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Synthese und Struktur-Wirkungsbeziehungen neuer rezeptorselektiver Dopamin-D 2- und -D 3-Liganden
(2003)
Dopaminrezeptoren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, der bisher größten Rezeptorklasse. Seit der Identifizierung der zuvor unbekannten Rezeptorsubtypen D3-D5 in den Jahren 1990 und 1991 hat die Erforschung des dopaminergen Systems neuen Anschub erhalten, der maßgeblich auf das spezifische Vorkommen jeweiliger Subrezeptoren in diskreten Hirnarealen zurückzuführen ist. Während dopaminerge Neuronen an neurologischen und psychiatrischen Störungen wie Morbus Parkinson, Schizophrenie und Drogenmißbrauch bzw. -abhängigkeit seit geraumer Zeit in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden, begründen die unterschiedlichen Charakteristika der Rezeptorsubtypen hinsichtlich Lokalisation, Aminosäuresequenz und pharmakologischem Verhalten die Hoffnung, mit subrezeptorselektiven Wirkstoffen neue therapeutische Ansätze verwirklichen zu können, die eine Reduktion der gravierenden, mit bisherigen Therapiekonzepten korrelierten Nebenwirkungen erlauben. In der vorliegenden Arbeit wurden, ausgehend von den D2- und D3-rezeptorbevorzugenden Wirkstoffen ST 177, L-741,626, ST 314, NAN190, ST 198 und BP 897, gezielte Modifikationen an unterschiedlichen Molekülteilen unternommen, um ihre jeweils charakteristischen pharmakologischen Eigenschaften stärker zu profilieren.
Zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen besteht nach wie vor ein dringendes medizinisches Bedürfnis, da die bisher eingesetzten Medikamente gerade in der Langzeittherapie zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen können. Um chronisch entzündliche Erkrankungen in Zukunft adäquat therapieren zu können, sind bereits verschiedene neuartige Ansätze in klinischer bzw. präklinischer Entwicklung. Ein möglicher Ansatz besteht in einer dualen Hemmung der mikrosomalen Prostaglandin E2 Synthase-1 (mPGES-1) und der 5-Lipoxygenase (5-LO). Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR) von zwei verschiedenen Leitstrukturen an der 5 LO und der mPGES 1 untersucht. Die erste Leitstruktur entstammt aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Sulfonamidstruktur. In dieser Arbeit ist es gelungen, durch eine gezielte Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehungen, die Leitstruktur I an der 5 LO und der mPGES-1 in ihrer Potenz zu optimieren. Die Leitstruktur (IC50: 5-LO (zellfrei) = 5.7 µM, IC50: 5 LO (PMNL) = 3.7 µM, IC50: mPGES-1 = 4.5 µM) konnte durch Variation in allen drei Positionen modifiziert werden, so dass die optimierte Struktur 170 (IC50: 5-LO (zellfrei) = 2.3 µM, IC50: 5-LO (PMNL) = 0.4 µM, IC50: mPGES-1 = 0.7 µM) entstanden ist. Für die Verbindung 170 wurden die pharmakokinetischen Eigenschaften, wie Löslichkeit und metabolische Stabilität, sowie der Wirkmechanismus auf molekularer Ebene bestimmt. Ebenso konnte für Verbindung 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden.
Die zweite Leitstruktur stammt ebenfalls aus den Arbeiten von Waltenberger et al. und besitzt im Grundgerüst eine Mercaptobenzothiazol-Grundstruktur. Aufgrund der Ähnlichkeit zu den bekannten Pirinixinsäurederivaten wurde auch hier für die Untersuchung der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zunächst eine Kettenverlängerung an der Alkylkette vorgenommen. Es ließ sich auch hier durch eine gezielte SAR, die Leitstruktur bis hin zum submikromolaren Bereich in Verbindung 219 optimieren. Gleichzeitig ist es gelungen in Verbindung 219 einer der am potentesten dual ausgeglichensten dualen 5 LO/mPGES-1 Inhibitoren zu identifizieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser Arbeit es gelungen ist durch gezielte Untersuchungen der Struktur-Wirkungs-Beziehungen zwei verschiedene Substanzklassen zu dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren zu optimieren. Ebenso konnte für Substanz 170 auch in vivo anti-entzündliche Eigenschaften festgestellt werden. Diese Arbeit soll dazu beitragen, das therapeutische Potential von dualen 5-LO/mPGES-1 Inhibitoren als anti-entzündliche Wirkstoffe in Zukunft besser einschätzen zu können.
Der ligandaktivierte Transkriptionsfaktor Farnesoid X Rezeptor (FXR) ist neben seiner Funktion als Regulator des Gallensäurehaushaltes auch in vielen anderen metabolischen Prozessen wie Glukose- und Lipidhomöostase involviert und besitzt antiinflammatorische Eigenschaften. Gerade bei hepatischen, gastrointestinalen und systemischen Erkrankungen erscheint FXR daher als interessante Zielstruktur zur Behandlung metabolischer Erkrankungen. Basierend auf den natürlichen Liganden von FXR, den Gallensäuren, wurde Obeticholsäure (OCA) als seminsynthetisches Derivat der endogenen Chenodesoxycholsäure zu einem potenten FXR-Agonisten entwickelt. OCA wurde in mehreren Studien auf seine therapeutische Wirkung bei hepatisch-entzündlichen Krankheitsbildern wie der primären biliären Cholangitis (PBC), der nicht-alkoholischen Fettleber (engl: non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) und der daraus folgenden nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH) getestet. Mittlerweile ist OCA als Zweitlinientherapie der PBC auf dem Arzneimittelmarkt zuge-lassen. Neben OCA gibt es noch eine große Anzahl an weiteren FXR-Liganden, deren strukturelle Diversität von Steroiden bis nicht-steroidalen kleinen Molekülen (engl: small molecules) reicht. Trotz dieser Erfolge muss das Therapiepotential von FXR noch weiter ausgebaut werden. Die meisten verfügbaren Liganden besitzen in vitro zwar eine hohe Potenz, können in ihrem pharmakokinetischen Profil oder ihrer Selektivität gegenüber anderen nukleären Rezeptoren aber nicht überzeugen.
Die hier vorliegende Arbeit hat sich mit der Entwicklung unterschiedlicher Liganden für FXR beschäftigt und diese in vitro und teilweise auch in vivo charakterisiert, um sie entsprechend ihrer Wirkungsweise einzuordnen und ein besseres Verständnis der regulatorischen Funktion von FXR zu erlangen.
Modulation von FXR bezieht sich nicht nur auf die agonistische Aktivierung, sondern setzt sich auch mit Antagonismus auseinander. Neben einigen Krankheitsbildern, die aus einer Überexpression von FXR resultieren, werden Antagonisten als Werkzeug (engl: tool compound) zur Aufklärung von konformellen Veränderungen von FXR und deren Auswirkung auf bestimmte Signalwege benötigt. Für die Erforschung solcher FXR-Antagonisten sollte das Potential nicht-steroidaler Antirheumatika (engl: non-steroidal anti-rheumatic drugs, NSAIDs) als etwaige Leitstrukturen untersucht werden, da in einer Veröffentlichung von Lu et al. ein FXR-Antagonismus durch NSAIDs postuliert wurde. Beim Versuch der Reproduktion der Ergebnisse von Lu et al. mit den drei NSAIDs Ibuprofen, Indometacin und Diclofenac wurde festgestellt, dass die Effekte auf den ersten Blick antagonistisch erscheinen, aber bei genaueren biochemischen Untersuchungen zweifelsfrei als Zytotoxizität identifiziert wurden.
FXR-Antagonisten wie Guggulsteron oder Gly-MCA sind auf ihre therapeutische Wirksamkeit unter-sucht worden, aber die genaue Wirkweise ist noch nicht aufgeklärt. Aufgrund ihrer steroidalen Grundstruktur ist ihre Selektivität gegenüber anderen nukleären Rezeptoren fraglich. Die überschaubare Anzahl an publizierten nicht-steroidalen FXR-Antagonisten besitzt zwar moderate IC50-Werte, ihre strukturelle Diversität und Selektivität ist aber limitiert. Zur Entwicklung neuer potenter FXR-Antagonisten, die aus kleinen Molekülen (engl: small molecules) aufgebaut sind, wurde eine N-Phenylbenzamid-Leitstruktur ausgewählt. Diese Leitstruktur wurde im Rahmen der SAR-Unter-suchungen zur Entwicklung von Anthranilsäurederivaten als FXR-Partialagonisten innerhalb des Arbeitskreises entdeckt. Ausgehend von dieser Leitstruktur wurde eine mehrstufige, systematische SAR-Untersuchung durchgeführt, wodurch ein sehr potenter FXR-Antagonist entwickelt werden konnte, der anschließend umfangreich biochemisch auf FXR-Modulation, Selektivität, Löslichkeit, Toxizität und metabolische Stabilität charakterisiert wurde.
Neben dem Verständnis eines Modulationsmechanismus ist die konkrete Anwendung eines FXR-Liganden zu therapeutischen Zwecken von großem Interesse. Die Beteiligung von FXR in unterschiedlichen metabolischen Prozessen macht den Rezeptor zu einem begehrten Ansatzpunkt für die Wirkstoffentwicklung. Doch die Behandlung eines multifaktoriellen Krankheitsbildes (z.B. metabolisches Syndrom, NASH) sollte sich nicht nur auf einen der gestörten Signalwege beziehen, da diese Erkrankungen durch mehrere Faktoren ausgelöst oder beeinflusst werden. Der semisynthetische FXR-Agonist OCA zeigte innerhalb der FLINT-Studie sowohl antientzündliche und antifibrotische Effekte, als auch eine Verbesserung der metabolischen Parameter mit Blick auf NAFLD und NASH. Die lösliche Epoxidhydrolase (engl: soluble epoxidhydrolase, sEH) besitzt nachweislich anti-inflammatorische und antisteatotische Effekte in der Leber. Aus diesem Grund wurde eine Leitstruktur entwickelt, die eine duale Modulation aus FXR-Aktivierung und sEH-Inhibition erzeugt. Dafür wurden die Pharmakophore eines im Arbeitskreis entwickelten FXR-Partialagonisten sowie eines potenten sEH-Inhibitors miteinander verknüpft. Zur Weiterentwicklung einer ausgewogenen hohen Potenz beider Modulationsfaktoren wurden mehrere unterschiedliche SAR-Untersuchungen als translationales Projekt in mehreren Arbeiten durchgeführt. In der hier vorliegenden Arbeit konnten dieses SAR-Untersuchungen zusammengeführt und weiterentwickelt werden. Dabei wurde ein ausgewogener und hochpotenter dualer Modulator erhalten, der umfassend in vitro und in vivo charakterisiert wurde. Die gezielte duale Aktivität, die mit dieser Substanz erreicht wurde, führt in einem Krankheitsbild zu synergistischer Ergänzung zweier Therapieoptionen. Jedoch kann eine unerwünschte Promiskuität über verwandten nukleären Faktoren zu Nebenwirkungen führen. Die Ursache dafür kann eine saure Funktion darstellen. Ein sehr potenter nicht-azider FXR-Agonist mit einem subnanomolaren EC50-Wert konnte im Arbeitskreis entwickelt werden. Diese Verbindung ist FXR-selektiv, hat keinen toxischen Effekt auf HepG2-Zellen und eine moderate metabolische Halbwertszeit. Die qRT-PCR-Untersuchung direkter und indirekter FXR-Zielgene zeigte eine verstärkte Expression nach der Inkubation mit der nicht-aziden Substanz. Dadurch lässt sich das Prinzip der Nebenwirkungsminderung durch nicht-azide Verbindungen beweisen.
Insgesamt konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, wie vielfältig und vielversprechend eine FXR-Modulation aufgebaut sein kann. Zum einen konnte über eine ausgeprägte biochemische Evaluation eine Differenzierung zwischen FXR-Antagonismus und Zelltoxizität bewiesen werden, worauf sich aufbauend eine genaue in vitro-Charakterisierung von neuen N-phenylbenzamidbasierten FXR-Antagonisten durchführen ließ, die ausgehend von einer moderat potenten Leitstruktur zu einer sehr potenten optimierten Substanz entwickelt wurden. FXR-Antagonismus und die dazu passenden tool compounds sind nicht nur von Bedeutung zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Bindungsmodi des FXR, sondern auch potentielle Therapieansätze zur Behandlung von Krankheiten, in denen eine FXR-Überexpression stattfindet. Die agonistische Modulation von FXR wurde genauer betrachtet in der in vitro-Untersuchung nicht-azider FXR-Agonisten, die durch das Fehlen einer sauren Funktion ein hohes Maß an Selektivität und dabei eine geringe Toxizität aufwiesen. Synergistische Effekte zur Behandlung eines multifaktoriellen Krankheitsbildes durch die Kombination von FXR-Partialagonismus und sEH-Inhibition konnte durch die Entwicklung der potenten und balancierten Substanz sowohl in vitro als auch in vivo bewiesen werden, wodurch diese Verbindung ein vielversprechender Kandidat für weitere klinische Entwicklung ist.
In dieser Arbeit soll identifiziert werden, welcher der zahlreichen Vertreter einer Arzneistoffklasse sich letztlich auf dem Markt durchsetzen kann und ob bestimmte pharmakokinetische, pharmakodynamische, klinische oder praktische Substanzeigenschaften retrospektiv für den Markterfolg einer Substanz verantwortlich gemacht werden können. Zudem stellt sich die Frage, ob und in wie fern Analogpräparate einen Nutzen in der Arzneimitteltherapie mit sich bringen, obwohl ihnen zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung nur ein geringer Innovationsgrad zugebilligt wurde. Um derartige Rückschlüsse ziehen zu können wurden exemplarisch folgende fünf Arzneistoffklassen untersucht, die sich durch eine Vielzahl an Vertretern auszeichnen: Arsphenamine, Sulfonamide, Benzodiazepine, Glucocorticoide sowie Betablocker. Der Untersuchungszeitraum bemisst sich folglich vom Anfang des 20. Jahrhunderts, als industriell gefertigte, chemisch definierte hochpotente Wirkstoffe die Therapie zu bestimmen begannen, bis etwa zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts als Preise und Kostenerstattungsfragen zusätzlich zu Substanzeigenschaften für den Markterfolg mitbestimmend wurden.
Die vorliegende Dissertation gliedert sich in 2 Abschnitte: Im 1. Abschnitt wurden die Auswirkungen des Naturstoffs Phytol auf den Krankheitsverlauf des murinen EAE-Modells charakterisiert, während im 2. Abschnitt die immunmodulierenden Eigenschaften der neuartigen Leitsubstanzen Silvestrol sowie Steroid Substanz 1o untersucht wurden.
Vorarbeiten zeigten einen positiven Einfluss von Phytol auf den Krankheitsverlauf im murinen EAE-Modell für Multiple Sklerose, eine verringerte Proliferationsfähigkeit von Splenozyten sowie eine Regulation der NOX2 mRNA-Expression (Blum et al., 2018b).
In der vorliegenden Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass die Gabe von Phytol den Prozess der Demyelinisierung im lumbalen Rückenmark deutlich reduzierte und die Anzahl der Immunzellen in den inguinalen Lymphknoten sowie im lumbalen Rückenmark signifikant verringerte. Weiterhin konnte eine Regulation der spezifischen T-Zell Transkriptionsfaktoren T Bet sowie Foxp3 nachgewiesen werden. Es zeigte sich, dass Phytansäure, nicht jedoch Pristansäure, die beiden Metaboliten von Phytol, die Proliferationsfähigkeit der T-Zellen signifikant verringerte. Beide Metaboliten zeigten zusätzlich unterschiedlichen Einfluss auf die T-Zell Subtypen. Hultqvist et al. konnten eine verstärkte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) durch Phytol nachweisen (Hultqvist et al., 2006). Vorarbeiten zeigten eine Steigerung der mRNA-Expression des ROS-produzierenden Enzymkomplex NOX2 im Verlauf des EAE-Modells sowie eine Regulation der NOX2-Expression im lumbalen Rückenmark und in den inguinalen Lymphknoten durch Phytol (Blum et al., 2018b). Deshalb wurde die Rolle von NOX2 an den Phytol-vermittelten Effekten weiter charakterisiert. Dabei zeigte sich, dass die gesteigerte NOX2-Expression im lumbalen Rückenmark auf die eingewanderten Immunzellen zurückzuführen war. Die von NOX2 im zentralen Nervensystem (ZNS) gebildeten ROS, welche zur Schädigung der Myelinschicht beitragen können, wurden durch die Gabe von Phytol im lumbalen Rückenmark verringert. Untersuchungen in NOX2KO-Mäusen zeigten, dass die beobachteten ex vivo Effekte von Phytol sowie dessen Metaboliten nur teilweise NOX2-abhängig waren. Im murinen EAE-Modell mit NOX2KO-Mäusen zeigte Phytol weiterhin einen positiven Einfluss auf die klinischen Symptome. Auffällig war dabei, dass NOX2KO-Tiere grundsätzlich weniger klinische Scores zeigten als Wildtyp Tiere. In NOX2-Chimären hatte Phytol keinen signifikanten Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Grund dafür könnte eine Beschädigung der Blut-Hirn-Schranke bei der Generierung der Chimären und eine damit verbundene verstärkte Infiltration von Immunzellen in das ZNS gewesen sein. Weiterhin konnte Phytol möglicherweise über die geschädigte Blut-Hirn-Schranke verstärkt in das ZNS eindringen und dort über eine gesteigerte ROS-Produktion zu schädigenden Effekten führen.
Die in vivo Daten weisen auf einen überwiegend NOX2-unabhängigen Wirkmechanismus von Phytol hin. Dennoch scheint NOX2 bei einigen Effekten zumindest beteiligt zu sein. Zusammenfassend zeigte die Gabe von Phytol einen überwiegend positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf im murinen EAE-Modell, dennoch ist die Phytol-vermittelte Induktion von NOX2 und die Bildung von ROS kritisch zu sehen, da diese sowohl positive als auch negative Effekte vermitteln und stark von der Quantität sowie der Lokalisation der Bildung abhängig sind.
Im 2. Teilprojekt wurden die immunmodulierenden Auswirkungen der neuartigen Leitsubstanzen Silvestrol sowie Steroid Substanz 1o charakterisiert. Der anti-viral wirksame Naturstoff Silvestrol zeigte dabei diverse Auswirkungen auf die Differenzierung sowie Polarisierung von humanen Makrophagen. Während der Differenzierung inhibierte Silvestrol das anti-inflammatorische bzw. resolutionsfördernde Potential der Makrophagen durch eine Reduktion der resolutionsfördernden Oberflächenmarker CD206 und TREM2. Weiterhin wurde die Sezernierung der anti-inflammatorischen Zyto- bzw. Chemokine IL-10 und CCL18 verringert. Der pro-inflammatorische Phänotyp von M1-Makrophagen wurde weiterhin durch die vermehrte Bildung von TNF-α unterstützt, während bei M2-Makrophagen der anti-inflammatorische bzw. resolutionsfördernde Phänotyp verstärkt wurde. In Dendritischen Zellen schien Silvestrol sowohl die Differenzierung als auch die Aktivierung zu inhibieren, da zahlreiche Oberflächenmarker und sezernierte Zytokine signifikant verringert wurden. Die Stoffwechselwege der oxidativen Phosphorylierung und der Glykolyse wurden sowohl in Makrophagen als auch in Dendritischen Zellen signifikant reduziert. Demnach ist unklar, ob in der Summe die pro- oder anti-inflammatorischen Aspekte von Silvestrol überwiegen und ob der Einfluss auf den Stoffwechsel die Immunantwort beeinträchtigt.
Der anti-parasitäre Wirkstoff Steroid Substanz 1o zeigte keinen negativen Einfluss auf die Viabilität in primären humanen Immunzellen bis zu einer Konzentration von 50 µM und verstärkte das pro-inflammatorische Profil von M1-Makrophagen. Weiterhin wurde der anti-inflammatorische bzw. resolutionsfördernde Phänotyp von M2-Makrophagen unterdrückt und stattdessen die pro-inflammatorischen Aspekte verstärkt. Diese Beobachtungen der veränderten Oberflächenmarker sowie der sezernierten Zytokine wurden weiterhin durch die Veränderung des zellulären Stoffwechsels gestützt. Dabei steigerte Steroid Substanz 1o die Glykolyse in M2-Makrophagen, welche eigentlich für M1-Makrophagen charakteristisch ist. Dadurch kann die Verschiebung der M2-Makrophagen zu einem M1-Phänotyp erklärt werden. Weiterhin beeinträchtigte Steroid Substanz 1o die Differenzierung und Aktivierung von Dendritischen Zellen. Zusammenfassend verstärkte Steroid Substanz 1o überwiegend die pro-inflammatorischen Aspekte der Immunreaktion durch eine Aktivierung der M1-Makrophagen. Bei der möglichen Anwendung als Therapeutikum für Malaria sowie Schistosomiasis kann somit das Immunsystem bei der initialen Abwehr der Parasiten unterstützt werden.
Die vorliegende Dissertationsarbeit behandelt eine umfangreiche Studie des nukleären Rezeptors (NR) TLX (engl. tailless homolog, TLX). Als ligandenaktivierbarer Transkriptionsfaktor ist TLX in Differenzierungs- und Proliferationsprozessen involviert und übernimmt somit eine tragende regulatorische Rolle in der Neurogenese von neuronalen Stammzellen87,88. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine fehlgesteuerte TLX-Expression mit gravierenden kognitiven, visuellen und neurodegenerativen sowie tumorigenen Erkrankungen assoziiert ist, sodass TLX ein vielversprechendes Wirkstofftarget mit hohem therapeutischem Potential darstellt94,95,99,100 105. Die pharmakologische Validierung von TLX als neues Wirkstofftarget befindet sich allerdings aufgrund limitierter Verfügbarkeit von validierten und potenten synthetischen und natürlichen kleinen organischen Molekülen in einer frühen Phase. Daher ist das Interesse sehr groß neuartige und wünschenswerterweise selektive TLX-Modulatoren zu generieren109,119-121.
Im Rahmen dieser Dissertationsarbeit wurden zu diesem Zweck mehrere Reportergenassays eingeführt, die die in vitro Aktivitätsstudie von TLX sowohl im Gal4-Hybridformat in Kombination mit Gal4-VP16 als starken Transkriptionsaktivator als auch als TLX-Volllängenprotein in HEK293T-Zellen (engl. human embryonic kidney, HEK293T) erlaubten. Zusätzlich wurde Gal4-TLX in Kombination mit VP16-RXRα untersucht, um bisherige unbekannte potentielle Heterodimer-vermittelte Effekte zu studieren. In einem primären Screeningansatz im Gal4-Format unter Verwendung einer kommerziell erhältlichen Wirkstofffragmentbibliothek und ausgewählter strukturähnlicher Wirkstoffe wurden mehrere Wirkstofffragmentkandidaten identifiziert (30, 34, 39, 45 und 47), die einen attraktiven Ausgangspunkt zur Darstellung von TLX-Modulatoren darstellten. Insgesamt wurden in vier Projekten vier strukturdiverse Chemotypen anhand von Struktur-Wirkungs-Beziehungs-Studien anhand der Aktivität an TLX untersucht. Ausgehend von Fragment 34 beinhaltete das erste Projekt die Identifizierung und Charakterisierung von Xanthinderivaten als inverse TLX-Agonisten. Eine systematische Struktur-Wirkungs-Beziehungs-Studie lieferte mehrere hochpotente Derivate, die auf das Grundgerüst von 8-Phenyltheophyllin (97) basierten. Parallel konnte Istradefyllin (116), welches aktuell zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung in den USA und Japan Anwendung findet, als potenter inverser TLX-Agonist identifiziert werden. Mehrere orthogonale zelluläre und zellfreie Experimente klassifizierten die Xanthine als neue erste TLX-Modulatoren. Das zweite Projekt umfasste die Identifizierung und Charakterisierung des unselektiven β-Adrenorezeptorblockers Propranolol (54) ausgehend vom Wirkstofffragment 30. Durch eine vorläufige systematische Struktur-Wirkungs-Beziehungs-Untersuchung der aliphatischen Aminoalkoholseitenkette von 54 konnte die sekundäre Aminogruppe als determinierendes Strukturmotiv für eine Aktivität an TLX bestimmt werden. Weitere Migrations- und Zellviabilitätsexperimente demonstrierten erste phänotypische Effekte in T98G-Glioblastomzellen seitens 54, die TLX-vermittelt sein könnten. Das dritte Projekt behandelte die Darstellung eines potenten neuartigen TLX-Agonisten mit Hilfe eines ligandenbasierten Pharmakophormodells. Das verwendete Pharmakophormodell wurde hierbei unter Verwendung des publizierten Referenzliganden ccrp2 (2) und dem identifizierten Wirkstofffragment 45 aus dem vorherigen Screeningansatz generiert. Durch eine anschließende rationale Fragmentfusion von 45 mit weiteren TLX-Agonisten aus dem Wirkstofffragmentscreening konnte der neuartige potente TLX-Agonist 137h synthetisiert werden, welcher eine verbesserte mikrosomale Stabilität im Vergleich zu 45 und 2 aufwies. Das vierte Projekt beinhaltete die Darstellung neuartiger TLX-Modulatoren mit Hilfe eines Scaffold Hopping Ansatzes. Hierbei wurden essentielle Strukturmotive aus der Xanthin-Struktur-Wirkungs-Beziehung (erstes Projekt) auf weitere Wirkstofffragmente übertragen. Die Validierung dieses Scaffold Hoppings anhand der Verbindung 156 führte anhand eines darauf folgenden kombinatorisch-chemischen Ansatzes zur Darstellung einer Substanzbibliothek (255 Amidrohprodukte). Ein Aktivitätsscreening der Amidrohprodukte deutete in den Reportergenassays auf drei aktive TLX-Modulatoren hin (582, 611 und 629), welche nachträglich gezielt synthetisiert, isoliert und erneut auf Aktivität an TLX validiert wurden. Hierbei hob sich besonders 629 hervor, welches in drei orthogonalen zellulären Reportergenassays TLX-vermittelte Effekte aufwies und zusätzlich einen Bindungseffekt an rekombinanter exprimierter TLX-Ligandenbindedomäne zeigte.
Mit dieser Arbeit konnte mit Hilfe der Einführung diverser TLX-basierter Reportergenassays zur Aktivitätsstudie von TLX mehrere strukturdiverse Liganden als potentielle tool compounds identifiziert und charakterisiert werden. Alle abgeleiteten TLX-Modulatoren können somit als wertvolle neue Startpunkte zur Derivatisierung neuartiger potenter Liganden und somit zu einem Fortschritt in der pharmakologischen Validierung von TLX als Wirkstofftarget dienen.
Bislang sind die strukturellen Voraussetzungen für die Selektivität von Agonisten an den Retinoid Rezeptor Subtypen RXRα, RXRβ und RXRγ kaum erforscht, obwohl RXR-Modulatoren, die eine Subtypen-Präferenz aufweisen, aufgrund der unterschiedlichen Expressionsmuster der Subtypen Gewebe-spezifische Effekte vermitteln und somit Nebenwirkungen verringern könnten. Der Grund dieser Forschungslücke liegt teilweise darin, dass die Entwicklung Subtypen-selektiver RXR-Agonisten aufgrund der enormen strukturellen Ähnlichkeit der Ligandbindestellen in den RXR-Subtypen - alle Aminosäuren, die die Bindungsstellen bilden sind identisch - als unerreichbar angesehen wurde. Die Entdeckung des Naturstoffs Valerensäure als RXR-Agonist mit ausgeprägter Präferenz für den RXRβ-Subtyp hat jedoch gezeigt, dass Subtypen-selektive RXR-Modulation möglich ist249 und SAR-Studien an unterschiedlichen RXR-Ligand-Chemotypen haben in der Folge bestätigt, dass die Entwicklung von RXR-Liganden mit Subtypen-Präferenz erreicht werden kann.
Auf der Basis von Valerensäure und der in früheren Arbeiten entwickelten RXR-Agonisten wurden in dieser Arbeit Strukturmodifikationen identifiziert, die zu einer RXR-Subtypen-Präferenz beitragen. Durch die Verschmelzung dieser Strukturelemente ist es gelungen, einen neuen RXR-Agonist-Chemotyp (A) zu entwerfen, der durch strategische Methylierung und weitere Strukturmodifikationen zur Präferenz für jeden Subtyp optimiert werden konnte.
In einem Adipozyten-Differenzierungsexperiment konnte gezeigt werden, dass RXRα der wichtigste Heterodimer-Partner von PPARγ während der Adipogenese ist. Ferner unterstrich diese biologische Untersuchung das Potenzial von 99, 103 und 105 als Subtyp-präferentielle RXR-Agonisten in vitro Experimenten zu dienen.
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde eine mögliche Rolle von Acrylsäurepartialstrukturen natürlicher RXR-Liganden basierend auf dem zuvor entwickelten Chemotyp untersucht. Hierzu wurden das α-Methylacrylsäuremotiv des Naturstoffs Valerensäure (18) und das β-Methylacrylsäuremotiv des endogenen RXR-Agonisten 9-cis-Retinsäure in den Chemotyp A integriert (Chemotyp B), um die Rolle dieser Acrylsäuregruppen bei der Vermittlung der RXR-Subtypen-Selektivität zu untersuchen. Die Strukturmodifikationen an B zeigten, dass nur die α-Methyl-substituierte Acrylsäurekette toleriert bzw. von RXRβ präferiert wurde, was die RXR-Präferenz der Valerensäure (18) unterstützte.
In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass RXR-Liganden mit Subtypen-Präferenz realisierbar sind und durch gezielte Strukturmodifikationen in ihrer Präferenz gesteuert werden können. Die Erkenntnisse zu den Struktur-Wirkungs-Beziehungen der neuen RXR-Agonist-Chemotypen A und B erweitern den Wissenstand über die strukturellen Voraussetzungen von RXR-Liganden für die Subtypen-Präferenz deutlich.