Linguistik
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Mit der Möglichkeit, anhand digitaler Telefonanschlüsse Familiennamen nach Bestand, Trägerzahl und räumlicher Verbreitung mit großer Genauigkeit zu erfassen, hat eine neue Epoche der Anthroponomastik begonnen. Der Schatz von 850661 verschiedenen Familiennamen, die im Jahre 2005 in 28205713 privaten Festnetzanschlüssen registriert waren, ist immens, und die Fragestellungen zu seiner Erforschung sind in ihrer Ausrichtung und in ihrer Anzahl unerschöpflich. In dieser Situation ergaben sich vordringlich zwei Aufgaben: Erstens musste angesichts der von Jahr zu Jahr wachsenden Bevölkerungsmobilität, angesichts der Auswirkung neuerer Namengesetzgebung und angesichts der schnell zunehmenden Ablösung lokalisierter Festnetzanschlüsse durch Mobiltelefone der Namenbestand spätestens jetzt aufgrund der zuverlässigsten Quelle und in legitim nutzbarer Weise gesichert und archiviert werden. Die geschichtlich gewachsenen Namenlandschaften sind gerade noch, und zwar in erstaunlicher Stabilität, erhalten. Die Daten wurden nach Klärung der Datenschutzfragen von der Deutschen Telekom auf Stand Juni 2005 dem Deutschen Familiennamenatlas zur Verfügung gestellt und ihre Nutzung zur namenkundlichen Forschung mit Vertrag vom 28.06.2005 geregelt.
Eigennamen vereinen viele Besonderheiten auf sich. Dazu gehört, dass wir im Fall der Rufnamen (= Vornamen) direkten und freien Zugriff auf ein riesiges Nameninventar haben, d. h. Eltern können ihr Kind, linguistisch betrachtet ein neues Referenzobjekt, mit einem (oder mehreren) Namen eigener Wahl versehen. Darin sind sie heute vollkommen frei, d. h. die Namen werden fast nur noch nach Geschmack (Wohlklang/Euphonie, Harmonie zum Familiennamen etc.) ausgesucht. Diese sog. freie Namenwahl ist noch nicht sehr alt, etwa gut 100 Jahre. Bis ins 19. Jh. hinein galt (mehr oder weniger) die sog. gebundene Namenwahl, d.h. die Nachbenennung der Kinder nach Familienangehörigen, nach Paten, nach Heiligen, nach Herrschern und anderen Personen.
In diesem Artikel wird erstmals der Wandel der phonologischen und prosodischen Strukturen der deutschen Rufnamen seit 1945 bis heute (2008) bezüglich der Kennzeichnung von Sexus beziehungsweise Gender untersucht. Auf der Grundlage der 20 häufigsten Rufnamen wird gezeigt, wie weibliche und männliche Namen sich diachron im Hinblick auf ihre Sonorität, die verwendeten Vokale (besonders im Nebenton), Hiate, Konsonantencluster, die Silbenzahl und das Akzentmuster verändern. Das wichtigste Ergebnis ist, dass heute die Rufnamen beider Geschlechter strukturell so ähnlich sind wie nie zuvor. Damit hat sich seit dem 2. Weltkrieg eine Androgynisierung vollzogen.