Refine
Document Type
- Article (6) (remove)
Language
- German (6) (remove)
Has Fulltext
- yes (6)
Is part of the Bibliography
- no (6)
Keywords
- Brecht, Bertolt (2)
- Lateinamerika (2)
- Weltliteratur (2)
- Bildungsbürgertum (1)
- China (1)
- China <Motiv> (1)
- Chinabild (1)
- Deutschunterricht (1)
- Drittes Reich (1)
- Ernst Erich (1)
Nichts scheint besser geeignet, um sich den Eurozentrismus, den kolonialen Blick abzugewöhnen, als die Beschäftigung mit lateinamerikanischer Literatur. Denn diese Literatur will anders sein, sie definiert sich widersprüchlich und provokativ als eine fremde, nicht-europäische Literatur. Die selbstgewählten Markenzeichen heißen: >realísmo mágico< und >real maravilloso< [...] Das Werk von Gabriel García Márquez, des vierten unter den fünf lateinamerikanischen Nobelpreisträgern, und des gegenwärtig weltweit erfolgreichsten lateinamerikanischen Autors scheint mit seiner >tropischen Phantasie<, seinem >eigenen Schwerkraftgesetz< ein besonders gutes Beispiel der ganz elementaren exotischen Phantasie zu sein.
"Noch bevor man in Europa genau wußte, wo China geographisch zu lokalisieren war, beschrieb man schon, wie es dort zuging [...]. Nicht den wahrheitsgetreuen Berichten des Marco Polo (1298), sondern den daraus zusammenphantasierten Abenteuer des Ritters Mandeville (1366) wurde Glauben geschenkt. Wer >China< beschrieb, wollte seinen Lesern vor allem ein Bild von etwas anderem vor Augen führen, wollte etwas schildern, das abschrecken oder vorbildlich sein sollte und so weit entfernt war, daß man es mangels exakterer Zeugnisse einfach glauben mußte - oder wollte. China war literarische Metapher für den Kontrast zum Abendland [...]."
Dieser Aufsatz möchte dem Deutschunterricht nicht noch einen weiteren Stoff - die latein-amerikanische Literatur - hinzufügen, um damit eine beliebig erweiterbare >Konkurrenz der Texte< zu eröffnen. Vielmehr wird lateinamerikanische Literatur für den Deutschunterricht vorgeschlagen und in Beispielen vorgestellt, weil sie besonders geeignet erscheint, im Zeitalter eines überall spürbaren Kulturwandels den Deutschunterricht zum Ort bewußter Auseinandersetzung mit >Kultur< zu machen. In den 20er Jahren schon wurde in einer Epoche ähnlich tiefgreifender kultureller Krisen über Deutschunterricht als >Kulturkunde< diskutiert. Damals lief die Absicht von Germanisten und Lehrplanautoren aber in der Hauptsache hinaus auf eine Festigung des Bewußtseins nationaler >deutscher Kultur<, auf eine Abschließung des >deutschen Wesens< nach außen. Die >Erziehung zum bewußten Deutschtum< gipfelte in der Formulierung des preußischen Ministerialrats im Kultusministerium, Hans Richert, aus dem Jahr 1924: >Im deutschen Unterricht sollen die Schüler lernen, deutsch zu reden und zu schreiben, deutsch zu fühlen, zu denken und zu wollen.<
Yin und Yang im Klassenzimmer? : China-Moden der 80er Jahre – mit einem kurzen Rückblick auf Brecht
(1985)
In zwei Beiträgen der Zeitschrift Diskussion Deutsch (Heft 84/1985) wurde ein Denkmodell ins Licht der Diskussion gestellt, das bis dahin eher in kleinen Zirkeln sich verborgen hatte: die Sucht, Rettung beim >Uralten< zu finden. Es war nicht, wie bei gestandenen Konservativen, das >Klassische<, es waren nicht >die Alten<, nein, das UR-Alte musste es sein, nämlich die Geheimnisse des Fernen Ostens, das Tao und Yin und Yang. Nun, zwanzig Jahre später, sind Tai Chi, Qi Gong, Bachblüten, Gaia, Heilenergien, Rebirthing, Reiki, Karmaarbeit etc. pp. zum esoterischen Alltag bzw. ist Esoterik alltäglich geworden. Das war ein Anlass, diese Miszelle wieder hervorzuholen, die damals – offensichtlich vergeblich – versuchte, jenes Denkmodell ins Licht der Kritik und damit in seiner Unreflektiertheit bloß zu stellen: westliches Denken spiegelt hier das Licht des Ostens gleichsam blind, nämlich ohne es zu reflektieren.
Die Literatur der Bundesrepublik hat zwei Ursprünge: einen legitimen in Gestalt der während des Dritten Reiches verbotenen, verschlüsselten oder in der Emigration entstandenen Literatur und einen illegitimen, verleugneten in Gestalt von damals wie heute gelesenen, immer wieder aufgelegten und teilweise massenhaft verbreiteten Werken. Um einige der letzteren soll es im folgenden gehen. Dabei ist in der Frage der Kontinuität ein Trennungsstrich notwendig. Für die Literaturwissenschaft ist die Infragestellung des "Nullpunkts", des "Kahlschlags" nach 1945 in der belletristischen Literatur noch immer ein Thema, das emotional geführte Kontroversen auslöst. Im Bereich der Sachliteratur begann erst Ende der siebziger Jahre das Bewußtsein davon zu erwachen, daß ein Nullpunkt hier gar nicht vorhanden war. Für die Sekundärliteratur der fünfziger und sechziger Jahre scheint die Sachbuchproduktion des Dritten Reiches innerhalb der Gattungstradition entweder nicht zu existieren oder unbefragt-selbstverständlich zu sein! Sicher hängt dies damit zusammen, daß die Literaturwissenschaft insgesamt sich mit Sachliteratur nur marginal befaßt hat und dann meist nur als heftige Kritik an der literarischen Qualität. Typologisierungs- und Definilionsfragen, Probleme der Abrenzung von und in "Trivialliteratur" hatten den Vorrang vor inhaltlichen Analysen. Es erscheint manchmal auch nicht abwegig zu vermuten , daß die Beschränkung auf typologische Probleme auch eine Reduktion biographischer Art darstellt, etwa bei Autoren wie C. W. Ceram oder Erwin Barth von Wehrenalp.s Generell scheint es aber so zu sein, daß das Selbstverständnis von Sachbuchautoren und -lesern für bestimmte ideologische Implikationen blind blieb. Auch in dem 1978 als Teil von Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart erschienenen voluminösen Band "Die deutschsprachige Sachliteratur" wird nur in wenigen Artikeln (z. B. "Medizin", "Geographie") auf die ja für fast alle Gebiete vorhandene Tradition des Dritten Reiches wertend zurückgegriffen. Hervorzuheben ist allerdings, daß Ulf Diederichs in seiner Einleitung zu diesem Band sich ausführlich mit diesem Abschnitt der Gattungsgeschichte auseinandersetzt. Diese Einleitung gehört ebenso wie die Literaturgeschichte von Schütz/Vogt zu den Texten, die die oben angedeuteten Sicht blenden aufzureißen beginnen.