Refine
Document Type
- Article (1)
- Part of a Book (1)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Lessing, Gotthold Ephraim (2) (remove)
Institute
- Extern (2)
Lessings Palast ist nicht Diderots Tempel. Die Unterschiede zwischen beiden sind groß, und die Gebäudebildlichkeit ist von sich aus viel zu allgemein, als daß nur über sie die Brücke von den ‚Bijoux indiscrets’ zum Auftakt der Anti-Goeze zu schlagen wäre. Dennoch gibt es drei Argumente, die Diderots Romankapitel mit Lessings Parabel verbinden. Erstens: Als motivische Vermittlung läßt sich eine Stelle in Lessings „Duplik“ ansehen, in der sich die Gebäudebildlichkeit der Parabel vorbereitet. (...) Zweitens: Mangoguls Traum und die Palast-Parabel zeigen eine analoge Figurenkonstellation, der die entscheidende Aussage des Textes anvertraut ist: auf der einen Seite die Fetischisten überkommender Bruchstücke (...), auf der anderen die wenigen Praktiker der Tugend. (...) Drittens ist es hier wie dort die gleiche charakteristische Art, wie literarische Anschauung zeitgenössischen Theorieansprüchen begegnet, ist es bei beiden die gleiche Strategie von parteilicher Provokation, ironischer Distanzierung und lakonischer Überwindung des Streits.
Die Gattung Lobrede zwingt zur Einseitigkeit. Deshalb ist sie der Paradefall für den Konflikt zwischen Rhetorik und Wahrhaftigkeit, Paradefall damit für den Streit um Glanz und Elend der Redekunst. Der Glanz schöner Worte und das Elend von Schmeichelei und Lüge können nirgendwo so eindrucksvoll erscheinen wie in der Lobrede. Archetypisch zeigt dies der Gegensatz zwischen den Sophisten und Sokrates: Lob ist das Schaustück, an dem die einen die Macht und der andere die Falschheit der Redekunst erweisen. Doch nicht nur der Streit um die Rhetorik überhaupt, sondern auch die Geschichte der Rhetorik selbst, der historische Wertewandel innerhalb der rhetorischen Theorie wechselt bei der Lobrede in extremes Für und Wider. Das hat eine politische Dimension. Denn nach der Aristotelischen Trias ist die epideiktische Gattung ja die Form fragloser Rede. Im Gegensatz zur Gerichts- und Beratungsrede geht es in ihr nicht um Strittiges, sondern um feststehende Urteile und Ansprüche, die - anstatt zu diskutieren - nur vorzuführen sind. Als politische Dimension entspricht dem der Unterschied von Meinungsstreit und Herrschaftsrepräsentation. [...]Wie die Gattung Lobrede heute politisch konnotiert ist, läßt sich indirekt an der hohen Konjunktur des Wortes "Streitkultur" ablesen. Der deutlichste germanistische Beitrag dazu war die Lessing-Tagung 1991, die unter dem Titel "Streitkultur" den Kritiker, den Polemiker, den in argumentativer Schärfe auf produktiven Widerspruch setzenden Lessing als Vorbild für die eigentliche öffentliche Rede würdigte.