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Sammelrezension zu Wolf, Werner (Hg.): Metareference across Media. Theory and Case Studies. Amsterdam, New York (Rodopi) 2009.
Ders. (Hg.): The Metareferential Turn in Contemporary Arts and Media. Forms, Functions, Attempts at Explanation. Amsterdam, New York (Rodopi) 2011.
Selbstreferenz ist in der Literaturwissenschaft wie auch im transmedialen Diskurs ein breit diskutiertes Phänomen, dessen Bestandsaufnahme inzwischen weit gediehen ist. Maßgeblichen Anteil daran hat der Grazer Werner Wolf, namentlich mit den inzwischen fünf Sammelbänden der Reihe "Studies in Intermediality", deren erste drei auch bereits, mal offener, mal impliziter, diesen Gesichtspunkt quer durch die Künste würdigten. Es handelte sich um Bände zur Rahmung und Grenzziehung, zur descriptio und zur allgemeinen Intermedialität. Die Bände 4 und 5 der Serie widmen sich nun ganz der Metareferenz, und zwar zunächst transmedial (die implizite These des Bandes lautet also, dass man gerade - aber nicht nur - Metareferenz jenseits der medialen Grenzziehungen analysieren sollte), um dann noch einen Schritt weiterzugehen und den "metareferential turn" auszurufen.
Volltextsuche
(2005)
[...] Und nun die Komparatistik? Sie mutiert zu einer Volltextwissenschaft. Die Weltliteratur, egal ob im summarischen oder qualitativen Sinn, ist noch nicht homogen digital erschlossen. Dadurch wird es noch lange bei der Bevorzugung großer Namen bleiben. Zugleich aber wird sich allmählich eine Nivellierung einstellen, die die Prioritäten der literaturwissenschaftlichen Suche synchronisiert mit denen der gängigen Suchmaschinen. Netzsuche und Volltextsuche auf begrenzten Datenträgern werden einander überlagern und den Resultaten eine egalitäre Struktur verleihen. Und dies wird auf längere Sicht zweierlei befördern: 1. Die Emanzipation der Trivialliteratur seit den 1960er Jahren, die Ausweitung des Textbegriffs und die kulturwissenschaftliche Orientierung werden in komparatistischen Arbeiten daran ablesbar sein, daß jegliches Kulturzeugnis, das beispielsweise einen bestimmten Mythos berührt, als potentiell zur Sache gehörig betrachtet wird. Alles kommt erst einmal in Frage. 2. Die Anonymität des weltweiten digitalen Korpus führt dazu, daß gerade die Volltextsuche die diskursanalytische These verwirklichen wird.
Boris Previšić (Hg.): Die Literatur der Literaturtheorie. Bern u. a. (Lang) 2010. S. 199.
Dieser Band markiert eine veritable Lücke in der Literaturwissenschaft und schließt sie wenigstens ansatzweise, indem er eine alltägliche Beobachtung fruchtbar macht: Bestimmte (naturgemäß genau deshalb mittlerweile kanonisierte) Autoren oder Texte haben so innovativ in die Weiterentwicklung literarischer Möglichkeiten eingegriffen oder den Lesern so elementar die Augen für Neues oder Selbstverständliches geöffnet, dass sie nicht nur in dem Umfang, wie dies für jeden beliebigen Beitrag zur Literatur gilt, sondern mit erheblicher Wirkung die Literaturwissenschaft selbst verändert haben.
Einen Roman zu betiteln ist eine der prekärsten ästhetischen Aufgaben. Der Titel sollte den Inhalt spiegeln, weder banal noch kryptisch sein, nicht zu lang - jedenfalls in den letzten zwei Jahrhunderten -, nicht missverständlich, dafür griffig, und bei alldem werden die guten Titel mit der Zeit knapp. [...] "Die Strudlhofstiege" ist für Ortsfremde ziemlich kryptisch, schwer zu merken und zu schreiben, dazu noch ein Roman mit einem Unter- oder besser: Nebentitel, gemäß dem "sive" in Doderers geliebtem Latein: "Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre" (1951). Hier beginnt auch schon die Raffinesse, denn Doderers Roman hat nicht weniger als drei 'Helden', und alle drei sind darin genannt: Die Strudlhofstiege, Melzer, die Tiefe der Jahre - der Ort, der Protagonist, die Zeit an sich. [...] Interesse weckt die Titelformulierung schon deshalb, weil sie "Melzer und die Tiefe der Jahre" miteinander konfrontiert. Es ist gewissermaßen eine staunende Begegnung, die hier erzählt wird, denn der vornamenlose Major Melzer wird bekanntlich "Mensch", indem ihm seine Vergangenheit bewusst und ihm via Zeitreise subtil klar wird, was für sein Leben nottut. [...] Im Mittelpunkt jenes Verfahrens, das den polychronen Roman Dodererscher Prägung trägt, steht die Frage: Wie zeigt, wie simuliert man das Vergehen der Jahre? Man ahnt bereits, dass dem typischen memorialen Zeitroman die 'Tiefe der Jahre' als Metapher für subjektives Zeiterleben und die Sondierungsbohrung der Erinnerung dient. Doch wenn man von Polychronie spricht, ist vom Modell des memorialen auch der chronikalische Roman abzugrenzen, der ebenfalls eine - und zwar beträchtliche - Tiefe der Jahre aufbietet, freilich und gerade weit jenseits der Lebens- und Erinnerungsspanne des Individuums. Die zeit- und erinnerungsmimetische Funktion der Vertikalität wird jedoch erst erfüllt, wenn der kognitive Adaptionsprozess in beide Richtungen verläuft. Dann entsteht durch eine Art Hin- und Herzoomen eine (beinahe) sinnliche Erfahrung, die in dem knappen Horizont ästhetischer Erfahrung Zeitbewusstsein und Erinnerung erfolgreich simuliert.
Die Kernfrage ist die nach der Gültigkeit von Universalien in den Geisteswissenschaften. Während naturwissenschaftliche Gattungsbegriffe (Forschungsirrtümer beiseitegelassen) nominale Setzungen sind, gibt es in den Kulturwissenschaften strenggenommen soviele Genera wie Einzelexemplare. Faktisch baut sich in Gestalt unserer Sachwörterbücher und abstrakt in einem imaginären Gesamt-Lexikon der Literaturwissenschaft die Hierarchie der idealen Zusammenführungen auf, aus regionalen und nationalen Traditionen. Hinzu treten Transfer-Traditionen und natürlich die mächtigen einzelnen Stifter oder Gestalter von Gattungen, an denen die historischen Teile der Definitionen nicht mehr vorbeikommen. So oder so, historisch-kulturelle Begriffe sind multiplen Verschiebungen unterworfen. Daher ist ebenso klar, dass Sachwörterbücher immer nur einen Moment abbilden können. Die Ungenauigkeit, die der Wissenschaftler bedauert, wird also "nur" historiographisch oder "fotografisch" aufgefangen. Damit ist freilich nicht beschlossen, dass Genauigkeit a) nicht doch wünschbar und b) wenn vielleicht in toto unerreichbar, nicht doch steigerbar sei. Wo liegen also die Optimierungsmöglichkeiten für die literarische Formterminologie auf interkultureller Ebene?
Rezension zu Konrad Meisig (Hg.): Ruhm und Unsterblichkeit. Heldenepik im Kulturvergleich. Wiesbaden (Harrassowitz) 2010. VII u. 194 S.
Es ist erstaunlich, wie schmal die neuere Forschungsliteratur zu jenem literarischen Genre ist, das bis ins 18. Jh. die Dignitätsrangliste der Gattungen anführte: das Epos. Wenngleich dieser Terminus mit den Spielarten Lehrgedicht, geistliches oder allegorisches Epos, mock-heroic u. a. deutlich mehr Optionen umfasst, assoziiert die Literaturgeschichte doch zumeist das sogenannte Heldenepos. So war es eine sinnvolle und zugleich lückenfüllende Initiative, im Sommersemester 2007 eine Ringvorlesung an der Universität Mainz der Heldenepik im Kulturvergleich zu widmen. Die zwölf Beiträge des Sammelbandes sind denn auch grundsätzlich nach dem Maß einer Vorlesung dimensioniert. Sie sind chronologisch angeordnet und behandeln einerseits "gesetzte", kanonische Texte der Heldenepik wie die Werke Homers und Vergils, andererseits aber wenig bekannte Paradigmen aus außereuropäischen Literaturen bzw. exzentrischere Beispiele, an denen sich die Spannbreite des Heroisch-Epischen beweist.
Nachruf
(2001)
Die DGAVL hat eines ihrer prominenten Mitglieder verloren - Ulrich Schulz-Buschhaus, Professor für Romanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ulrich Schulz-Buschhaus war Romanist mit deutlichen Schwerpunkten sowohl in der französischen als auch in der spanischen und italienischen Literaturgeschichte, verstand sich aber nachdrücklich auch als Komparatist, zu der ihn nicht nur die mehrsprachliche Tradition seines Faches prädestinierte, sondern auch sein Interesse für Formenlehre, Methodologie, für die Kanonproblematik und vor allem sein Engagement für die Zukunft der Literaturwissenschaft.
Am 5. Juni 2008 starb im Alter von achtzig Jahren Lea Ritter-Santini, emeritierte Professorin der Literaturwissenschaft an der Universität Münster. Bereits früh hatte sie verfügt, dass innerhalb des Instituts von persönlichen Ereignissen kein Aufhebens gemacht werden sollte. Da ich 1997 ihre Nachfolge antreten durfte, möchte ich dennoch wenigstens kurz an ihr Wirken erinnern, wie dies andere bereits unmittelbar nach ihrem Tod in der überregionalen Presse getan haben.
In den Rahmen der Erforschung, Klassifikation und Erklärung literarischer Selbstreferenzphänomene im engeren Sinn gehören Sujets wie Bücher, Bibliotheken, Leser, überhaupt Aktanten des Sozialsystems Literatur in der Literatur, aber auch alle spielerischen und auto reflexiven Elemente vorweggenommener Kritik ('criti-fiction'). Insbesondere wurden der Literatur zwischen Moderne und Postmoderne ihre Gestaltungsmittel verdächtig, Linda Hutcheon subsumiert alles unter "De-naturalizing the natural" bzw. "postmodern de-naturalizing" (Hutcheon 1989, 32 u. 49); man kann auch von 'foregrounding' sprechen (vgl. Wolf 2001, 187f.). Wie man aber Ausstattung oder Landschaftsschilderung selbstkritisch und ironisch inszenieren kann, so erst recht die eigene poetische Personalpolitik. Sie ist ein Sonderfall des Verlusts der Grazie, wie an einer Reihe von Beispielen geprüft werden soll. Und zwar komparatistisch-bunt, so dass systematische Ähnlichkeit vor Chronologie rangiert, aber stets mit abstrahierenden Beobachtungen, denen eine knappe Systematisierung folgen soll.