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Als vor mehr als zwanzig Jahren der erste Band von Harold J. Bermans Law and Revolution erschien, kam dies selbst einer Revolution gleich. Nicht mit der Renaissance nämlich, nicht mit dem Absolutismus und nicht mit 1789 setzte der Rechtshistoriker ausHarvard The Formation of theWestern Legal Tradition (1983; dt. 1995), also die Entstehung des modernen Staates, an, sondern mit dem Sieg der Papstkirche im Investiturstreit zwischen 1075 und 1122. Die entscheidenden Ergebnisse dieser Papal Revolution seien das kanonische Recht gewesen, das elaborierteste, umfassendste seiner Zeit, und eine professionelle Methode seiner Handhabung, die Scholastik. Mit ihrer Hilfe habe die römische Kirche die Bevormundung durch weltliche Mächte abgestreift, ihren Supremat über die Laien fest etabliert, eine hoch effiziente Hierarchie geistlicher Juristen und Gerichte aufgebaut und die bis heute gültigen Prinzipien westlichen Rechts geprägt ...
Die Ausbildung des theoretischen Denkens in Griechenland vollzog sich nicht erst mit Platon und Aristoteles, sondern kündigte sich bereits im 6. Jh. an. Schon im archaischen Griechenland, in den frühen Ontologien der Vorsokratiker und bei den naturrechtlichen Vorstellungen der Sophisten, ist ein Fortschritt des Denkens in Richtung Rationalität erkennbar. Das ist der Ausgangspunkt der Untersuchung von Tobias Reichardt. Aber wie ist es zu dieser – im Vergleich zu allen anderen antiken Hochkulturen Vorderasiens – einzigartigen Ideen-Evolution in Griechenland gekommen? Wie war das griechische Mirakel möglich? Auf diese Frage versucht Reichardt eine neue Antwort zu geben: Das theoretische Denken ging aus der neuen Organisationsform der polis und der darin eingelassenen Praxis der schriftlichen Gesetzgebung hervor. Dadurch gelang es erstmalig, die Ausdifferenzierung einer öffentlichen (Herrschafts-)Sphäre mit der Idee einer "guten Ordnung" als Leitgesichtspunkt allen politischen Handelns zu verknüpfen. ...
Der italienische Büchertisch ist reich gedeckt. Enger wohl als anderswo ist die Verbindung zwischen der Welt der Gelehrten, der Universitätsausbildung und dem breiten Publikum. Es ist nicht anstößig, ein großes Thema auf hundert Seiten gemeinverständlich zu behandeln, nur die wichtigste Literatur zu verzeichnen und das Ganze in gefälliger Form unter die Leute zu bringen. Der Verlag Laterza hat mit seiner kleinformatigen Serie "Universale" gerade die Nr. 856 erreicht, in einer parallelen "Biblioteca Essenziale" die Nr. 56. Dort gibt es Klassikertexte, "Einführungen" in alle Künste und Wissenschaften, aber auch zugespitzte Thesen, aus der Rechtsgeschichte etwa von Bretone und Talamanca "Il diritto in Grecia e a Roma" oder Grossis "Prima lezione di diritto". Auch die beiden letzten Bändchen beider Reihen, die hier vorgestellt werden, stammen von bekannten Rechtshistorikern. ...
Ist die Welt sichtbarer geworden? Der Blick in die Bücher am Rande der Gutenberggalaxis bestätigt die Zunahme des Visuellen. Da ist vom photographischen und televisionären Vordringen der Bilder in unserer Alltagswelt die Rede, von der Wiederkehr der Bilder – auch im Recht. Das Recht und das Bild scheinen nach einer Zeit des bildscheuen Logozentrismus zunehmend Allianzen einzugehen. Die Indizien reichen von dem Skandal um Abu Ghraib bis hin zu den Schwierigkeiten, die wir mit Begriffen wie Person, Staat und Verfassung haben und die mit zunehmender Unschärfe vermehrt als Bild für etwas anderes rezipiert werden. Sollen wir also an die These von der Bilderflut glauben? ...
"Gerichtsrede"? Wer denkt da nicht an das große Plädoyer engagierter Anwälte, denen es wortgewaltig gelingt, einem verblüfften Publikum ihre Sicht der Dinge aufzuzwingen? Nur wenige werden in diesem Augenblick allerdings einen deutschen Gerichtsredner, sei es einen Staatsanwalt, sei es einen Advokaten vor sich sehen. Zwar gibt es zweifellos auch hierzulande saftige Zeugnisse forensischer Rhetorik. Aber im allgemeinen erreichen die meist glanzlosen Darbietungen germanischer Justizredner das durch die filmischen Auftritte redegewandter Lichtgestalten im amerikanischen courtroomdrama verwöhnte Publikum nicht. Nur dort finden jene gigantischen Redeschlachten statt, in denen der rednerisch gewitzte und schon fast siegreiche Staatsanwalt am Ende doch der überlegenen Redekraft seines Gegenspielers unterliegt. ...
"Folter" ist ein höchst aktuelles Thema. Die Vernehmungspraxis vieler sowohl demokratischer als nicht demokratischer Staatsapparate in der Welt ist in jüngerer Zeit zunehmend zum Thema in Medien und Gegenstand entsprechender Kritik geworden. Dies hat auch Wirkung im wissenschaftlichen Feld gezeigt. Mehrere Neuerscheinungen auf dem deutschen Büchermarkt sind ein Indikator dafür. Sie machen darüber hinaus deutlich, dass Folter auf ganz unterschiedliche Art und Weise thematisiert werden kann.
Rechtswörterbücher beschränken sich für gewöhnlich auf die Erläuterung einer Vielzahl von Begriffen und Instituten des geltenden Rechts. Das gilt jedenfalls für die in Deutschland gängigen Werke. Sie reihen die Erklärung einzelner Rechtsbegriffe nach den herkömmlichen Definitionen aneinander, ohne die Grundlagen unseres Rechtsdenkens zutage treten zu lassen. Nicht so verfährt das hier anzuzeigende, von Denis Alland und Stéphane Rials herausgegebene und im Jahre 2003 in Paris erschienene Dictionnaire de la culture juridique. Es tritt mit dem Anspruch an, das Recht nicht nur als große Ansammlung von rechtsdogmatischen Begriffen zu präsentieren, sondern seine geschichtlichen und vor allem philosophischen Bezüge zu verdeutlichen. Damit sollen Zusammenhänge wiederhergestellt werden, die durch die Reduktion der Jurisprudenz auf eine reine Technik in den letzten Jahren zunehmend verloren gegangen sind. Die innerhalb des Dictionnaire zusammengetragene Stofffülle ist äußerst beeindruckend: Auf mehr als 1600 Seiten vereinigt das Werk insgesamt 409 Artikel aus der Feder von nicht weniger als 213 durchweg angesehenen juristischen Autoren, die ganz überwiegend aus Frankreich stammen. ...
Im Märchen schläft Dornröschen so lange, bis ein Prinz sie wach küsst. In der Rechtsgeschichte warten viele ehemals prominente Juristen darauf, dornröschengleich von einem Doktoranden erweckt zu werden. Christoph Mauntel will den Schwaben Carl Georg v. Wächter wieder ins rechte Licht rücken. Programmatisch darf sich Mauntel nicht nur über seinen Doktorvater Hans-Peter Benöhr dem Netzwerk der Frankfurter (Historischen) Schule zurechnen. ...