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Seit etwa 15 Jahren entstehen im ost- und südostasiatischen Kino Filme zu einem Thema, das in den westlichen Kulturen bereits in den 1970er-Jahren verhandelt wurde: Aus Japan, Thailand, Korea und Taiwan erreichen die hiesigen Kinos eine Fülle von Geisterfilmen, die sich vordergründig des Themas Schuld und seiner ganz speziellen, oft in der buddhistischen Ethik stehenden Bewältigung annehmen. Doch ist dieses immer wieder variierte Motiv häufig mit einem anderen Thema verknüpft: mit der Frage nach dem Wesen der Privatheit in der Moderne. Denn die Schuld, die die Protagonisten auf sich laden und für die sie von den Geistern heimgesucht werden, ist stets an die Verletzung von Privat- und Intimsphären sowie ihren kulturellen Ausgestaltungen gekoppelt. Das Erscheinen des Geistes wird damit zum Sinnbild gestörter Privatheit, ihrer Bedrohung und Zerstörung.
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser Text geht über von der Hard- zur Software und betrachtet eines der populärsten Motive der Computerfilme.
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser Text beschreibt Filme, in denen Computer einen Körper bekommen und als Roboter in die Gesellschaft gelangen.
"Chasing Spots"
(2009)
Das Berliner Computerspiele-Museum stellt zusammen mit einem Special Guest pünktlich zur Games Convention 2009 eine "History of Videogames"-Timeline vor. Die Geschichte der Videospiele ist am Maßstab der Mediengeschichte gemessen noch recht jung. Als Kapitel des Computerzeitalters ist sie jedoch längst Gegenstand archäologischen Interesses. Das Berliner Computerspiele-Museum hat jetzt eine interaktive "History of Videogames" auf seinen Webseiten veröffentlicht, die nach und nach die wesentlichen Meilensteine dieser Geschichte dokumentiert. Hierzu fand am 29. Juli in der Berliner Home-Base-Lounge eine Veranstaltung statt, auf der zwei der wichtigsten und berühmtesten Vertreter dieser Geschichte anwesend waren: Der Erfinder Ralph H. Baer und seine Videospiel-Konsole "Brown Box".
Ein Krieg tobt. Ganz im Verborgenen, aber an Milliarden Fronten gleichzeitig. Eine Schlacht, die seit jeher von den gleichen Parteien geführt wird, die den Angreifer immer erbitterter zuschlagen, den Angegriffenen sich immer verzweifelter wehren lässt. Ein Krieg mit ungleichsten Waffen geschlagen: Die Zeit und das Fleisch gegen die kleinen elektrischen Blitze: das Ich. Seit ich denken kann, kämpfe ich in diesem Krieg: Das Bewusstsein gegen den Körper: Ein ständiger Zustand von Stalingrad! Doch je bewusster ich mir meiner Niederlage werde, desto erbitterter versuche ich sie zu verhindern. Kann ich mein Fleisch bezwingen, oder wird der Zynismus siegen: das was “ichÒ sagt zum fleischlichen sarg dieses ich werden? Ich bin ein kriegsgefangener meines Körpers, der mich jeden abend begnadigt, um mich morgens erneut dem Erschießun gskommando vorzuführen. Damit ist im Großen und Ganzen beschrieben, worum es gehen soll. Mein Bewusstsein verneint die Endlichkeit seiner Hülle, doch diese geht radikal ihrem Ende entgegen – durch nichts aufzuhalten.
Am 10. November erscheint für die Xbox 360 und die PlayStation 3 der Ego-Shooter "Call of Duty: Modern Warfare 2" – ein Spiel, das die Gemüter bereits vor der Veröffentlichung erregt, wie man heute in einem Kommentar der Chefredakteure Markus Schwerdtel (GamePro) und Michael Trier (GameStar) auf GamePro lesen kann. Im Spiel übernimmt man in einer Sequenz die Rolle eines Undercover-Agenten, der in eine russische Terror-Organisation eingeschleust wurde und zusammen mit dieser einen Moskauer Flughafen überfällt. Dabei richtet man – zumindest in der Originalfassung – ein Blutbad unter den dort wartenden Fluggästen an. In der deutschen Fassung ist – trotz anderslautender Angaben vom Publisher "Activision Blizzard" – die betreffende Sequenz so weit entschärft, dass als Spielfigur bei dem Anschlag nur zuschauen darf und sein Leben verliert, sobald man ebenfalls auf die Passanten schießt.
Colour us blood red
(2009)
Im Zuge der neuerlichen Hyperrealisierung des Kinos durch 3D-Technologien zeigt sich wieder einmal, dass Film eben erst in zweiter Hinsicht als ästhetisches Artefakt verstanden wird. Oft wird er als ein Affekt-Spektakel gesehen, das wirken soll. Unter diesen Gedanken ließe sich seine komplette Technikgeschichte subsumieren: Von der Erhöhung der Bildfrequenz von 16 auf 24 Bilder pro Sekunde, über die Einführung von Farbe, Ton, größere Tiefenschärfe, 3D-Optiken und anderen Mitteln zur Überlappung von Film- und Zuschauerraum ist die Stoßrichtung des Films der Körper seines Zuschauers. So ist es zu erklären, dass frühe Stummfilme heute nicht mehr bei den Zuschauern wirken, wie sie es in der Vergangenheit vermochten, wo das Publikum angeblich vor dem stummen und schwarzweißen Abbild eines sich nähernden Zuges geflüchtet sein soll. Die Geschichte stimmt nicht, sie sagt aber viel über unser Verhältnis zum Medium Film und welche Macht wir seiner Ästhetik zusprechen.
Ein Kessel Blutrotes
(2009)
Wer den Berliner Künstler Jörg Buttgereit kennt, wird sich im Vorfeld seiner neuen Theaterarbeit "Rough Cuts" gedacht haben können, was ihn am Abend des 28. März im "Hebbel am Ufer"-Theater Nr. 2 (HAU 2) erwartet. Buttgereit, der seit den 1980er-Jahren eine feste Größe im deutschen Undergroundkino ist, seit den 90ern vermehrt fürs Fernsehen, Radio und publizistisch tätig ist und in der jüngsten Vergangenheit durch Theaterproduktionen (ebenfalls im Berliner HAU) auf sich aufmerksam gemacht hat, liefert mit seiner "Filmlektionen"-Reihe abermals eine Aufbereitung seiner Lieblingsthemen. Und zu denen gehören zuallererst die Monster – vor allem die Filmmonster, denen an diesem Theateroder besser: Multimedia-Abend ausreichend gehuldigt wurde.
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser dritte Teil befasst sich mit Menschen, die in ihrem Computern verschwinden.
Geisterprozesse und Killerapplikationen : der Computer im Film Teil 2 ; der Geist in der Maschine
(2008)
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser zweite Teil befasst sich mit den Geistern, die in den Filmcomputern hausen.
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme der 1970er bis 1990er Jahre darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser erste Teil befasst sich mit der Eroberung und Vernichtung der Privatsphäre durch die Computertechnologie.
Im März dieses Jahres jährte sich zum 25. Mal der Eklat, den Herbert Achternbusch mit seinem Film Das Gespenst im Jahre 1983 auslöste: Dort steigt er als leibhaftiger Christus vom Kreuz und beginnt mit einer Nonne ein weltliches Leben als Schankwirt. Die FSK wollte den Film zunächst nicht freigeben, weil er »dem religiösen Empfinden eines nach Millionen zählenden katholischen Teils der Bevölkerung in öffentlicher Vorführung nicht zugemutet« werden könne. Als die FSK sich gezwungen sah, ihre Entscheidung zurückzunehmen, kam es zu zahlreichen Protesten von Katholiken vor den Programmkinos. Die Jury der evangelischen Filmarbeit nominierte Das Gespenst allerdings zum »Film des Monats«. Der damalige Innenminister Zimmermann (CSU) wollte Achternbusch die bereits bewilligten Fördermittel wieder aberkennen. Von heute aus gesehen, war es die Stunde seiner größten Popularität – nie kannten mehr Menschen Herbert Achternbuschs Namen.
"Jede Form ist abnorm."
(2008)
Herbert Achtenbusch gilt als das enfant terrible des deutschen Nachkriegskinos. Zwischen 1970 und 2002 hat er 30 Filme gedreht, das diesjährige Münchner Filmfest widmete ihm eine Retrospektive und anlässlich seines 70. Geburtstags soll sein filmisches Werk endlich auf DVD erscheinen. Beste Gelegenheit für einen Rückblick, eine Gratulation und ein Dankeschön.
Der Tag X
(2008)
Kaum ein Thema hat die kulturelle Entwicklung seit dem zweiten Weltkrieg derartig beeinflusst wie die Atombombe, der dritte Weltkrieg und die Zeit danach. Nachdem die Gefahr gebannt zu sein scheint, lohnt ein Rückblick auf 60 Jahre Atomkrieg im Film. Als am 6. August 1945 die erste Atombombe in Hiroshima zum Einsatz kam und damit den zweiten Weltkrieg faktisch beendete, trat die Welt in ein neues Zeitalter, das Atom-Zeitalter ein. Die Entdeckung und Nutzung der Kernenergie zu kriegerischen und friedlichen Zwecken bewegte die durch sie beeinflussten Kulturen so nachhaltig, dass der Niederschlag, den dies in der Kunstproduktion fand, stilistisch und thematisch bestimmend für die gesamte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde. Auch und vor allem der Film hat seismisch auf dieses Phänomen reagiert und ab Anfang der 1950er Jahre beinahe so etwas wie ein eigenes Genre entwickelt.
Serial Killer – Super Hero
(2007)
Wohl kaum ein Filmgenre hat einen derartig konstanten Output wie der Serienmörder-Film. Als eines der ältesten Sujets morden sich Filmkiller konstant seit Paul Lenis Das Wachsfigurenkabinett (D 1924) durch die Filmgeschichte. Standen sie zunächst oft in Nebenhandlungen als unerkannte Verfolger, wie "Jack der Bauchaufschlitzer" im Wachsfigurenkabinett oder Jack the Ripper in Die Büchse der Pandora (D 1929) für den anthropomorphen Terror der urbanen Gesellschaft, so haben die Serienmörder über die Jahrzehnte ihr Schattendasein verlassen, sind zusehends ins Zentrum der Filmerzählungen gerückt und haben an Zuschauergunst damit stetig gewonnen. Heute ist der Serienmörder zum (Super-)Helden avanciert. Was mit dieser zugegeben recht zynischen Behauptung gemeint ist und wie es zur Glorifizierung von Mord und Mörder im Kino kommen konnte, versuche ich im Folgenden nachzuzeichnen.
Welchen Einfluss hat die Entwicklung neuer Produktions- und Darstellungstechnologien auf die Inhalte und Formate von Filmen? Wird der Kinofilm aufgrund der Entwicklung portabler Wiedergabegeräte und der Internetdisribution in spätestens fünf Jahren nicht mehr existieren? Die Frage, ob der Kinofilm, wie wir ihn derzeit kennen, in fünf Jahren noch existiert, ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie wurde von Kees Kassander, dem Produzenten Peter Greenaways während einer Podiumsdikussion in Berlin (Berlinale Talent Campus (1): "Virtual Cinema") aufgeworfen.
Schon den Beginn der wissenschaftlich-publizistischen Karriere Jean Baudrillards markierte das Motiv des Todes. Die Phänomenologie der Dingwelt, die er in seinem 1968 erschienenen Werk Das System der Dinge vornahm, beginnt mit einer interessanten These: Während Gebrauchsgegenstände wie Mode, Möbel oder Technik in immer schnellerem Wechsel kommen und vergehen, stabilisieren sich daran die Individuen und die Gesellschaft. Das Todesmotiv zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Denken bis hin zu seinem letzten Buch, den Paßwörtern (2002), in dem er die zentralen Begriffe und Konzepte noch einmal zusammenfasst und verbindet. Hier steht der Tod als "Tod der Begriffe" (nicht nur) im "Schluß-Wort": "Denn wenn Begriffe sterben, dann sterben sie eines natürlichen Todes, wenn ich so sagen darf, indem sie von einer Form in eine andere übergehen - was immer noch die besten Art des Denkens ist."
Merchandising und Transmedialität sind heute aus der Kulturindustrie nicht mehr fortzudenken. Am Beispiel des Phänomens Transformers lässt sich zeigen, wie die Medienwechsel vollzogen werden - und dass die damit verbundenen Intentionen nicht immer aufgehen. Zuerst, 1984, gab es sie als Spielzeug: vom Auto zum Roboter umbaubare Actionfiguren. Dann, um den Verkauf dieser Actionfiguren anzukurbeln, schon im selben Jahr auch als Zeichentrickserie im Fernsehen. Und bereits ab diesem Punkt war es nicht mehr allein der Werbeeffekt, dem die Transformers-Produkte ihr Image verdankten.
Die Filme von Uwe Boll sind oft von einer hartnäckigen Impertinenz ihres Regisseurs geprägt, die in jeder Einstellung ein "Ist mir doch egal, was ihr denkt" transportiert. Mit "Postal" geht Boll nun zurück zu seinen "komödiantischen" Wurzeln und versucht die "Schere im Kopf" seiner Zuschauer zu beseitigen. Sein Ziel: jedes Tabu brechen aber impertinent bleiben.
Das Fleisch soll Wort werden : über die Schwierigkeiten, ein Verbrechen zum Medienprodukt zu machen
(2007)
Die Kriminalgeschichte ist nicht gerade arm an Verbrechern, die, nachdem sie gefasst wurde, aus ihren Taten Kapital zu schlagen versucht haben. Der Fall des "Kannibalen von Rotenburg" ist vielleicht das jüngste Beispiel in der Kette dieser Bemühungen – und zeigt derzeit recht deutlich, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind.
Alltagsgegenstände werden in Filmen oft dadurch, dass sie im Bild akzentuiert werden, mit einer Bedeutung aufgeladen, die ihnen in der außerfilmischen Welt auf den ersten Blick nicht unbedingt anhaftet, die (im Pierce’schen Sinne) symbolisch ist. Diese Symbolisierungsleistung geschieht ganz offensichtlich, indem solche Gegenstände in Nah-, Groß- oder Detailaufnahmen ins Bild geraten oder subtiler, indem sie sich als wiederkehrende Bild-Motive durch den filmischen Diskurs ziehen. Im Prinzip ähnelt der Film darin dem Traum, in welchem Nebensächlichkeiten des Alltags ebenfalls durch Verdichtung (die Verknüpfung mehrerer Aspekte zu einem einzigen) und Verschiebung (die Übertragung eines Themas auf ein anderes) zu einer herausragenden Bedeutung gelangen. Da die Nähe zwischen dem Horrorfilm und dem Alptraum in der Literatur immer wieder erwähnt wird, wäre es interessant, alltägliche Gegenstände, die in Horrorfilmen auftauchen, auch einmal auf ihre mögliche symbolische Bedeutung zu untersuchen. Eine wie auch immer geartete "Traumsymbolik" kann dabei aber nicht das einzige Kriterium der Interpretation solcher Motive bleiben – vielmehr sollte die Art und Weise wie in ihr Dinge mit Bedeutungen aufgeladen werden auch auf andere Symboliken übertragen werden.
Armin Meiwes hat durchgesetzt, dass der Spielfilm "Rohtenburg" vorerst nicht ins Kino kommt, weil er Persönlichkeitsrechte verletze. Die Frage, inwiefern etwaige Übereinstimmungen im Film unentscheidbar fiktiv oder real sein könnten und ob durch das Verbot ein notwendige kulturelle Verarbeitung verhindert wird, war nicht Gegenstand der Verhandlung. Imitiert die Kunst das Leben oder das Leben die Kunst? Diese Frage stellten sich die Richter des OLG Frankfurt in der vergangenen Woche wohl nicht, als sie der einstweiligen Verfügung Armin Meiwes', des so genannten "Kannibalen von Rothenburg", entsprachen, der den Film "Rohtenburg" (Originaltitel: "Butterfly – A Grimm Love Story") als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sah.
Killerspiele
(2006)
Seit Wochen sind sie in aller Munde, aber was sind überhaupt: "Killerspiele"? Die Debatte über "Killerspiele" verschärft sich und es steht eine Gesetzesinitiative vor der Tür. Damit die Antragsteller nicht unversehens vor Definitionsprobleme gestellt werden, soll im Folgenden versucht werden zu klären, was "Killerspiele" eigentlich sind.
Siegfried Kracauer hat bereits 1947 in seinem Buch „Von Caligari bis Hitler“ davon gesprochen, dass sich der Film spiegelbildlich zur Gesellschaft, aus der er stammt, verhalte. Insofern waren Film und Gesellschaft also immer schon voneinander ent-grenzt: Was im Film gezeigt wird ist ein Reflex dessen, was in der sozialen Wirklichkeit geschehen ist oder gerade geschieht. Das gilt für den Zeichentrickfilm ebenso wie für den Dokumentarfilm, für das Melodram genauso wie für den Horrorfilm. Es ist allein eine Frage des Abstraktionsgrades. Film ist damit wie jede Kunstgattung lso ein Seismograph gesellschaftlicher Phänomene und darüber hinaus ein Medium, das mit seinen Bildern abstrakte Phänomene der Wirklichkeit bildhaft zu konkretisieren in der Lage ist. Dies, seine prinzipiell hohe Verfügbarkeit durch zahlreiche Medien und seine vermeintliche Trivialität, macht ihn zu einer Kunstform, die nicht nur auf Diskurse reagiert, sondern an ihnen teilnimmt, sie sogar initiiert und selbst Gegenstand von Diskursen wird, die seinen Kunstwerk-Charakter manchmal vergessen lassen.
Am Ende einer längeren Studie zu den Filmen David Lynchs habe ich einmal behauptet: Sich einzugestehen, "Lost Highway" nicht zu verstehen ist der erste Schritt zum Verständnis von "Lost Highway". Das klingt paradox, ja, vielleicht sogar ein wenig esoterisch. Gemeint ist damit aber dreierlei. Erstens: Der Film "verbaut" uns den verstehenden Zugang über den Plot, weil er eine Reihe von Unwägbarkeiten und Hindernissen einfügt, die einander widersprechen und jede entstehende Theorie über die Handlungszusammenhänge und Bedeutung desavouieren. Zweitens meine ich, dass diese Hindernisse zu erkennen und sie bewusst "zu umfahren", also einen narrativen Zugang zum Film zu vermeiden, eine mögliche und ganz passable Art den Film zu verstehen sein kann. Und drittens bringt diese Aussage den Zuschauer als aktiven Part der Sinnproduktion ins Spiel – aber weit mehr, als es die Rezeptionstheorie denkt.
Spätestens seit dem spektakulären Kannibalismus-Fall von 2001, bei dem der mittlerweile inhaftierte Armin Meiwes aus Rotenburg den Berliner Ingenieur Bernd Jürgen Brandes, den er über das Internet kennen gelernt hatte, mit dessen Einverständnis tötete und teilweise verspeiste, ist das Thema "Kannibalismus" wieder in aller Munde. Die Art und Weise des Umgangs mit dem Tabu offenbart ein "kannibalisches Verlangen" nach solchen Geschichten.
"Der Krieg ist der Vater aller Dinge" - einer jener (übrigens falsch übersetzten) Philosopheme, für die der Vorsokratiker Heraklit bekannt geworden ist, scheint eine gewissen Gültigkeit zu besitzen, wenn man sich die kulturellen Auswirkungen von Kriegen vor Augen führt. Der Film hat sich der Katastrophe des Krieges immer besonders schnell angenommen und Bilder des Schreckens und der Verarbeitung inszeniert.
In mehrfacher Hinsicht ist David Lynch mit "Mulholland Drive" bei sich selbst angekommen. Zum einen ganz real, räumlich: Er selbst wohnt in Los Angeles am Mulholland Drive, einer kurvigen Straße oberhalb von Hollywood, die bis zum Pazifik führt. Seit "Blue Velvet"bewegen sich Lynchs Protagonisten auf Straßen, Highways, Interstates – zumeist durch die Nacht. Jeder seiner Filme präsentiert in wenigstens einer Szene die im Scheinwerfer-Lichtkegel dahinrasenden gelben Mittelstreifen der Straße. In "Mullholland Drive" werden diese Streifen, die jetzt ununterbrochen sind, auch gelegentlich gezeigt. Sie suggerieren: Überholen verboten - oder: nicht mehr nötig, denn du bist angekommen.
Was zeichnet einen Serienmörderfilm wie Christian Alvarts "Antikörper" (vgl. Deutschland, Deine Mörder) im Vergleich zu seinem amerikanischen Vor- und Nebenbildern aus? Gibt es eine Tradition deutscher Serienmörderfilme? Von den Anfängen des Motivs in den 20er Jahren lässt sich eine Spur bis in die Gegenwart verfolgen, die die einzelnen Werke deutlich als Spiegel ihrer Entstehungszeit markiert. Obwohl der Serienmörderfilm selbst kein eigenes Genre bildet, sondern vielmehr eine Motivgeschichte innerhalb verschiedener Genres (Krimi, Thriller, Horrorfilm, ...), hat sich über die Jahrzehnte hinweg doch ein festes Regelwerk entwickelt, nach dem diese Form pathologischer Kriminalität filmisch inszeniert wird. Diese Regeln orientieren sich weniger an der Realität, als an filmischen Strukturen und Motiven, die sich im Laufe der Zeit im "Kino der Killer" durchgesetzt haben und die mit jedem neuen Beitrag ergänzt, relativiert oder verworfen werden. Erscheint ein neuer Serienmörderfilm, wird er oft ins Verhältnis zu seinen Vorläufern gesetzt: Auf welche Art er sich zur Motiv-Tradition affirmativ oder kritisch verhält, entscheidet neben den filmästhetischen Faktoren darüber, ob er ein Erfolg ist oder scheitert.
Für die meisten Exegeten von "Blue Velvet" ist klar: Der Film ist ein, wenn nicht das Initial-Ereignis des postmodernen Kinos. Dabei ist für ihn verpflichtend, dass er eine Geschichte im doppelten Wortsinne erzählt: Seine eigene, die von der Rückkehr Jeffreys in seinen Heimatort Lumberton und dessen Entdeckung der dortigen Unterwelt handelt und die Geschichte der Bedingung seiner Möglichkeit: Blue Velvet verortet sich selbst in der und als Resultat der Filmgeschichte und reflektiert darüber hinaus die Funktionsweise des Kinos.
Zwischen 1970 und 1977 entsteht in fünfjähriger Dreharbeit mit Unterbrechungen und unter extrem schwierigen Produktionsbedingungen David Lynchs erster Spielfilm "Eraserhead". Vorbereitet wurde er in mehrfacher Hinsicht durch das Frühwerk des noch jungen Regisseurs. Seine kinetische Skulptur "Six Men getting sick", sowie seine Kurzfilme "The Alphabet" und "The Grandmother" verhalfen ihm nicht nur zu Stipendien (etwa der AFI für "The Grandmother"), sondern etablierten auch ein Motivinventar, auf das Lynch in Zukunft immer wieder zurückgreifen und es ausbauen würde.
Bei Filmbiografien bedeutender historischer Persönlichkeiten scheint es oft so, als trete der Regisseur ganz besonders weit hinter seinen Gegenstand zurück. Die darzustellende Biografie ist es ja schließlich selbst, die Sinn und Zusammenhang stiftet; der Autor ist mithin einzig als Sammler und Ordner der historischen Fakten zuständig – und als Sprachrohr seines Helden.Doch gerade im Bemühen um größtmögliche Authentizität kehrt der Autor als Konstrukteur und Simulant zurück.
Was unterscheidet "Die Passion Christi" (2004) vom Splatterfilm "Blood Feast" (1963), der im Januar 2004 wegen Gewaltverherrlichung verboten wurden? Viel diskutiert wird dieser Tage über Gewaltdarstellungen im Film. Entzündet hat sich die Debatte an "Die Passion Christi", dem Film, der die letzten Stunden Jesu Christi zeigt. Diese waren von der Marter sowie der Vorbereitung und Durchführung der Kreuzigung geprägt (Passion reloaded: Ein Porno des Leidens). Wie das genau ausgesehen hat, darüber schweigen sich die vier Evangelien aus - Mel Gibson will es jedoch genau wissen oder zeigen und hat mit seinem Werk einen neuen Beitrag zum so genannten Splatterfilm abgeliefert. Splatterfilme definieren sich durch die explizite Darstellungen von Gewalt. Das heißt, sie deuten Gewalt nicht nur an, sondern zeigen deutlich und in Großaufnahme ihren Verlauf und ihre Folgen. Dieser Definition lässt sich Gibsons Film widerspruchsfrei zuordnen.
"Von all dem, was ich über Kunst gesagt habe, fand ich nur spannend, was sich auf Warhol, Pop-Art und den Hyperrealismus bezog", eröffnet Jean Baudrillard 1990 ein Gespräch mit Françoise Gaillard. Das Verhältnis von Baudrillards Philosophie zur Kunst stand nun, anlässlich seines 75. Geburtstags, auf der Karlsruher ZKM-Tagung "Baudrillard und die Künste" (16.-18.7.2004) erneut auf dem Prüfstand. Zwanzig internationale Redner beschäftigten sich mit seinen Theorien, seinen Fotografien und der immer noch von Missverständnissen geprägten Baudrillard-Rezeption.
Als 1963 der amerikanische Exploitationfilmer Herschell Gordon Lewis den allerersten Gorefilm Blood Feast drehte, änderte sich das Gesicht des Horrorfilms. Jetzt hat das Berliner DVD-Label "cmv" eine Auswahl seiner Filme erstmals auf den deutschen Markt gebracht – und selbst 41 Jahre nach der Erstveröffentlichung von Blood Feast scheint der Film die Gemüter noch immer maßlos zu erregen. "Haben Sie jemals einer wirklichen Menschenschlachtung beigewohnt?", fragt Zauberer Montag in Herschell Gordon Lewis’ Film Wizard of Gore (1970) sein Publkum. Das hat es nicht und deshalb führt er sie ihm vor. "Live, in Farbe und aus nächster Nähe“ werden von Show zu Show junge Frauen auf kreativste Art und Weise zu Tode gebracht. Die Darstellung eskaliert jedes Mal in einer Orgie aus Blut und Eingeweiden. Hier wird die Grundidee des Gorefilmes mitinszeniert. ..."
Kino ist im besten Fall immer auch ein Anlass zur Auseinandersetzung über Moral, Tabus und Werte. Mel Gibsons "Passion Christi" ist vielleicht der erste christlich motivierte Splatterfilm. Was steckt hinter der Diskussion? Gibsons Film ist in seiner künstlerischen Einfachheit, mit der er die vier Evangelien des neuen Testamentes zu einer Erzählung verbindet, verblüffend "unkünstlerisch" (im Sinne von "eigenständiger Interpretation einer literarischen Vorlage"). Dargestellt werden die letzten 15 Stunden im Leben Jesu – vom Verrat im Garten Gethsemane über das Verhör bei den jüdischen Hohepriestern und die Folter durch die Römer bis hin zu seiner Verurteilung und Kreuzigung. Ein Stoff, der jedem Zuschauer christlicher Kultur bestens bekannt sein dürfte. Gibson interessiert sich nicht für den Vorwurf der Redundanz, sondern insistiert darauf, dass er einen Film drehen wollte, der sich so nah wie möglich an die "Realität der Bibel" hält: Er lässt seine judäischen Figuren ein rekonstruiertes Aramäisch sprechen und die Römer eine Art italienisch klingendes Vulgärlatein. Er dokumentiert die Geschichte mit fast schon journalistischem Eifer, hält seine Kamera immer nah am Geschehen und versucht kein noch so winziges Detail, das ihm die Evangelien "vorschreiben", auszulassen.
"The retina of the mind’s eye" : Philosophie als Film am Beispiel fon David Cronenbergs Videodrome
(2004)
In seiner einhundertjährigen Geschichte haben der Film und seine Autoren stets versucht, den Nimbus der bloßen Unterhaltungsware abzulegen. Eines der nachhaltigsten Ergebnisse dieser Bemühung war, dass nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Unterhaltungs- und Kunstfilm unterschieden wurde. Die Theorien der "Neuen Wellen" haben aber nicht "ausgegrenzt", sondern den vormals als Unterhaltung per se diskreditierte Genrefilm ebenfalls vom Verdacht befreit, anspruchslos zu sein: Die Western John Fords oder die Thriller Alfred Hitchcocks sind zwei Beispiele von hochgradig reflektierendem Autoren-Genre-Kino. Hinter der Differenzierung von ernstem und Unterhaltungsfilm scheint ein besonderes Ansinnen zu stecken: Der Autorenfilm soll nicht allein gefallen, sondern Intention oder doch wenigstens Bedeutung transportieren, die dem Zuschauer dann auch jenseits der Kinomauern "nützt".
Spätestens seit dem Überraschungserfolg von Danny Boyles 28 DAYS LATER sind die Untoten endgültig ins Kino zurückgekehrt. Der Zombiefilm hatte als Subgenre des modernen Horrorfilms seine Blüte vor 20 Jahren. Zwar haben sich seither etliche Leichen aus ihren Filmgräbern erhoben, doch die Anzahl der jetzt erschienenen neuen Zombie-Filme ist signifikant. Berkeley ist ein verschlafenes Nest irgendwo in Australien. Zu den aufregenden Attraktionen zählt schon die Wahl der "Miss Fisch-Köder", die der Siegerin stadtweite Plakatierung ihres Konterfeis und den Neid ihrer gleichaltrigen Geschlechtsgenossinnen beschert. Doch als ein Asteroiden-Regen über Berkeley niedergeht, wird es für kurze Zeit richtig spannend im Städtchen, denn die Felsbrocken aus dem All tragen einen Virus, der binnen kurzer Zeit fast alle Bewohner in untote Menschenfresser verwandelt.
Seit dem Erscheinen von David Lynchs neuestem Film Mulholland Drive (USA 2001) herrscht wieder einmal Verwirrung in der Filmpublizistik. Vor das offensichtlich "undurchdringliche" Mysterium seiner Filme gestellt, sehen sich Rezensenten in allen Medien gezwungen, sich doch irgendwie eine Besprechung abringen zu müssen; oftmals um die populäre Zugkraft des amerikanischen enfant terrible für die eigenen Zwecke mitnutzen zu können – nahezu immer jedoch mit einem mehr oder weniger offensichtlichen Problem konfrontiert: Was soll und kann man über Filme schreiben, die sich augenscheinlich jedem rationalen (und damit auch beschreibbaren) Zugriff zu entziehen scheinen?
Computer sind allgegenwärtig - auch wenn man sie nicht immer so zu Gesicht bekommt, wie den heimischen PC. In jeder Waschmaschine, in jedem Taschenrechner, in allen Fahrstühlen und Tiefseetauchboten: überall tickt irgendein Quarzherz, dem wir unseren geglückten Tag, einzuhaltende Termine, interessante Texte für Computerzeitschriften und - öfter als man glaubt - auch das eigene Leben anvertrauen. Dass Computer so weit verbreitet sind und darüber hinaus die enigmatischsten aller Maschinen darstellen, hat wohl dazu geführt, dass kein Artefakt nach so kurzer Zeit seiner Entstehung (immerhin ist das Elektronengehirn, wie wir es kennen, nur etwas älter als 50 Jahre) eine solche Anzahl von Mythen, Vorurteilen und Verschwörungstheorien hervorgebracht hat.
Dreh dich nicht um!
(2001)
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was geschieht, wenn Sie sich aus einer gemütlichen Runde mit "Freunden" erheben, um den Raum zu verlassen? Worüber reden diese Freunde wohl als erstes, nachdem Sie nicht mehr anwesend sind? Etwa über dasselbe, über dass Sie mit ihnen reden, wenn jemand anderes hinaus geht? Aber vielleicht fühlen Sie sich ja schon während dieses Zusammenseins so, als würden Sie belauscht: Warum ist es am Nachbartisch so still? Warum sieht sie die Bedienung so seltsam an, wenn Sie sagen, dass Sie nichts bestellen möchten? Was tut wohl der Kerl da an dem Einzeltisch, der seit Stunden an seinem Bier nippt? Zugegeben: Das klingt paranoid.
Der Hollywood-Kurzfilm, so könnte man vergleichen, ist für das Kino (das Fernsehen) das, was das Märchen für die Literatur ist. Stellt letztere (nach Wilpert) eine "kürzere, volksläufig-unterhaltende Prosaerzählung von phantastisch-wunderbaren Begebenheiten und Zuständen aus freier Erfindung" dar, so ergibt sich für den Kurzfilm oft ein eben solcher Charakter. Zur Darstellung der phantastisch-wunderbaren Begebenheit kann der Kurzfilm sowohl die Erzählung als auch seine technischen Möglichkeiten (vor allem Spezialeffekte usw.) nutzen. Wie die vieler Regisseure, begann auch Steven Spielbergs Karriere mit dem Herstellen von Kurzfilmen und Serienbeiträgen (letztere finden in dieser Betrachtung allerdings keinen Eingang). Bis zu seinem filmischen "Durchbruch" 1975 mit Jaws zählte seine Filmografie nicht weniger als zwölf Kurzfilme und Serienfolgen.
Um David Lynchs rätselhafte Filme verstehen, einem Werksbegriff subsummieren, ja gar einem "Genre" zurechnen zu können, kam schnell der Begriff "postmodern" ins Gespräch. Gerade der in den 80er Jahren für Furore sorgende Blue Velvet (USA 1984) schien dieser Kategorisierung bestens zu Gesicht zu stehen. Hatte Lynch nun doch nicht mehr "modern" versucht, einen ganz "neuen" Film zu machen, sondern sich intertextueller Werkzeuge bedient, ein Patchwork filmischer Geschichte(n) zu erstellen. Jener progressive Akt, so scheint es, ist bei seinem jüngsten Film, The Straight Story (USA 1999) abhanden gekommen, ist er doch ganz und gar nicht mehr postmodern, oder?
Abschied von Gestern : über den Jungen und den Neuen Deutschen Film von 1962 bis in die Gegenwart?
(2000)
Verdächtig war schon immer der Künstler, der etwas mitzuteilen hatte, das sich im Jenseitigen der ökonomischen Einheitsaussagen ansiedelte. Parteigängertum warf man ihm schlimmstenfalls vor; und wenn diese Aussage dann auch noch ganz unverhohlen soziale oder politische Implikationen trug, so konnte sich der Künstler einer regen und zum Ärger erregten Öffentlichkeit bereits sicher sein. Dies gilt heute genauso wie 1945 in der Bundesrepublik. Sicherlich: Damals kam die Kritik an den Umständen und das beständige Herbeizitieren der jüngsten Vergangenheit nicht gut an, weil man doch "neu anfangen" wollte, das Schlimme hinter sich und das Gute vor sich sehen wollte. Heutzutage nerven soziale oder politische Aussagen der Kunst nur noch, weil sie uns dazu bewegen wollen, doch endlich etwas zu unternehmen gegen die angeprangerten Missstände. Aus dieser Sicht muss der damals Junge bzw. Neue Deutsche Film heute antiquierter wirken, als die Filmbeiträge, die dieses Projekt damals hinter sich lassen wollte.
Die Abkehr vom Immergleichen : über das Motiv der Wiederholung in den Filmen Martin Scorseses
(2000)
Das Yellow-Cab durchschneidet den Wasserdampf, der aus der Kanalisation kriecht. Im Rückspiegel und im glänzenden Lack des frisch gewaschenen Wagens spiegelt sich das nächtliche New York - eine Stadt voller "Abschaum", wie der Fahrer, Travis Bickle (Robert DeNiro), sie umschreibt. Jede Nacht fährt er dort hinaus zum Einsatz. Er befördert alle, vom Politiker (Leonard Harris) zum paranoiden, potenziellen Ehefrauenmörder (Martin Scorsese selbst). Er fährt in alle Gegenden, selbst in diejenigen, aus denen sein Wagen nicht unbeschadet zurückkehrt. Das Taxifahren, so scheint es, ist seine Passion, ist sein Sysiphos-Schicksal. Er ist der Taxi Driver.
"Die meiste Zeit ist Plainfield/Wisconsin eine ruhige Stadt, ein Einkaufszentrum für die umliegenden Farmgebiete. In der Jagdsaison kommen Jäger, um in den nahen Wäldern auf die Pirsch zu gehen. Im Frühjahr kommen Vogelliebhaber, um den Paarungstanz des Präriehuhns zu beobachten, einer aussterbenden Spezies, deren Brutplätze nicht weit entfernt sind. Bis vor kurzem galt die größte Aufregung dem Verschwinden von Mary Hogan, die am Ort eine Schenke betrieb. Das war 1954, und seither hatte die Aufregung längst wieder nachgelassen. Aber an einem lähmenden Tag der vergangenen Woche entdeckte das friedliche Plainfield, daß es einen abscheulichen Verbrecher beherbergt hatte und daß sein Haus der Schauplatz von Mord und Schrecken war. Ed Gein, ein 51 Jahre alter Junggeselle, war für die meisten immer nur ein x-beliebiger Bürger von Plainfield gewesen. Einige hielten ihn für faul, sogar für ein bißchen zurückgeblieben. Er schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, manchmal war er auch Babysitter. ..."
Der Untergang der Kinokultur
(2000)
Das Kino Schon In der Frühzeit des Kinos gab es die Debatte, ob Kino als Kunst oder Jahrmarktsattraktion gelten soll. Dass die Frage damals nicht eindeutig beantwortet wurde, zeigt sich an der heutigen Kinosituation. Entsprang das Kino damals aus der Theaterkultur, so lässt sich heute eher in der Diskokultur ansiedeln: Wo damals Vorhänge die Leinwand verbargen, Orgelspieler und Orchester die Zuschauer einstimmten und nicht selten der Film persönlich angekündigt wurde, steht heute ein Laserstrahlenteppich im Raum, begleitet von harten Technobeats und eingeführt durch 45 Minuten lange Werbeclips und Trailer. Traurig ist auch die Tatsache, dass die Kinobetreiber meist der Wirtschaftsbranche entstammen und kein cineastisches Feingefühl besitzen.
Müde und abgekämpft von den Strapazen der Ermittlung kehrt Special Agent Dale Cooper spät Nachts zurück in sein beschauliches Hotelzimmer. Er bereitet sich auf eine kurze Nacht vor, denn bereits um acht Uhr früh hat er wieder im Büro von Sheriff Harry S. Truman zu sein, um seine Untersuchungen im Mordfall Laura Palmer fortzusetzen. Das Telefon klingelt; als er abhebt, klopft es plötzlich an die Tür. Wer kann das sein? Es muss schon etwas Dringendes vorliegen, wenn man ihn so spät noch stört. Cooper geht zur Tür, öffnet und im selben Augenblick gibt die Kamera die Großaufnahme eines Revolvers frei. Drei Schüsse. Cooper strauchelt rückwärts, fällt zu Boden. Sofort sieht man die stark blutende Bauchwunde. Cooper versucht sich zu bewegen, vielleicht zu schreien, aber der Schmerz lähmt ihn. Der Täter ist längst unerkannt geflüchtet. Das einzige, was sich in der Nähe Coopers befindet, ist sein Diktiergerät, das er so eingestellt hat, dass die Aufnahme beginnt, wenn er spricht. Die Kamera fährt auf seinen Körper zu und zeigt abermals die schwere Verwundung. Die bedrohliche Musik schwillt in dunklen Akkorden an … "Executive Producers David Lynch, Mark Frost" ist das nächste und gleichzeitig letzte, was wir zu sehen bekommen. Diese Folge von Twin Peaks und damit die erste Staffel, ist zu Ende.
Pornografische Filme haben in den 90er Jahre ihr Gesicht gewandelt, wie kaum zuvor, seit es das Genre gibt. So sind mittlerweile die allermeisten Pornokinos geschlossen, weil der Boom der "Kunstpornografie", der in den 70er (etwa Damianos Deep Throat von 1976) und 80er Jahren (Sarah Young) nun vollständig abebbte. Pornografie eroberte die Videotheken: Mit nahezu 5000 Produktionen pro Monat lässt sich von diesem Genre wie von keinem anderen behaupten, dass es blüht! Unter einem solch pornografischen Bildersturm litt und leidet natürlich die Qualität der Filme: Weg von aufwendigen Produktionen auf 35 mm hin zu "Amateurvideos". Die Authentizität der neuen Wohnzimmerpornografie wurde um den Preis der zumindest manchmal existierenden Aufwendigkeit des Plots und der Settings erkauft. Das Ergebnis lässt wundern: Nie verliehen sich Pornos so gut wie heutzutage - wohl weil sie so "echt" wirken.