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Le présent volume, issu d’un colloque à l’université de Münster en novembre 2009, se situe au carrefour de trois champs thématiques dont aucun ne constitue, en soi, un sujet dont on pourrait prétendre qu’il aurait été jusqu’alors inconnu ou négligé de la recherche scientifique: ni l’amitié, ni le don, ni même la notion de réseaux (sociaux) ne surprennent ainsi dans le contexte des études récentes sur l’histoire sociale et politique du Moyen Âge. C’est la combinaison des trois aspects qui promet l’ouverture de nouvelles pistes. En outre, comme le constate Michael Grünbart dans son introduction (p. XIII–XXV), les approches se concentrant sur les actions ritualisées, qui constituent un courant important au sein des études médiévales, sont moins présentes dans les études byzantinistes. D’où la volonté d’appliquer ces méthodes au monde byzantin dans une perspective comparatiste (p. XIV–XVI). ...
Fragen nach der Schrift und ihrem Gebrauch zählen zu den "Dauerbrennern" der mediävistischen Forschung: Mehrere Sonderforschungsbereiche widmeten und widmen sich dem Thema, auch wenn sie den Zugang aus unterschiedlichen Richtungen suchen. In der Vielzahl der hier produzierten Studien positioniert sich der anzuzeigende Band durch den Fokus auf Phänomene des Rechts, sowie vor allem durch den im Titel stehenden Begriff der "Performanz". Fasst man letzteren als Verweis auf den handlungsbezogenen Charakter des Agierens – hier also bei rechtsbezogenen Praktiken –, so ist eine wertvolle Ergänzung zu den etablierten Forschungen über "rituelles Handeln" zu erhoffen. Schon M. Mosterts Einleitung (S. 1–10) relativiert allerdings allzu überzogene Erwartungen: Zwar problematisiert der Autor nicht nur die Begriffe "legal" und "law", deren reflektierte Anwendung auf vormoderne Verhältnisse er fordert, sondern auch jenen der "performance". Die Differenz zum Ritualbegriff markieren aber lediglich knappe Verweise auf die "performativen Sprechakte" nach Austin und auf den "Spielcharakter" (im Sinne Huizingas) rechtlichen Handelns in der Vormoderne (S. 6–9). ...
Treffen im Titel eines Sammelbandes zwei Worte aufeinander, die auf einigermaßen aktuelle kulturwissenschaftliche "Turns" verweisen, im vorliegenden Fall auf den "Iconic" und den "Performative Turn", so liegt der Verdacht nahe, dass hier entweder alter Wein in neue Schläuche verpackt wird oder dass modische Schlagworte inhaltliche Leere verdecken sollen. Beide Befürchtungen erweisen sich im vorliegenden Band glücklicherweise als unbegründet. Stattdessen zeigt sich deutlich, wie gerade das Konzept der Performanz zu einem neuen Verständnis der Rolle von Bildern und ihrer Wirksamkeit im hoch- und spätmittelalterlichen lateinischen Europa beitragen kann. Um diesen zeitlichen und räumlichen Schwerpunkt herum, der sich aus der Zusammenarbeit der Brüsseler Groupe de recherche en histoire médiéval (GRHM) und der Pariser Groupe d’anthropologie historique de l’Occident médiéval (GAHOM) ergibt, versammeln sich Beiträge, die zudem auch die (christliche) Antike, Byzanz, die Frühe Neuzeit und sogar das 20. und 21. Jahrhundert in den Blick nehmen. ...
"Das Private ist politisch", lautete ein Slogan, unter welchem die deutsche Frauenbewegung ab 1968 eine Auseinandersetzung mit der etablierten Geschlechterhierarchie einforderte. Und politisch ist das Private auch nach Dagmar Herzog, die mit dem vorliegenden Band einen gelungenen Überblick über die Geschichte der Sexualität in Europa liefert. Seien es Fragen der Empfängnisverhütung, Homosexualität, Pornographie, Vergewaltigung oder der Geschlechtskrankheiten, stets waren die nationalen Regierungen unweigerlich involviert, weil sie nicht umhin kamen, Regelungen zu fixieren und somit Verhaltensmuster vorzugeben oder diesen mit der juristischen Rahmenordnung zu folgen. Das Buch reicht aber weiter, indem es sich auch die Rekonstruktion sexueller Ethiken zum Ziel setzt: Welche Gedanken und Empfindungen waren mit Sexualität verbunden, was löste Ängste aus, was wurde bekämpft? Inwiefern änderte sich die Einstellung der Gesellschaften im Laufe des Jahrhunderts? Denn letztlich ging es immer wieder aufs Neue um die Deutungshoheit, was richtig und was falsch ist. ...
Es ist so eine Sache mit der Gattung der "gesammelten Aufsätze": Sie bieten in praktischer Form thematisch zusammenhängende Beiträge eines Autors, die über einen längeren Zeitraum entstanden und an unterschiedlichen Orten publiziert wurden. Im günstigsten Fall entfalten die Texte durch den unmittelbaren Dialog ein neues Panorama, das die Genese und Ausarbeitung eines Forschungsbereichs widerspiegelt. Stets besteht aber auch die Gefahr, Texte neu zirkulieren zu lassen, deren fruchtbarste Zeit doch in der Vergangenheit liegt. Die Lektüre eines solchen Bandes ist daher nicht nur mit der (Wieder-)Entdeckung alter und neuer Perspektiven und Materialien verbunden, sondern fordert zugleich zur Reflexion über die Gattung selbst auf. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der die Möglichkeit zur Erstellung "virtueller Dossiers" bestünde, die nicht notwendigerweise als gedrucktes Buch vorliegen müssen. ...
Die soziale Rolle der Prostitution kann als Ausgangspunkt dienen, um Rückschlüsse auf den Stand der Geschlechterhierarchie in einer Gesellschaft zu ziehen. In vielen historischen Studien wurde Prostitution als Symbol patriarchalischer Unterdrückung interpretiert; die Stigmatisierung, Kontrolle bzw. Verfolgung von Prostituierten standen stellvertretend für die Ausgrenzung und Unterdrückung von Frauen allgemein. Nach Ansicht von Victoria Harris geriet das Individuum dabei aus dem Blick. Insbesondere in feministischen Studien sei die Geschichte der Prostituierten als eine Geschichte von Opfern aufgeschrieben worden. Diese Sichtweise werde der Komplexität der einzelnen Lebensgeschichten aber nicht gerecht. Nicht die Diskurse um Prostitution will Harris daher erfassen, nicht die Idee oder Bedeutung von Prostitution, sondern das Individuum im gesellschaftlichen Kontext: die Lebenserfahrung der Prostituierten. ...
Wollten Sie immer schon das Geheimnis des grünen Geburtszimmers ergründen und damit französischen Einflüssen auf das Taufzeremoniell an den Höfen Savoyens und Burgunds auf die Spur kommen; haben Sie sich immer schon die Frage nach den Gründen für die Attraktivität der officiers de bouche am französischen und burgundischen Hof gestellt; interessiert Sie die Darstellung des Hofklerikers in den Werken des Johannes von Salisbury; bläst Sie ein Thema wie "Trompes et tromperie à la cour d’après Eustache Deschamps" voll an, und fürchten Sie, ohne Kenntnis der Inszenierung von Hofkultur im "Roman de la Violette" des Gerbert von Montreuil nicht mehr mitreden zu können? (Rezensent als gebürtiger Kölner hat dank der Lektüre immerhin erstmals von der literarischen Existenz des Hofs eines Herzogs Milo in Köln erfahren.) Wenn ja, dann greifen Sie zu diesem Band, der Ihnen all das und noch viel mehr bietet. Da bestellt ein jeder der rund 30 Beiträger – es handelt sich um die Akten einer im September 2008 in Paris und Versailles veranstalteten Tagung – sein Forschungsgärtlein, und ein jeder tut’s auf seine Weise: Das reicht vom Recyceln eigener Forschungen bis hin zu Substantielles offerierenden, aus Handschriften und Archivalia geschöpften Studien. Es ist halt so wie stets bei solchen Kongressen und den daraus hervorgehenden Publikationen: Am Ende findet der Leser Produkte von Dünn- und Dickbrettbohrern zwischen zwei Buchdeckeln vereint, und es ist an ihm, aus der im Gesamt non multum , sed multa ausbreitenden Fülle von Spezialthemen das ihn Interessierende herauszufiltern und daran die kritische Sonde anzulegen. Dass auch Agostino Paravicini Bagliani, eigentlich um klare Urteile nicht verlegen, in seiner Zusammenfassung konsequent keinen Autor namentlich und wertend anführt, lässt sich nachvollziehen: Zum einen kann man in solcher Funktion nicht als Oberzensor Noten verteilen, zum anderen – und dies gilt dann auch für den Rezensenten – bleibt jeder Versuch, die Beiträge einzeln zu würdigen und zu verorten, von vornherein schlicht aus Platzgründen zum Scheitern verurteilt, erforderte doch allein die bloße Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses (hier S. 655–658) schon mehrere Seiten. Mithin beschränke ich mich auf die Darlegung von Grundsätzlichem, von sich in den Aufsätzen wiederholt abzeichnenden Linien und Tendenzen und damit auf das generelle Profil des Bandes; einzelne Autoren finden allenfalls Erwähnung, wenn ihre Studien mir in solchem Kontext exemplarisch erscheinen. ...
Was hat dieses Buch über einen wenig bekannten Herzog von Bourbon, von dem selbst die französische Geschichtsschreibung bislang eher den Eindruck einer "personnalité parfois effacée" (S. 218) vermittelte, einem deutschen Publikum – und das gilt selbst für die kleine Zunft der Mittelalterhistoriker – schon groß zu sagen? Allenfalls Johanns II. (1456–1488) im Obertitel angesprochene Konfrontation mit Ludwig XI. lässt vielleicht etwas aufmerken, doch gerade dieser König inszenierte so viele Prozesse gegen adelige Gegner (vgl. S. 234 Anm. 2; dem Verfahren gegen Ludwig V. Luxemburg, Graf von St-Pol, galten in den letzten Jahren gleich mehrere Arbeiten: S. 2 Anm. 5), dass man geneigt ist, die Studie nicht zur Kenntnis zu nehmen, denn: "Noch ein Prozess mehr oder weniger, was soll’s?" Doch dieser Prozeß macht, wie noch darzulegen, schon einen erheblichen Unterschied aus; zudem rührt er bei aller spezifisch französischen Grundierung an grundsätzlichen Fragen der Souveränität der Krongewalt und deren Verhältnis zu den Fürstentümern; Fragen, die, was die Machtgewichtung anbelangt, zwar unter eher umgekehrten Vorzeichen, so doch prinzipiell in ähnlicher Weise das deutsche Spätmittelalter durchziehen – Kenntnisnahme ist mithin durchaus angesagt. Zudem liefert Mattéoni einmal mehr den Nachweis, wie ertragreich eine (eigentlich nicht mehr so) neue politische Geschichtsschreibung sein kann, die etwa die Sakralisierung von Herrschaft integral einzubeziehen weiß. Und dieses Thema wird obendrein genau an der rechten Stelle einer überlegten Gesamtkonzeption platziert. ...
Lange ist es noch nicht her, da klagte Werner Paravicini in seiner Besprechung der Biographie Ludwigs XI. von Jean Favier, dass dieser Herrscher seit einigen Jahrzehnten in recht dichter Folge mit beleg- und anmerkungslosen Arbeiten im Stil der "haute vulgarisation" bedacht werde (Kendall, Gaussin, Bordenove, Heers, Gobry und eben Favier), ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Werk seit dem 1928 von Pierre Champion vorgelegten dagegen fehle (Francia 30/1 [2003], S. 376f.). Und nunmehr erneut ein Buch, das sich nahtlos in diese Reihe fügt und obendrein den Blickwinkel sogar noch bewusst verengt: Der Verfasser konzentriert sich ausschließlich auf die Person Ludwigs und will darüber hinaus keine Zeit und Welt erschließen; er beschränkt sich auf die Darstellung dessen, was den Herrscher nach seinem Dafürhalten – bis auf Jagd, Tiere und Musik – allein interessierte: "Louis se passionnait pour le pouvoir, la guerre et la politique, il en sera donc question presque à chaque page" (S. 10). ...
Since the study of Late Antiquity evolved in the last few decades into an important research topic, several publications have been dedicated to the late antique city, resulting in lively discussions on "decline" and "transition". In line with this evolution Late Antiquity has recently been the central theme of several conferences and workshops, dealing with specific study themes of Late Antiquity as a whole, focussing on a particular time period and/or dedicated to well-defined geographical areas. ...
After this contribution dealing with the capital of Asia, the paper of Axel Filges discusses the late antique and Byzantine situation in the smaller town of Blaundos in Phrygia (Zum Aussagepotential ruinöser Mauern. Bevölkerung und Bebauung im spätantiken und byzantinischen Blaundos [Phrygia]). ...
Rezension zu: Dagmar Stutzinger : Griechen, Etrusker und Römer. Eine Kulturgeschichte der antiken Welt im Spiegel der Sammlungen des Archäologischen Museums Frankfurt Regensburg 2012, Schnell & Steiner, ISBN 978-3-7954-2510-4, 528 Seiten mit 220 Farbabbildungen und 345 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 49,95 Euro.
Rezension zu: Maria R.-Alföldi, Edilberto Formigli und Johannes Fried : Die römische Wölfin. Ein antikes Monument stürzt von seinem Sockel Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Band XLIX, Nr. 1, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-515-09876-2, 161 Seiten, 48 Euro.
Rezension zu: Maritza Le Breton: Sexarbeit als transnationale Zone der Prekarität. Migrierende Sexarbeiterinnen im Spannungsfeld von Gewalterfahrungen und Handlungsoptionen.Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011. 241 Seiten, ISBN 978-3-531-18330-5, € 39,95
Sexarbeiterinnen selbst kommen in empirischen Studien zu Migration und Sexarbeit selten zu Wort. In ihrer Dissertation gelingt Maritza Le Breton jedoch genau das, sie schafft einen Raum für ansonsten (epistemologisch) marginalisierte Akteurinnen. Ihr Ziel ist es, deren tatsächliche (Gewalt-)Erfahrungen sowie Lebens- und Arbeitssituationen in den Blick zu nehmen und auszuarbeiten, um so wichtiges Adressatinnen-Wissen für die Soziale Arbeit zugänglich zu machen. Auf der Basis von 21 problemzentrierten Interviews mit migrierten Sexarbeiterinnen, die in Basel/Schweiz in Kontaktbars oder Salons arbeiten, stellt sie Gewaltverhältnisse und Machtkonstellationen in der Sexökonomie sowie Handlungsoptionen der Sexarbeiterinnen dar.
Rezension zu: Jürgen Runge, James Shikwati (Hrsg.) Geological Resources and Good Governance in Sub-Saharan Africa: Holistic Approaches to Transparency and Sustainable Development in the Extractive Sect. Taylor & Francis, London 2011, ISBN 978-0-415-58267-4, 292 Seiten, Hardcover, 16 Abbildungen, 16 Farbtabellen, 80,99 Euro.
Rezension zu: Wolfgang Bunzel (Hrsg.) unter Mitarbeit von Anke Harms und Anja Leinweber : Hänsel und Gretel im Bilderwald. Illustrationen romantischer Märchen aus 200 Jahren Frankfurt am Main 2012, Frankfurter Goethe-Haus/Freies Deutsches Hochstift 2012, ISBN 978-3-9814599-1-3, 165 Seiten, 19,90 Euro.
Auch nach mehr als 70 Jahren gehört die britische Appeasement-Politik zu den umstrittenen Themen der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Schon im Zweiten Weltkrieg als "Guilty Men" bezichtigt, und dann nach 1945 von Churchill wortgewaltig als Schwächlinge und einfältige Toren an den Pranger gestellt, gelten Neville Chamberlain und seine Mitstreiter seinen Kritikern als Politiker, die die wahren Ziele von Hitlers Außenpolitik nicht erkannten und so seinem Machtzuwachs nicht rechtzeitig Grenzen setzten. Demgegenüber verweisen seine Unterstützer auf die begrenzten Möglichkeiten der britischen Außenpolitik, die einen härteren Kurs der Eindämmung nicht zugelassen hätten. ...
Der umfangreiche Aufsatzband fokussiert die historischen Zäsuren, die die Zerstörungen der beiden Weltkriege im Bereich von Architektur und Städtebau in Europa veranlasst haben. Die Verwüstungen von historischen, identitätsstiftenden urbanen Entitäten hatten unterschiedlichste Wiederaufbaudiskurse und -maßnahmen zur Folge, die prägend für das Erscheinungsbild und die funktionalen Strukturen zahlreicher europäischer Kommunen jeden Größenmaßstabs – vom nordfranzösischen Dorf Gerbéviller bis zur niederländischen Metropole Rotterdam – geworden sind. Das wesentliche Kriterium des Wiederaufbaus stellte nicht eine als außerhalb von Ort und Zeit gedachte architektonische und urbanistische Innovation dar, deren Hauptanliegen es war, Stadträume gewandelten Lebensbedingungen anzupassen. Im Gegensatz zu dieser landläufigen Auffassung betonen die Herausgeber zu Recht, dass beim Wiederaufbau immer und notwendigerweise Geschichte und Zukunft in je unterschiedlicher Weise vermittelt wurden. ...
"Selbstverwaltung" war das Thema der Hofgeismarer Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte 2008. So interessant die einzelnen Referate auch waren, ihre unterschiedlichen Zugriffe und inhaltlichen Ausrichtungen gebieten es doch, nicht die einzelnen Aufsätze des Tagungsbandes zu referieren, sondern den Versuch zu unternehmen, aus der Vielfalt der Beiträge strukturierende Überlegungen herauszuarbeiten. Daher sei nur kurz auf die Themen der einzelnen Referate verwiesen. Gerhard Dilcher sprach über die mittelalterliche Stadt, Ludwig Elle über die Selbstverwaltung(sbestrebungen) der Sorben; Matthias Asche trug zur Autonomie der Hugenotten und Waldenser vor und J. Friedrich Battenberg zu der der jüdischen Gemeinden und Landjudenschaften im Heiligen Römischen Reich. Christoph Schönberger befasste sich mit französischen Parlamenten (vor der Revolution), Jörg-Detlef Kühne mit den Selbstverwaltungsvorstellung von Steins. Hans-Christof Kraus referierte zur englischen Selbstverwaltung und deren deutscher Rezeption, Thomas Simon behandelte die Föderalisierung Österreichs. Und schließlich trug Dieter Kugelmann zum Stellenwert des Selbstverwaltungsgedankens in der europäischen Kooperation und Integration vor. – Die folgenden Ausführungen beschränken sich darauf, diejenigen Aussagen herauszustellen, die sich in grundsätzlicher Weise zu Selbstverwaltungsverständnissen (1), zu den Realisierungsformen von Selbstverwaltung (2), zu den Ursachen von Selbstverwaltung (3) und zu Konzeptualisierungen von Selbstverwaltung (4) äußern. ...
Spätestens seit den 1980er Jahren ist Partizipation ein mächtiges Schlagwort. In neuerer Zeit kann man damit sogar Wahlen gewinnen. Wo herkömmliche Legitimationsmodi der repräsentativen Demokratie an Kraft verlieren oder zu verlieren scheinen, sucht man nach Ersatz. Das Prinzip der Legitimation durch allgemeine Wahl der Vertretungskörperschaften funktioniert da nicht, wo es solche Vertretungskörperschaften nicht gibt – bzw. diese, wie in der EU, auf weiten Gebieten nicht über die Entscheidungsprärogative verfügen – oder sie als verkrustet angesehen werden und/oder dort, wo die Mobilisierung des Bürgers zwischen den Wahlterminen nötig erscheint. Bürgerschaftliche Partizipation hat einen ambivalenten Charakter. Sie kann Belebung oder Gefährdung von Demokratie sein, wobei dies auch vom jeweils zugrundegelegten Demokratieverständnis abhängt. ...
Mit Schillers Wort von Sprache, die selbst dichtet und denkt, rekurrierte Ernst Forsthoff zeitweise auf einen unverfügbaren Eigenwert der Rechtssprache jenseits positivistischer Legalitätsmanöver, auswechselbarer Naturrechtsideologien, aber auch eines mehr oder weniger beliebigen, bestimmte Gegebenheiten akzentuierenden oder idealisierenden konkreten Ordnungsdenkens. Gegenüber solcher Funktionalisierung und – nahe Heidegger’schem Jargon – "technischer Zurichtung" bei ständiger "Veränderung der Wertskala der Zwecke" wollte Forsthoff die Wissenschaft der "Belehrung durch die Sprache selbst überlassen". Er plädierte für eine "Wiederherstellung der juristischen Hermeneutik als Disziplin von eigener logischer Struktur", stark angelehnt an Savigny und, wie Florian Meinel betont, "seiner Zeit um zwanzig Jahre voraus" (262). Angesichts der Missbrauchsanfälligkeit der selbst ideologischen Vorstellung einer wahren Sprache kann man mit dem Brieffreund Fritz von Hippel eine weitere Steigerung der Sprachverwirrung monieren und Forsthoffs Appell an die hermeneutische Tugend mit Meinel als "juristische Durchhalteparole im Weltbürgerkrieg der Ideologien" auffassen (263f.). Tiefschichtiger interpretiert Meinel sodann aber die von Forsthoff gesuchte Anlehnung an die Sprachphilosophie von Hamann und Herder im Sinne einer theologischen Rechtsbegründung, die die göttlich gestiftete und nicht menschlich gemachte Sprache wie Ordnung dem instrumentalistischen Zugriff des Exegeten entrücken soll (264). Übrigens hat Forsthoff dieses rechtstheologische Moment in seiner unveröffentlichten rechtsphilosophischen und ebenfalls an Savigny orientierten Studie "Die Institutionen als Rechtsbegriff" (1944/47) fortgeschrieben, bezugnehmend jetzt vornehmlich auf vorgeordnete organische Ordnungszusammenhänge, wie sie auch schon in "Recht und Sprache" aufgeschienen waren. Jede Institution sollte neben einem sachlichen ein personelles Element in Form eines bestimmten Menschenbildes aufweisen, das der evangelische Pfarrerssohn nach der Lehre Martin Luthers durch Fehlsamkeit und Erlösungsbedürftigkeit bestimmte und von da aus die Einordnung individueller Willensautonomie in Strukturen objektiver, überindividueller, gleichwohl geschichtlich wandelbarer Bindungen anthropologisch rechtfertigte (291). Den alles ins Provisorische und Diskutable schiebenden "modernen Massendemokratien", einschließlich der auf "Herrenkult" aufbauenden "massendemokratischen Diktaturstaaten", schrieb Forsthoff eine geradezu antiinstitutionelle Verschleißkraft zu (292f.). Dass auch dieser Versuch, dem juristischen Denken einen neutralen, ideologiefreien Raum zu vindizieren, nicht gelingen konnte, weil sich hinter dem institutionellen Rechtsdenken ebenfalls ein eigenes geschichtliches Legitimitätskonzept versteckte (298), leuchtet theoretisch ein und unterstreicht den Standort im Zeitalter der Ideologien. ...
Am 26. November 2010 erhoben sich im großen Saal des Internationalen Congress Centrums in Berlin rund 3.000 Psychiaterinnen und Psychiater, um für eine Minute zu schweigen. Was sie zuvor gehört hatten, war zutiefst beeindruckend und blieb für die Anwesenden unvergesslich. Prof. Frank Schneider, der Präsident der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), bat bei den Psychiatrie-Opfern und deren Angehörigen aus der Zeit des Nationalsozialismus in einem Ausmaß um Verzeihung, wie wohl nur wenige deutsche Ärzte zuvor. ...
On 26th November 2010 around 3000 psychiatrists rose up for a minute's silence in the great hall of the International Congress Centrum in Berlin. What they had heard before, was deeply impressive and memorable to the audience. Professor Frank Schneider, president of the German Society for Psychiatry, Psychotherapy and Neurology (DGPPN) asked the psychiatric victims and their relatives of the Nazi era for forgiveness to an extent as only a few German Doctors done before. ...
Humanitarismus und humanitäre Intervention müssen sich gleichermaßen die Frage nach Motivation und Rechtfertigung gefallen lassen. Sind Motive einer Intervention hinreichend humanitär, um von einer humanitären Intervention zu sprechen? Und im Rahmen welcher normativen Muster erscheinen sie als legitim? Zwei neue Bücher nähern sich dem Themenkomplex auf unterschiedliche Weise. ...
Die rechtsförmige Bewältigung von Leid, Ungerechtigkeit und Unrecht, die durch die kommunistischen Regime der DDR, Osteuropas und der UdSSR verursacht wurden, ist Gegenstand zahlreicher rechts- und geschichtswissenschaftlicher Studien. Untersucht werden die Aufarbeitung des Unrechts durch Strafrecht und die Regelung von Restitution sowie Entschädigung im Fall von Enteignungen. Oft wird – auch infolge der Spezialisierung der jeweiligen Wissenschaftler – das Genre des Länderberichts gewählt. Untersuchungen, die in vergleichender Absicht auch die Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts einbeziehen, gehen von einer Vergleichbarkeit aus, ohne dass darüber ein neuer Historikerstreit entbrannt wäre. ...
Die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts, ein noch schwaches Pflänzchen im Garten der Rechtsgeschichte, kann erfreuliche Zuwächse verzeichnen, und zwar aus der Schweiz. Zum einen sind in Band 130 (2011) der Zeitschrift für Schweizerisches Recht zwei große, fast Buchformat erreichende Aufsätze erschienen, von Anne-Christine Favre, Cent ans de droit administratif: de la gestion des biens de police à celle des risques environnementeaux, 227–330 sowie von Benjamin Schindler, 100 Jahre Verwaltungsrecht in der Schweiz, S. 331–437. Zum anderen gibt es das hier zu würdigende Werk von Andreas Kley, der in Zürich Öffentliches Recht, Verfassungsgeschichte sowie Staats- und Rechtsphilosophie lehrt. Nimmt man diese drei Arbeiten zusammen und fügt noch die Verfassungsgeschichte der Schweiz des unvergessenen Alfred Kölz (1944–2003) hinzu, dann kann geradezu von einem Quantensprung gesprochen werden. ...
Das griechische Recht ist, so stellt der Verfasser dieser Passauer juristischen Dissertation zu Recht fest, nicht hinreichend erforscht worden. Althistoriker behandeln es nebenher mit, typischerweise ohne juristische Expertise; Spezialisten für antike Rechtsgeschichte wenden sich zumeist anderen Rechtskulturen zu. Zeitler will in diese Lücke vorstoßen, mit einem Schwerpunkt auf dem Prozess des Sokrates – nun gerade einer der meistdiskutierten Fälle griechischen Rechts. Doch sind diesem gerade knapp 30 Seiten von etwas mehr als 200 gewidmet. ...
Raymond Saleilles (1855–1912) gilt als einer der größten Juristen seiner Epoche und Wegbereiter der französischen Rechtswissenschaft in ein neues Jahrhundert. Auch außerhalb Frankreichs hat sein vielschichtiges Werk in letzter Zeit historische Aufmerksamkeit erfahren, unter anderem mit Schwerpunkt auf der Rechtsvergleichung (Alfons Aragoneses) oder Saleilles’ Beurteilung der deutschen Rechtswissenschaft (Birte Gast). Der Florentiner Rechtshistoriker Marco Sabbioneti hat nun eine umfassende Monographie über Privatrechtsdogmatik und politisch-religiöse Grundeinstellungen des französischen Juristen vorgelegt, dessen Werk oft schlagwortartig mit – aus deutscher Sicht – kulturhistorischen Epocheneinteilungen wie "Belle Epoque" oder "Modernismo" in Verbindung gebracht wird. ...
I first encountered the work of Miriam Hansen as a graduate student in the mid-1990s when her book Babel and Babylon was the talk of the (at that time still fairly modest) film studies town – even though it was sitting somewhat uneasily on the fence. In fact, it was this position beyond the canonical that made the book so attractive in the first place. It did not fit into the raging debate of that time between psychosemiotics and neo-formalism, nor did it offer the (often too schematic and naive) way out within the cultural studies paradigm of empowering the individual or sub-culturally constituted groups.