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Über den Abfall des Menschen
(2019)
Die historisch gewachsene Relevanz des Abfallproblems kulminiert in jüngsten theoretischen Versuchen, die Kultur als Ganzes vom Müll her in den Blick zu nehmen. Damit wird ausbuchstabiert, worauf Begriffe wie 'Wegwerfgesellschaft' hindeuten: dass Müll nicht nur als Anderes oder Rest der Produktion zu denken ist, sondern in einem viel grundlegenderen Zusammenhang mit dieser steht. Eine bis heute relevante Pionierarbeit zum Müll ist Michael Thompsons "Rubbish Theory". Am Beispiel von Seidenbildern aus dem 19. Jahrhundert zeigt er, wie einstmals Wertloses zur Antiquität wurde und welche sozialen Distinktionen mit der Deklaration einer Sache als Abfall verbunden sind. In seiner Spur lesen neuere soziologische Studien am Müllaufkommen den sozialen Status der 'Entsorger' ab: Zeige ihnen deinen Müll, und sie sagen dir, wer du bist. Reich sein heißt auch, etwas wegzuwerfen haben, und was den einen Müll, ist andern Lebensmittel. Nach Thompson ist klar geworden, dass etwas zu Müll nicht allein aufgrund seiner intrinsischen Eigenschaften wird. Eine spezielle Aufgabe der Kulturwissenschaften liegt daher in der Untersuchung der kulturellen und sozialen Codierung von Müll und des historischen Wandels objektbezogener Wertzuschreibungen.
Falko Schmieders Beitrag zur Geschichte der Geschichtsmetaphorik versteht sich als Auseinandersetzung mit Koselleck. Obwohl in den "Geschichtlichen Grundbegriffen" die Metaphorik nicht programmatisch berücksichtigt wurde, spielt sie eine wichtige Rolle. Koselleck hat allgemein die Metaphernpflichtigkeit von auf Zeit bezogenen Darstellungen herausgestellt und speziell an die verzeitlichten Kollektivsingulare die These der Bildbedürftigkeit und Bildanziehungskraft geschichtlicher Grundbegriffe geknüpft. Schmieder geht den metaphorischen Dimensionen bei Koselleck auf der Ebene seiner Untersuchungsgegenstände und der Interpretationssprache nach und diskutiert damit verbundene Widersprüche, zum Beispiel zwischen der von Koselleck der Geschichtsphilosophie zugeschriebenen Entdeckung der Machbarkeit von Geschichte und den sowohl zeitgenössisch wie auch bei Koselleck selbst auftauchenden Sprachbildern für ihre Verselbständigung und Unverfügbarkeit. Anhand von Metaphern für Geschichte aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (wie dem 'Crashkurs' oder dem 'Realexperiment') werden die historischen Grenzen der "Geschichtlichen Grundbegriffe" ausgelotet.
Editorial
(2021)
Fragen zur Metaphorologie bildeten bereits mehrfach einen Schwerpunkt dieser Zeitschrift. In den Beiträgen und Rezensionen der vorliegenden Ausgabe geht es mit 'Epoche', 'Tradition', 'Geschichte' sowie 'Kristallisation'/'Verflüssigung' um Begriffsmetaphern, also um solche, in denen begriffliche und metaphorische Gehalte untrennbar verbunden sind, und die zugleich konstituierend für allgemeinere geschichts- und zeittheoretische Fragestellungen sind. Den Anstoß für das Thema lieferte die internationale Tagung "Metafóricas espacio-temporales para la historia", die vom 9. bis 11. September 2019 unter der Leitung von Faustino Oncina Coves und Javier Fernández Sebastián an der Universität Bilbao stattgefunden hat und zu der Barbara Picht, Ernst Müller und Falko Schmieder Beiträge beisteuerten, die hier in überarbeiteter Form abgedruckt sind.