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Die Aufnahme von Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ liefert ein sprechendes Beispiel für das Wirken ideologischer Interessen bei der Rezeption. Den Zeitgenossen Lessings galt dieses Stück als Muster des guten Geschmacks; sie nahmen die darin enthaltene soziale und politische Kritik nicht wahr. Ihre ausschließlich ästhetischen Urteilskategorien prädestinieren das Stück als ins Zeitlose enthobenen "Klassiker". Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann das Drama unerwartete Aktualität. Das Publikum kompensierte die düstere Gegenwart - die Ära der napoleonischen Besetzung - mit dem Interesse für eine bessere deutsche Vergangenheit, insbesondere für die Zeit Friedrichs des Großen als eines deutschen Helden, und so avancierte "Minna" zum patriotischen Stück. Beide Motivationen, historische und gegenwärtige, gehen dabei Hand in Hand. Im Kaiserreich diente das Drama vor allem im Schulunterricht zur Verherrlichung des Preußentums und zur Abwertung des Franzosentums in deutlichem Rückgriff auf die Positionen der Befreiungskriege. Nicht immer sind die Erklärungsraster so transparent wie bei Erich Schmidt, der in "Minna von Barnhelm" eine Verherrlichung Friedrichs des Großen erblickte, und beim Sozialdemokraten Franz Mehring, der im selben Drama eine "schneidende Satire" auf das friderizianische Regiment sah. Nach den beiden Weltkriegen wurde "Minna von Barnhelm" als Soldaten und Nachkriegsstück mit der zentralen Figur des Kriegsheimkehrers aktualisiert. Inszenierungen in der Bundesrepublik und in der DDR betonten dagegen den Emanzipationsgedanken oder deckten den "tief antipreußischen Charakter des Stückes" auf.
Als 1983 der Roman "Die Klavierspielerin" erschien, war Elfriede Jelinek längst keine unbekannte Größe mehr. Der Roman beginnt damit, dass die Klavierspielerin Erika Kohut "wie ein Wirbelsturm in die Wohnung" "stürzt", "die sie mit ihrer Mutter teilt". Es gibt Sätze, deren Gehalt sich geradezu in einer Disproportion zu ihrer Länge befindet, so auch dieser Satz -naturgemäß, weil er der erste des Buchs ist und dadurch das Privileg hat, das Meiste zu sagen und in die riesige Einheit eines Romantextes einzustimmen, und wir die Stimme des Romans an der Stimme dieses ersten Satzes messen. Jedes Satzglied ist mit so viel Information geladen, dass die Aussagekraft des Satzganzen seinen syntaktisch-strukturellen Rahmen sprengt und Sinnsignale in seine nächste Umgebung bzw. über diese hinaus sendet. "Sie ist Nichts. Und nichts gibt es mehr für sie", heißt es im Roman "Die Klavierspielerin" von der Protagonistin Erika Kohut. Je ferner man im Abseits ist, desto näher befindet man sich an dem Abgrund, der "Nichts" heißt. "Die Klavierspielerin" ist ein Roman über das Außenseitertum darüber, wie man ins Abseits kommt. Das Abseits liegt zwischen dem Weg und dem Nichts: hier das Leben, dort der Abgrund.
In den letzten Jahren gab es verstärkt Versuche, die komparatistische Literaturwissenschaft an kulturwissenschaftliche Methodiken anzuschließen. Ob es die Diskussionen um die so genannte Postmoderne waren, ob es das Aufkommen bestimmter methodischer Zugriffe war, die unter den Stichworten Poststrukturalismus, Cultural Studies, Historische Anthropologie usw. subsumiert werden, ob medientechnische Entwicklungen (globale Kommunikationsformen und -netzwerke) daran beteiligt waren oder ob es der selbstlegitimatorische Versuch war, literaturwissenschaftliche Kernbestände im Zeichen einer spätkapitalistischen Ökonomie an die so genannte Informationsgesellschaft anschließbar zu machen - wem diese Erweiterung letztlich zu verdanken ist, werden wohl erst die Historiker der Zukunft entscheiden. Was man auch immer von diesen Annäherungen halten mag, sie haben zu einer enormen Ausdehnung des komparatistischen Fachgebietes geführt. Und nicht nur das: Es dürfte schon jetzt klar sein, dass es keinen Weg zurück gibt, auch wenn die altehrwürdigen literaturwissenschaftlichen Disziplingrenzen der Komparatistik weiterhin Bestand haben. Allerdings ist die Adaption neuerer Methodiken relativ selektiv geschehen. Kann etwa für die Diskursanalyse, Systemtheorie, Dekonstruktion oder Medientheorie gesagt werden, dass sie nach mehr als zwanzig Jahren Diskussion für manche Bereiche literaturwissenschaftlicher Forschung, auch und gerade komparatistischer Provenienz, fast kanonischen Charakter haben, so gibt es zahlreiche andere Ansätze, die, zumal in Deutschland, bislang kaum gewürdigt wurden (vgl. Ernst 2000, 160). Einen dieser 'vergessenen' Ansätze hat der französische Philosoph Gilles Deleuze geliefert.
Bei Filmbiografien bedeutender historischer Persönlichkeiten scheint es oft so, als trete der Regisseur ganz besonders weit hinter seinen Gegenstand zurück. Die darzustellende Biografie ist es ja schließlich selbst, die Sinn und Zusammenhang stiftet; der Autor ist mithin einzig als Sammler und Ordner der historischen Fakten zuständig – und als Sprachrohr seines Helden.Doch gerade im Bemühen um größtmögliche Authentizität kehrt der Autor als Konstrukteur und Simulant zurück.
Der Vortrag will den Vorschlag unterbreiten, "Trivialität" als eine historisch spezifische Texteigenschaft mittlerer Abstraktheit zu konzipieren, mit der sowohl bestimmte Texteigenschaften als auch kontextuelle Bedingungsgefüge berücksichtigt werden können. Den Schwerpunkt wird ein Teilproblem bilden: die Charakteristik eines ‚trivialen Erzählstils', der hier nicht nur als semiotisches Phänomen und als Funktion des discours aufgefasst, sondern zusätzlich unter der Perspektive eines system-theoretischen Modells von ‚Komplexität' analysiert werden soll. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Beobachtung, dass ‚triviale' Texte (auch) mit differenzierten Erzählmodi, Figurenarsenalen, Wissensreferenzen oder komplexen Handlungsverläufen arbeiten, dass sie aber trotz dieser erzählerischen Differenziertheit vergleichsweise "einfache" Welten entwerfen. Diese "Einfachheit" ist immer historisch relativ und lässt sich, so die These des Vortrags, als eine Form reduzierter Komplexität beschreiben. Sie regelt die strukturellen Beziehungen ‚trivialer' Texte zu ihren literarischen ebenso wie zu ihren nicht literarischen Umwelten - an der systematischen Schnittstelle zwischen Schemata, Klischees, den verschiedenen Ebenen des discours und zwischen Selbst- und Fremdreferenz. Das vorgeschlagene Beschreibungsmodell soll an einem historischen Beispiel überprüft werden: an Hans von Kahlenbergs (d.i. Helene Keßler) "Ahasvera" (Berlin 1910). Der Roman scheint sich ganz auf der Höhe einer komplexen Modernität zu bewegen, fährt diese aber über spezielle Erzählver-fahren auf ein reduziertes Maß an Komplexität zurück, das sich auf mehreren Textebenen beschreiben lassen wird.
In der Hölderlin-Forschung der letzten Jahrzehnte ist immer deutlicher geworden, wie anspielungsreich und wie komplex Hölderlins Werk ist. Staunend, dankbar und mit großem Gewinn nimmt man die überreichen Forschungsbeiträge zur Kenntnis, die die vielfältigen Bezüge von Hölderlins Werk auf die Antike, auf die Bibel, auf theologische und philosophische Traditionen aufdecken. Ein herausragendes Ergebnis dieser differenzierten Kommentierungsarbeit ist die grundlegende These, daß Hölderlins Werk der bedeutendste Beitrag der Literatur um 1800 zu einer poetischen Geschichtshermeneutik und Geschichtsphilosophie sei. Diese geschichtsphilosophische Deutung Hölderlins läßt sich gut mit politisch-revolutionären und utopischen Deutungen verbinden.
Der vorliegende Beitrag - die stark überarbeitete Fassung des Vortrages "Lektüren des Unausdeutbaren ", den der Verfasser im Januar 2004 im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Vortragsreihe GrenzBereiche des Lesens hielt - ist auch erschienen in: literatur für leser 27 (2004), Heft 4, S. 181-199. Ein Beispiel für die Schwierigkeit der literarischen Lektüre gibt Friedrich Schmidt. Er untersucht Lektüremöglichkeiten für das formale wie semantische "Abgebrochensein" des literarischen Kunstwerks der Moderne, wie es in den Fragmenten Kafkas seinen exponierten Ausdruck findet. In diesen Texten tritt zur äußeren Unabgeschlossenheit des Textkorpus ein brüchiges Sinngefüge: die Endlosigkeit der Reflexionen und Handlungszüge, die Heterogenität der Erzählfiguren, die Inkonsistenz jeder Bedeutungskonstruktion von Seiten des Lesers. Indem überdies der Abbruch, als verlorene Schrift oder verschwiegene Botschaft, in Kafkas Fragmenten explizit zum Thema wird, erhebt sich der Text gleichzeitig zum metareflexiven Kommentar: er vollzieht selbst, wovon er spricht. Insofern handelt er – sprachskeptisch – vom Defizit seines eigenen Ausdrucks, das letztlich auch von Lektüren nie vollständig eingeholt werden kann.
"Welch ein schönes Land und welche häßlichen Menschen" : Ludwig Börne in der vormärzlichen Schweiz
(2005)
Die Schweiz werde ich im folgenden, was im Vormärz naheläge, nicht eigentlich als Exilland ansprechen; vielmehr wird gefragt werden, wie ein Pariser Exilant in den Jahren nach 1830 die Schweiz als Tourist erlebte. In der noch immer bescheidenen Börne-Forschung ist diesem Aspekt bislang kaum Rechnung getragen worden.
John Ford und die 'ruthless Red hand of Communism'. - "Fry 'em out – burn 'em out – cook 'em!' Der Sprecher scheint die US-Truppen anzufeuern, die gerade dabei sind, eingegrabene Gegner mit Phosphor-Granaten und Flammenwerfern zu bekämpfen. Selbst glühendste Verehrer von John Ford tun sich enorm schwer mit dieser Sequenz, die uns Geschehnisse vor Augen führt, welche der Regisseur im Frühjar 1951 auf Celluloid bannen ließ, und zwar für 'This Is Korea!', eine seitens der Forschung sicher nicht zufällig weitgehend ignorierte Marine-Dokumentation. Von Ford selbst als "narrative glorifying American fighting men" apostrophiert, suchte diese das amerikanische Publikum darüber in Kenntnis zu setzen, was sich damals in dem zweigeteilten asiatischen Land abspielte, einem Land, welches, so versichert uns der Off-Kommentar, "peaceful" gewesen sei, "until the ruthless Red hand of Communism reached out to snatch it." Daß die Vereinigten Staaten letzterer in aller Entschlossenheit entgegenzutreten hätten, davon war der Anti-Kommunist Ford überzeugt, der unmittelbar vor 'This Is Korea!' eine andere "narrative glorifying American fighting men" vorgelegt hatte, in der es ebenfalls um die Bekämpfung der "ruthless Red hand of Communism" ging: Rio Grande.
Als dritter Teil von Fords berühmter Kavallerie-Trilogie war der Film im November 1950 in die Kinos gelangt und gilt der Forschung mittlerweile als mustergültiger Cold War Western oder, in Michael Coynes Worten, "scantily disguised frontier equivalent of the communist threat." In denkbar unverhohlener Weise der damaligen Containment-Politik das Wort redend, läßt der Film deutlich werden, wie ausgesprochen eng sich das älteste Genre der Filmgeschichte zuweilen mit dem politischen Diskurs und Geschehen synchronisierte.
Worin besteht die Aufgabe einer künftigen Hypernarratologie, so könnte man programmatisch fragen und – ebenso programmatisch – darauf antworten: Die Aufgabe einer künftigen Hypernarratologie besteht darin, den Zusammenhang zwischen den spezifisch hypertextuellen und den allgemeinen semantischen Strukturen einer Hyperfiction zu untersuchen. Doch was heißt das? Durch welche Strukturmerkmale zeichnet sich ein Hypertext, zumal ein poetischer, aus? Ich möchte versuchen, diese Frage in zwei Schritten zu beantworten: In einem ersten Schritt werde ich mich der Frage theoretisch nähern, wobei die Begrenztheit der bisherigen Herangehensweisen zu Tage treten wird. In einem zweiten Schritt werde ich die Frage nach den Strukturmerkmalen narrativer Hypertexte im Rahmen der ›Analysepraxis‹ aufwerfen, wenn es um eine Deutung von Berkenhegers Hilfe! geht.
Die Verbriefung des Cash Flows eines Unternehmens ist eine in Großbritannien bekannte und etablierte Form der Unternehmensfinanzierung. In Deutschland hat es bisher erst zwei Transaktionen dieser Art gegeben. Die Gründe hierfür liegen in den unterschiedlichen rechtlichen Systemen und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Darlehensbesicherung. Dieser Aufsatz beschreibt die diesbezüglichen wesentlichen Unterschiede und stellt Strukturen vor, mit denen auch im deutschen Rechtskreis entsprechende Transaktionen umgesetzt werden können.
Das Moment der Opposition gehört zu den Grundmerkmalen des Exils, beschreibt aber nur einen Aspekt seiner – erzwungenen oder eben freiwilligen – Notwendigkeit, in der sich Schriftsteller und Künstler, Juristen und Handwerker, Juden und Christen zu allen Zeiten gleichermaßen begegneten. Im Übrigen bleibt zu beachten, dass ebenso wenig wie von einer einheitlichen liberalen Gegenbewegung zum Metternich'schen System in ganz Deutschland die Rede von einer nur annähernd geschlossen auftretenden Opposition im Vormärz sein kann; eine solche konnte sich unter den politischen Bedingungen der Nachkriegsära nicht herausbilden. Opposition im Vormärz erstreckte sich bis in die zwischen konservativer Orthodoxie und innerkirchlichem Liberalismus zerrissenen Kirchen hinein, in denen liberale Gegenströmungen wie die "Lichtfreunde" und die "Deutschkatholiken" das Staatskirchentum der Amtskirchen in Frage stellten und so von hier aus die Revolution vorbereiteten. Ebenfalls nur eine der vielen Facetten des Exils erfasst die Koppelung des Begriffs an die Literatur, auch wenn die Erfahrung von Verfolgung und Vertreibung die Geschichte des geschriebenen Wortes seit der Antike begleitet.
"Wo bin ich – wer bin ich?" : Wie sich Selbstbewusstsein im Säuglings- und Kindesalter entwickelt
(2005)
(Non)retroflexivity of slavic affricates and its motivation : Evidence from polish and czech <č>
(2005)
The goal of this paper is two-fold. First, it revises the common assumption that the affricate <č> denotes /t͡ʃ/ for all Slavic languages. On the basis of experimental results it is shown that Slavic <č> stands for two sounds: /t͡ʃ/ as e.g. in Czech and /ʈʂ/ as in Polish.
The second goal of the paper is to show that this difference is not accidental but it is motivated by perceptual relations among sibilants. In Polish, /t͡ʃ/ changed to /ʈʂ/ thus lowering its sibilant tonality and creating a better perceptual distance to /tɕ/, whereas in Czech /t͡ʃ/ did not turn to /ʈʂ/, as the former displayed sufficient perceptual distance to the only affricate present in the inventory, namely, the alveolar /t͡s/. Finally, an analysis of Czech and Polish affricate inventories is offered.
5-Lipoxygenase (5-LO) catalysis is positively regulated by Ca2+ ions and phospholipids that both act via the N-terminal C2-like domain of 5-LO. Previously, we have shown that 1-oleoyl-2-acetylglycerol (OAG) functions as an agonist for human polymorphonuclear leukocytes (PMNL) in stimulating 5-LO product formation. Here we have demonstrated that OAG directly stimulates 5-LO catalysis in vitro. In the absence of Ca2+ (chelated using EDTA), OAG strongly and concentration-dependently stimulated crude 5-LO in 100,000 x g supernatants as well as purified 5-LO enzyme from PMNL. Also, the monoglyceride 1-O-oleyl-rac-glycerol and 1,2-dioctanoyl-sn-glycerol were effective, whereas various phospholipids did not stimulate 5-LO. However, in the presence of Ca2+, OAG caused no stimulation of 5-LO. Also, phospholipids or cellular membranes abolished the effects of OAG. As found previously for Ca2+, OAG renders 5-LO activity resistant against inhibition by glutathione peroxidase activity, and this effect of OAG is reversed by phospholipids. Intriguingly, a 5-LO mutant lacking tryptophan residues (Trp-13, -75, and -102) important for the binding of the 5-LO C2-like domain to phospholipids was not stimulated by OAG. We conclude that OAG directly stimulates 5-LO by acting at a phospholipid binding site located within the C2-like domain.
Als 1979 in der damaligen DDR mit den Naturschutzgebieten „Steckby-Lödderitzer Forst“ an der Mittelelbe und „Vessertal“ im Thüringer Wald die ersten beiden deutschen UNESCO-Biosphärenreservate entstanden, war die weltweite Erfolgsgeschichte dieser damals visionären und heute innovativsten Schutzgebietskategorie nicht absehbar (Dornbusch 1983, 1985, 1991). Umweltprobleme und Ressourcenfragen kamen in diesen Jahren sowohl in Ost als auch in West verstärkt auf die Tagesordnung. Waren diese ersten zwei Reservate anfangs eher ein „Ersatz“ für den im Osten ungeliebten Nationalparkgedanken, so hat spätestens die 1988 erfolgte erhebliche Erweiterung des Biosphärenreservates in der Elberegion um die historische Kulturlandschaft Dessau-Wörlitz räumlich und inhaltlich die heutige Zielrichtung als Modellregion der UNESCO begründet (Reichhoff 2002, Reichhoff et. al. 1991, Schlosser 1984, 1987, 1991).
Will man geologische Abläufe möglichst genau in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge bestimmen, bedient man sich schon seit vielen Jahren erfolgreich der Fossilien. Zu einer möglichst genauen Darstellung, Aufarbeitung oder Klärung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse in der Vergangenheit oder einzelner ihrer Phasen werden gern „Zeitzeugen“ herangezogen. Beides, Zeitzeugen wie Fossilien, haben manches gemeinsam. Zum einen haben sie meist ein hohes Alter und zum anderen sind sie nicht in jedem Falle geeignet, eindeutige Rückschlüsse zu gestatten. So lassen sie durchaus Interpretationsräume und phantasievolle Auslegungen zu. Soviel zur Einleitung einer Retrospektive über das Biosphärenreservat an der Elbe.
Der Jubiläumsband 25 gibt Gelegenheit, eine Bilanz aller bisher publizierten Arbeiten vorzulegen. Einen allgemeinen Überblick der Publikationen der Arbeitsgemeinschaft gab es bereits in Tuexenia 22 (DIERSCHKE 2002). So liegt jetzt der Schwerpunkt mehr auf verschiedenen Registern. Hierfür wurden in den seit 1981 erschienenen 24 Bänden 11 290 Seiten (ohne Bücherschau) ausgewertet. Insgesamt sind es 641 Publikationen (pro Band im Mittel 27, Spanne 11-48) mit 513 Autoren (38; 15-62). Die Autoren sind vollständig erfasst. Bei den Pflanzengesellschaften werden nur solche Arbeiten erwähnt, in denen Vegetationstabellen oder andere wichtige Angaben vorkommen. Ein weites Spektrum zeigt das Gebietsregister, von Arbeiten aus einzelnen Bundesländern bis zu solchen fremder Erdteile. Das Sachverzeichnis muss sich auf wesentlich erscheinende Begriffe beschränken. Insgesamt ergibt sich eine beeindruckende Vielfalt an Themen, Fragestellungen, Objekten und Autoren, die in vielen Aspekten wichtige Aktivitäten der Geobotanik in den letzten Jahrzehnten, vor allem der Vegetationskunde, in Mitteleuropa widerspiegeln. Darüber hinaus mögen die Register eine Hilfe beim Aufsuchen interessierender Themen sein und zum (erneuten) Studium älterer Bände anregen.
Bestandsrückgänge, bedingt durch menschliche Einflüsse, sind für die Vogelwelt Mitteleuropas seit Mitte des 19. Jahrhunderts dokumentiert (Naumann 1849). Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben sie stark zugenommen, so dass heute in den „Roten Listen“ gefährdeter Tierarten für Vögel Deutschlands und seiner Nachbargebiete bis über 50 % der Arten als im Fortbestand gefährdet gelten (Übersichten Berthold 1990, Bauer & Berthold 1997, Bauer et al. 2002). Um für schwer zu erfassende Kleinvögel verlässliche Bestandszahlen zu erhalten, haben wir 1972 eine Bestandsüberwachungs-Studie gestartet – das „Mettnau-Reit-Illmitz“- („MRI“-) Programm. Diese Langzeit - „Volkszählung“ an Singvögeln beruht auf Ergebnissen standardisierten Fanges von Kleinvögeln, über die wir hier für einen 32-Jahre-Zeitraum für die Station Mettnau am Bodensee in Süddeutschland berichten. Vorangegangen war eine entsprechende 25-jährige Untersuchung (Berthold et al. 1998), die wir zum Vergleich heranziehen.
Osteosynthesematerialien aus resorbierbaren Materialien finden aufgrund ihrer zunehmenden biomechanischen Stabilität eine immer höhere Akzeptanz. Die vorgelegte Untersuchung vergleicht die knöcherne und okklusale Stabilität von solchen Osteosynthesesystemen aus resorbierbaren Materialien im Vergleich mit konventionellen Titanminiplatten in der orthognathen Chirurgie. Untersucht wurden 100 Patienten in einem Nachsorgezeitraum von bis zu 4 Jahren. Die Beurteilung erfolgte klinisch und röntgenologisch anhand von Fernröntgen-Seiten-Aufnahmen. In die Studie gingen ein fünfzig Patienten, die mit resorbierbaren Platten versorgt worden waren, 16 davon mit Polylactid-Polyglycolid Copolymer Platten und 34 Patienten mit 70:30 Poly-L/DL-Lactid Copolymer Platten; fünfzig weitere Patienten, versorgt mit einem Titanminiplattensystem wurden als Kontrollgruppe gewertet. Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Gruppen zueinander homogen waren, es unterschieden sich die effektiven intraoperativen Bewegungen von Studien und Kontrollgruppe statistisch nicht signifikant, gleiches galt im Vergleich der resorbierbaren Platten untereinander. Bei der Datenauswertung konnte nachgewiesen werden, dass die absolute und relative Instabilität weder zwischen den Studiengruppen noch der Kontrollgruppe noch zwischen den resorbierbaren Plattensystemen untereinander signifikant unterschiedlich war. Die postoperative 1-Jahres Stabilität unterschied sich dabei ebenfalls nicht signifikant von der 4-Jahres Stabilität. Alle untersuchten Osteosynthesesysteme zeigten im Oberkiefer eine höhere Stabilität als im Unterkiefer und gleichzeitig eine größere Stabilität in der anterior-posterioren Richtung als in der inferior-superioren Richtung. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen der klinischen Stabilität von PLGA oder P(L/DL)LA-Miniplatten gefunden. Allerdings konnte auch belegt werden, dass der Einsatz resorbierbarer Unterkieferosteosynthesen eine sehr gute Compliance des Patienten bezüglich geführter Okklusion und Nachsorge voraussetzte. Als nachteilig bei den resorbierbaren Systemen konnte sowohl für den Oberkiefer als auch für den Unterkiefer eine leicht erhöhte Mobilität bis zu 6 Wochen nach der Operation festgestellt werden, die jedoch in keinem Fall das operative Ergebnis beeinflusste. Vielmehr ermöglichten resorbierbare Osteosynthesen eine bessere postoperative okklusale Einstellung. Weiteren Nachteil der resorbierbaren Osteosynthesesysteme bedeuten die hohen Kosten, die heute noch weit über denen von Titanminiplatten liegen. Zukünftige Entwicklungen gehen dahin, das Plattendesign weiter zu optimieren, wie z.B. neuartige pinbasierte Fixationssysteme einzusetzen, wie sie in der Extremitätenchirurgie teils bereits benutzt werden. Fernziel für die Zukunft ist die Entwicklung eines resorbierbaren Osteosynthesesystems, das sich bei geringen Herstellungskosten und miniaturisiertem Plattendesign auch minimalinvasiv einbringen lässt.
[Jahresbericht 2005] Katholische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
(2005)
Rezension zu Auf Dornen oder Rosen hingesunken? Eros und Poesie bei Clemens Brentano. Im Auftrag des Freien Deutschen Hochstifts – Frankfurter Goethe-Museum hrsg. von Hartwig Schultz. Berlin: Saint Albin Verlag, 2003 [und] Laura Benzi: Resakralisierung und Allegorie im Spätwerk Clemens Brentanos. Das Märchen von Gockel, Hinkel und Gackeleia (1838) und Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi (1833). Bern u.a.: Peter Lang, 2002.
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes von 1945 haben sich die ehemaligen Kriegsgegner europaweit im Großen und Ganzen einträchtig ihrer Opfer erinnert. Ein solch harmonisches Bild ist nicht selbstverständlich und auch nicht allerorts gegeben. Die neuerlichen Aufregungen rund um das geplante Zentrum gegen Vertreibung bestätigen, dass im erinnerungspolitischen Bereich zwischen der Bundesrepublik und ihren westeuropäischen Nachbarn noch immer mehr Gemeinsamkeiten bestehen als mit den Staaten Mittel- und Ostmitteleuropas. Denn über die Frage der Massenverbrechen der Nationalsozialisten hinaus ist noch der Streitherd von "Flucht und Vertreibung" zu klären. Die Deutsch-Tschechische und Deutsch-Slowakische Historikerkommission hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die strittigen Punkte im deutsch-tschechischen bzw. deutsch-slowakischen Verhältnis der letzten anderthalb Jahrhunderte zu erforschen – ihr verdanken wir den vorliegenden Sammelband. Die Herausgeber folgen dabei dem Programm einer "Europäisierung des historischen Gedächtnisses", also der Erarbeitung einer Erinnerungslandschaft im europäischen Kontext. Durch weitere Aufklärung über die konkreten Entwicklungen und Schwierigkeiten innerhalb der Erinnerungsgeschichte der letzten 50 Jahre soll der Band dafür Grundlagen schaffen und "vorläufige Ergebnisse zu ausgewählten Forschungsthemen" bieten (S. 16f.). ...
Rezension zu Christoph Ribbat: Blickkontakt: Zur Beziehungsgeschichte amerikanischer Literatur und Fotografie (1945-2000), München (Wilhelm Fink) 2003. 359 Seiten.
Dass das Verhältnis von Literatur und Fotografie nach wie vor als ein vergleichsweise unterakzentuiertes Forschungsfeld der medienwissenschaftlich zwar zusehends sensibilisierten, die fortschreitende Entpriviligierung des Skripturalen jedoch oftmals noch immer mit Skepsis verfolgenden Philologien gelten darf, steht außer Frage. Folglich ist jede Studie, die sich um die Aufarbeitung der mannigfaltigen Wechselbeziehungen von 'Schreiben' und 'Lichtschreiben' bemüht, zunächst einmal zu begrüßen. Wenn sie dann auch noch in qualitativer Hinsicht überzeugt - umso besser. Zumindest über weite Strecken gelingt dies der hier zur Diskussion stehenden Untersuchung durchaus, die sich den US-amerikanischen Literatur-Fotografie-Interdependenzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmet.
Rezension zu Dietrich von Engelhardt u. Hans Wißkirchen (Hg.): "Der Zauberberg" - die Welt der Wissenschaften in Thomas Manns Roman. Mit einer Bibliographie der Forschungsliteratur, Stuttgart, New York (Schattauer) 2003. 217 Seiten.
Noch niemals ist der Zauberberg interdisziplinär mit solcher Verve und in solcher Breite in die Zange genommen worden wie in dem vorliegenden Sammelband.
Rezension zu Geoffrey Galt Harpham: Language Alone. The Critical Fetish of Modernity, New York, London (Routledge) 2002. 261 Seiten.
Der amerikanische Literaturwissenschaftler Geoffiey Galt Harpham, Präsident und Direktor des National Humanities Center in North Carolina, Gastprofessor für Anglistik an verschiedenen amerikanischen Universitäten sowie Gutachter des Wissenschaftskollegs zu Berlin, der bereits zahlreiche Beiträge zum Thema Sprache und Ethik veröffentlicht hat, legt mit diesem Buch eine in vier Kapitel untergliederte, herausfordernde Studie vor, die vor dem Hintergrund einer erkenntnistheoretischen und humanwissenschaftlichen Argumentation eine grundlegende Kritik am 'linguistic turn' des transdisziplinären wissenschaftstheoretischen Diskurses im 20. Jahrhundert unternimmt.
Rezension zu Gerald Gillespie: Proust, Mann, Joyce in the Modernist Context, Washington/D.C. (The Catholic University of America Press) 2003. 235 Seiten.
Gillespies Studien zur literarischen Moderne greifen teilweise auf frühere und an anderen Stellen publizierte Forschungsergebnisse und Thesen zurück. Sie gliedern sich in zwei Teile: Die Kapitel des ersten Teils erörtern schwerpunktmäßig modernespezifische Formen der Welterfahrung und -darstellung sowie zentrale Themen und charakteristische Strukturen moderner Literatur. Teil II ist vor allem den Oeuvres von Proust, Mann und Joyce gewidmet. Durch eine Fülle von Querbezügen zwischen den im einzelnen verfolgten Fragestellungen ergibt sich ein dichtes Gewebe von präzisen Beobachtungen, Beschreibungen, Argumenten und Thesen zur literarischen Moderne.
Rezension zu Centre culturel international Cerisy-la-Salle/Manche: H. P. Lovecraft. Fantastique, mythe et modernité. Actes du Colloque "Lovecraft et ses contemporains" (3.-10.8.1995), Paris (Editions Dervy) 2002. 464 Seiten.
Jüngstes Ergebnis der regen französischen Lovecraft-Forschung ist ein in doppeltem Sinne gewichtiger Sammelband: Hervorgegangen aus einem internationalen, von Jean Marigny und Gilles Menegaldo im August 1995 in Cerisy La Salle veranstalteten Kolloquium, versammelt der Band 21 Beiträge, die sich dem Phänomen Lovecraft von den unterschiedlichsten Seiten nähern.