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Wenn es in Franz Kafkas Erzählung 'Eine kaiserliche Botschaft' (1919) gegen Ende heißt: "Niemand dringt hier durch und gar mit der Botschaft eines Toten", so ließe sich dies als das Scheitern eines erwünschten Nachlebens verstehen, erwünscht in Form einer nach dem eigenen Tod bei jemandem ankommenden Botschaft; als das Scheitern einer erwünschten Souveränität, die einen Toten, und sei er auch Kaiser gewesen, offenbar nicht länger auszeichnet. Am Ende der folgenden Überlegungen aber wird eine andere Lektüre stehen: Sie resultiert aus der Frage nach den Bedingungen, Praktiken und Effekten eines Schreibens, das die Idee der Souveränität in bestimmter Weise verfolgt, nämlich hinsichtlich der Organisation des Nachlebens, des Sich-Heranschreibens an die Grenze des Todes, des Sich-selbst-Überlebens - ein testamentarisches Schreiben also. Damit ist zunächst eine juristisch relevante Form bezeichnet: das Testament, das heißt eine konkrete Praxis der Adressierung an die Nachwelt. Diese Praxis ist sowohl institutionalisiert als auch individualisiert, und ihr eignet eine grundlegende Literarizität, nicht nur in formalästhetischer Hinsicht, sondern auch bezogen auf ihren Imaginations- und Fiktionalitätsstatus, der aus der Schreibhaltung des "ich bin tot" herrührt. Dies sei im Folgenden anhand eines etwas grob verfahrenden Cursus entwickelt, dessen erster Teil zum "Testament als Medium der Souveränität" zunächst im antiken römischen Recht einsetzt und dann zu Jean Paul springt; dessen zweiter Teil sich "das testierende Ich" vornimmt; und dessen dritter Teil sich den theoretischen und literarischen 'double binds' eines Testaments und eines "desire to speak with the dead" widmet.
Testamente fungieren als Mittler zwischen Vergangenheit und Zukunft. Sie organisieren Memoria und Nachleben, beeinflussen Verwandtschaftsordnungen und bestimmen deren Reproduktion, sie verursachen oder lösen rechtliche, familiale, ökonomische Konflikte. Insofern zählt das Testament zu den wichtigsten kulturellen Formen des geregelten Übergangs von Leben zu Leben, durch den Tod getrennt.
Ulrike Vedders Studie analysiert das Testament im Spannungsfeld von Recht, Ökonomie und Kultur sowie im Zusammenhang mit Konzepten von Erbschaft, Vererbung und Nachleben. Sie entwickelt eine Poetologie des Testaments anhand der Literatur des 19. Jahrhunderts (von Jean Paul, Kleist, E.T.A. Hoffmann, Balzac, Heine, Droste-Hülshoff, Stifter, Melville, Keller, Storm, Fontane, Zola, James u.a.) und erforscht zudem das Testament als eine Form der Übertragung von Eigentum, Dingen, Rechten, Identität, Schuld, Leidenschaften. Als ein Medium für weitreichende - literarische und außerliterarische - Erbe- und Transferprozesse bildet das Testament eine zentrale Figur der kulturellen Tradierung sowie des Austausches zwischen verschiedenen Wissensfeldern, zwischen Literatur, alltäglicher Praxis und Wissenschaften.