Refine
Document Type
- Review (6)
- Article (1)
- Conference Proceeding (1)
Language
- German (8)
Has Fulltext
- yes (8)
Is part of the Bibliography
- no (8)
Institute
Das politische und vereinigte Europa ist für Antonio Padoa-Schioppa Ausdruck einer "cultura giuridica". Dank des gelungenen, mit den Mitteln und Institutionen des Rechts sich vollziehenden Vereinigungsprozesses seit dem Zweiten Weltkrieg könnte es, seiner Meinung nach, auch als Modell für die Welt dienen. Nach einem rechtshistorischen Lehrbuch, in dem er die italienische Rechtsgeschichte bereits in den größeren Kontext der allgemeinen europäischen Rechtsgeschichte einordnete, weitet PadoaSchioppa den Blick in seiner neuesten, monumentalen Darstellung von vornherein auf eine gesamteuropäische Perspektive. Diese erstreckt sich institutionell vom Ende des spätrömischen Reichs bis hin zur Europäischen Union und den Vereinten Nationen und reicht rechtswissenschaftlich von der oralen, ungelehrten Rechtskultur des Frühmittelalters über die italienischen Universitäten im Mittelalter bis zur deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts und zu den amerikanischen Spitzen-Law Schools des 20. Jahrhunderts, die deren legitime Nachfolge angetreten hätten. ...
Vallerani bürstet in seinem konzisen Band liebgewordene Forschungsvorverständnisse zur Entwicklung des mittelalterlichen gelehrten Prozessrechts wie auch sich paradigmatisch gebende neuere Forschungsansätze gegen den Strich. "La giustizia pubblica medievale" ist das an ein breiteres Publikum gerichtete und daher thesenfreudigere Pendant zu seiner quellengesättigten Studie der Strafgerichtsbarkeit in Perugia im 13. Jahrhundert. Bologna und Perugia sind aufgrund ihrer bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückreichenden gerichtlichen Dokumentation nahe liegende Referenzstädte. So setzt das serielle Prozessschriftgut aus den klassischen mittelalterlichen Großstädten Florenz und Venedig erst knapp einhundert Jahre später ein. Daneben aufgrund ihrer Verfassung als Regime mit Herrschaft des popolo zu Recht ausgewählt, eignen sich Bologna und Perugia hervorragend als Untersuchungsfelder für Valleranis zentrale Untersuchungsinteressen: Was war das Öffentliche am mittelalterlichen Strafprozess? Wie lief der Anfang des 13. Jahrhunderts durch die mittelalterliche Rechtskirche "erfundene" Inquisitionsprozess im rein weltlichen Kontext zweier italienischer Kommunen ab? Wie konnte öffentliche Strafgerichtsbarkeit im charakteristisch dichten Institutionengeflecht der mittelalterlichen Stadt einerseits zu einer Befriedung sozialer Konflikte beitragen, andererseits aber auch durch aufbrechende Klassengegensätze instrumentalisiert oder paralysiert werden? ...
Die Erinnerung ist eine seltsame Macht und bildet den Menschen um, schreibt Erich Kästner. Wie sich Menschen und insbesondere der sogenannte "gemeine Mann" in der Vergangenheit an die Vergangenheit erinnerten und wie sie soziale Wirklichkeit und deren Veränderung wahrnahmen, ist Thema eines Sammelbandes von – meist jüngeren – Historikern. Als Dokumente der Wahrnehmungen des "einfachen Mannes" werten sie Zeugenverhörprotokolle aus. Derartige Protokolle liegen für den Bereich nördlich der Alpen erst seit der Frühen Neuzeit in großer Zahl und Ausführlichkeit vor, weswegen alle Beiträge zum deutschen Raum sich diesen Untersuchungszeitraum gewählt haben. Allerdings vernachlässigen die meisten Einzelbeiträge eine konsequente Analyse ihrer Quellenbeispiele anhand rechtshistorischer Kategorien. Anscheinend erinnern sich heutige Historiker nicht daran, wie starke juristische Wurzeln gerade die frühe Geschichtswissenschaft hatte. Nur so lässt sich erklären, warum in vielen Beiträgen staunend empirische Befunde aus Zeugenverhörprotokollen mit teilweise erheblichem, sozialwissenschaftlichem Theorieaufwand "erklärt" werden, statt sie zunächst konsequent an den zeitgenössischen normativen Vorstellungen zu messen. Diese waren von Juristen seit Jahrhunderten in der Doktrin des gelehrten Prozessrechts bis hin zu einfachen Praktikerleitfäden präzisiert worden. Im Untersuchungszeitraum wurden sie zunehmend auch in den verschiedenen Prozessordnungen mit der Sanktion des Gesetzgebers versehen. ...
Bellomo legt eine monumentale Untersuchung zu zwei Sammelhandschriften von Quästionen vor: BAV Arch. S. Pietro A.29; Chigi E.VIII. 245. Seitdem er sie erstmals 1969 untersucht hat, haben ihn diese Handschriften nicht mehr losgelassen. Es sind geradezu "seine" Quästionen geworden. Daneben sind Quästionen auch "seine" juristische Literaturgattung, die für ihn der Inbegriff seiner Vision eines "Systems des Jus Commune" (660–667) sind. Denn in den legistischen Quästionen (die kanonistischen lässt er weitgehend beiseite) schufen die wenig bekannten Juristen zwischen der Mitte des 13. Jahrhunderts und ca. 1340 logisch argumentative Denkschemata, die es ihnen erlaubten, jede auftauchende Rechts- oder Tatsachenfrage unter eine der vielen von Bellomo herausgearbeiteten Kategorien von quaestiones oder von nomina iuris zu fassen. Außerdem konnte nur in den quaestiones das leidige Problem gelöst werden, wie sich das klare Recht auf die stets neuen Fallkonstellationen und Tatsachenfragen anwenden ließ und wie sich das feststehende Ius Commune zu dem bloß wahrscheinlichen und daher argumentativ zu überprüfenden lokalen Statutarrecht verhielt. Diese Dichotomie drückt Bellomo im Titel mit fatti/certezze einerseits und diritto/dubbi andererseits aus. Es geht ihm jedoch nicht um Fragen der Beweiserhebung und Beweiswürdigung eines vergangenen Sachverhaltes als Grundlage für die Rechtsanwendung. Derartige erst noch zu ermittelnde Fakten spielen thematisch keine Rolle. ...
Erneut legt Prodi eine höchst anregende Synthese der Evolution okzidentalen Rechts vor. War es ihm in seinem "Sakrament der Herrschaft" um die sakral-ethische Dimension bei der Begründung von Herrschaft gegangen, richtet er nun sein Augenmerk auf den die westliche Rechtskultur prägenden, fortdauernden Dualismus zwischen Ethik/Gewissen einerseits und streitiger Gerichtsbarkeit/geschriebenem Recht andererseits. Prodi hält es für eine Illusion des zeitgenössischen Rechtsverständnisses, diesen Dualismus im positiven, "eindimensionalen und selbstreferentiellen Gesetz" sowie in den Verfassungen – also durch die umfassende Verrechtlichung aller ethischen Fragen – ein für allemal aufgelöst zu sehen (11, 455 ff.). Vielmehr werde das rationale, positivierte Recht durch ethische Herausforderungen – etwa der Gentechnik – erneut schmerzlich an diesen uralten Dualismus erinnert (11). Der historischen Forschung wirft Prodi dagegen vor, den ideengeschichtlichen Hintergrund des Rechtsverständnisses überzubetonen und so die institutionelle Verankerung (ordinamenti) der Rechtsvorstellungen zu vernachlässigen. Wegen dieser allzu einäugigen Wahrnehmung der Entwicklung des Rechts setzt Prodi sich zum Ziel, die herkömmlichen Sichtweisen um ein zweites Auge zu erweitern, indem er konsequent vom frühen Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert auch auf die ethische Norm und deren Anwendung vor Gericht, insbesondere vor dem forum internum, blickt. ...
Gillian R. Evans, Professorin für mittelalterliche Geschichte, Philosophie- und Geistesgeschichte an der Universität Cambridge, hat ihre Liebe zum Recht entdeckt. In schönster Tradition der Cambridge Intellectual History zeichnet sie ein Panorama, wie die geistigen Sphären von Recht und Theologie einander durchformten und die Welt des mittelalterlichen Menschen harmonisch überwölbten. Folgerichtig lässt sie ihre durchgängig packend zu lesende Darstellung mit der resignierten Frage ausklingen, ob nicht die Reformation neben der Kirchenspaltung ein viel weiter gehendes Dilemma auslöste: Konnten sich im Mittelalter nach Evans (175) Theologen und Juristen noch gewiss sein, auf das gleiche Ziel hinzuarbeiten, nämlich die Seelen der Menschen zu retten, wurde durch die reformatorische Betonung der Gnade gerade auch für Sünder und Gesetzesbrecher ganz grundsätzlich in Frage gestellt, ob Gesetzesgehorsam noch der einzige Weg zum Heil sein konnte. ...
Bartolus "down under"
(2003)
In einem abgedunkelten Raum der Heidelberger rechtshistorischen Bibliothek am Friedrich-Ebert-Platz findet man separiert die wertvollen Rara-Bestände; darunter auch die letzte Ausgabe der Opera Omnia des Bartolus von Sassoferrato (1314–1357), die in Venedig 1615 für die Bedürfnisse juristischer Praktiker verlegt wurde. Friedlich vereint stehen die Folianten Rücken an Rücken, Regal an Regal, Wand an Wand – so als ob sie seit den Gründungsjahren der Universität im 14. Jahrhundert, mindestens aber seit der Zeit der Druckerpresse und damit ihrer eigenen Herstellungszeit, schon immer so gestanden hätten. Kommunizieren die Bücher etwa heimlich miteinander, wenn niemand sie beobachtet? ...