Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
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Resistenz polyklonaler, reifer T-Zellen gegenüber der Transformation durch retrovirale Transduktion
(2008)
Nach den ersten Erfolgen der Gentherapie bei angeborenen Immundefekten wurden einige Fälle von Leukämie nach gammaretroviralem Gentransfer in Blutstammzellen bei Patienten mit „severe combined immunodeficiency“ (SCID-X1) veröffentlicht. Diese entfachten eine Diskussion über das Risiko der Insertionsmutagenese bei der Verwendung gammaretroviraler Vektoren. Durch eine insertionsbedingte Transaktivierung potentieller Onkogene und damit verbundenen malignen Veränderungen können gammaretroviral transduzierte Blutstammzellen Leukämien hervorrufen. Aber nicht nur Blutstammzellen werden als Zielzellen in der Gentherapie genutzt. In der Gruppe von Laer wurde in den letzten Jahren eine neue Gentherapie der HIV-1 Infektion entwickelt. Hierbei werden dem Patienten genetisch geschützte, autologe T-Lymphozyten infundiert. Die Gefahr einer Leukämie durch Insertionsmutagenese sollte im Zuge dieser Studie für reife T-Lymphozyten evaluiert werden. In einer vergleichenden Analyse wurde untersucht, ob der gammaretrovirale Gentransfer in reife T-Lymphozyten die gleiche Genotoxizität birgt wie in hämatopoetische Stammzellen. Hierzu wurden reife T-Lymphozyten und hämatopoetische Progenitoren von C57BL/6(Ly5.1)-Mäusen mit multiplen Kopien gammaretroviraler Vektoren transduziert, die für die potenten T-Zell Onkogene LMO2, TCL1, dTrkA oder das Kontrollgen GFP kodierten. Es wurden sehr hohe Transduktionseffizienzen mit bis zu 70% für reife T-Lymphozyten und bis zu 98% für hämatopoetische Progenitoren erzielt, um möglichst leukämiefördernde Bedingungen zu schaffen. Nach Transplantation in kongene Rag-1 defiziente Empfängertiere (Ly5.2) entwickelten Onkogen-modifizierte Stammzellen nach einer charakteristischen Latenzperiode Leukämien/Lymphome. Am häufigsten wurden unreife, CD8+CD4+ doppelpositive T-Vorläufer Leukämien/Lymphome beobachtet. In einigen Rezipienten führte außerdem eine Überexpression von TCL1 in hämatopoetischen Stammzellen zu der Entwicklung von reifzelligen T-Zell Leukämien/Lymphomen und B-Zell Leukämien/Lymphomen. Die Integrationsanalyse ergab oligo- bis monoklonale Tumore, wobei keine offensichtlich tumorfördernden, die gammaretroviralen Insertionen flankierenden Gene identifiziert werden konnten. Bemerkenswerterweise entwickelte keines der T-Zell transplantierten Empfängertiere ein/e Lymphom/Leukämie, obwohl auch diese Zellen mit den gleichen Vektoren modifiziert wurden und über einen sehr langen Zeitraum persistierten. Um die Kontrollmechanismen dieser Resistenz näher zu untersuchen, wurde eine für den TCR monoklonale, adulte T-Zell Population mit dTrkA transduziert. Nach einer kurzen Latenzperiode entwickelten sich reifzellige T-Zell Leukämien/Lymphome. Anscheinend existiert eine Verbindung zwischen der relativen Transformationsresistenz reifer T-Lymphozyten und dem Konkurrenzverhalten verschiedener T-Zell Klone um stimulatorische MHC-TCR Nischen. Weiterhin wurde in vitro durch gammaretroviralen Transfer von LMO2 ein immortalisierter T-Zell Klon generiert. Dieser zeigte zwar nach einer langen Beobachtungszeit einen CD8-CD4-doppelnegativen Phänotyp, aber auch einen rekombinierten TCR. In vitro überwuchs er eine unmanipulierte Kompetitorpopulation, konnte jedoch nach Transplantation kein/e T-Zell Lymphom/Leukämie induzieren. Die LM-PCR Analyse des Klons lieferte eine sehr interessante Integration zwischen den Genen für die alpha-Ketten des IL-2 und des IL-15 Rezeptors, welche dadurch konstitutiv exprimiert wurden. Dies könnte das erste Beispiel für eine insertionsbedingte Immortalisierung eines adulten T-Zell Klons sein. In der vorliegenden Arbeit konnte zum ersten Mal eindeutig gezeigt werden, dass polyklonale, reife T-Zell Populationen in vivo eine hohe Transformationsresistenz aufweisen. Durch bestimmte Bedingungen können jedoch durchaus maligne Veränderung adulter, reifer T-Lymphozyten induziert werden. Für die Sicherheitsabschätzung gammaretroviraler Gentherapie-Studien mit reifen T-Lymphozyten sind die vorgestellten Ergebnisse von großer Bedeutung und könnten darüber hinaus Aufschluss über die populationsdynamischen Kontrollmechanismen reifer T-Zell Leukämien/Lymphome geben.
Präklinische Untersuchungen zur Gentherapie der HIV-Infektion mit dem retroviralen Vektor M87o
(2007)
Mit der Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) 1995 wandelte sich die HIV-Infektion in den Industrieländern von einer akut lebensbedrohlichen zu einer chronisch verlaufenden und scheinbar gut kontrollierten Erkrankung. Das Virus wird allerdings nie vollständig aus dem Körper eliminiert, sodass die Betroffenen zeitlebens Medikamente einnehmen müssen. Die Langzeit-Medikation wird häufig von schweren Nebenwirkungen begleitet, führt zur Selektion resistenter Viren und muss häufig umgestellt werden. Gentherapeutische Verfahren, die die CD4+ Zielzellen durch die Expression antiviraler Gene vor der Infektion durch HIV schützen („intrazelluläre Immunisierung“), stellen viel versprechende Therapiealternativen dar. Der in der Arbeitsgruppe von Laer entwickelte retrovirale Vektor M87o (EGELHOFER et al. 2004, EGELHOFER 2004) exprimiert das 46 Aminosäuren lange membran-verankerte Peptid C46, das in der Lage ist, die gp41-vermittelte Fusion von Virus- und Zellmembran zu inhibieren. In Zelllinien und primären Lymphozyten konnte gezeigt werden, dass M87o die Infektion durch unterschiedliche HIV-Isolate sehr effektiv verhindert. Im Rahmen vorklinischer Untersuchungen konnte in vitro gezeigt werden, dass die retrovirale Transduktion mit M87o das Transformationsrisiko und damit das Risiko der Entstehung von Neoplasien nicht steigert. An primären peripheren T-Zellen konnte zeigt werden, dass M87o die Zielzellen weder phänotypische noch funktionelle verändert. Für die Untersuchung der retroviralen Gentherapie im Rhesusaffenmodell wurde zunächst ein Gentransferprotokoll für periphere Affenlymphozyten entwickelt, mit dem in Vorversuchen Gentransferraten von ca. 50% erreicht werden konnten. Das Transduktionsprotokoll wurde anschließend im Rahmen einer präklinischen Studie zur Toxizität und Immunogenität der M87o-Gentherapie, bei der Herstellung zweier Studientransplantate angewandt. Beide Zellpräparate wurden den Versuchstieren transplantiert. Während des Eingriffs traten keine akuttoxischen Reaktionen auf. M87o+-Zellen konnten bis 140 Tage nach der Transplantation mittels PCR nachgewiesen werden. Immunologische Untersuchungen (Cytokinfärbung, Proliferationsassay, ELISPOT) ergaben keine Hinweise auf zelluläre oder humorale Immunreaktionen. M87o-spezifische Antikörper waren im Serum nicht nachweisbar. Für die Durchführung einer klinischen Studie zur Toxizität und Wirksamkeit (Phase I/II) an HIV-infizierten Probanden wurde ein Protokoll zur Produktion M87o-modifizierter T-Zellen (mindestens 5 × 108 M87o+ CD4-T-Zellen pro Spender) entwickelt. In die klinische Prüfung wurden Patienten aufgenommen, die nach multiplem Therapieversagen durch das Auftreten multiresistenter HIV eine CD4-Zellzahl von 50 bis 200 µl-1 Blut, sowie eine Viruslast von >5.000 Kopien ml-1 Blut aufwiesen. Im Versuchsmaßstab konnte ein Transduktionsprotokoll erarbeitet werden, mit dem im Mittel 46% der CD4+ T-Zellen mit M87o transduziert werden konnten. Innerhalb von 10 Tagen expandierte die Zellzahl im Mittel um den Faktor 153, wobei die HIV-Replikation vollständig inhibiert wurde. Das Protokoll wurde erfolgreich vom Versuchsmaßstab in den klinisch relevanten Produktionsmaßstab übersetzt. In drei Versuchsläufen wurde im Mittel eine Transduktionsrate von 29% erreicht und die Zellzahl um den Faktor 44 vermehrt. Der Anteil an CD3+/CD4+ Zellen an der Gesamtpopulation lag im Mittel bei 91%. Insgesamt konnten mit dem etablierten Protokoll durchschnittlich 2,3 × 109 CD3+/CD4+/M87o+ Zellen, bei gleichzeitig vollständiger Inhibition der HIV-Replikation, generiert werden. Im Rahmen einer klinischen Studie zur Toxizität und Wirksamkeit der M87o-Gentherapie wurden 10 Studientransplantate gemäß dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Protokoll hergestellt. Alle Transplantate wurden am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf in Hamburg transfundiert und von den Patienten sehr gut vertragen.