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‘The whole is more than the sum of its parts.’ This idea has been brought forward by psychologists such as Max Wertheimer who formulated Gestalt laws that describe our perception. One law is that of collinearity: elements that correspond in their local orientation to their global axis of alignment form a collinear line, compared to a noncollinear line where local and global orientations are orthogonal. Psychophysical studies revealed a perceptual advantage for collinear over non-collinear stimulus context. It was suggested that this behavioral finding could be related to underlying neuronal mechanisms already in the primary visual cortex (V1). Studies have shown that neurons in V1 are linked according to a common fate: cells responding to collinearly aligned contours are predominantly interconnected by anisotropic long-range lateral connections. In the cat, the same holds true for visual interhemispheric connections. In the present study we aimed to test how the perceptual advantage of a collinear line is reflected in the anatomical properties within or between the two primary visual cortices. We applied two neurophysiological methods, electrode and optical recording, and reversibly deactivated the topographically corresponding contralateral region by cooling in eight anesthetized cats. In electrophysiology experiments our results revealed that influences by stimulus context significantly depend on a unit’s orientation preference. Vertical preferring units had on average a higher spike rate for collinear over non-collinear context. Horizontal preferring units showed the opposite result. Optical imaging experiments confirmed these findings for cortical areas assigned to vertical orientation preference. Further, when deactivating the contralateral region the spike rate for horizontal preferring units in the intact hemisphere significantly decreased in response to a collinear stimulus context. Most of the optical imaging experiments revealed a decrease in cortical activity in response to either stimulus context crossing the vertical midline. In conclusion, our results support the notion that modulating influences from stimulus context can be quite variable. We suggest that the kind of influence may depend on a cell’s orientation preference. The perceptual advantage of a collinear line as one of the Gestalt laws proposes is not uniformly represented in the activity of individual cells in V1. However, it is likely that the combined activity of many V1 neurons serves to activate neurons further up the processing stream which eventually leads to the perceptual phenomenon.
Der Begriff psychologische Akkulturation beschreibt jene Veränderungen, die infolge des dauerhaften Aufeinandertreffens verschiedener kultureller Gruppen auf individueller Ebene zu beobachten sind (Berry, 1997). Die vorliegende Arbeit umfasst drei Publikationen, die sich mit Akkulturationsprozessen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland befassen. Zunächst wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zur Situation junger Migranten in Deutschland vorgelegt. An zentraler Stelle steht dabei die Frage, wie die Migrationsgeschichte und Immigrationspolitik Deutschlands sowie die öffentliche Einstellung gegenüber Migranten die transkulturelle Adaptation von Kindern und Jugendlichen nicht-deutscher ethno-kultureller Herkunft beeinflussen. Bereits bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse werden verknüpft mit den Ergebnissen neuerer empirischer Studien um zu einem tieferen Verständnis der Ursachen für die vielfach berichteten problematischen Verläufe psychologischer und soziokultureller Adaptation von Migranten beizutragen. Neben anderen Risiken und protektiven Faktoren wird diskutiert, wie sich Besonderheiten Deutschlands als Aufnahmeland, wie z.B. die Eigenarten des Schulsystems, auf Adaptationsverläufe auswirken können. Unsere eigenen Studien tragen zum Verständnis der Anpassungsprozesse junger Migranten bei, indem sie aufzeigen, dass nicht die Akkulturationsstrategie der Integration, sondern speziell die Orientierung an der deutschen Kultur bei Individuen zu den günstigsten psychologischen und soziokulturellen Ergebnissen zu führen scheint. Im Rahmen dieser Arbeit wird weiterhin ein empirischer und methodologischer Beitrag zur Akkulturationsforschung geleistet, indem ein Messinstrument zur Erfassung psychologischer Akkulturation bei Kindern im deutschen Sprachraum – die Frankfurter Akkulturationsskala für Kinder (FRAKK-K)– entwickelt, validiert und schließlich anhand einer Fragestellung praktisch angewandt wird. Die Skalenentwicklung und –optimierung erfolgte auf der Grundlage von zwei Studien, welche Daten von 387 Grundschülern aus zwei städtischen Regionen in Deutschland umfassen (Frankenberg & Bongard, 2013). Die Ergebnisse konfirmatorischer Faktorenanalysen sprechen für zwei Faktoren, Orientierung an der Aufnahmekultur und Orientierung an der Herkunftskultur, die jeweils mittels 6 Items erfasst werden. Beide Subskalen weisen eine zufriedenstellende interne Reliabilität und Kriteriumsvalidität auf und lassen sich zwecks Erfassung der Akkulturationsstrategie kombinieren (i.e. Assimilation, Integration, Separation und Marginalisierung). In einer ersten praktischen Anwendung der Skala wird der Frage nachgegangen, inwiefern erweiterter Musikunterricht und Orchesterspiel in der Grundschule über verstärkte Gruppenkohäsion zur Förderung kultureller Integration beitragen können.
Grundschüler, die in einem Orchester gespielt haben, zeigen über einen Zeitraum von 1,5 Jahren einen stärkeren Anstieg der Orientierung an der deutschen Kultur als Schüler, die keinen erweiterten Musikunterricht erhielten. Musikschüler fühlen sich außerdem stärker in die Klassengemeinschaft integriert. Dies deutet darauf hin, dass die Erfahrung der Zusammenarbeit und des Musizierens innerhalb einer Gruppengemeinschaft zu einer stärkeren Orientierung an der deutschen Kultur geführt hat. Die Orientierung an der Herkunftskultur blieb unbeeinflusst. Somit können Programme, die jungen Migranten die Gelegenheit bieten Musik innerhalb einer größeren, kulturell heterogenen Gruppe aufzuführen, als eine effektive Intervention zur Förderung der kulturellen Anpassung an die Mehrheitskultur und der Integration innerhalb – und außerhalb – des Klassenzimmers führen.
Abschließend werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zu neueren Akkulturationsmodellen sowie zu der Terminologie und den methodischen Herausforderungen des Forschungsfeldes in Beziehung gesetzt und kritisch reflektiert. Daraus abgeleitet werden Implikationen für zukünftige Interventionen und Forschung diskutiert.
Thema der vorliegenden Dissertation sind Einflussfaktoren und individuelle Unterschiede im akademische Selbstkonzept von Grundschülern. Das erste Kapitel thematisiert die Bestimmung des Selbstkonzepts, gibt einen Überblick über die theoretischen Wurzeln und beleuchtet unterschiedliche Selbstkonzeptmodelle. Das zweite Kapitel geht auf die Selbstkonzeptentwicklung ein und hebt dabei insbesondere das Internal/External-Frame-of-Reference Modell (I/E-Modell; Marsh, 1986) hervor, welches das Zusammenwirken von externalen (sozialen) und internalen (dimensionalen) Vergleichsprozessen bei der Selbsteinschätzung beschreibt. Auf Basis des I/E-Models werden in Studie 1 das akademische Selbstkonzept und die Schulleistung von Schülern der 1. bis 3. Klassenstufe miteinander in Beziehung gesetzt. Im Zentrum steht dabei die Frage, ab welcher Klassenstufe dimensionale Kontrasteffekte auftreten und welchen Einfluss die Lese-, Rechtschreib- und Mathematikleistung auf die korrespondierenden und nicht korrespondierenden Selbstkonzeptfaktoren haben. Es zeigen sich signifikant negative Pfade von der mathematischen Leistung auf das verbale Selbstkonzept und negative Pfade von der Leseleistung auf das mathematische Selbstkonzept ab der 3. Klasse. Ein Kontrasteffekt innerhalb der verbalen Domäne (Lesen und Schreiben) kann hingegen bei keiner der untersuchten Klassenstufen aufgezeigt werden.
Die zweite und dritte empirische Studie fokussieren mögliche Gruppenunterschiede im akademischen Selbstkonzept anhand bestimmter Schülermerkmale. In Studie 2 wird dabei geprüft, ob sich zwischen Jungen und Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund Unterschiede im verbalen und mathematischen Selbstkonzept finden lassen. Kinder mit Migrationshintergrund zeigen trotz schlechterer schulischer Leistungen im Lesen und in Mathematik in diesen Bereichen ein höheres Selbstkonzept als Kinder ohne Migrationshintergrund.
Auch findet sich bereits in der ersten Klasse unter Jungen ein optimistischeres mathematisches und unter Mädchen ein optimistischeres verbales Selbstkonzept. Dies spiegelt sich auch in den tatsächlichen Leistungen der Kinder sowie den Lehrereinschätzungen wider. In Studie 3 wird geprüft, ob Kinder mit ADHS-Symptomen ein positiv illusorisches akademisches Selbstkonzept (Positive Illusory Bias, Hoza et al., 2002) haben. Es zeigt sich, dass zwar Kinder mit ADHS-Symptomen im Vergleich zu Kindern ohne ADHS-Symptome ihre Leistungen deutlich stärker überschätzen, allerdings nur, wenn keine Kontrolle des Schulleistungsniveaus erfolgt. Zudem schätzen sich Kinder mit ADHS-Symptomen in dem Leistungsbereich am besten ein, in dem sie auch am besten abschneiden. Der Positive Illusory Bias scheint also nicht spezifisch für die ADHS zu sein.
Die Adoleszenz, d.h. die Reifungsphase des Jugendlichen zum Erwachsenen, stellt einen zentralen Abschnitt in der menschlichen Entwicklung dar, der mit tief greifenden emotionalen und kognitiven Veränderungen verbunden ist. Neure Studien (Bunge et al., 2002; Durston et al., 2002; Casey et al., 2005; Crone et al., 2006; Bunge and Wright, 2007) machen deutlich, dass sich die funktionelle Architektur des Gehirns während der Adoleszenz grundlegend verändert und dass diese Veränderungen mit der Reifung höherer kognitiven Funktionen in der Adoleszenz assoziiert sein könnten. Messungen des Gehirn-Volumens mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) zum Beispiel zeigen eine nicht-lineare Reduktion der grauen und eine Zunahme der weißen Substanz während der Adoleszenz (Giedd et al., 1999; Sowell et al., 1999, 2003). Des weiteren treten in dieser Zeit Veränderungen in exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmitter-Systemen auf (Tseng and O’Donnell, 2005; Hashimoto et al., 2009). Zusammen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass während der Adoleszenz ein Umbau der kortikalen Netzwerke stattfindet, der wichtige Konsequenzen für die Reifung neuronaler Oszillationen haben könnte. Im Anschluss an eine Einführung im Kapitel 2, fasst Kapitel 3 der vorliegenden Dissertation die Vorbefunde bezüglich entwicklungsbedingter Veränderungen in der Amplitude, Frequenz und Synchronisation neuronaler Oszillationen zusammen und diskutiert den Zusammenhang zwischen der Entwicklung neuronaler Oszillationen und der Reifung höhere kognitiver Funktionen während der Adoleszenz. Ebenso werden die anatomischen und physiologischen Mechanismen, die diesen Veränderungen möglicherweise zu Grunde liegen könnten, theoretisch vorgestellt. Die in Kapitel 4-6 vorgestellten eigenen empirischen Arbeiten untersuchen neuronale Oszillationen mit Hilfe der Magnetoencephalographie (MEG), um die Frequenzbänder und die funktionellen Netzwerke zu charakterisieren, die mit höheren kognitiven Prozessen und deren Entwicklung in der Adoleszenz assoziiert sind. Hierzu wurden drei Experimente durchgeführt, bei denen MEG-Aktivität während der Bearbeitung einer Arbeitsgedächtnisaufgabe und im Ruhezustand aufgezeichnet wurde. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigen, dass Alpha Oszillationen und Gamma-Band Aktivität sowohl task-abhängig als auch im Ruhezustand gemeinsam auftreten. Darüber hinaus ergänzen die vorliegenden Untersuchungen Vorarbeiten, indem sie eine Wechselwirkung zwischen beiden Frequenzbändern aufgezeigt wird, die als ein Mechanismus für das gezielte Weiterleiten von Informationen dienen könnte. Die in Kapitel 6 vorgestellten Entwicklungsdaten weisen weiterhin darauf, dass in der Adoleszenz späte Veränderungen im Alpha und Gamma-Band stattfinden und dass diese Veränderungen involviert sind in die Entwicklung der Arbeitsgedächtnis-Kapazität und die Entwicklung der Fähigkeit, Distraktoren zu inhibieren. Abschliessend werden in Kapitel 7, die in dieser Dissertation vorgestellten Arbeiten, aus einer übergeordneten Perspektive im Gesamtzusammenhang diskutiert.
Unterschiede im Denken und Verhalten zwischen Menschen empirisch zu ermitteln, hat eine lange Tradition in der Differentiellen Psychologie. Forscher dieses Fachgebiets entwickeln spezielle Tests, um Personen hinsichtlich bestimmter psychologischer Merkmale zu klassifizieren. Bekannte Bespiele hierfür sind Intelligenztests, die oft zum Einsatz kommen, um z.B. passende Mitarbeiter für bestimmte Positionen zu selektieren. Dieser differenzielle Ansatz wurde bisher im Bereich der Erforschung neuronaler Grundlagen der Wahrnehmung weitgehend ignoriert. Interindividuelle Unterschiede zwischen Personen wurden meist als Messfehler eingestuft und durch Mittelungsverfahren über die Gruppe herausgerechnet (Kanai and Rees, 2011). Neuere Ergebnisse zeigen jedoch, dass hirnstrukturelle Unterschiede zwischen Personen Unterschiede im Verhalten erklären können (siehe Kanai and Rees, 2011; Kleinschmidt et al., 2012 für einen Überblick). Dieser Ansatz wird mit den hier vorgestellten Studien weiter ausgebaut. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob Unterschiede in der Hirnanatomie im Menschen dessen Individualität in der bewussten visuellen Wahrnehmung vorhersagen kann. Insbesondere wird untersucht, inwieweit die Integrationsleistung zwischen den Hirnhälften von spezifischen transkallosalen Faserverbindungen abhängt. Des Weiteren wird überprüft, ob die Größe der frühen visuellen Areale einen Einfluss auf die Reizverarbeitung innerhalb der Hirnhälfte hat. Als Paradigmen verwendeten wir in allen Studien mehrdeutige visuelle Reize. Das besondere an diesen Reizen ist, dass deren Interpretation trotz gleichbleibender physikalischer Darbietung ständig wechselt. Dadurch können Hirnprozesse sichtbar gemacht werden, die unabhängig vom visuellen Reiz mit der bewussten Wahrnehmung einhergehen. Zudem werden die Wechsel zwar von allen Versuchspersonen empfunden, es gibt aber diesbezüglich große Unterschiede zwischen den Beobachtern.
In Kapitel 2 wurden Reize verwendet, die eine Scheinbewegung verursachen (Wertheimer, 1912). Ein passendes Beispiel für dieses Phänomen ist das Daumenkino, bei dem durch die schnelle Abfolge von Standbildern der Eindruck einer Bewegung entsteht. Wir verwendeten in unserer Studie eine spezielle Form der Scheinbewegung, das „Motion Quartet“ (Neuhaus, 1930; Chaudhuri and Glaser, 1991). Bei dieser Form löst die rechteckige Anordnung vierer weißer Quadrate den Eindruck von Bewegung aus. Die Anordnung besteht aus zwei alternierenden Bildern mit jeweils zwei Paaren von diagonal gegenüberliegenden Quadraten (oben links und unten rechts vs. oben rechts und unten links). Die Beobachter sehen entweder eine waagrechte oder eine senkrechte Bewegung. Interessanterweise weiß man aus früheren Studien, dass meistens vertikale Bewegungen wahrgenommen werden, wenn der Abstand zwischen den vier Quadraten gleich ist und die Beobachter den Mittelpunkt des Quartetts fixieren (Chaudhuri and Glaser, 1991). Aufgrund der Organisation des visuellen Systems muss die Sehinformation für waagrecht erscheinende Bewegung über beide Hirnhälften integriert werden, während die senkrecht erscheinende Bewegung nur von einer Hemisphäre verarbeitet wird. Das Quartett erzeugt deshalb in erster Linie senkrechte Bewegung, denn die Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften braucht länger oder ist aufwändiger als die innerhalb einer Hemisphäre. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen Versuchspersonen, welche Bewegungsrichtung wahrgenommen wird. Chaudhuri und Kollegen hatten bereits zuvor gezeigt, dass jeder Teilnehmer einen individuellen Gleichgewichtspunkt (parity ratio) hat, an dem er beide Bewegungsrichtungen gleich oft wahrnimmt. Dieser Gleichgewichtspunkt spiegelt wieder, wie gut jemand die Informationen aus beiden Hirnhälften integrieren kann. Bei den meisten Teilnehmern muss der waagrechte Abstand kleiner sein als der senkrechte, nur dann ist die Wahrnehmung sowohl waagrechter als auch senkrechter Bewegung ausgeglichen. Unsere Ergebnisse in Kapitel 2 bestätigen die Befunde von Chaudhuri und Glaser (1991) indem sie zeigen, dass der Gleichgewichtspunkt stark zwischen Versuchspersonen variiert. Darüberhinaus zeigen unsere Ergebnisse, dass der individuelle Gleichgewichtspunkt über Monate stabil und damit eine konstante Eigenschaft von Personen ist. Zudem sprechen unsere Befunde dafür, dass der Gleichgewichtspunkt eng mit der Struktur bestimmter Faserverbindungen zusammenhängt. Wie bisherige Studien gezeigt haben, sind jene visuelle Areale, die Bewegung verarbeiten (hMT/V5), hauptsächlich für die Verarbeitung von Scheinbewegung zuständig (Sterzer et al., 2002; Sterzer et al., 2003: Sterzer and Kleinschmidt, 2005; Rose and Büchel, 2005). In unserer Untersuchung fanden wir, dass der geschätzte Durchmesser der Faserverbindungen im Corpus Callosum von eben diesen Regionen den individuellen Gleichgewichtspunkt vorhersagen konnte. Dieser Zusammenhang scheint auf die Bewegungszentren des Sehsystems begrenzt zu sein. Benachbarte kallosale Faserbündel des Sehsystems, die andere visuelle Gebiete miteinander verbinden, sind nicht mit dem Gleichgewichtspunkt assoziiert.
In Kapitel 3 und 4 verwendeten wir einen weiteren mehrdeutigen Stimulus. Hier wurden die Messungen mit dem Phänomen der „Binokularen Rivalität“ (engl. „Binocular Rivalry“) durchgeführt. Dabei werden den beiden Augen sehr unterschiedliche Bilder dargeboten, von denen zu jedem Zeitpunkt nur eine Interpretation bewusst wahrgenommen werden kann. Bei einer bestimmten Variation der Binokularen Rivalität wird die Präsentation der Reize so kontrolliert, dass sich die Änderung des subjektiven Erlebens von einem Bild zum anderen wellenartig ausbreitet (Wilson et al., 2001). Wilson (2001) und Kollegen zeigten bereits in ihrer Studie, dass es bei der Übertragung der Wanderwelle zwischen den Hirnhälften zu einer Verzögerung kommt. Unsere Ergebnisse in Kapitel 3 bestätigen diese Befunde und zeigen zusätzlich, dass diese Verzögerung stark zwischen Beobachtern variiert. Ähnlich wie für den Gleichgewichtspunkt von Kapitel 2 fanden wir auch für diese Verzögerung eine hohe zeitliche Stabilität. Es wurde bereits in vorherigen Studien gezeigt, dass die Ausbreitung der Wanderwelle eng mit der Aktivität im primären visuellen Kortex zusammenhängt (Lee et al., 2005, 2007). Unsere Ergebnisse in Kapitel 3 zeigen, dass die Varianz zwischen Personen für die Verzögerung zum großem Teil durch den Durchmesser der transkallosalen Faserverbindungen des V1 vorhergesagt werden kann. Auch hier bestand kein Zusammenhang zwischen Faserverbindungen benachbarter visueller Areale.Neben der Verzögerung zwischen den Hirnhälften zeigte auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wanderwelle innerhalb der Hemisphären eine hohe zeitliche Stabilität. Es stellt sich somit die Frage, ob strukturelle Eigenschaften von bestimmten visuellen Arealen die Ausbreitungsgeschwindigkeit vorhersagen kann. Wie in Kapitel 4 dargestellt, konnten wir einen starken Zusammenhang zwischen der Größe von V1 und der Ausbreitung der Wanderwelle feststellen. Dieser Zusammenhang ist positiv und, wie sich bei Hinzunahme anderer Areale in die Analyse zeigte, spezifisch für den primären visuellen Kortex. Demnach breitet sich die durch den binokularen Wettbewerb erzeugte Wanderwelle umso langsamer über das Sehfeld aus, je größer das Areal bei der entsprechenden Person ist. Die Darstellung in der Abbildung auf der Seite 123 bietet noch einmal einen grafischen Überblick über die oben beschriebenen Ergebnisse dieser Doktorarbeit. Zusammengefasst zeigt diese Arbeit exemplarisch am Beispiel der inter- und intrahemisphärischen Integration auf, wie eng Struktur und Funktion des Gehirns miteinander verknüpft sind. Bei Parametern, die sich experimentell nicht von uns als Forscher variieren lassen, griffen wir auf den Ansatz der differentiellen Psychologie zurück. Dabei nutzten wir die bei Individuen bereits gegebenen Unterschiede aus, um Rückschlüsse auf ganz allgemeine Gesetzmäßigkeiten, wie z. B. der Einfluss der kallosalen Faserdurchmesser und die Oberflächengröße spezifischer Areale auf die Wahrnehmung zu ziehen. Wie wir aufzeigen, formen also schon ganz grundlegende Eigenschaften früher sensorischer Areale unsere Wahrnehmung. Der von uns gewählte Ansatz könnte in zukünftiger Forschung auch auf höhere Funktionen, die uns als Menschen ausmachen, angewandt werden.
Die vorgelegte Arbeit setzt sich aus drei Veröffentlichungsstücken zusammen. Im ersten Teil zeigten Michalczyk und Hasselhorn (2010) einen Überblick über die Vielfalt der Modellvorstellungen des Arbeitsgedächtnisses. Dabei wurde insbesondere das Baddeley Modell (1986) hervorgehoben. Dieses steht für eine ganze Klasse komponentenbasierter, meist dem experimentellen oder dem Ansatz interindividueller Differenzen zugehöriger, Modellvorstellungen und ist zudem maßgeblich im pädagogischentwicklungspsychologischen Kontext für Theorie und Praxis von Bedeutung. Die Ergebnisse der ersten empirischen Vertiefung der hier vorgelegten Arbeit bestätigten die Gültigkeit der Dreikomponentenstruktur (Baddeley, 1986) und deren weitestgehende Altersinvarianz hinsichtlich der funktionalen Interdependenz der Komponenten phonologische Schleife, visuell-räumlicher Notizblock und zentrale Exekutive im Laufe der kindlichen Entwicklung. Lediglich bei Kindern jünger als 7 Jahre war der Zusammenhang der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive weniger stark ausgeprägt als bei älteren Kindern. In der zweiten empirischen Untersuchung wurden Subkapazitäten des Arbeitsgedächtnisses und die phonologische Bewusstheit zur Entwicklung früher numerischer Kompetenzen (Krajewski, 2008; Krajewski & Schneider 2009a,b) in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass die phonologische Bewusstheit auf die phonologische Schleife, den episodischen Puffer und phonologische, zentral-exekutive Prozesse zurückgreift. Zudem beeinflusste die phonologische Bewusstheit frühe numerische Basisfertigkeiten (QNC Level I), nicht aber (höhere) Mengen-Zahlen Kompetenzen (QNC Level II), was die „isolated number words“-Hypothese (Krajewski & Schneider, 2009a) bestätigte. Diese Zusammenhangsmuster, bei denen die phonologische Bewusstheit eine mediierende Rolle zwischen Arbeitsgedächtnissubkapazitäten und frühen numerischen Kompetenzen einnimmt, galten gleichermaßen für Kinder mit und ohne sprachlichem Migrationshintergrund.
In den vorgelegten drei Studien wurden Lebenserzählungen zum einen über die Adoleszenzentwicklung und zum anderen im Adult Attachment Interview textanalytisch, über semantisch-syntaktische Kodes, untersucht. Die ersten beiden Studien untersuchen die Variablen globale Kohärenz, bzw. narrative Verantwortungsübernahme in Lebenserzählungen von 102 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (8, 12, 16 und 20 Jahre). Hypothesen sind, dass beide Variablen in der Adoleszenz aufgrund der Identitätsentwicklung ansteigen. Die Haupthypothesen zeigen sich als bestätigt. In der dritten Studie wird die narrative Verantwortungsübernahme anhand einer Sekundäranalyse von Adult Attachment Interviews von 28 Frauen untersucht. Die Hypothese lautet, dass sichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Verantwortungsübernahme zeigen als unsichere Bindungsrepräsentationen und dass unsichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Abstufungen von Verantwortung zeigen als sichere Bindungsrepräsentationen. Während die erste Hypothese keine signifikanten Ergebnisse zeigt, stellt sich die zweite Hypothese als bestätigt dar. Die Ergebnisse werden in den ersten beiden Studien in Bezug auf die Identitätsentwicklung und in der dritten Studie im Zusammenhang mit einer Grammatik von unsicherer Bindung diskutiert. Enth. 3 Sonderabdr. aus verschiedenen Zeitschr: Developmental Psychology 2008, Vol. 44, No. 3, 707–721 The Development of Global Coherence in Life Narratives Across Adolescence: Temporal, Causal, and Thematic Aspects de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2011) 'Narrative Means to Manage Responsibility in Life Narratives Across Adolescence', The Journal of Genetic Psychology, 172: 1, 1 — 20 de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2010) 'Narrative Grading of Responsibility of Secure and Insecure Attachment Representations in the Adult Attachment Interview'
Behaviorale und neuronale Effekte eines Emotionserkennungstrainings bei Autismus-Spektrum-Störungen
(2010)
Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Wirksamkeit eines computerbasierten Emotionserkennungstrainings bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zu überprüfen. Dies geschieht durch den Vergleich einer mit dem Frankfurter Training des Erkennens von fazialem Affekt (FEFA) trainierten und einer nicht trainierten Personengruppe mit ASS. Das FEFA ist das einzige deutschsprachige Emotionserkennungstraining, das mit dem Ziel entwickelt wurde, die Erkennung von Basisemotionen in Gesichtsausdrücken bei autistischen Menschen zu verbessern. Da ASS mit deutlichen, nicht ursächlich behandelbaren Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation einhergehen, bieten übende Verfahren eine Möglichkeit, soziale Fertigkeiten aufzubauen und die Symptomatik abzumildern. Das Erkennen emotionaler Zustände anderer Personen stellt eine relevante Basisfähigkeit für angemessenes sozial-kommunikatives Verhalten dar. Autistischen Personen gelingt die Emotionserkennung oft nicht und es gibt Hinweise, dass sie emotionale Gesichtsausdrücke neuronal anders verarbeiten als nicht autistische Menschen. Daher werden in dieser Studie neben Testverfahren zur Emotionserkennung funktionelle Bildgebungsverfahren (fMRT) eingesetzt, um neuronale Aktivierungsmuster mitzuerfassen. Die Studie gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird ein Querschnittsvergleich durchgeführt, bei dem die Emotionserkennungsfertigkeiten durchschnittlich begabter Personen mit ASS (n=40) sowie deren neuronale Aktivierungsmuster bei der Wahrnehmung emotionaler, fazialer Reize mit denen einer, nach Alter und nonverbaler Intelligenz parallelisierten, unauffälligen Kontrollgruppe (n=26) verglichen werden. Diese Vergleiche zeigen, dass der ASS-Gruppe in den verwendeten Emotionserkennungstests deutlich weniger korrekte Zuordnungen gelingen als der unauffälligen Kontrollgruppe. Darüber hinaus weist die ASS-Gruppe auch in einem Gesichtererkennungstest und einem Wortschatztest gegenüber den unauffälligen Kontrollen Beeinträchtigungen auf. In fMRT-Aufgaben zur impliziten Emotionserkennung ist bei den unauffälligen Kontrollen eine Mehraktivierung in neuronalen Arealen, die mit sozial-emotionaler Reizverarbeitung in Zusammenhang stehen, feststellbar, und zwar im fusiformen Gyrus, der Amygdala und auch im dorsalen lateralen präfrontalen Kortex. Bei Aufgaben zur expliziten Emotionserkennung und der Wahrnehmung neutraler Gesichter bestehen keine Unterschiede in den neuronalen Aktivierungen zwischen den Gruppen in den interessierenden Regionen (Regions of Interest). Der zweite Teil der Studie umfasst die Trainingsevaluation. Hierzu wird das FEFA-Training mit 15 autistischen Personen in acht Einzelstunden innerhalb eines Zeitraums von fünf bis sechs Wochen durchgeführt. Die parallelisierte ASS-Kontrollgruppe besteht ebenfalls aus 15 Personen, die keine Intervention erhalten. Die vor dem Training (bzw. der Wartezeit) erfassten Emotionserkennungsfähigkeiten und neuronalen Aktivierungsmuster werden mit den unmittelbar nach dem Training (bzw. der Wartezeit) erhobenen verglichen. Zudem werden zu einem dritten Messzeitpunkt, etwa vier Wochen nach Beendigung des Trainings, die Testleistungen der beiden ASS-Gruppen einander erneut gegenüber gestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die trainierte ASS-Gruppe in allen verwendeten Tests zur Erkennung von Basisemotionen deutliche, stabile Verbesserungen erreicht, die mit einer Mehraktivierung im fusiformen Gyrus und der Amygdala bei Aufgaben zur impliziten Emotionserkennung einhergehen. Keine Verbesserungen werden bei der Erkennung komplexer emotionaler und mentaler Zustände sowie in der, von den Eltern eingeschätzten, affektiven Reaktivität im Alltag erzielt. In einem visuellen Gedächtnistest und einem Konzentrationstest, die zur Kontrolle der Spezifität des Trainings zu allen Messzeitpunkten angewendet werden, sind keine Verbesserungen in der trainierten ASS-Gruppe feststellbar. Somit kann davon ausgegangen werden, dass keine emotionsunspezifischen Fertigkeiten trainiert wurden. Das FEFA-Training wird von den Teilnehmern hinsichtlich des Ablaufs und des subjektiv erlebten Behandlungserfolges als überwiegend positiv bewertet. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Anwendung des FEFA-Trainings über einen relativ kurzen Zeitraum bei autistischen Personen mit normativer Intelligenz die Emotionserkennungsleistung verbessert, allerdings sind darüber hinaus weitere Interventionen erforderlich, um einen Transfer in den Alltag zu ermöglichen.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland schneiden in nationalen und internationalen Schulleistungsstudien deutlich schlechter ab als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. Auch hinsichtlich der Lesekompetenz im Deutschen sind die Ergebnisse eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund immer wieder bedenklich schlecht. Um die Frage, welche Förderung gegen Defizite in der Deutsch-Lesekompetenz bei dieser Schülergruppe eingesetzt werden sollte, hat sich in Deutschland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit breiter öffentlicher Wirkung entwickelt. Die drei Beiträge der vorliegenden Dissertation liefern aus unterschiedlicher Perspektive einen Beitrag zur Erforschung der Lesekompetenz von Personen mit unterschiedlicher Sprachbiographie.
Beitrag I (Rauch & Hartig, 2010) zeigte, dass es möglich ist, mit den Mitteln der mehrdimensionalen Item Response Theorie den diagnostischen Nutzen eines Deutsch-Lesekompetenztests zu erhöhen. Für Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, zeigte sich, dass sie insbesondere bei Basisfähigkeiten, die zur Bewältigung höherer Lesekompetenzprozesse notwendig sind, gegenüber ihren deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern benachteiligt sind. Beitrag II (Rauch, Jurecka & Hesse, 2010) belegte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler über niedrigere Deutsch-Lesekompetenzen verfügen als ihre monolingual Deutsch aufgewachsenen Mitschülerinnen und Mitschüler. In der Englisch-Lesekompetenz wurde kein Gruppenunterschied nachgewiesen. Es fand sich darüber hinaus ein signifikant positiver Effekt der Türkisch-Lesekompetenz auf die Englisch-Lesekompetenz, aber nicht auf die Deutsch-Lesekompetenz. Beitrag III (Rauch, Jude & Naumann, in Druck) zeigte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in beiden Sprachen Texte selbständig lesen und verstehen können, besser im Englisch-Lesekompetenztest abschneiden als monolingual aufgewachsene Schülerinnen und Schüler. Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die über niedrigere Lesekompetenzen im Türkischen und Deutschen verfügen, schnitten im Englisch-Lesekompetenztest schlechter ab als beide anderen Vergleichsgruppen. Zudem zeigte Beitrag III, dass Sprachbewusstheit den Zusammenhang zwischen Biliteralität und drittsprachlicher Lesekompetenz teilweise mediiert.
Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass es für die Förderung der Deutsch-Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, sinnvoll ist, insbesondere auf die Förderung der Bildung von adäquaten Makrostrukturen und die Vermittlung von Lesestrategien abzuheben. Die unterschiedlichen Befunde zur Interdependenz von Kompetenzen im Türkischen einerseits und im Deutschen und Englischen andererseits wurden auf die Art des schulischen Unterrichts in Deutsch und Englisch zurückgeführt. Während Schülerinnen und Schüler mit Herkunftssprache Türkisch im Englischunterricht, der das Englische im formalen Sprachunterricht vermittelt, in der Lage sind, Bezüge zu ihrer Herkunftssprache herzustellen, ist dies im Deutschunterricht, der das Deutsche selbst weitgehend voraussetzt, nicht möglich. Ein Teil des wiederholt in der Literatur berichteten Befundes, dass bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in ihren beiden Sprachen lesen können, in drittsprachlichen Lesekompetenztests besser abschneiden als monolinguale Schülerinnen und Schüler, scheint auf erhöhte Sprachbewusstheit zurückzuführen zu sein. Dieses besondere Potential bilingualer Schülerinnen und Schüler könnte durch Herkunftssprachlichen Leseunterricht und einen auf Sprachbewusstheit ausgerichteten Unterricht weiter ausgeschöpft werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Arbeitsgedächtnisleistungen zweier sprachlicher Sondergruppen und der Möglichkeit über die Leistung des Arbeitsgedächtnisses validere Prognosen des weiteren sprachlichen bzw. schriftsprachlichen Entwicklungsverlaufs zu erreichen, als dies über eine ausschließliche Erhebung der Sprachleistung möglich ist. Die Basis dieser Untersuchungen bilden zwei Längsschnittstudien. Die Daten der sprachlichen Sondergruppe der Late Talker (kognitive Aspekte) wurden in Heidelberg an der Universität und dem Frühinterventionszentrum (FRIZ) zwischen dem zweiten und dem neunten Lebensjahr der Kinder (N=93 mit n1=59 Late Talkers und n2=34 Kontrollkindern) in bestimmten Abständen erhoben. Neben den sprachlichen und kognitiven Leistungstests wurde zum letzten Messzeitpunkt zusätzlich die Arbeitsgedächtnisleistung erfasst. Dabei sollte untersucht werden, ob die Leistungen im Arbeitsgedächtnis valide unterscheiden können zwischen Kindern mit persistierenden Sprachentwicklungsproblemen und Kindern, die das Defizit im weiteren Entwicklungsverlauf aufholen (Late Bloomer). Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der Leistungen in der Phonologischen Schleife eine sehr gute Trennung der Late Bloomer von den Kindern, die weiter eine Sprachproblematik aufweisen, vorgenommen werden kann. Ein Hinzuziehen der zentral-exekutiven Leistungen bringt hingegen keine Verbesserung in der Vorhersagegenauigkeit.
Der zweiten Untersuchung liegen zum einen die Daten der Normierung der Arbeitsgedächtnistestbatterie für Kinder von fünf bis zwölf Jahren (AGTB 5-12 {Hasselhorn et al., 2012}) zugrunde (N=1.669 davon 243 Kinder mit Migrationshintergrund), anhand derer überprüft wurde, ob Kinder mit Migrationshintergrund in irgendeiner Weise durch die Nutzung der Testbatterie benachteiligt werden, sei es 1. Durch die ungeprüfte Übernahme des Arbeitsgedächtnismodells (nach dem Vorbild von Baddeley (1986)), dass für Muttersprachler bereits bestätigt werden konnte, 2. Durch Benachteiligungen in bestimmten Untertests und 3. Durch die Testbatterie im Allgemeinen, die Art der Testung und die Wahl bestimmter Items. Zur Überprüfung, inwieweit Prädiktoren, die bei Muttersprachlern valide Prognosen der späteren schriftsprachlichen Leistungen erlauben, auch bei Kindern mit Migrationshintergrund genutzt werden können, wird ein weiterer längsschnittlicher Datensatz herangezogen. Von den 127 Kindern der Längsschnittstudie des Projekts ANNA „Gedächtnis und Schulfähigkeit“ (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk am Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung - DIPF) weisen 60 Kinder einen Migrationshintergrund auf. Auf Basis beider Datensätze konnte nachgewiesen werden, dass das Modell des Arbeitsgedächtnisses auch bei Kindern mit Migrationshintergrund Anwendung findet und die Benachteiligungen bei der Testung besonders gering ausfallen, je früher die Kinder untersucht werden. Es zeigt sich aber auch, dass die AGTB 5-12 an manchen Stellen überarbeitet werden sollte, um mögliche Benachteiligungen noch weiter zu verringern. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich auch bei Kindern mit Migrationshintergrund valide Prognosen späterer schriftsprachlicher Leistungen anhand ihrer Arbeitsgedächtnisleistungen treffen lassen und hier hauptsächlich auf Basis der phonologischen Gesamtleistungen (alle Untertests).