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Die Autophagie ist ein in Eukaryonten evolutionär konservierter Prozess, bei dem es zu einem lysosomalen Abbau von cytosolischen Bestandteilen kommt. Die dabei entstehenden biochemischen Bausteine stehen anschließend erneut zum Aufbau benötigter Strukturen zur Verfügung. Verschiedene Stimuli, wie beispielsweise Nährstoffmangel, können die Aktivität der Autophagie erhöhen und ermöglicht Zellen dadurch die Aufrechterhaltung der Zellhomöostase, selbst unter Stressbedingungen. Im Verlauf der Autophagie bildet sich eine tassenförmige Doppelmembran-Struktur, das sogenannte Phagophor. Dieses wächst, um das abzubauende Material zu umschließen und wird dabei von sogenannten Atg-Proteinen (autophagy-related genes) prozessiert. Nach der Schließung spricht man vom Autophagosom, welches letztlich mit einem Lysosom verschmilzt und das Autophagolysosom bildet, welches wiederum die eingeschlossenen Bestandteile zerlegt und die recycelten Bausteine freigibt. Die einzelnen Schritte während der Autophagie sind hochgradig durch die Atg-Proteine reguliert. Eines dieser Atg-Proteine, das Atg8, ist an einigen entscheidenden Schritten wie dem Phagophor-Wachstum, der Autophagosom-Reifung sowie der Schließung beteiligt. Während es in Hefen nur ein einziges Atg8-Protein gibt, so zeigt sich in höheren Eukaryonten meist eine gewisse Diversität. So codiert beispielsweise das humane Genom mindestens sechs Atg8-Homologe. Neben den drei Proteinen der LC3-Familie (A, B, C) zählen auch GABARAP, GABARAPL1 und GABARAPL2 dazu. Die Gründe für diese Diversität sind noch nicht vollständig aufgeklärt, weshalb es wichtig ist, möglichst selektive Modulatoren zu entwickeln, um so die Aufgaben der einzelnen Homologen entschlüsseln zu können. Eine weitere wichtige Aufgabe übernimmt Atg8 beim Binden des abzubauenden Materials über sogenannte Autophagie-Rezeptoren, wie beispielsweise p62. Der Bindevorgang beruht dabei auf der Interaktion von p62 mit ubiquitinierten Zellbestandteilen auf der einen Seite und der Interaktion zwischen p62 und LC3 auf der anderen Seite. Letztgenannte beruht auf dem Binden des LIR-Motivs (LC3-interagierende Region) von p62 an die LDS (LIR-docking site) des LC3-Proteins. Das LIR-Motiv zeichnet sich durch Aminosäure-Sequenz D-D-D-W/F/Y-X1-X2-L/I/V aus. Währende die aromatische Seitenkette (W/F/Y) die hydrophobe Tasche 1 (HP1) der LDS besetzt, ragt die aliphatische Seitenkette (L/I/V) in die HP2 hinein. Damit sollte es möglich sein, die LIR-LC3-Interaktion, durch das Besetzen der LDS zu stören bzw. zu inhibieren. Solche Inhibitoren könnten zum einen der weiteren Aufklärung der Prozesse, an denen die Autophagie beteiligt ist, dienen, zum anderen jedoch auch die Untersuchung fehlerhafter Autophagie ermöglichen. Ausgangspunkt für diese Arbeit stellt die Verbindung Novobiocin dar, die im Rahmen eines Mitteldurchsatz-Screenings als potenzieller Inhibitor der LIR-LC3-Interaktion identifiziert und mittels ITC, TSA und 1H-15N-HSQC verifiziert werden konnte. Die Struktur des Novobiocins setzt sich aus dem 3-Amino-4-hydroxy-8-methylcoumarin-Kern, der über eine Amidbindung an 3-iso-Prenyl-4-Hydroxybenzoesäure gebunden ist, sowie einer O-glykosidischen Bindung in Position C7 des Coumarins mit L-Noviose zusammen. Da es sich bei Novobiocin (XL6) um ein verhältnismäßig komplexes Molekül handelt, wurde der Einfluss einzelner funktionellen Gruppen des Moleküls auf die Bindungsaffinität hin untersucht. Hierfür wurden Synthesestrategien sowohl für die Coumarin-Gerüste als auch verschiedene Benzoesäuren entwickelt. Die erhaltenen Verbindungen wurden mittels ITC und TSA untersucht. Dabei wurde die Verbindung MH507 als geeigneter Ausgangspunkt für die Untersuchung der Struktur-Aktivitätsbeziehungen (SAR) bezüglich der Benzamid-Seite identifiziert. Im Rahmen einer ersten SAR-Untersuchung wurden neben verschiedenen 3-Alkyl-benzoesäuren, auch verschiedene divalente Isostere (-O-, -S-, -NHSO2-) der benzylischen Methylengruppe synthetisiert. Diese, sowie kommerzielle Aminosäuren, wurden mit 3-Amino-4,7-dihydroxycoumarin zu den entsprechenden Endverbindungen gekuppelt. Ergänzend dazu wurden auch eine Verbindung mit umgekehrter Konstitution der Amidbindung dargestellt, um den Einfluss der Reihenfolge zu verifizieren. In einer weiteren SAR-Studie wurden Derivate synthetisiert, die zusätzlich eine Funktionalisierung am C7 des Coumarin-Gerüstes über Amidkupplung, Sulfonamid-Bildung bzw. Suzuki-Reaktion erlauben und somit eine Interaktion mit der HP1 ermöglichen könnten. Dafür wurde eine weitere Synthesestrategie zur Darstellung von 7-Nitro- bzw. 7-Brom-3-amino-4-hydroxycoumarinen ausgearbeitet und eine Reihe von Endverbindungen dargestellt. Neben den Coumarin-Derivaten wurden auch vier Peptidomimetika synthetisierten. Hierfür wurde, basierend auf den Interaktionen zwischen dem LIR-Motiv und der LC3 Proteinoberfläche, ein Pharmakophor-Modell erstellt. Neben einem Pentapeptid wurden auch drei Verbindungen dargestellt, die ein 5-Amino 2-methoxybenzohydrazid-Gerüst besitzen. Um die synthetisierten Verbindungen auf ihre inhibitorische Aktivität auf LC3A bzw. LC3B gegenüber dem LIR-Motiv von p62 hin untersuchen zu können, wurde ein HTRF-basierter Verdrängungsassay entwickelt. Dabei diente ein mit dem LIR-Motiv modifiziertes sGFP als FRET-Akzeptor, während das jeweilige Terbium-Kryptat-gelabelte SNAP-LC3-Fusionsprotein als FRET-Donor fungierte. Neben den Titrationsexperimenten zur Bestimmung der IC50-Werte wurden auch die jeweiligen Dissoziationskonstanten (Kd) von LC3A und LC3B gegenüber dem LIR-sGFP-Fusionsprotein bestimmt, um die IC50-Werte in inhibitorische Konstanten (Ki) zu überführen, da diese untereinander besser vergleichbar sind.
Die Verbindung MH209 zeigte die höchste Aktivität auf LC3A bzw. LC3B und besitzt aufgrund der Noviose-Einheit eine gute Wasserlöslichkeit, weshalb sie für die weiteren Untersuchungen ausgewählt wurde. Im Zuge von Kristallisationsexperimenten gelang die Isolierung und Vermessung eines Co-Kristalls von LC3A mit Verbindung MH209. Durch die Kristallstruktur wurden wichtige Einblicke in die intermolekularen Wechselwirkungen der 4-Hydroxycoumarine mit der LC3A- bzw. LC3B-Proteinoberfläche gewonnen und die Bindungsmode aufgeklärt. Diese Erkenntnisse passen gut zu den Ergebnissen aus den durchgeführten TSA-, ITC- und HTRF-Assays, wie beispielsweise der korrekten Konstitution der Amidbindung am C3 des Coumarin-Gerüstes. Mittels ITC wurde die Verbindung MH209 auf ihre Bindungsaffinität gegenüber den anderen humanen Homologen der Atg8-Proteinfamilie hin untersucht. Dabei zeigte sich, dass MH209 abgesehen von LC3A und LC3B keinerlei Aktivität auf den humanen Atg8-Homologen besitzt. Diese Selektivität ist nützlich, um die biologische Bedeutung der Diversität von Atg8-Homologen in höheren Eukaryonten zu untersuchen und Prozesse, in die diese involviert sind, aufzuklären.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Inhibitoren der bakteriellen Resistenzproteine New Delhi Metallo-β-Lactamase 1 (NDM-1), die beiden Mutanten der Verona-Integron Encoded Metallo-β-Lactamase 1 und 2 (VIM-1, bzw. -2), sowie die Imipenemase 7 (IMP-7) entwickelt.
Auf Grund natürlicher Selektion, aber vor allem auch bedingt durch den unüberlegten und verschwenderischen Einsatz von β-Lactam-Antibiotika, ist eine weltweite Zunahme an multiresistenten Erregern zu beobachten. Einer der Hauptgründe dieser Resistenzen sind die Metallo- β-Lactamsen (MBL), welche vor allem in Gramnegativen Bakterien vertreten sind und für die Hydrolyse und damit der Desaktivierung der β-Lactam-Wirkstoffe verantwortlich sind. Neben der Suche nach anderweitig wirkenden Antibiotika, ist die Entwicklung von Inhibitoren der MBLs von vordringlicher Bedeutung.
Basierend auf der Grundstruktur des ACE-Hemmers Captopril, wurden trotz synthetischer Herausforderungen erfolgreich mehrere Strukturen mit inhibitorischer Aktivität gegenüber den MBLs synthetisiert. Der Prolinring von Captopril wurde in einer neuen Variante der Captopril-Synthese durch verschiedene Ring- und nicht cyclische Teilstrukturen ersetzt. Durch die Entwicklung einer Schutzgruppenstrategie, konnte die Ringstruktur durch einen Piperazin-Rest ersetzt werden. Dies erlaubt es, die Molekülstruktur auf dieser Seite zu erweitern. Des Weiteren wurde eine neue Syntheseroute etabliert, welche es auf elegante Weise ermöglicht, weitere Derivatisierungen an der Methylgruppe des Captoprils durchzuführen.
In einem proteinbasierten Testsystem wurden die synthetisierten Substanzen auf ihr inhibitorisches Potential hin untersucht. Dabei wurden IC50-Werte im niedrig einstelligen mikromolaren, für drei Verbindungen sogar im sub-mikromolaren Bereich ermittelt. Die erhaltenen Ergebnisse wurden für die drei aktivsten Inhibitoren durch eine Erhöhung des Schmelzpunktes in einem TSA-Testsystem erfolgreich verifiziert. Mittels ITC-Untersuchungen konnte die unterschiedlichen Gewichtungen der entropischen und enthalpischen Beiträge zur Bindung der Inhibitoren an die untersuchten MBLs aufgezeigt werden. Hierdurch konnten die scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse der ermittelten IC50-Werte und Schmelzpunktverschiebungen für die Verbindung DBDK48 bezüglich der NDM-1 aufgeklärt werden.
Die Strukturen DB320 konnte erfolgreich mit VIM-2 co-kristallisiert werden. Dies ermöglicht eine genauere Untersuchung und qualifizierte Aussagen über die Bindungsverhältnisse zwischen Protein und Ligand.
Für zwei der synthetisierten Inhibitoren sollte untersucht werden, ob deren Aktivität in vitro auch in Bakterien erhalten bleibt. Dazu wurden pathogene klinische Isolate und Laborstämme, welche mit dem Resistenzplasmid transfiziert wurden, und gegen Imipenem resistent sind, herangezogen. Durch die Zugabe der Inhibitoren konnte die Wirksamkeit von Imipenem wiederhergestellt werden.
Es konnte eine HPLC-Methode etabliert werden, welche eine Abschätzung der Polaritäten in Abhängigkeit der Retentionszeiten erlaubt. Dadurch konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Polarität der Verbindungen und dem Grad der Wirksamkeit im MIC-Testsystem aufgezeigt werden.
Durch die Untersuchung der Inhibitoren auf die Proteine ACE und LTA4H, konnten zwei Ziel-Proteine der Captopril-Grundstruktur als unerwünschte Nebenziele ausgeschlossen werden. Des Weiteren führte die Behandlung von U937-Zellen, selbst bei einer hohen Konzentration von 100 µM, weder zu Auffälligkeiten in einem WST-1 Assay, noch zu einer erhöhten Freisetzung von LDH. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Verbindungen über keine zytotoxischen Eigenschaften verfügen.
Zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen besteht nach wie vor ein dringendes medizinisches Bedürfnis, da die bisher eingesetzten Medikamente gerade in der Langzeittherapie zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen können. Um chronisch entzündliche Erkrankungen in Zukunft adäquat therapieren zu können, sind bereits verschiedene neuartige Ansätze in klinischer bzw. präklinischer Entwicklung. Ein möglicher Ansatz besteht in einer dualen Hemmung der mikrosomalen Prostaglandin E2 Synthase-1 (mPGES-1) und der 5-Lipoxygenase (5-LO). Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR) von zwei verschiedenen Leitstrukturen an der 5 LO und der mPGES 1 untersucht. Die erste Leitstruktur entstammt aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Sulfonamidstruktur. In dieser Arbeit ist es gelungen, durch eine gezielte Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehungen, die Leitstruktur I an der 5 LO und der mPGES-1 in ihrer Potenz zu optimieren. Die Leitstruktur (IC50: 5-LO (zellfrei) = 5.7 µM, IC50: 5 LO (PMNL) = 3.7 µM, IC50: mPGES-1 = 4.5 µM) konnte durch Variation in allen drei Positionen modifiziert werden, so dass die optimierte Struktur 170 (IC50: 5-LO (zellfrei) = 2.3 µM, IC50: 5-LO (PMNL) = 0.4 µM, IC50: mPGES-1 = 0.7 µM) entstanden ist. Für die Verbindung 170 wurden die pharmakokinetischen Eigenschaften, wie Löslichkeit und metabolische Stabilität, sowie der Wirkmechanismus auf molekularer Ebene bestimmt. Ebenso konnte für Verbindung 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden.
Die zweite Leitstruktur stammt ebenfalls aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Mercaptobenzothiazol-Grundstruktur. Aufgrund der Ähnlichkeit zu den bekannten Pirinixinsäurederivaten wurde auch hier für die Untersuchung der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zunächst eine Kettenverlängerung an der Alkylkette vorgenommen. Es ließ sich auch hier durch eine gezielte SAR, die Leitstruktur bis hin zum submikromolaren Bereich in Verbindung 219 optimieren. Gleichzeitig ist es gelungen in Verbindung 219 einer der am potentesten dual ausgeglichensten dualen 5 LO/mPGES-1 Inhibitoren zu identifizieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser Arbeit es gelungen ist durch gezielte Untersuchungen der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zwei verschiedene Substanzklassen zu dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren zu optimieren. Ebenso konnte für Substanz 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden. Diese Arbeit soll dazu beitragen, das therapeutische Potential von dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren als anti-entzündliche Wirkstoffe in Zukunft besser einschätzen zu können.
Synthese und Struktur-Wirkungsbeziehungen neuer rezeptorselektiver Dopamin-D 2- und -D 3-Liganden
(2003)
Dopaminrezeptoren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, der bisher größten Rezeptorklasse. Seit der Identifizierung der zuvor unbekannten Rezeptorsubtypen D3-D5 in den Jahren 1990 und 1991 hat die Erforschung des dopaminergen Systems neuen Anschub erhalten, der maßgeblich auf das spezifische Vorkommen jeweiliger Subrezeptoren in diskreten Hirnarealen zurückzuführen ist. Während dopaminerge Neuronen an neurologischen und psychiatrischen Störungen wie Morbus Parkinson, Schizophrenie und Drogenmißbrauch bzw. -abhängigkeit seit geraumer Zeit in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden, begründen die unterschiedlichen Charakteristika der Rezeptorsubtypen hinsichtlich Lokalisation, Aminosäuresequenz und pharmakologischem Verhalten die Hoffnung, mit subrezeptorselektiven Wirkstoffen neue therapeutische Ansätze verwirklichen zu können, die eine Reduktion der gravierenden, mit bisherigen Therapiekonzepten korrelierten Nebenwirkungen erlauben. In der vorliegenden Arbeit wurden, ausgehend von den D2- und D3-rezeptorbevorzugenden Wirkstoffen ST 177, L-741,626, ST 314, NAN190, ST 198 und BP 897, gezielte Modifikationen an unterschiedlichen Molekülteilen unternommen, um ihre jeweils charakteristischen pharmakologischen Eigenschaften stärker zu profilieren.
Photolabile Schutzgruppen haben sich im Laufe der letzten Jahre als wertvolle Werkzeuge für die Untersuchung und Regulation biologischer Prozesse etabliert. Dabei wird die photolabile Schutzgruppe auf geeignete Weise mit Biomolekülen verknüpft, sodass deren Funktion temporär deaktiviert wird. Durch Bestrahlen mit Licht geeigneter Wellenlängen wird die photolabile Schutzgruppe entfernt und die Aktivität des Biomoleküls bzw. des zu beobachtenden Prozesses wiederhergestellt. Die Grundlagen der Verwendung photolabiler Schutzgruppen im biologischen Kontext wurden in zwei Pionierarbeiten 1977 von J.W. ENGELS und 1978 von J.F. HOFFMAN gelegt. Davon ausgehend haben sich zahlreiche Anwendungen photolabiler Schutzgruppen für biologisch interessante Molekülklassen entwickelt. Auf dem speziellen Gebiet der Nukleinsäuren wurden in den letzten Jahren einige fundamentale Mechanismen entdeckt und aufgeklärt, die nicht zuletzt auch therapeutisch interessante Anwendungsmöglichkeiten für photolabile Schutzgruppen bieten. Hierbei stellt das An-/Aus-Schaltverhalten von Nukleinsäuren jedoch ein nicht-triviales Problem dar. Selbst der gezielte Einbau einer einzelnen photolabilen Schutzgruppe in ein multifunktionales Oligonukleotid führt in der Regel nämlich nicht zu einer vollständigen Deaktivierung dessen. Ein multipler Einbau photolabiler Schutzgruppen entlang der Sequenz eines funktionellen Oligonukleotids schaltet die Hintergrundaktivität im deaktivierten Zustand zwar vollständig aus, allerdings müssen in diesem Fall hohe Bestrahlungsintensitäten bzw. –dauern für das Entfernen aller photolabilen Modifikationen angewendet werden. Dadurch geht zum einen die Zeitauflösung der lichtgeschalteten Prozesse verloren, nicht zuletzt erhöht sich dabei aber auch das Risiko von lichtinduzierten Schäden am biologischen System. Das Kernthema der vorliegenden Dissertation war es daher, neue Architekturen für den Aufbau photoaktivierbarer Oligonukleotide zu entwickeln.
Das erste große Projekt basierte auf der Annahme, dass sich Duplexstrukturen, die für die Funktion vieler Nukleinsäuremechanismen fundamental sind, durch Zyklisierung von Oligonukleotiden global destabilisieren und damit effizienter photoaktivieren lassen, als durch lokalen Einbau einzelner photolabiler Schutzgruppen in Oligonukleotide. Hierzu wurden geeignete Alkin-Modifikationen an photolabile Nitrobenzyl- und Cumarin-Schutzgruppen angebracht und diese an die Nukleobasen verschiedener DNA-Bausteine geknüpft. Es ist daraufhin gelungen, Oligonukleotide mit je zwei photolabilen Alkin-Modifikationen herzustellen und diese intrasequentiell über eine Cu(I)-katalysierte Click-Reaktion mit einem Bisazid-Linker zu zyklisieren. Die so erhaltenen Oligonukleotide wiesen dramatisch erniedrigte Schmelzpunkte gegenüber den nativen Duplexen, sowie gegenüber den zweifach photolabil geschützten Oligonukleotiden auf. Dabei wurde außerdem festgestellt, dass Zyklisierungsparameter wie die Linkerlänge, -polarität und –flexibilität und die Wahl der photolabilen Schutzgruppe keinen signifikanten Einfluss auf die Duplexstabilität hat. Über einen Bereich von Ringgrößen zwischen ca. 11-21 Nukleotiden wurden die niedrigsten Duplexstabilitäten beobachtet. Sehr kleine, sowie große Ringe ab 30 Nukleotiden wiesen dagegen höhere Stabilität auf.
Da mit dem entwickelten Zyklisierungskonzept auch mehrere Ringstrukturen innerhalb einer Oligonukleotidsequenz aufgebaut werden können, wurde im nächsten Schritt eine photoaktivierbare Variante des C10-Aptamers hergestellt, welches selektiv gegen Burkitt’s Lymphomzellen bindet. Dieses 90-mer DNA-Oligonukleotid wurde an drei Stellen photolabil Alkin-modifiziert und infolge mit einem Trisazid-Linker zu einer bizyklisierten Struktur verknotet. Mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie-Experimenten konnte demonstriert werden, dass das durch eine solche „Photo-Klammer“ deaktivierte C10-Aptamer keine Bindungsaffinität gegenüber Burkitt’s Lymphomzellen aufweist, die Bindungsaktivität jedoch nach Belichten wiederhergestellt werden kann. Mit Atomkraftmikroskopie-Experimenten ist es darüber hinaus gelungen, die Photoaktivierung des verknäuelten C10-Aptamers mit molekularer Auflösung abzubilden. Mit diesem Ergebnis können nun lange funktionelle Oligonukleotide auf definierte Weise photoaktivierbar gestaltet werden, insbesondere auch dann, wenn keine (Informationen über) funktionelle Sekundärstrukturen existieren.
...
Die vorliegende Arbeit beschreibt die Herstellung von codierten Peptidbibliotheken durch kombinatorische Synthese, sowie deren Selektion auf Wechselwirkung mit einer verkürzten Sequenz der TAR-RNA des HI-Viruses.
Die zur Selektion benötigte RNA wurde dazu auf chemischem Wege hergestellt und mit einem Fluoreszensfarbstoff für eine optische Selektion markiert. Ausgehend von dieser RNA wurde ein Anfärbeassay entwickelt. Bei der Anwendung des Assays auf Tri- und Pentapeptide, die auf einem Polymerträger immobilisiert waren, zeigten sich einige intensiv leuchtende Polymerkügelchen. Die hellsten unter ihnen wurden selektiert. Die Synthese der Trimeren und Pentamerenbibliothek erfolgte zuvor an wasserquellbarem, polymerem Trägermaterial. Die Identifizierung der polymergebundenen Verbindungen erfolgte über die Codierung nach W.C. Still, welche im Rahmen dieser Dissertation in der Arbeitsgruppe von Hr. Prof. Göbel erfolgreich etabliert wurde und die einfache Unterscheidung zwischen Enantiomeren ermöglicht. Drei der am häufigsten auftretenden Trimerensequenzen wurden im Nachhinein erneut synthetisiert und Experimenten an Zellen zugeführt. Unabhängig davon, wurde ihre Wechselwirkung mit RNA als auch mit RNA-Peptid Komplexen direkt getestet.
Weiterhin wurde exemplarisch anhand von Aminopyridinen die Möglichkeit getestet, neuartige Synthesemonomere für die automatische Synthese polymergebundener Verbindungen darzustellen.
Die vorliegende Arbeit macht deutlich, dass man durch kombinatorische Synthese im Verbund mit gerichteter Selektion, die Entwicklung von in vitro RNA-Liganden für RNA mit bekannter Struktur vorantreiben kann. Umgekehrt müsste dies auch bald die Selektion von Liganden für strukturell nicht charakterisierte RNA ermöglichen.
Das nächste Ziel sollte, die Entwicklung weiterer Selektionstests sein und die Etablierung von NMR-Methoden, welche die genauen Bindungsmodi der selektierten Verbindungen an RNA aufklären, um somit die gezielte Synthese neuartiger Liganden vorantreiben zu können, da letztendlich das "Wie", für die Weiterentwicklung einer Leitstruktur ausschlaggebend ist.
Weiterhin sollten die Transportmechanismen von körperfremden Substanzen zu dem gewünschten Wirkort studiert werden, damit die vorab in vitro getestete Substanz auch im späteren Entwicklungsstadium in vivo die gewünschten Eigenschaften zeigen kann.
Die Wechselwirkungen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) mit Eis in der Atmosphäre sind für viele umweltrelevante Aspekte von Interesse, dennoch gibt es bisher erst wenige Untersuchungen zu dieser Thematik.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Wechselwirkungen verschiedener VOCs mit Eis durch Kraftfeldrechnungen simuliert. Als Substanzen wurden das Keton Aceton, die Kohlenwasserstoffe Isopren und Mesitylen, die Alkohole Ethanol, tert-Butanol, 2-Methyl-3-buten-2-ol (MBO) und Perillylalkohol, die Ether Methyl-tert-butylether und Ethyl-tert-butylether (ETBE) sowie die Aldehyde Nonanal und Methacrolein ausgewählt.
Hierbei wurden sowohl die Adsorption an verschiedenen Oberflächen von hexagonalen Eis (Eis Ih) und von kubischem Eis (Eis Ic) als auch die Absorption in Eiskristallen und an den darin enthaltenen Linien- und Flächendefekten betrachtet. Für jedes VOC wurden die resultierenden Strukturen sowie die dazu gehörigen Enthalpien ermittelt und mittels Boltzmann-Statistik ausgewertet.
Für die Berechnung der Wechselwirkungen von VOC mit Eis wurde ein Kraftfeld entwickelt, das sowohl die Strukturen von Eis Ih und Eis Ic als auch die Strukturen der organischen Moleküle und ebenso die Wechselwirkungen zwischen Eis und organischem Molekül gut wiedergibt. Es basiert auf dem für organische Moleküle verwendeten DREIDING-Kraftfeld und wurde modifiziert mit Parametern für Wasser aus dem TIP5P-E-Kraftfeld. Das Kraftfeld wurde an Ab-initio-Rechnungen und experimentellen Daten validiert.
Die Simulationen erbrachten folgende Ergebnisse:
– Unpolare Kohlenwasserstoffe werden nur in geringem Maße an den Eisoberflächen adsorbiert; eine Absorption in die Eiskristalle ist energetisch noch wesentlich ungünstiger. Für diese Verbindungen ist der Austrag aus der Atmosphäre durch Wechselwirkungen mit der Eisphase daher nicht relevant.
– Sauerstoffhaltige Verbindungen werden an der Eisoberfläche gut adsorbiert. Zwischen dem VOC-Molekül und der Eisoberfläche bilden sich Wasserstoffbrückenbindungen aus. Ihre Anzahl ist abhängig von der Art des Moleküls (Keton, Aldehyd, Ether oder Alkohol). Die Simulationen zeigen, dass die nasse Deposition durch Wechselwirkungen mit der Eisphase für diese Stoffe ein Austragsweg aus der Atmosphäre ist, der nicht vernachlässigt werden darf.
– Bei einem Einbau von VOC-Molekülen in den Eiskristall wird die Eisstruktur teilweise erheblich verzerrt. Je kleiner die VOC-Moleküle sind, desto geeigneter sind sie für einen Einbau in den Eiskristall; bei größeren Molekülen ist der Einbau aufgrund des sterischen Anspruchs behindert. Zunehmende Größe des Moleküls begünstigt andererseits die Adsorption.
Parallel zu den theoretischen Untersuchungen wurde eine Apparatur entwickelt, mit der sich die Ad- und die Absorption von VOCs beim Wachsen der Eiskristalle experimentell untersuchen lässt. Die Eiskristalle entstehen dabei unter kontrollierten Bedingungen und wachsen, wie in der Atmosphäre, durch Anlagerung von Wasserdampf. Gleichzeitig wird dem Wasserdampf eine definierte Menge an VOC zugegeben. Das entstehende Eis wurde mittels GC analysiert. Als alternatives Analyseverfahren zur Bestimmung von VOCs in Wasser wurde ein NMR-Verfahren entwickelt, das quantitative Messungen im dreistelligen ppm-Bereich erlaubt. Erste Untersuchungen an Eiskristallen, die in Gegenwart von ETBE erzeugt wurden, zeigten, dass dieses VOC − wie auch in den Simulationen vorhergesagt − überwiegend an der Oberfläche von Eis adsorbiert, und nicht in den Eiskristall eingebaut wird.
Für ETBE wurde im Rahmen dieser Arbeit zusätzlich die Kristallstruktur der alpha-Phase aus Röntgenpulverdaten durch Kristallstrukturvorhersage und Realraummethoden bestimmt. ETBE kristallisiert in der für organische Verbindungen sehr seltenen Raumgruppe C 2/m. Die experimentelle Kristallstruktur entspricht der von der Dichte her günstigsten, von der Gitterenergie her zweitgünstigsten vorhergesagten Kristallstruktur. Die Kristallstruktur eines zweiten VOCs, MBO, konnte ebenfalls aus Röntgenpulverdaten bestimmt werden, obwohl die Kristallstruktur drei symmetrieunabhängige Moleküle pro asymmetrischer Einheit enthält. Da sowohl ETBE als auch MBO bei Raumtemperatur flüssig sind, wurden beide für die Messungen bei tiefer Temperatur kristallisiert.
Die Kristallstrukturen dieser beiden VOCs können wiederum zur Simulation von sekundären organischen Aerosolen in der Atmosphäre genutzt werden.
Auch die Kristallstrukturen zweier weiterer Verbindungen konnten aus Röntgenpulverdaten bestimmt werden: zum einen die Strukturen des Trihydrates, des Monohydrates und des Anhydrates von Pigment Red 57:1 (C18H12CaN2O6S), dem wichtigsten industriellen Rotpigment, mit dem weltweit die Mehrheit aller Zeitungen und Zeitschriften gedruckt werden, zum anderen die Struktur des 2-Butanol-Hemisolvats von Methyl-(2R,3R)-2-{3-[amino(imino)methyl]benzyl}-3-{[4-(1-oxido-4-pyridinyl)benzoyl]¬amino}butanoat-hydrochlorid. Mit diesen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass Kristallstrukturen organischer Verbindungen aus Röntgenpulverdaten auch dann bestimmt werden können, wenn verschiedene Probleme kombiniert auftreten, z. B. schlecht kristalline Pulver, Textur, Solvate, Hydrate, Fehlordnung, funktionelle Gruppen mit vergleichbarer Streukraft, mehrere symmetrieunabhängige Moleküle, hohe Anzahl von Parametern bei der Strukturlösung etc.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen deutlich, dass die Wechselwirkungen zwischen sauerstoffhaltigen VOC-Molekülen und der Eisphase nicht vernachlässigt werden dürfen. Sie sollten in Simulationen der Atmosphäre berücksichtigt werden, um so Aussagen über Auswirkungen auf das Klima und andere umweltrelevante Aspekte zu verbessern.
Die Bande q23 auf Chromosom 11 ist in zahlreiche reziproke chromosomale Translokationen verwickelt. Diese sind dominant mit dem Krankheitsphänotyp einer AML, ALL und seltener mit malignen Lymphomen und myelodysplastischen Syndromen assoziiert. Mittlerweile sind fünfundachtzig cytogenetische Aberrationen der Bande 11q23 bekannt. Das auf 11q23 betroffene Gen wird als das Mixed Lineage Leukemia (MLL), Acute Lymphoblastic Leukemia (ALL-1), Human Homolog of trithorax (HRX) oder als Human Trithorax 1 (Htrx1) bezeichnet. Die häufigsten Partnergene des MLL sind AF4 (40 %), AF9 (27 %), sowie ENL, AF6, ELL und AF10 (4-7 %).
Die Bruchpunkte von t(11;V) Translokationen sind nicht gleichmäßig über das gesamte, 92 kb große humane MLL-Gen verteilt, sondern liegen alle in der 8,3 kb großen Bruchpunktsregion Bpr. Auch innerhalb der Bpr ist die Verteilung der Translokationsbruchpunkte nicht homogen. Die Bruchpunkte von Patienten mit de novo Leukämien und einem Alter über einem Jahr liegen mehrheitlich in der 5’-Hälfte der Bpr, dem Subcluster I. Dagegen liegen die Bruchpunkte von Patienten mit therapiebedingten Leukämien und einem Alter unter einem Jahr überwiegend in der 3’-Hälfte der Bpr, dem Subcluster II.
Neuere Forschungsergebnisse zeigten, daß DNA-Doppelstrangbrüche auf zwei verschiedenen Chromosomen eine hinreichende Voraussetzung für das Entstehen chromosomaler Translokationen sind. Aufgrund der inhomogenen Verteilung der Translokationsbruchpunkte im MLL-Gen stellte sich die Frage, ob bestimmte Regionen dieses Gens für DNA-Doppelstrangbrüche prädisponiert sind. Interessanterweise ist Subcluster II extrem sensitiv gegenüber DNA-Doppelstrangbrüchen, die durch cytotoxische Agenzien oder Apoptose-auslösende Ereignisse induziert werden können. In unserer Arbeitsgruppe konnte eine etwa 200 bp große Region lokalisiert werden, über die sich nahezu alle Etoposid-induzierten DNA-Doppelstrangbrüche verteilten.
In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, daß die Bildung von DNA-Doppelstrangbrüchen in dieser Region durch die Gabe eines Caspase-Inhibitors gehemmt werden kann. Eine Etoposid-induzierte Protein-DNA-Wechselwirkung konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. In der Literatur fanden sich Hinweise darauf, daß Subcluster II im Gegensatz zu Subcluster I eine verstärkte Histonacetylierung aufweist. Basierend auf diesen Hinweisen sollte die Arbeitshypothese untersucht werden, ob Subcluster II einen geninternen Promotor des MLL-Gens darstellt.
Die potentielle Promotorregion wurde zunächst durch Computeranalysen eingegrenzt. Mit RT-PCR Experimenten wurde anschließend der potentielle geninterne Promotor des murinen Mll-Gens in einer murinen Fibroblastenzellinie lokalisiert, die einen Transkriptionsstop und eine Polyadenylierungssequenz in Exon 4 des Mll-Gens trug. Um die am Mausmodell gewonnenen Erkenntnisse auch im humanen System zu überprüfen, wurde die geninterne Promotorregion des humanen MLL Gens vor ein Luciferasereportergen kloniert. Durch RTPCR konnte der geninterne Transkriptionsstart im Subcluster II des humanen MLL-Gens lokalisiert werden. Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, daß Transkriptionsinitiation und genetische Instabilität im Subcluster II des humanen MLL-Gens kolokalisieren.
Durch Deletionsmutanten wurde die Bedeutung der einzelnen Module dieser Promotorregion ermittelt. Dabei zeigte sich, daß die Anwesenheit von zwei retromobilen Elementen eine Enhancer-Funktion haben. Demgegenüber zeigte die homologe murine Sequenz, die in unserer Arbeitsgruppe gleichzeitig von S. Scharf untersucht wurde und für die keine erhöhte Anfälligkeit für DNA-Doppelstrangbrüche bekannt ist, nur eine schwache Promotoraktivität. Dies weist auf einen Zusammenhang zwischen der genetischen Instabilität von Subcluster II und der Rate geninterner Transkriptionsinitiationsprozesse hin.
Das Protein, für das das Transkript des geninternen murinen Promotors kodiert, wurde mittels immunhistologischer und Western Blot Experimente nachgewiesen. Dabei konnte gezeigt werden, daß dieses Protein, wie auch das MLL-Protein, proteolytisch durch Taspase1 und daß sich ein Mini-MLL-Komplex bildet.
Die Entstehung von Leukämien steht meist im Zusammenhang mit chromosomalen Translokationsereignissen, bei denen vor allem das MLL (Mixed Lineage Leukemia)-Gen auf Chromosom 11q23 involviert ist. Die häufigste Translokation, die eine Akute Lymphatische Leukämie (ALL) bei Kleinkindern auslöst, stellt die t(4;11)-Translokation dar. Die Rekombination der Chromosomen 11 und 4 führt hierbei zur Entstehung der beiden Fusionsproteine MLL-AF4 und AF4-MLL. Bisherige Studien, die den Krankheitsmechanismus hinter dieser ALL-Form untersuchten, identifizierten eine charakteristische Überexpression der HOXA-Gene als einen besonderen Treiber dieser Krankheitsentstehung. Durch die Deregulierung des HOX-Clusters durch das chimäre MLL-AF4-Protein wird ein Differenzierungs- und Apoptoseblock induziert und eine stetige Proliferation der Zellen gefördert. Arbeiten von Trentin et al. (2009) klassifizierten eine Subgruppe von t(4;11)-Patienten, die, im Gegensatz zu den bisher charakterisierten ALL-Leukämien, eine Reprimierung ihrer HOXA-Cluster aufwiesen und mit einer schlechteren Prognose assoziiert waren. Das Genexpressionsprofil dieser HOXAlow-Patienten sprach für einen neuen Krankheitsmechanismus. Allen HOXAlow-Patienten war zudem gemein, dass sie eine Überexpression des Transkriptionsfaktors IRX1 aufwiesen. Die Relevanz dieses Transkriptionsfaktors im Kontext einer t(4;11)-Leukämie wurde durch diese Doktorarbeit genauer untersucht. Durch Vorarbeiten mit transient exprimiertem IRX1 in HEK293T-Zellen wurde eine DNA-Microarray-Analyse durchgeführt, durch die ein Genexpressionsprofil (GEP) dieser Zellen im Vergleich zu Kontrollzellen (mit dem Leervektor transfiziert) erstellt wurde. Dies schuf die Grundlage für die Durchführung weiterer Experimente, die mit Hilfe von RT-PCR-, Chromatin-Immunpräzipitations-, Co-Immunpräzipitations- und Western Blot-Versuchen den Effekt und das Verhalten des IRX1-Proteins im Zusammenhang mit MLL-AF4, bzw. die Funktion von IRX1 alleine, charakterisieren sollten. Es zeigte sich, dass IRX1 eine Reprimierung der HOXA-Gene induziert und dieser Effekt über den aktivierenden Effekt des chimären MLL-AF4-Proteins dominiert. Dies geschah jedoch auf zwei unterschiedliche Wege, da zum einen das IRX1 in der Abwesenheit von MLL-AF4 nicht direkt an die HOXA-Gene binden kann und zum anderen durch MLL-AF4 eine Inkorporation des IRX1 in den Multiproteinkomplex des chimären Onkoproteins stattfindet und IRX1 dadurch direkt an die HOXA-Promotoren gelangt. Zudem wurden weitere direkte und indirekte Zielgene des IRX1 identifiziert. Zu ihnen zählen MEIS1, HOXB4 und EGR1-3. Durch die Erweiterung der Versuche durch Behandlungen mit dem pan-HDAC-Inhibitor Trichostatin A konnte belegt werden, dass MLL-AF4 vom Promotor seiner Zielgene dissoziiert und durch das endogene wt-MLL ersetzt werden kann. Trotz der inhibitorischen Wirkung des IRX1 auf das MLL-AF4 verursacht es eine Stabilisierung des MLL-AF4 an den Promotoren seiner Zielgene, was eine Dissoziation des Komplexes durch TSA verhindert. Die Applikation von TSA führt unabhängig von der vorherigen Konstitution (±IRX1) aber auch zu einer Normalisierung der HOXA-Expression. Die vorgelegten Daten verdeutlichen, dass IRX1 kausal für das GEP der HOXAlow-Patienten verantwortlich ist und durch seine Anwesenheit wichtige Regulatoren der Differenzierung und der Zellzyklusregulierung gestört werden. Zudem wurde der Benefit einer Histondeacetylaseinhibitor (HDACi)-Behandlung bei dieser Patientenkohorte hervorgehoben, da der inhibierende Effekt des IRX1 auf die HOXA-Gene aufgehoben und das wt-MLL in seiner Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt wurde. Die Relevanz des IRX1 im Kontext einer t(4;11)-Leukämie wurde somit aufgeklärt und ein neuer Krankheits-mechanismus der HOXAlow-Patientenkohorte definiert. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit war die Etablierung eines Transfektionsprotokolls, um eine stabile Integrationen der Sleeping Beauty-Konstrukte in t(4;11)-Suspensionszellen zu ermöglichen. Bisher war es nur über lentivirale Methoden möglich, diese Zellen genetisch zu manipulieren. Durch die hier vorgestellte Methode können nun SEM-Zellen (B-Zell-Vorläuferzellen einer ALL mit t(4;11)) über Elektroporation stabil transfiziert und anschließend über Selektion zu einer homogenen Zellpopulation positiv transfizierter Zellen herangezogen werden. Hierdurch wird eine Übertragung bisheriger Methoden in ein leukämisches Zellsystem möglich, wodurch genetische Manipulationen in einer physiologischen Umgebung getestet werden können, ohne in S2-Laboratorien arbeiten zu müssen.
Nanoarzneimittel haben in den letzten Jahren in der Therapie verschiedener Erkrankungen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dadurch hat auch die Anzahl zugelassener Arzneimittel mit an Arzneistoffträgern wie Liposomen gebundenen Wirkstoffen zugenommen. Weil für die Zulassung, neben der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, auch die Qualität der neuen Arzneimittel gewährleistet sein muss, spielen die verschiedenen Eigenschaften der Arzneistoffträger eine wichtige Rolle in der Qualitätskontrolle. Neben der Partikelgröße, der Partikelgrößenverteilung und der Oberflächenladung spielt die (Rest-)Kristallinität des Wirkstoffs und die Wirkstofffreisetzung eine wesentliche Rolle für die erfolgreiche in vivo-Performance von Nanoarzneimitteln. Zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus kolloidalen Arzneistoffträgern wie Liposomen, Nanopartikeln oder Mizellen gibt es bis heute keine Standardmethoden. In der Forschung und der pharmazeutischen Industrie werden folglich verschiedene Methoden wie Filtration, Zentrifugation oder Dialyse verwendet, um den freigesetzten Wirkstoff zu bestimmen. Dabei ist die Wahl der Separationsmethode auf die Eigenschaften der Arzneistoffträger abzustimmen.
In der vorliegenden Arbeit wurde eine dialysebasierte Apparatur, der Dispersion Releaser (DR), zur Untersuchung der in vitro Wirkstofffreisetzung aus kolloidalen Trägersystemen eingesetzt. Diese kann direkt mit den Apparaturen I/II der Arzneibücher der Europäischen Union (Ph. Eur.) und der Vereinigten Staaten (USP) gekoppelt werden. Zur Untersuchung der Wirkstofffreisetzung wird die Formulierung in das Donorkompartiment gegeben, sodass der freigesetzte Wirkstoff infolge über die Dialysemembran in das Akzeptorkompartiment permeiert. Dort kann dieser mittels HPLC analysiert werden. Besonders hervorzuheben ist das synchrone Rühren in beiden Kompartimenten des DR, worüber andere dialysebasierte Apparaturen nicht verfügen.
Die Entwicklung und Patentierung eines funktionsfähigen Prototyps des DR erfolgte an der Goethe Universität, Frankfurt am Main und wurde im Rahmen dieser Arbeit gemeinsam mit der Pharma Test Apparatebau AG (Hainburg, Deutschland) zu einer kommerziell erwerbbaren Apparatur (Pharma Test Dispersion Releaser, PTDR) weiterentwickelt. Innerhalb dieser Kollaboration wurde der Prototyp des DR unter Einbezug der Anforderungen der pharmazeutischen Industrie rekonstruiert. Eine erleichterte Anwendung für den Nutzer wurde dabei mitberücksichtigt.
Die finale Apparatur wurde zuletzt einer ausgiebigen Validierung unterzogen, bei der Diclofenac und Hydrocortison als Modellarzneistoffe dienten. Neben Untersuchungen zur Hydrodynamik und dem Einfluss der Umdrehungszahl auf die Membranpermeationsrate kM wurde eine Methode mit Gold-Nanopartikeln zur Bestimmung der Dichtigkeit des Systems entwickelt. Hierbei wurden Messungen mit einer UV/Vis-Methode und mit dynamischer Lichtstreuung durchgeführt, um die Abwesenheit der Goldpartikel im Akzeptorkompartiment nachzuweisen. Der Einfluss von Proteinen im Freisetzungsmedium auf die Membran-permeation wurde ebenfalls untersucht.
Der DR wurde ursprünglich zur Untersuchung von parenteralen Nanoformulierungen entwickelt. Aufgrund der bisher noch nicht erfolgten Untersuchung von halbfesten Zubereitungen im DR, wurde die Apparatur im Rahmen dieser Forschungsarbeit für zwei verschiedene Diclofenac-Gele (Voltaren® Emulgel, Olfen® Gel) unter verschiedenen Bedingungen evaluiert. Dabei konnte unter non-sink-Bedingungen der Einfluss der lipophilen Phase des Voltaren® Emulgels (GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG, München, Deutschland) gezeigt werden. Im Vergleich zum fettfreien Olfen® Gel (Mepha Pharma AG, Basel, Schweiz) zeigte Voltaren® Emulgel eine vollständige Freisetzung unter den erschwerten Löslichkeitsbedingungen.
Mit Hydrocortison als Modellsubstanz wurden vier verschiedene Proliposomen zur vaginalen An¬wendung formuliert. Neben der Charakterisierung der Partikelgröße und der Verkapselungs¬effizienz wurden Messungen mit dynamischer Differenzkalorimetrie durch-geführt und Aufnahmen zur morphologischen Charakterisierung mittels Transmissions-elektronen¬mikroskopie der Liposomen erstellt. Die Wirkstofffreisetzung des Hydrocortisons aus dem rekonstituierten liposomalen Gel sowie die Permeabilität über eine Zellmonoschicht wurde vergleichend untersucht. Dabei wurden Zelllinien aus humanem Cervixkarzinom beziehungsweise Endometriumkarzinom eingesetzt. Die Unterschiede der Formulierungen konnten vom DR sensitiver erfasst werden und die Verkapselungseffizienz als relevanter Faktor für die in vivo-Performance festgelegt werden.
Weil die tatsächliche Wirkstofffreisetzung durch die Permeation über die Dialysemembran überlagert werden kann, wurde neben der Standardisierung der Konstruktion die Auswertung mit Hilfe eines neuen mathematischen Modells, das auf dem Fick’schen Diffusionsgesetz basiert, verbessert. Das Normalisieren des Freisetzungsprofils mit Hilfe des mathematischen Modells dient dazu, die tatsächliche Wirkstofffreisetzung zu berechnen und den Vergleich verschiedener Freisetzungen ohne den Einfluss der Membranpermeation zu ermöglichen. Im Zuge der Validierung des DR wurde das mathematische Modell ebenfalls erfolgreich validiert.
In der vorliegenden Forschungsarbeit wurde eine neue Konstruktion des DR für die kommerzielle Anwendung entwickelt und validiert. Nebenbei wurde der Auswerteprozess zur Berechnung der diffusionsbereinigten Wirkstofffreisetzung vereinheitlicht und validiert. Zuletzt wurde das Anwendungsgebiet des DR von parenteralen Nanoformulierungen auf halbfeste Arzneiformen erweitert.