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In der Querelle des Anciens et des Modernes ergreift Friedrich Hölderlin Partei für die Moderne. Daraus ergibt sich eine Absage an die Tragödie als höchste Kunstform und ein Bekenntnis zur Lyrik. Hölderlin gelangt jedoch zu einem ganz anderen Lyrikkonzept als etwa Hegel, der Lyrik als Artikulation von Subjektivität begreift. Für Hölderlin ist die Lyrik kein Medium subjektiver Selbstvergewisserung, sondern die vorzügliche Gattung des Erinnerns, des geduldigen Ausharrens ‘in dürftiger Zeit’ sowie des Schreibens gegen die gefährliche ‘exzentrische Begeisterung’. Vom Schreiben erhofft er sich eine Revolution der ‘Vorstellungsarten’. Hölderlin möchte der Moderne unabhängig von der ausgedienten Sprache der Tradition ein autonomes ästhetisches Profil verleihen, und so wird die Sprache der modernen Dichtung bei ihm unvermeidlich zur Sprache der obscuritas, der Dunkelheit. Hölderlins Ringen um eine genuin moderne Diktion verfremdet die überlieferte Sprache und führt zu einer Entfremdung von ihr, was wiederum Befremden auf Seiten der Rezipienten bewirkt. Hier soll zum einen der Wechsel von der Tragödie zur Lyrik als gattungspoetischem Paradigma der Moderne seit dem späten 18. Jahrhundert rekonstruiert werden. Zum anderen wird Hölderlins Verflechtung von Subjekt- und lyrischer Sprachkritik studiert, um die Spur sichtbar zu machen, die sie bis zu Adorno auslegt.
Viele der rezenten Studien zur Ästhetik des Monströsen nehmen auf Michel Foucaults Vorlesungsreihe Les anormaux Bezug, in der er u. a. der diskursiven Transformation des Monsters von einem somatischen hin zu einem moralischen Abweichungsphänomen nachgeht. Dass Foucaults Ausführungen mitunter nur unzureichend differenziert sind, soll der vorliegende Beitrag nachweisen. Auch wenn die Literatur in Les anormaux eine untergeordnete Rolle spielt, eher als peripheres Beleg- oder Anschauungsmaterial dient denn als Gegenstand einer eigenen Untersuchung, ist gerade sie es, die Foucaults genealogische Analyse der notwendigen Komplexitätssteigerung zuführen und ihre Leerstellen ausfüllen kann. Zu diesem Zweck werden exemplarisch Ovids Lykaon-Mythos aus dem ersten Buch der Metamorphosen sowie Mary Shelleys Roman Frankenstein, or, The Modern Prometheus herangezogen. Neben der gebotenen Korrektur von Les anormaux vermögen beide Texte Foucaults Befund von der diskursiven Produktivität des Monströsen zu bestätigen und anzureichern: Sowohl Ovid als auch Shelley dokumentieren eine Wertschätzung und Wertschöpfung des Monströsen und stehen damit quer zu konventionellen Narrativen, die das Monster als etwas rein Destruktives und Dämonisches oder als das radikal Andere des Menschen in Szene setzen, ohne auf die kulturellen Profite und anthropologischen Einsichten zu reflektieren, die sich aus jenem gewinnen lassen.
Der Kultur- und Literaturwissenschaftler Ladislaus Ludescher hat in einer Langzeitstudie untersucht, wie der Globale Süden in den Nachrichten behandelt wird. Sein Fazit ist niederschmetternd: In der Tagesschau, aber auch in ausgewählten Printmedien spielten Themen der südlichen Erdhalbkugel kaum oder gar keine Rolle. Die Corona-Pandemie habe diese mediale Einseitigkeit sogar noch verstärkt.
Im Oktober 1985 besetzten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt die Bühne der Kammerspiele, um die Premiere der Uraufführung von Rainer Werner Fassbinders Stück »Der Müll, die Stadt und der Tod« zu verhindern. Auf dem Symposium »[Bühnen] Besetzungen«, das vom 23. bis 25. April 2021 stattfand, nahmen Zeitzeug*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen eine Neubewertung dieses historischen Aktes zivilen Ungehorsams aus heutiger Perspektive vor. Die Veranstaltung war eine Kooperation von Schauspiel Frankfurt, Jüdisches Museum Frankfurt, Fritz Bauer Institut und der Theaterwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, ein Mitschnitt der Veranstaltung ist auf YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=Ysdsk0eJvQU abrufbar.
Fragestellung und Ziele
Die vorliegende Dissertation untersucht, auf welche Weisen der Roman Lodore von Mary Shelley die Erziehung von Mädchen inhaltlich und stilistisch gestaltet. Daran anknüpfend erforscht die Arbeit, welche Implikationen die Art der Darstellung für die Interpretation des gesamten Romans birgt. Die Analyse der Inszenierung der Mädchenerziehung dient somit als Basis und Fokuspunkt, durch welchen sich die weitere Erforschung der Sprache und Mechanismen des Romans sowie von Shelleys schriftstellerischer Handwerkskunst entwickelt.
Die Zielsetzung ist darauf ausgerichtet, zur Wiederentdeckung von Lodore beizutragen und eine holistische Neubewertung der Autorin Mary Shelley sowie ihres Spätwerks anzuregen. In Abgrenzung zum Gros der wissenschaftlichen Abhandlungen zu Mary Shelleys Spätwerk konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf den Text als solchen in seiner Gestalt, seinem Inhalt und seinen Aussagen. Shelleys Biographie und ihre weiteren Veröffentlichungen wie etwa Frankenstein werden derweil bewusst ausgeblendet. Untersucht werden somit ausschließlich der Roman Lodore und das darin manifestierte Handwerk der Autorin, nicht jedoch ihr restliches Werk, ihre Person oder ihr Lebensumfeld.
Methodik
Da Lodore das Thema Mädchenerziehung nicht explizit thematisiert, entwickelt und erprobt die vorliegende Abhandlung eine Methodik, die es ermöglicht, einen Text auf Aspekte hin zu erforschen, welche er nur peripher zu tangieren scheint. Um jene für den Untersuchungsschwerpunkt relevanten Details identifizieren zu können, die in den Text beiläufig, untergründig oder selbstverständlich verwoben sind und die Erziehung von Mädchen charakterisieren, stützt sich die Arbeit auf eine diskursanalytische und kulturwissenschaftliche Betrachtung dessen, was der Begriff „Mädchenerziehung“ im Kontext des 18. und 19. Jahrhunderts umfasst.
Fundament dieser Sensibilisierung für die zeitgenössische, historische Perspektive auf die Erziehung von Mädchen sind, erstens, Abhandlungen der historischen Bildungsforschung zu Mädchenerziehung im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und speziell in England. Zweitens werden aktuelle, wissenschaftliche Abhandlungen über den historischen Diskurs von Erziehungstheoretikern /-theoretikerinnen über Mädchenerziehung dazu genutzt, ein grundlegendes Verständnis aus moderner Perspektive auf die damaligen Denkmuster und Fragestellungen zu gewinnen. Drittens wird die Sensibilisierung für die zeitgenössischen Überlegungen und Ausdrucksweisen zum Thema Mädchenerziehung abgerundet durch das eigenständige Studium originaler Publikationen von Erziehungstheoretikern /-theoretikerinnen. Feinabgestimmt auf die Problemfelder und die historischen, erziehungsphilosophischen Grundpositionen untersucht die Arbeit in intensivem close reading die Darstellung der Mädchenerziehung und deren resultierenden Einfluss auf das Leben und Verhalten der weiblichen Figuren in Lodore.
Ergebnisse
Die Abhandlung erkennt unter der zunächst konventionell und unanstößig anmutenden Textoberfläche einen systematisch konstruierten, konsistenten Subtext. Die Dissertation charakterisiert die wiederkehrenden Techniken und sprachlichen Muster, mit denen der Subtext implementiert ist. Dadurch macht sie nachvollziehbar, inwiefern die emotionale Reaktion des Lesers auf den Roman im Sinne von Unverständnis, Irritation oder Amüsement nicht zufällig auftritt, sondern durch Mary Shelleys schriftstellerisches Handwerk bewusst provoziert wird.
Im Subtext verborgen identifiziert die Dissertation, erstens, eine Einladung zur kritischen Betrachtung systemkonformer Wertvorstellungen zum Leben von Frauen in der Familie und in der Gesellschaft. Dabei demonstriert die Interpretation, wie der Roman traditionelle und literarische Idealisierungen von „Weiblichkeit“ entzaubert, während er gleichzeitig alternative, geschlechtsneutrale Lebensentwürfe für Frauen anerkennend präsentiert.
Zweitens beobachtet die Arbeit im Subtext vielfältige Hinweise auf Missstände im Lebensalltag von Frauen und weist nach, dass der Roman insbesondere Momente der geschlechtsdiskriminierenden Vorverurteilung durchgängig inszeniert. Diese Problematisierung versteht die Dissertation als eine Aufforderung an den Leser / die Leserin, den eigenen Leseprozess des Romans in Bezug auf Informationsdistribution, Disposition und Verteilung der Sympathien selbstkritisch zu reflektieren.
Drittens entdeckt die Abhandlung im Subtext des Romans, dass Lodore unterschiedliche Ansätze der Mädchenerziehung in Bezug auf die Ausbildung von „Weiblichkeit“ polyperspektivisch erkundet. Die Untersuchung zeigt auf, dass der Roman drei verschiedene Modelle der Mädchenerziehung einander gegenüberstellt, die sich ideologisch mitunter diametral gegenüberstehen. Die Analyse beschreibt, inwiefern sich die drei Modelle mit den gleichen Herausforderungen innerhalb der Mädchenerziehung beschäftigen. Hierbei wird ausgeführt, auf welche Weise der Roman die unterschiedlichen Lösungsansätze auslotet, die von den drei Modellen auf diese konkreten Problemstellungen angeboten werden und sie abwägend, jedoch ohne kategorische Abwertung nebeneinander positioniert. Die Arbeit resümiert, dass der Roman einerseits die Bedeutung, Ausbildung und Konsequenz von „Weiblichkeit“ durch Erziehung, und andererseits das Leben, die Ziele und das Verhalten einer Frau innerhalb der Gesellschaft als Resultat solcher Erziehung kritisch prüft. Im Zuge dessen veranschaulicht die Dissertation, welche Aussagen und Suggestionen der Subtext dabei in Bezug auf die Themenkomplexe „Weiblichkeit“ und „Erziehung“ transportiert.
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