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In der organischen Elektronik werden Moleküle mit konjugierten pi-Elektronensystemen als Halbleiter und Lichtemitter eingesetzt. Für die Fabrikation fortschrittlicher elektronischer Bauelemente, wie z. B.organischer Leuchtdioden, werden Materialien mit besonderen optoelektronischen Eigenschaften benötigt.Die Stoffklasse der Arylamine ist für den Transport positiver Ladungen etabliert, da die exozyklischen Stickstoffatome Elektronenlöcher mesomer zu stabilisieren vermögen. Komplementär dazu sind auch Materialien für den Transport negativer Ladungen in der organischen Elektronik unverzichtbar. Zu diesem Zweck sollten borhaltige Verbindungen ideal geeignet sein, da das Element Bor weniger Valenzelektronen als Kohlenstoff besitzt und Arylborane daher im Vergleich zu den entsprechenden Kohlenwasserstoffen eine geringere Elektronendichte aufweisen. Als Halbleitermaterialien sind Arylborane jedoch nicht so weit verbreitet wie Arylamine, da die Instabilität vieler Vertreter gegenüber Luft und Feuchtigkeit sowie der Mangel an effizienten Synthesemethoden ihre Anwendung verzögert haben. Um geeignete organische Elektronenleiter bereitzustellen, ist die Entwicklung stabiler, pi-konjugierter Borane erstrebenswert. Ansatzpunkte für diese Arbeit waren Erkenntnisse aus der vorangegangenen Masterarbeit, sowie Beispiele für hydrolysestabile Arylborane, welche in der jüngeren Vergangenheit von M. Wagner et al. Und S. Yamaguchi et al. veröffentlicht wurden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit gelang die Entwicklung einer modularen Synthesestrategie, die einen vielseitigen Zugang zur Stoffklasse der borhaltigen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs) ermöglicht: Ausgehend von einem gut verfügbaren siliziumhaltigen Startmaterial und diversen, zum Großteil kommerziell erhältlichen, Carbonylverbindungen wurden mehr als zwanzig verschiedene Triarylborane dargestellt. Dabei wurde eine Auswahl spezieller Reaktionstypen nach den jeweiligen Erfordernissen in geeigneter Weise miteinander kombiniert. Zu diesen gehörte die Peterson-Olefinierung zum Aufbau drei- und vierfach substituierter Alkene, die Photozyklisierung der resultierenden Stilben-artigen Verbindungen, eine Ru(II)-katalysierte Reaktion zur Benzanellierung und der Silizium/Bor Austausch mittels BBr3. An wichtigen Zwischenprodukten wurden Reaktivitätsstudien durchgeführt, um die Anwendungsmöglichkeiten und Einschränkungen dieser Synthesestrategie zu ergründen. Um die Stabilität der Produkte gegenüber Luft und Feuchtigkeit zu gewährleisten, wurden die reaktiven Borzentren in bewährter Weise durch Einführung eines sterisch anspruchsvollen Mesitylsubstituenten kinetisch abgeschirmt. Die überwiegende Zahl der synthetisierten borhaltigen PAKs erwies sich als absolut unempfindlich gegenüber Wasser und konnte mit den gängigen Methoden der organischen Chemie (z. B. Säulenchromatographie an Kieselgel) gereinigt werden. Als Alternative zur sterischen Abschirmung wurde der Einbau des Boratoms in ein starres Molekülgerüst an einem Ausführungsbeispiel verwirklicht. Diese zweite Möglichkeit der Stabilisierung stellte sich in Bezug auf die Eigenschaften des Produkts als vergleichbar heraus, erforderte aber einen größeren synthetischen Aufwand und lieferte eine geringere Ausbeute über die gesamte Reaktionssequenz. Die in dieser Arbeit dargestellten borhaltigen PAKs wurden mittels Röntgenkristallographie umfassend strukturell charakterisiert. Die intensiv genutzten Methoden Cyclovoltammetrie, UV/vis- und Fluoreszenzspektroskopie gewährten zusätzlich einen detaillierten Einblick in ihre elektronischen Strukturen. Die Synthese und systematische Variation der Moleküle führten zu neuen Erkenntnissen über grundlegende Struktur-Eigenschafts-Beziehungen. Insbesondere zeigten diese Vergleiche, dass in ladungsneutralen Triarylboranen keine Delokalisation der pi-Elektronen über das leere p-Orbital eines Boratoms stattfindet. Von entscheidender Bedeutung für die elektronische Struktur borhaltiger PAKs ist das Gerüst aus sp2-hybridisierten Kohlenstoffatomen: Wenn mindestens zwei der Arylsubstituenten am Boratom zu einem gemeinsamen Gefüge verbrückt sind, zeigen diese Verbindungen elektronische Übergänge im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums und in den meisten Fällen auch eine intensive Fluoreszenz. Des Weiteren besitzen diese borhaltigen PAKs eine hohe Elektronenaffinität und lassen sich elektrochemisch reversibel reduzieren. Damit erfüllen sie bedeutende Kriterien für eine mögliche Anwendung als Elektronenleiter. Von den Molekülen mit ausgedehntem pi-Elektronensystem ließen sich manche zusätzlich reversibel oxidieren und zeichnen sich daher durch eine außergewöhnlich hohe elektrochemische Stabilität aus. An Arylboranen, deren Farbe sich durch externe Stimuli verändern lässt, wurden grundlegende Untersuchungen im Kontext der molekularen Sensorik durchgeführt. Einige der synthetisierten Verbindungen ändern ihr Absorptions- und Emissionsspektrum bei Kontakt mit Fluorid-Ionen, bei Oxidation integrierter Schwefelatome durch ein Carbonsäureperoxid, bei elektrochemischer Reduktion oder in Abhängigkeit der Polarität ihrer Umgebung. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in vier Fachartikeln beschrieben und veröffentlicht (siehe Anhang). Sie können zu einem besseren Verständnis der elektronischen Eigenschaften borhaltiger PAKs beitragen und die Entwicklung neuer Halbleitermaterialien auf der Basis dieser Stoffklasse erleichtern.
In der vorliegenden Arbeit galt es, stabile, lumineszente, tetrakoordinierte Organoborane unter Verwendung eines Bor-funktionalisierten ditopen Grundbausteins und unterschiedlicher π- konjugierter Ligandensysteme zu synthetisieren. Die Bifunktionalität sollte die gleichzeitige Einführung von zwei Lewis-Basen erlauben, um eine mögliche elektronische Kommunikation oder einen Energietransfer zwischen den Chromophoren zu gewährleisten.
...
Zusammenfassend war es möglich unter Einsatz eines Bor-haltigen Grundsystems (DBA) durch die Variation der chelatisierenden bzw. verbrückenden π-konjugierten Liganden stabile und effiziente Fluorophore mit nützlichen optischen Eigenschaften zu realisieren.
Organische Verbindungen sind für den Einsatz in der Elektronik und Optoelektronik von großem Interesse, da ihre Eigenschaften durch Derivatisierung gezielt verändert werden können. Eine vielversprechende Strategie ist hierbei der Einbau von Hauptgruppenelementen (z.B. Boratomen) in die Kohlenstoffgerüste.
Bislang fehlte jedoch ein detaillierter Vergleich der optischen und elektronischen Eigenschaften einer umfassend charakterisierten Kohlenwasserstoffspezies mit denen einer isostrukturellen Bor-dotierten Verbindung. In unserer Gruppe wird 9,10-Dihydro-9,10-diboraanthracen (DBA) als Bor-haltiger Baustein zum Aufbau lumineszierender Polymere genutzt. Das isostrukturelle Kohlenstoffanalogon zum DBA-Fragment stellt hierbei das Anthracen-Gerüst dar. Vor diesem Hintergrund wurden in dieser Arbeit die elektronischen, strukturellen und optischen Eigenschaften des DBA-Derivats 30 und des Anthracen-Derivats 31 umfassend untersucht und miteinander verglichen, wobei signifikante Unterschiede zwischen der Kohlenstoffverbindung 31 und dem Bor-dotierten Analogon 30 beobachtet wurden.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit stand die Untersuchung der Reaktivität von Chlorsilanen gegenüber Elektronenpaardonoren. Als Basis hierfür diente die Alkylamin-katalysierte (NMe3, NMe2Et, NEt3) quantitative Disproportionierung von Si2Cl6 bzw. Si3Cl8 zum Neopentasilan 3 und SiCl4 (T ≤ RT, Schema 40). Obwohl diese Reaktion bereits seit über 60 Jahren bekannt ist, sind für ihren Mechanismus nur Vermutungen aufgestellt worden. In Kooperation mit der Gruppe um M. Holthausen ist es hier gelungen, das SiCl2-Amin-Addukt 57 als entscheidende Zwischenstufe zu identifizieren (1H29Si-HMBC-NMR-Experiment sowie DFT-Rechnungen). Si(SiCl3)4, die thermodynamische Senke des Systems, entsteht durch anschließende Insertion des Dichlorsilylens in Si−Cl-Bindungen – bevorzugt am höchst substituierten Si-Zentrum (es bilden sich keine linearen bzw. weniger verzweigten Oligosilane). Zudem lässt sich das koordinierte Amin vom SiCl2-Addukt wieder abspalten, was die Si(SiCl3)4-Synthese überhaupt erst ermöglicht. Dieses Verhalten unterscheidet sich grundlegend vom jenen literaturbekannter stabilisierter Chlorsilylene: hier bindet der Donor so stark an das Si-Atom, dass er den ambiphilen Charakter des Silylens zugunsten der Lewis-basischen Funktion einschränkt. Daher kann man mit diesen Addukten auch keine Oligosilane aufbauen, die mittlerweile auch das Interesse der chemischen Industrie erweckt haben...
Synthese, Reaktivität und strukturelle Vielfalt im Festkörper von Ferrocenylboranen und -boraten
(2013)
Übergeordnetes Ziel der Arbeit war die Synthese von Molekülen, die zur gezielten Funktionalisierung von Oberflächen dienen sollten. Dazu mussten jeweils Synthesewege inklusive geeigneter Schutzgruppenchemie sowie Reinigungsstrategien entwickelt werden. Im Rahmen dieser Zielsetzung wurde zunächst eine Anlage zur Gradientensublimation aufgebaut, mit der sich die Substanzen in sehr hoher Reinheit erhalten ließen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit der Entwicklung, Synthese und
Charakterisierung neuartiger redoxaktiver Liganden und deren Metallkomplexen. Basierend
auf dem para- und ortho-Hydrochinon / Benzochinon-Redoxsystem wurden 13 neue
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden (28 – 36 und 67 – 70; Schema 47) synthetisiert und
vollständig charakterisiert. Ein Schwerpunkt lag auf der Einführung von Substituenten am
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donor, um deren Einfluss auf das N,N′-Koordinationsverhalten
gegenüber Metallionen zu untersuchen. In Analogie zu den klassichen Skorpionaten sind
Substituenten in Position 3 der Pyrazolringe in der Lage, koordinativ ungesättigte
Metallzentren kinetisch zu stabilisieren, was für potentielle Anwendungen in der Katalyse
essentiell ist. Bei den ortho-chinoiden Liganden (67 – 70; Schema 47) erfüllt die redoxaktive
Gruppe eine zweite Funktion, nämlich als Chelatdonor gegenüber Metallzentren, was die
Synthese und Untersuchung (hetero-)dinuklearer Komplexe erlaubt.
Schema 47: In dieser Arbeit synthetisierte und charakterisierte redoxaktive Bis(pyrazol-1-yl)methan-
Liganden.
Die kristallographische Charakterisierung von 10 dieser Liganden (28 – 33, 67 – 70) zeigte
größtenteils sehr ähnliche strukturelle Parameter. Ein steigender sterischer Anspruch der
Substituenten am Bis(pyrazol-1-yl)methan führte zu einer leichten Streckung der
Chinon–Bis(pyrazol-1-yl)methan-Bindung und zu kurzen Kontakten zwischen Substituenten
am zentralen Methin-Kohlenstoffatom und den ipso- (HQ-C1) bzw. ortho-Kohlenstoffatomen
(HQ-C2) am sechsgliedrigen Ring. Diese kurzen Kontakte spielten in der oxidativen
Demethylierung von 32 eine Rolle. Während alle anderen para-chinoiden Liganden mit
Cerammoniumnitrat (CAN) zu den erwarteten para-Benzochinon-Derivaten reagierten
(Schema 48), wurde im Zuge der Oxidation von 32 ein zusätzliches Sauerstoffatom am
sechsgliedrigen Ring eingeführt (47; Schema 48). Im Gegenzug wurde die sterisch am
stärksten abgeschirmte Methoxygruppe nicht oxidativ demethyliert. Letztendlich konnte
gezeigt werden, dass (i) das neu eingeführte Sauerstoffatom von atmosphärischem Sauerstoff
stammt und (ii) alle fünf Methylgruppen und beide Methoxygruppen in 32 für die Oxidation
essentiell sind.
Zusammenfassung
72
Schema 48: Oxidation der para-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden mit CAN.
Die Cyclovoltammogramme der ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden
(untersucht am Beispiel von 67, 68 und 70) zeigten irreversible Redoxwellen, da im Zuge der
Oxidation OH-Protonen abgespalten wurden; die Redoxpotentiale liegen in einem mit
chemischen Oxidationsmitteln gut zugänglichen Bereich. 70 wurde von CAN erfolgreich
oxidiert, das Produkt 71 zersetzte sich unter den Reaktionsbedingungen allerdings sehr
schnell und konnte nicht isoliert, sondern lediglich als Additionsprodukt von 4-tert-
Butylpyridin abgefangen werden. Unter optimierten Reaktionsbedingungen und mit DDQ als
Oxidationsmittel ließen sich 70 und 68 in ihre oxidierte Form überführen und in Reinform
gewinnen. Die für ortho-Benzochinone typische Neigung zur Zersetzung wurde auch bei 71
und 73 beobachtet, wobei letzteres sich wesentlich schneller zersetzte (innerhalb von
Stunden) als 71 (innerhalb eines Tages).
Abb. 36: N,N′-Cobalt- und Palladium-Komplexe 59, 60, 74 und 75.
Die Koordinationschemie repräsentativer Vertreter der 13 redoxaktiven Bis(pyrazol-1-
yl)methan-Liganden wurde untersucht. Bereits der sterisch nur mäßig anspruchsvolle parachinoide
Ligand 29 ist in der Lage, koordinativ ungesättigte CoII-Ionen kinetisch gegenüber
der Bildung von 1:2 Komplexen zu stabilisieren. Im Festkörper liegen ausschließlich
Verbindungen mit einer 1:1 Zusammensetzung von Ligand zu CoII vor (59 und 60; Abb. 36).
In Lösung scheinen hingegen Gleichgewichte zu existieren, in denen auch die koordinativ
abgesättigten oktaedrischen 2:1 Komplexe auftreten. Die ortho-chinoiden Liganden 67 und 68
bildeten selektiv entsprechende N,N′-koordinierte PdCl2-Komplexe, ohne dass das ortho-
Hydrochinonat (Catecholat) als konkurrierender O,O′-Donor wirkte (74 und 75).
Zusammenfassung
73
Es zeigte sich jedoch auch, dass sterisch sehr anspruchsvolle Substituenten am
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Fragment in Reaktionen mit Übergangsmetallen zu einer Zersetzung
des Ligandengerüsts führen können. So reagierte der para-chinoide tert-Butyl-substituierte
Ligand 31 mit [Co(NO3)2] zu [(HpztBu,H)2Co(NO3)2] (63). Eine analoge Zersetzung zu trans-
[(HpzR,H)2PdCl2] (76: R = Ph und 77: R = tBu) wurde nach der Reaktion der ortho-chinoiden
Liganden 69 bzw. 70 mit [PdCl2]-Quellen beobachtet.
Schema 49: Synthese von O,O′-Koordinationskomplexen der ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-
yl)methan-Liganden 68, 69 und 70.
Die ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden (67 – 70) besitzen mit ihrem
Catecholat-O,O′-Donor eine zweite Koordinationsstelle, was diese Liganden für die Synthese
von dinuklearen Komplexen interessant macht. Da gezeigt werden konnte, dass [PdCl2]
selektiv an den Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donor koordiniert (vgl. 59, 60, 74 und 75; Abb. 36),
galt es als nächstes zu evaluieren, ob eine ähnlich selektive Bindung anderer Metallionen an
den O,O′-Donor möglich ist.
Abb. 37: Molekulare Strukturen ausgewählter O,O′-Koordinationskomplexe ortho-chinoider
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Komplexe 82 (links), 83 (Mitte) und 85 (rechts).
In der Tat konnten in sehr guten Ausbeuten O,O′-gebundene [(p-cym)Ru]-, [(Phpy)2Ir]-
und [(Cp*)Ir]-Komplexe ausgewählter redoxaktiver ortho-chinoider Liganden dargestellt
werden. Vorteilhaft war die Verwendung der kristallinen, nicht-flüchtigen Base TlOtBu zum
Abfangen der im Zuge der Komplexierung freiwerdenden Protonen (Schema 49, Abb. 37).
Die Eliminierung von TlCl sorgt für eine irreversible Reaktion zu den entsprechenden
Zusammenfassung
74
Komplexen. Besonders interessant ist die Koordinationschemie des Liganden 68 im chiralen,
anionischen IrIII-Komplex 83 (Abb. 37 Mitte), der in der Synthese als Thallium-Salz anfiel
und im Festkörper TlI-verbrückte Dimere bildete.
Eine elektrochemische Charakterisierung wurde mit 85 durchgeführt. Wie erwartet, zeigte
der komplexierte Bis(dimethylpyrazol-1-yl)methan-Ligand im Gegensatz zu freiem 68 eine
reversible Oxidationswelle. Die Potentialdifferenz zwischen Liganden-Oxidation und Iridium-
Reduktion beträgt fast 2 V, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass sich 68 als
unschuldiger Ligand verhält und man Iridium zweifelsfrei die Oxidationsstufe +III zuweisen
kann. Mit Komplexen von 68 und leichter reduzierbaren Übergangsmetallen sollte es
hingegen möglich sein, in den Bereich des nicht-unschuldigen Verhaltens vorzudringen und
z.B. Valenz-Tautomerie zu beobachten.
Mit effizienten Synthesewegen zu N,N′-Komplexen einerseits (74 und 75; Abb. 36) und
O,O′-Komplexen andererseits (u.a. 83 und 85; Abb. 37) wurde als nächstes ein heterodinuklearer
Komplex synthetisiert (87; Schema 50). 68 erwies sich als am besten geeigneter
Ligand, da er, wie bereits erwähnt, eine gute Löslichkeit bei moderatem sterischen Anspruch
besitzt und der N,N′-Donor auch in Gegenwart von Lewis-sauren Metallionen beständig ist.
Die Wannenform des Bis(pyrazol-1-yl)methan-PdII-Chelatrings in 87 bringt das Palladium-
Ion in räumliche Nähe zum ortho-Hydrochinonat π-System. In früheren Studien dieser
Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass ein solches Arrangement Elektronenübertragungen
zwischen dem Chinon und dem koordinierten Palladium-Zentrum erlaubt.
Durch die direkte konjugative Wechselwirkung des zweiten Metallzentrums (IrIII) mit der
redoxaktiven Gruppe über die Sauerstoffatome in 87 sollte eine effektive elektronische
Ligand ↔ Metall- und Metall ↔ Metall-Kommunikation möglich sein. Die elektrochemische
Charakterisierung zeigte allerdings, dass im vorliegenden Fall die Potentiale der drei
Komponenten Chinon / PdII / IrIII mit jeweils ca. einem Volt zu weit auseinander liegen.
Schema 50: Synthese eines hetero-dinuklearen IrIII/PdII-Komplexes.
Im letzten Teilgebiet dieser Arbeit wurde die Eignung der ortho-chinoiden Liganden 67
und 70 für den Aufbau höhermolekularer Koordinationsverbindungen und oligonuklearer
Aggregate untersucht.
Zusammenfassung
75
Schema 51: Synthese der oktaedrischen Komplexliganden 89 – 96.
Dafür wurden Komplexliganden synthetisiert, die aus einem Zentralmetall bestehen, das
oktaedrisch von je drei O,O′-koordinierenden Liganden 67 bzw. 70 umgeben ist (Schema 51).
Mit den freien Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donorgruppen vermag jeder dieser Komplexliganden
drei weitere Metallzentren zu koordinieren. Derartige Verbindungen könnten aufgrund ihrer
dreidimensionalen Struktur z.B. Anwendung im Aufbau von redoxaktiven metallorganischen
Netzwerken oder elektrisch leitfähigen Koordinationspolymeren finden. Als Zentralmetalle
dienten FeIII- und AlIII-Ionen; erstere, weil sie selbst redoxaktiv sind, und letztere, weil sie
eine im Vergleich zu FeIII ähnliche Koordinationschemie besitzen, aber wegen ihres
Diamagnetismus‘ eine NMR-spektroskopische Charakterisierung ermöglichen. Je nach
verwendeter Base wurden die dreifach anionischen Komplexliganden als Lithium- bzw.
Thallium-Salze isoliert. Die NMR-Spektren von 89, 90, 93 und 94 zeigten jeweils nur einen
Signalsatz, obwohl sich, bedingt durch die Asymmetrie des Liganden und die Chiralität des
oktaedrischen Metallzentrums, fac- und mer-Isomere bilden können. Es konnte nicht
abschließend geklärt werden, ob sich exklusiv das höhersymmetrische fac-Isomer bildet, oder
ob ein Mechanismus aktiv ist, der alle Isomere auf der NMR-Zeitskala schnell ineinander
überführt, sodass die Gegenwart lediglich einer Spezies vorgetäuscht wird. In
elektrochemischen Untersuchungen zeigten die Komplexliganden mehrere irreversible
Oxidationswellen. Ob dieses Verhalten auf eine intramolekulare Kommunikation der
einzelnen redoxaktiven Gruppen zurückzuführen ist, müssen weitergehende Studien zeigen.
Als prinzipieller Beleg für die präparative Anwendbarkeit der Komplexliganden und
Grundlage für die Untersuchung der Koordinationschemie der oktaedrischen
Komplexliganden, wurden PdII-Komplexe von 89 und 93 synthetisiert.
Lewis-azide Organoborverbindungen finden Verwendung als Anionensensoren und als (Co)katalysatoren in der Metallocen-vermittelten Olefinpolymerisation bzw. in elektrocyclischen Reaktionen. Mit Lewis-Basen, die sterisch anspruchsvolle Reste tragen, können sie keine stabilen Addukte ausbilden. Solche Systeme werden als „frustrierte Lewispaare“ (FLPs) bezeichnet. Diese zeigen eine besondere kooperative Reaktivität gegenüber kleinen Molekülen und haben sich insbesondere in der metallfreien Aktivierung molekularen Wasserstoffs bewährt. Ein Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer kostengünstigen, ungefährlichen und einfachen Synthese von (C6F5)2BH („Piers' Boran“). Dieses stark elektrophile Reagenz wird in der FLP-Chemie eingesetzt und monohydroboriert selektiv terminale C≡C-Funktionen. Die literaturbekannten Darstellungsmethoden dieses Borans sind präparativ aufwendig oder erfordern kostspielige Startmaterialien. Die Hydrid-Abstraktion aus dem [(C6F5)2BH2]−-Anion, welches aus einer Eintopfreaktion zwischen BH3·SMe2, C6F5MgBr und ClSiMe3 erhalten wurde und je nach Aufarbeitung in der Zusammensetzung [Mg2(Et2O)3Br2Cl][(C6F5)2BH2] bzw. [Mg(Et2O)2][(C6F5)2BH2]2 kristallisiert, bietet eine Methode zur insitu-Präparation von Piers' Boran. Es kann mit terminalen Alkinen als Monohydroborierungsprodukt oder mit Dimethylsulfid als Lewis-Säure-Base-Addukt abgefangen werden (Abbildung 1). Zusätzlich sind sowohl das Salz [Mg2(Et2O)3Br2Cl][(C6F5)2BH2] als auch das Addukt (C6F5)2BH·SMe2 geeignete Präkursoren für die literaturbekannten FLPs I und II...Mit dem Ziel der Synthese eines Methylen-verbrückten Boran-Phosphans zur H2-Aktivierung wurde der Borinsäureester (C6F5)2BOEt mit dem Lithiumorganyl LiCH2PtBu2 umgesetzt. Dies lieferte nicht die Zielverbindung (C6F5)2BCH2PtBu2, sondern in sehr selektiver Reaktion das bicyclische Phosphoniumborat (EtO)(C6F5)B(CH2)(C6F4)PtBu2 ((III)OEt), welches mit HCl quantitativ zum Chlorid-Addukt (III)Cl reagiert (Abbildung 2). Dadurch wird am (chiralen) Borzentrum eine bessere Abgangsgruppe eingeführt und die luftund wasserstabile Spezies (III)OEt aktiviert. Der Fluorierungsgrad in (III)Cl kann durch Austausch des exocyclischen C6F5-Restes gegen eine Phenylgruppe oder durch eine F/H- bzw. F/tBu-Substitution am verbrückenden C6F4-Ring variiert werden. Nach Ersatz einer tBu-Funktion am Phosphoratom gegen eine Methylgruppe wurde ein zweites Chiralitätszentrum in das Molekülgerüst des Phosphoniumborats eingeführt. Mit Silbersalzen schwach koordinierender Anionen (AgA) reagiert (III)Cl quantitativ zu den entsprechenden Addukten (III)A (A = Acetat, Trifluoracetat, Nitrat, Tosylat, Triflat). Ungeladene Donoren (Do) verdrängen den Triflat-Rest in (III)OTf und führen zu den Salzen [(III)Do]+[OTf]− (Do = OPEt3, Pyridin, H2O)...Das freie Boran [III]+ existiert nur in Gegenwart des sehr schwach koordinierenden Anions [Al[OC(CF3)3]4]–. Mit einer Gutmann-Akzeptornummer (AN) von AN = 87.3 ist es eine stärkere Lewis-Säure als die ungeladene Verbindung (C6F5)3B (AN = 80.0). Auch die – im Vergleich zu (C6F5)3B·Do – kürzeren B–O/N-Bindungslängen in [(III)Do][OTf] (Do = OPEt3, Pyridin, H2O) bestätigen diese Beobachtung. Sowohl die freie Lewis-Säure [III]+ als auch ihr Triflat-Addukt (III)OTf katalysieren die Diels-Alder-Reaktion zwischen Cyclopentadien und 2,5-Dimethyl-,4-benzochinon. Die Reaktion läuft in Gegenwart von [III]+ schneller ab als in Anwesenheit von (III)OTf. Dennoch hat das Triflat-Addukt gegenüber [III]+ den Vorteil, dass im Laufe der Cycloaddition keine konkurrierende Polymerisation des Cyclopentadiens auftritt.
Zusammenfassung der Dissertation "9,10-Dihydro-9,10-diboraanthracen: Ein neuartiges ditopes Hydroborierungsreagenz zum Aufbau photolumineszenter pi-konjugierter Organylborane" von Andreas Lorbach (2011) Borhaltige pi-konjugierte Verbindungen eignen sich u.a. als Chemosensoren zur Detektion von Lewis-Basen sowie als Materialien für optoelektronische Bauteile, wie z.B. organische Leuchtdioden. Vertreter dieser Substanzklasse sind Vinylborane, welche sich sehr effizient durch Addition von Hydroboranen an terminale Alkine erzeugen lassen. Diese Reaktivität nutzten Chujo et al. zum Aufbau pi-konjugierter Polymere, wobei sie Aryldiine mit sterisch anspruchsvollen Organylboranen RBH2 (R = 2,4,6-Trimethylphenyl; 2,4,6-Triisopropylphenyl; 1,1,2-Trimethylpropyl) umsetzten. Zur Detektion von Lewis-Basen sind sterisch weniger anspruchsvolle Substituenten R, die einen freien Zugang zum Boratom ermöglichen, von Vorteil. Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe haben jedoch gezeigt, dass sich die entsprechenden Organylborane RBH2 nicht als Hydroborierungsreagenzien eignen, da sie stattdessen unter Abspaltung von Diboran spontan zu Diorganylboranen kondensieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, dass sich diese unerwünschte Substituentenübertragung durch Einbindung des Borzentrums in ein cyclisches Molekülgerüst verhindern lässt und 9,10-Dihydro-9,10-diboraanthracen (1) somit ein isolierbares ditopes Hydroboran darstellt. Mittels eines in dieser Dissertation entwickelten dreistufigen Synthesewegs kann 1 in guten Ausbeuten aus 1,2-Dibrombenzol gewonnen werden. Im Festkörper bildet 1 eine polymere supramolekulare Struktur [1]n aus, in der die 9,10-Dihydro-9,10-diboraanthracen-Einheiten über 2-Elektronen-3-Zentren-BHB-Bindungen miteinander verknüpft sind. Durch Umsetzung von schwerlöslichem [1]n mit Dimethylsulfid lässt sich das supramolekulare Aggregat aufbrechen und man erhält das lösliche Addukt 1(Me2S)2, das als kristallines Material in hoher Reinheit isoliert werden kann. Bei 1(Me2S)2 handelt es sich um ein hervorragendes Hydroborierungsreagenz, welches bei Raumtemperatur mit terminalen Alkinen zu den entsprechenden Vinylboranen reagiert. Aus 1 lassen sich mit Diethinylarenen außerdem lumineszente pi-konjugierte Hydroborierungspolymere erzeugen. Die Umsetzung mit bidentaten Lewis-Basen, wie z.B. Pyridazin, führt zu sehr stabilen symmetrischen Addukten, in denen die Base die beiden aziden Borzentren des Diboraanthracens verbrückt. Um einen Einblick in die elektronischen Eigenschaften des 9,10-Dihydro-9,10-diboraanthracens (1) zu erhalten, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit das zu Anthracen isoelektronische dianionische Diborataanthracen ([1]2-) isoliert und hinsichtlich seiner Festkörperstruktur und Reaktivität untersucht.