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Liest man die Zeichen der Zeit richtig, dann scheint es schlecht um die Zukunft des Musikvideoclips zu stehen: Nicht nur, dass die Musikindustrie begonnen hat, angesichts der ökonomischen Einbrüche der letzten Jahre die Mittel für diese, ursprünglich als reine Werbeträger konzipierten Kurzfilme drastisch zusammenzukürzen, so dass frühere Budgets von bis zu 2,5 Millionen Dollar pro Video zukünftig der Vergangenheit angehören zu scheinen; auch der Umstand, dass auf DVDs, in darauf reagierenden Zeitungsartikeln und mit einer Ausstellung wie der hier besprochenen eine Art Resümee der Evolution des Genres hin zu einer eigenen, z.T. durchaus avantgardistischen Kunstform gezogen wird, spiegelt ein Bewußtsein des Umstandes wider, dass eine entscheidende Phase dieser Entwicklung zu Ende gegangen ist: Hegels Eule der Minerva beginnt ihren Flug also auch hier erst mit hereinbrechender Dämmerung. ...
Gute Musikvideoclips weisen bei aller Ästhetisierung zuweilen ein durchaus kritisches Potenzial auf: das 1993 von Regisseur Marcus Nispel zu George Michaels Stück »Killer/Papa was a rolling stone« gedrehte Video greift überwiegend auf Haushaltsartikel, deren Firmenlogos und Werbespots zurück, die uns aus dem Alltag bekannt sind, ersetzt die Namen der Artikel jedoch durch einzelne Worte, die dem Liedtext entstammen. So ergibt sich eine den Glücksversprechen der Konsumindustrie gegenüber provokante Aussage, denn die zu Logos und Produktnamen umfunktionierten Begriffe bezeichnen gerade menschliche Grunderfahrungen und Tugenden wie »Freiheit«, »Leben«, »Wahrheit« und »Sterben«, die somit als dem Ausverkauf anheim gegeben dargestellt werden.
Spätwerk, Alterswerk, Altersstil – an der Schwelle zur Ewigkeit streift der alte, der uralte Künstler die Fesseln des Materiellen und der Zeitlichkeit ab«, fasste der Kunsthistoriker Hans Ost 1992 die gängigen Vorstellungen zusammen, die bis heute gerne bemüht werden, wenn die Rede auf die späten und insbesondere die letzten Werke eines schöpferisch Tätigen kommt: Frei von jeglichen Verbindlichkeiten folgt der alte Meister anscheinend nur noch seinem Genius und schafft so das Unvergleichliche. Ost wies darauf hin, dass zwar bereits Goethe 1831 im Gespräch mit seinem Sekretär Friedrich Wilhelm Riemer den Eindruck äußerte, der Venezianer Tizian habe im hohen Alter in seinen Gemälden nur noch die abstrakte Idee der zuvor so täuschend echt nachgeahmten Stoffe geliefert – allerdings wies Goethe diesen Bildern, anders als ab dem 19. Jahrhundert bis zum Teil heute geschehend, nicht unweigerlich einen höheren künstlerischen Rang zu.