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Die deutschen Präteritopräsentia sind, indem alte Perfektformen das heutige Präsens stellen, aus mehreren Gründen als hochgradig irregulär zu betrachten. Hinzu kommt ein bisher nicht geklärter Umlaut bei vier (von heute sieben) dieser Verben: „müssen“, „dürfen“, „können“ und „mögen“. Bisherige Erklärungsversuche werden diesem Problem nicht gerecht: Zwar versuchen sie durchaus, den Umlaut im Präsens zu motivieren, doch vermögen sie es nicht, sein ausschließliches Vorkommen im Plural des Präsens zu erklären. Hier wird für die These argumentiert, dass es sich um einen (verbalen) Pluralumlaut handelt, der insbesondere auch im Nominalbereich gang und gäbe ist und dort zur gleichen Zeit einen massiven Ausbau (Morphologisierung) erfährt. Damit handelt es sich um einen sog. transkategorialen Marker. In deutschen Dialekten haben auch andere Verben zu solchen Pluralumlauten gegriffen.
Im Folgenden soll kurz geklärt werden, was Genus ist (Kap. 2) und – auch wenn diese Frage nicht mit unserem derzeitigen Wissen beantwortbar ist – woher Genus kommen könnte (Kap. 3). Hauptsächlich stellt sich jedoch die Frage: Was tun mit Genus, das heute das Endstadium einer langen Grammatikalisierung darstellt (Kap. 4)? Hier wird die wichtigste Antwort lauten: Genus hat eine neue, eine syntaktische Nutzung erfahren, indem es maßgeblich daran beteiligt ist, unsere berühmten Nominalklammern zu bauen (4.1). Außerdem gibt es weitere "Recyclingmöglichkeiten" von Genus, nämlich: a) Objekte, die Namen tragen, zu klassifizieren (die Kaiser Wilhelm), b) Beziehungen zwischen namentragenden und namenverwendenden Personen zu qualifizieren (der Peterle, das Anna) oder sogar c) Personen zu degradieren (das Merkel). Mit Punkt a) begebe ich mich in die Onomastik, mit Punkt b) in die Dialektologie, und mit Punkt c) werde ich mit der Genderlinguistik enden.
Auf dem Weg zu Nicht-Flektierbaren : die Deflexion der deutschen Eigennamen diachron und synchron
(2012)
Im heutigen Deutsch sorgt die Flexion von Eigennamen im Genitiv für einen echten Zweifelsfall, mehr noch bei geographischen Namen als bei Personennamen, vgl. des Orinoko(s), des Iran(s), des vereinigten Deutschland(s), ebenso im Plural: die beiden Deutschland(s). Personennamen werden, wenn ihnen ein Artikel (mit oder ohne Adjektiv) vorangeht, in aller Regel schon nicht mehr flektiert, vgl. die 1. Auflage (1774) von "Die Leiden des jungen Werthers" mit Genitivendung mit der 2. Auflage (1787), wo diese Endung schon fehlt. Heute dominiert die Nichtflexion: der Geburtstag des kleinen Julian, des Helmut Kohl. Aus diachroner Sicht stellt dieses Stadium nur einen weiteren Schritt in Richtung onymische Deflexion dar. Dieser Deflexion und ihren Gründen soll in diesem Beitrag nachgegangen werden. Flektierten Eigennamen im Althochdeutschen noch ausgiebig (in mehreren Flexionsklassen), so haben sie im Laufe der Zeit ihre Flexion in zweierlei Hinsicht stark eingeschränkt: a) paradigmatisch durch den Abbau an Allomorphie und die Durchsetzung sog. überstabiler Marker, die oft erstes Indiz für den Beginn von Deflexion sind; b) syntagmatisch durch den sukzessiven Abbau von Flexiven am Wortkörper. Neben Kasus und Numerus haben sich auch bei Genus tiefgreifende Veränderungen vollzogen: Genus wird zunehmend pragmatisch "von außen" fixiert, d.h. immer mehr von Eigenschaften des Referenzobjekts gesteuert.
Fragen nach der idealen Form und Struktur von Eigennamen werden nur selten gestellt. Dabei erfüllt der Eigenname - wie alle Wortarten - spezifische Funktionen, die ihrerseits, so die hier vertretene These, spezifische Strukturprinzipien am Wort selbst bewirken. Damit überlässt der ideale Eigenname seine Identifikationsfunktion nicht nur Kontext und/oder Pragmatik, sondern markiert diese auf seiner Ausdrucksseite. Nach der Diskussion der wichtigsten Funktionen und Strukturen der (idealen) Eigennamen werden vier Fälle von Eigennamenwandel vorgestellt: Die (formale) Dissoziation zwischen dem Eigennamen und seinem entsprechenden Appellativ, das Wirken volksetymologischer Umformungen, die Herausbildung des prototypischen schwedischen zweigliedrigen Familiennamens vom Typ Stenkvist 'Steinzweig' und schließlich die Schaffung gänzlich neuer Eigennamen am Beispiel von Produktnamen. Anhand dieser Fälle wird überprüft, inwiefern die sich wandelnden Eigennamen ihren hier postulierten Idealen näherkommen.
Die synchrone wie diachrone Untersuchung von vier Passivauxiliaren in der deutschen Standardsprache und in deutschen Dialekten, im Schwedischen und im Luxemburgischen liefert deutliche Evidenz dafür, dass Vollverben nicht direkt zu Passivauxiliaren grammatikalisieren, sondern dass dieser Pfad über die Inchoativkopula verläuft. Inchoativkopulas sind soweit grammatikalisiert (und damit reduziert), dass sie über den Weg einer Reanalyse zu Vorgangspassivauxiliaren mutieren können: Erst verbinden sie sich mit (prädikativen) Substantiven, dann mit Adjektiven und schließlich partizipialen Verben. Bereits im Kopulastadium haben sie sich (sofern vorhanden gewesen) ihres Dativ- und Akkusativobjekts entledigt (Intransitivierung). Das Subjekt ist nach seiner Entkoppelung mit dem Agens eine neue Koppelung mit dem Patiens eingegangen. Damit hat die einstige Handlungsperspektive eine Umkehr zur Geschehensperspektive erfahren. Diese Schritte dokumentiert die folgende Figur: .... Als weniger problematisch hat sich, bedingt durch die Ausgangssemantik, der Grammatikalisierungspfad bei nhd. werden, bair.lalem. kommen und schwed. bli erwiesen im Gegensatz zu lux. ginn 'geben', das in jeder Hinsicht die stärksten Reduktionen erfahren hat und einen besonders langen, verschlungenen und "steinigen" Weg absolviert hat. Mit Sicherheit kann geben nicht als Idealkandidat für Passivgrarnmatikalisierungen gelten. Nur so lässt sich erklären, weshalb diese Grarnmatikalisierung in anderen Sprachen der Welt bisher nicht beobachtet wurde.
Auto - bil, Reha - rehab, Mikro - mick, Alki - alkis : Kurzwörter im Deutschen und Schwedischen
(2001)
Das Kurzwort wird nach BELLMANN 1980 und KOBLER-TRILL 1994 definiert als eine sowohl graphisch als auch phonisch realisierte gekürzte Form, die aus einem längeren sog. Basislexem (einschließlich eines Wortgruppenlexems) hervorgeht (im Folgenden auch Vollform genannt). Dabei besteht zwischen Kurzwort und Basislexem, die weiterhin nebeneinander bestehen, eine Synonymie-Beziehung, d.h. beide referieren auf das gleiche Objekt (vgl. Limo und Limonade, Kripo und Kriminalpolizei).
Die Studie "Beziehung überschreibt Geschlecht. Zum Genderindex von Ruf- und Kosenamen" betrifft zum Teil den Beziehungstyp der Liebesbeziehung. Sie fragt danach, ob und wie die Geschlechtszugehörigkeit in Kosenamen - Namen, die eine Beziehung kodieren und Nähe signalisieren - markiert wird. Mit einem Genderindex, der auf Basis der statistisch relevanten phonologischen Unterschiede zwischen den 100 häufigsten Frauen- und Männerrufnamen der deutschen Bevölkerung gebildet wurde, reanalysiert sie eine vorhandene Erhebung von Kosenamen und kommt zu dem Ergebnis, dass Kosenamen auf der Basis von Rufnamen deutlich weniger geschlechtsmarkiert sind als die zugrunde liegenden Rufnamen. Dies interpretiert sie vorrangig als Zeichen einer besonders persönlichen, individualisierenden und dabei auch genderabstraktiven Wahrnehmung der benannten Person.
In keinem anderen deutschen Dialektraum, nicht einmal in irgend einer anderen germanischen Sprache ist das Präteritum mit einer solchen Ausnahmslosigkeit geschwunden wie im Oberdeutschen und hier insbesondere im Alemannischen. Zwar haben (wie das Alemannische auch) alle diese Sprachen und Dialekte ein analytisches Perfekt ausgebildet; in einigen Sprachen (wie dem Englischen und Schwedischen) treten Präteritum und Perfekt in eine aspektuelle Opposition zueinander.
Die Familiennamen sind als einziger Bereich der europäischen Sprachen in ihrer ausgeprägten räumlichen Vielfalt noch höchst unzureichend erfasst. Noch sind die geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften in erstaunlicher Stabilität erhalten. Sie werden im Bereich der Bundesrepublik Deutschland durch den seit 2005 in Kooperation der Universitäten Freiburg und Mainz in Angriff genommenen und durch die DFG geförderten 'Deutschen Familiennamenatlas' (OFA) auf der Basis von Telefonanschlüssen (Stand 2005) dokumentiert. Im vorliegenden Beitrag werden Vorarbeiten, Ziele, Gesamtanlage des Projekts, Systematik und Repräsentativität der Themenauswahl in den beiden Hauptteilen (grammatischer und lexikalischer Teil) sowie Kriterien und Methoden der inhaltlichen Konzipierung und formalen Gestaltung der Karten und Kommentare vorgestellt und begründet. Aus den genannten Vorarbeiten werden auch schon Perspektiven künftiger Auswertung der in den Datenbanken archivierten Materialien und der im Atlas exemplarisch dokumentierten Strukturen der Namenlandschaften ersichtlich.
Mit der Möglichkeit, anhand digitaler Telefonanschlüsse Familiennamen nach Bestand, Trägerzahl und räumlicher Verbreitung mit großer Genauigkeit zu erfassen, hat eine neue Epoche der Anthroponomastik begonnen. Der Schatz von 850661 verschiedenen Familiennamen, die im Jahre 2005 in 28205713 privaten Festnetzanschlüssen registriert waren, ist immens, und die Fragestellungen zu seiner Erforschung sind in ihrer Ausrichtung und in ihrer Anzahl unerschöpflich. In dieser Situation ergaben sich vordringlich zwei Aufgaben: Erstens musste angesichts der von Jahr zu Jahr wachsenden Bevölkerungsmobilität, angesichts der Auswirkung neuerer Namengesetzgebung und angesichts der schnell zunehmenden Ablösung lokalisierter Festnetzanschlüsse durch Mobiltelefone der Namenbestand spätestens jetzt aufgrund der zuverlässigsten Quelle und in legitim nutzbarer Weise gesichert und archiviert werden. Die geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften sind gerade noch, und zwar in erstaunlicher Stabilität, erhalten. Die Daten wurden nach Klärung der Datenschutzfragen von der Deutschen Telekom auf Stand Juni 2005 dem Deutschen Familiennamenatlas zur Verfügung gestellt und ihre Nutzung zur namenkundlichen Forschung mit Vertrag vom 28.06.2005 geregelt.