bleiben. 2. Die Ausdifferenzierung erhöht die potenzielle Ambiguität von Zeichen und Zeichenkomplexen, sodass deren Interpretation den Zeichenbenutzern immer mehr abverlangt. Gerade am Beispiel der Pfeilzeichen lässt sich sehr gut zeigen, dass deren Funktion und Bedeutung in hohem Maße kontext- und mediengebunden ist und in neuen Medien oft neu erlernt werden muss. 3. Grundlegend für die semiotische Ausdifferenzierung des Pfeilzeichens ist der Stellenwert des Pfeils in einem komplexen Handlungsrahmen, auf den wir mit dem Ausdruck "Pfeil-Szenario" Bezug nehmen. Darin dient der Pfeil als Geschoss einer Waffe, z. B. eines Pfeil-Bogens, seltener auch einer Armbrust oder eines Blasrohrs. Der Pfeil ist ein Element der gesamten Waffe, die sich aus Pfeilspitze, Schaft, Federn (und Ritze) zusammensetzt.
Barockrhetorik in Salzburg : zur Rolle der Benediktiner im frühneuzeitlichen Rhetorikunterricht
(2003)
Der französische Ausdruck ‚femme de lettres‘ (Literatin, Schriftstellerin) changiert, wörtlich genommen, zwischen den Bedeutungen ‚Frau – oder Herrin? – der Buchstaben‘, ‚Frau der Briefe‘ und ‚Frau der Literatur‘. Ihnen entsprechen die drei Aspekte Lesekompetenz, Epistolographie und Literatur. In diesem Dreieck situiert sich die aristokratische Frau im Frankreich des 17. Jahrhunderts, die in einer Zeit von weit verbreitetem Analphabetismus und fehlender Mädchenbildung lesen kann, der das Schreiben von Briefen und Briefromanen als geschlechtstypische Ausdrucksform zugeschrieben wird und die sich durch das Verfassen von Essays, Romanen, Erzählungen, Märchen, Gedichten und Porträts vielfältig literarisch betätigt.
Ziemlich pregnant finden sich in [...] Zeugnissen [wie Goethe in einem Brief an Schiller, 1797 und den 1798 entstanden Versen Goethes zum "Vorspiel auf dem Theater"], die um ein vielfaches vermehrt werden könnten und auch noch um einige ergänzt werden sollen, Positionen, die ich in zwei Ausgangsthesen zusamenfassen möchte: 1. Goethes intensive Beschäftigung und oft kritische Auseinandersetzung mit dem Journalwesen, das er stets auch in das Ensemble anderer wissenschaftlich-kultureller Kommunikationsformen (Compendium, Almanach usw.) stellte. 2. Seine Bereitschaft, dennoch differenziert, ja sensibel mit dieser offensichtlich besonders wichtigen Publikationsgattung umzugehen, also sein produktiver Ansatz, der zu beweisen wäre. Eine operative Publikationsgattung steht vor uns, mit der Goethe als "Autor-Produzent" oder "Leser-Rezipient" ständig zu tun hatte. Sie war ein markanter Teil jener gesellschaftlich-literarischen Kommunikationsverhältnisse, die mit dem zeitgenössischen "Publicums"-Begriff und den modernen Begriffen "Literarischer Markt" und "Literaturverhältnisse" erfaßt werden. Diese Verhältnisse wirkten zu Lebzeiten Goethes in außerordentlich dynamischer Weise und erfuhren revolutionierende Veränderungen und Entwicklungen. Entgehen konnte man ihnen zu keiner Zeit.
Auf dem Internationalen Kongress für Kunstgeschichte in Berlin 1992 stellte Rosalind Krauss eine neue Interpretation von Pollocks Drip Painting vor, die sich gegen "sublimatorische" Lesarten richtete. Pollock habe nicht bestimmte künstlerische Intentionen verfolgt. Es gebe keinerlei Evidenz dafür, dass er über Ideen verfugt habe, die ihm nicht von anderen eingegeben oder durch die Erwartungen und Normierungen der Rezipienten gesteuert seien. Solche herkömmlichen Verständnisweisen hielten an einem traditionellen Gestaltsehen, am Prinzip der Repräsentation fest. Erst die auf Pollock folgende Künstlergeneration habe den eigentlichen Stellenwert seiner drip paintings "through a far more violent and desublimatory grid" erkannt. Cy Twomblys 'Graffiti', Robert Morris' 'anti-form' und Andy Warhols 'Piss Painting' hätten die triviale, biologisch-naturgesetzliche Dimension von Pollocks Tropftechnik bewusst gemacht und auf die in ihr vorgenommene Entweihung der vertikal anthropomorphisierten Bildebene verwiesen. Die neue Horizontalität oder auch 'Niedrigkeit' des Bildes entlasse es aus den Intentionen seines Schöpfers, bestimme die Form zur Spur eines Unbeabsichtigten, Unbewussten. ...
Steht ein neues Medium zur Verfügung, kommt es bei denjenigen, die einen Zugang zu diesem Medium haben oder finden, zu einer Umverteilung ihrer eigenen privaten und geschäftlichen Kommunikationen; das neue Medium wird im Rahmen der sich damit bietenden Möglichkeiten – wenn die soziokulturellen Kontexte dies unterstützen – auch genutzt, so dass es zu einer Ausdifferenzierung von Kommunikationsformen und bei längerem Gebrauch zu einer Änderung der Kommunikationsgewohnheiten führen kann. Ein neues Medium verändert in diesem Fall die alten Wertigkeiten der Medien, es entsteht eine Umverteilung der Funktionen und der Mediennutzung. (Vgl. Krotz 1998 und Krotz in diesem Band) Damit ist in der Regel ein gewisser Sprachwandel, sicher aber ein Sprachgebrauchswandel und nicht zuletzt ein Wandel der Spracheinstellungen zu erwarten, wie dies für die E-Mail-Kommunikation der Fall war und ist. Gerade für den Medienwechsel der Textsorte Liebesbrief und die damit etablierte Intermedialität mag gelten, was generell bei einem Medienwechsel beobachtet wird: der Medienwechsel wird von zwei fundamentalen leitenden Prinzipien geprägt, das konservative stilistische Trägheitsprinzip (Bausinger 1972, 81) auf der einen Seite, die medienspezifische Innovation auf der anderen Seite. So lautet die Frage: welche Aspekte des Alten lassen sich in das neue Mediumintegrieren und welche neuen Formen, Funktionen und Textkonstellationen sind zu beobachten? Welche Aspekte des Liebesbriefs werden im Medienwechsel verändert? Ob sich dabei eine weitere bereits für das 20. Jahrhundert konstatierte Tendenz hin zu einer Verstärkung der Mündlichkeit in schriftlichen Texten und ob sich dabei eine weitere Ausdifferenzierung von Textsorten in diesem Spannungsfeld zeigt, soll hier für den Liebesbrief als ein Beispiel einer zwar stark verbreiteten, jedoch noch wenig untersuchten Textsorte geklärt werden. (Vgl. von Polenz 1999, 37ff.) Dazu wird in einem ersten Schritt (Abschnitt 2) der Frage nach der Bestimmung des Liebesbriefs nachgegangen; in Abschnitt 3 wird zu diesem Zweck die dem Liebesbrief eigene Schriftlichkeit beschrieben und in Abschnitt 4 der Schriftlichkeit der E-Mail gegenübergestellt. In Abschnitt 5 und 6 werden zwei neue schriftliche Kommunikationsformen vorgestellt, die als Metamorphosen des Liebesbriefs im Internet entstanden sind.
"Nichts komischer als eine Theorie des Komischen - wer zu diesen Worten auch nur andeutungsweise mit dem Kopf genickt hat, ist bereits gerichtet", schreibt Robert Gernhardt in Was gibts denn da zu lachen? Ähnliches gilt natürlich auch für eine performative Theorie des Komischen - allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Auf die Feststellung: "Nichts performativer als eine performative Theorie des Komischen", wird man vermutlich vergeblich auf andeutungsweises Kopfnicken warten. Statt dessen verständnisloses Kopfschütteln: Performativ? Muß das sein? Es muß.
"Das Leiden definieren" : Spiel-Räume und Sprach-Spiele in Ilse Aichingers "Die größere Hoffnung"
(2003)
Zehn Jahre nach dem Novemberpogrom, der sogenannten "Reichskristallnacht", drei Jahre nach Kriegsende, erschien mit Ilse Aichingers erstem und einzigen Roman "Die größere Hoffnung" eine der frühesten literarischen Auseinandersetzungen mit dieser schwärzesten Epoche deutsch-österreichischer Geschichte. Aichingers Roman erschien im Verlag Bermann-Fischers, der damals gerade nach Wien zurückgekehrt war, im Impressum aber noch Amsterdam angab. Der Roman ist einer der wichtigsten Gründungstexte für jenes inzwischen umfangreiche internationale Korpus der sogenannten 'Holocaust-Literatur', die sich mit der grundsätzlichen und vieldiskutierten Frage auseinanderzusetzen hatte, welche Formen der Darstellung und des Gedächtnisses gegenüber dem nationalsozialistischen Terror überhaupt literarisch angemessen sein könnten.
Goethe/Schiller und die "nivellirenden Naturen" : literarische Diskurse im "klassischen Weimar"
(2003)
Bei diesem Blick auf literarische Diskurse im klassischen Weimar kommen zwei Ebenen ins Spiel, die sich gegenseitig beeinflussen und bedingen und von denen mal mehr die eine, mal die andere in den Vordergrund tritt: Die eine ist die praktisch-literarische und die andere die theoretisch-ästhetische. Sind es zum einen unterschiedliche Strategien der Literaturpublikation und -kommunikation, so zum anderen die literarisch-ästhetischen Reflexionen, die als unterschiedliche Grundelemente diese Strategien bestimmen.
Der Schriftspracherwerb wird heute – nach der kognitiven Wende und in Folge vor allem angloamerikanischer Untersuchungen – als Denkentwicklung aufgefasst, der in erster Linie durch eine vielfältige Auseinandersetzung mit Sprache und Schrift vorangetrieben wird. Begründet wird dies aus kognitiv-entwicklungspsychologischer sowie aus prozessorientiert-psycholinguistischer Sicht (vgl. Schneider, Brügelmann & Kochan 1995). Aus kognitiventwicklungspsychologischer Perspektive wurde verfolgt, wie sich Kinder – insbesondere ohne Instruktion, d.h. vor Schulbeginn – der Schrift nähern.
"'Wenige wissen', [...] daß die Griechen, die ja viele Künste erfunden haben, auch die Erfinder einer Gedächtniskunst sind, die wie ihre anderen Künste an Rom weitergereicht wurde, von wo aus sie dann ihren Weg durch die europäische Geistesgeschichte nahm. In dieser Kunst soll mit Hilfe einer Technik, bei der dem Gedächtnis 'Orte' und 'Bilder' eingeprägt werden, memoriert werden. Sie ist gewöhnlich als Mnemotechnik eingestuft worden.' Wenn von mneme, memoria und deren téchne oder ars gehandelt wird, so gehören zum Kanon der zu lesenden Texte nicht nur Platons Theaitetos und Aristoteles' De Memoria et Reminiscentia, sondern auch die drei lateinischen Rhetoriken aus dem 1. vor- und dem 1. nachchristlichen Jahrhundert, die [...] die Mnemonik tradiert haben werden, die Rhetorica Ad C.Herrenium, Marcus Tullius Ciceros De oratore, Marcus Fabius Quintilians Institutio Oratoria. Diese Schriften überliefern die Mnemonik oder klassische Gedächtniskunst und gaben die Vorlagen für die neuen Ausprägungen der Gedächtniskunst in der Renaissance. [...] Die antike Kunst oder Kunstfertigkeit der memoria prägt ein Gedächtnis, das innen (wie) 'auswendig' ist. Technikgeschichte kommt als Geschichte der antiken techné nicht umhin, auch die der Rhetorik zu sein."
Im Rahmen der Diskussion des globalen bzw. regionalen Klimawandels sind, neben Extremereignissen, Langfristtrends von besonderem Interesse. Doch erfordert die ausgeprägte Klimavariabilität in Zeit und Raum spezielle regionale Detailuntersuchungen. Daher wird hier eine solche Analyse für Deutschland und die Klimaelemente bodennahe Lufttemperatur sowie Niederschlag vorgestellt, mit besonderem Blick auf die jahreszeitlichen/monatlichen Besonderheiten der Trends in ausgewählten Zeitintervallen zwischen 1891 und 2000. Am auffälligsten ist dabei die sich verstärkende winterliche Temperatur- und Niederschlagszunahme, während im Sommer, unter ebenfalls Erwärmung, eine Trendwende von abnehmendem zu in den letzten Dekaden zunehmendem Niederschlag eingetreten ist.