CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Das Konzept der Intersektionalität hat sich in den letzten Jahrzehnten in den Geistes-, Sozial- und Lebenswissenschaften als überaus einflussreich erwiesen. Auch in der Literaturwissenschaft gewinnen Intersektionalitätstheorien zunehmend an Bedeutung. Der Beitrag geht von dieser Entwicklung aus und fragt zunächst allgemein danach, wie sich das Konzept für literaturwissenschaftliche Methoden und Fragestellungen fruchtbar machen lässt, in denen die Beschäftigung mit Intersektionalität über ein Verständnis dieser als reine Identitätstheorie hinausgeht. Die Analyse von Bernardine Evaristos preisgekröntem Roman "Girl, Woman, Other" (2019) führt anschließend vor, wie Identitätsfragen aus intersektionaler Perspektive nicht nur Interdependenzen der Ungleichheiten zwischen Figuren in den Blick nehmen, sondern auch die systemischen Grundlagen dieser Ungleichheiten sowie deren Einbindung in eine hegemoniale Kulturindustrie. Mit seiner Thematisierung von Intersektionalität als Thema auf mehreren Ebenen dient der Roman als Beispiel, wie das Konzept als Theorie und Methode die Literaturanalyse bereichern kann, und umgekehrt, welche Impulse sich aus der Beschäftigung mit Literatur und narratologischen Analysekategorien wie Perspektive und Perspektivenstruktur auch für die Intersektionalitätsforschung gewinnen lassen.
Als "Mittelpunkt und Leitstern" der von ihm gegründeten Kulturwissenschaftlichen Bibliothek hat Aby Warburg die "Frage nach dem Einfluss der Antike auf die späteren Kulturepochen" bezeichnet. Es mag daher nicht verwundern, dass unter den Wissenschaftlern, die in den Jahren von 1921 bis 1931 für einen Vortrag nach Hamburg eingeladen worden sind, auch zahlreiche Klassische Philologen waren. Der auch heute noch bedeutendste und bekannteste Philologe, der eine Einladung nach Hamburg angenommen hat, ist Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Am 26. April 1924 hat Wilamowitz in der Bibliothek Warburg einen Vortrag mit dem schlichten Titel "Zeus" gehalten. [...] Wilamowitz' Beziehung zur Bibliothek Warburg ist in der Wilamowitz-Forschung bislang kaum beachtet worden. Dabei ist Wilamowitz' Vortrag schon deshalb von besonderem Interesse, weil er eine Vorstudie zu seinem letzten großen, unvollendet gebliebenen Werk "Der Glaube der Hellenen" bildet. [...] In Anbetracht des von Wilamowitz gewählten Themas erscheint es besonders reizvoll, der Frage nachzugehen, ob, und wenn ja, wie sein Vortrag Bezug nimmt auf die kulturwissenschaftliche Methode und die Forschungsfragen der Bibliothek Warburg. Im Folgenden werde ich zunächst auf Wilamowitz' akademische Karriere, sein Verständnis der Klassischen Philologie und seine Ansichten zur griechischen Religion eingehen; anschließend werde ich den Vortrag im Hinblick auf die Beziehung zur KBW und zu Warburgs eigener Forschung diskutieren. Für Davide Stimilli ist Wilamowitz' Vortrag ein "verpasster Austausch". Es zeigt sich aber, dass dies nur äußerlich zutrifft; inhaltlich und methodisch erweist er sich als kritisch-konstruktiver Beitrag zum kulturwissenschaftlichen Programm der Bibliothek.
Who's afraid of ideology?
(2023)
Artist Marwa Arsanios shares textual fragments from research she conducted for the first and second parts of a video trilogy titled "Who's Afraid of Ideology?" Meditating on the voiding effects of war, and the ecological and affective texture of communal resistance and eco-feminist praxis as they emerge in Iraqi Kurdistan, Lebanon, and northern Syria, the text takes us to ecological milieux made of wild medicinal plants, fig trees, Kurdish guerrillas, and farmers in a women-only commune.
"War-torn Ecologies, An-Archic Fragments: Reflections from the Middle East" identifies a conceptual intersection between war, affect, and ecology from the Middle East. It creates a counter archive of texts by ethnographers and artists, and enables divergent worlds to share a conversation through the crevices of mass violence across species. Delving into vital encounters with mulberry trees, wild medicinal plants, jinns, and goats, as well as bleaker experiences with toxic war materials like landmines, this volume expands an ecological sensorium that works through displacement, memory, endurance, and praxis.
Umut Yıldırım's introduction combines the genres of literature review and commentary. It re-examines contemporary works on posthuman life to articulate ecological life-and-death politics within the context of colonial, imperial, and genocidal mass violence, and their entangled environmental legacies and actualities. A dissident repertoire of anthropological and artistic research is offered, which examines the ecological impact of war through the perspectives of human and more-than-human actors whose racialized and geographically regimented lives endure and counter ongoing environmental destruction.
In this paper, I will address the issue of translation as a critique of autochthony that emerges in the context of Fritz Mauthner's linguistic scepticism. Translation, for Mauthner, becomes a privileged prism through which to consider identity and belonging, as well as a way of understanding uprootedness, since language is a continuous product of borrowing, bastardization, stratification, and contingency. According to Mauthner, languages are not possession, but borrowing; not purity, but contagion; not an abstract crystallization, but transit. Therefore, love of the mother tongue - the only way to conceive patriotism - is not a physical connection with the land, roots, or nation, but a refuge, an always precarious 'Heimat' (home).
In aktuellen Diskussionen werden Forderungen nach einer diversen Kinder- und Jugendliteratur laut. Autor:innen wie Andrea Karimé oder Chimamanda Ngozi Adichie fordern Gegenerzählungen oder sprechen von den Gefahren einer 'single story', in denen den Leser:innen nur weiße Geschichten präsentiert werden. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen ausgewählte Kinderromane der Autorin Andrea Karimé sowie die Frage nach diversen und intersektionalen Kindheitsbildern. Die Analysen zeigen, dass sowohl diversitätssensible als auch intersektionale Perspektiven für die Auswahl von Kinderliteratur für den Unterricht bereichernd sind, denn sie eröffnen den noch jungen Leser:innen nicht nur neue Welten, sondern stärken auch die Kinder mit Blick auf ihre eigene Lebenswelt. Zugleich spielt insbesondere Intersektionalität eine untergeordnete Rolle, sollte aber dennoch aufgrund des hohen Potentials stärker in die literaturwissenschaftlichen und -didaktischen Debatten rücken.
Von antiklassisch zu antimanieristisch : Walter Friedländers Neubewertung von Epochenbegriffen
(2023)
Ab 1921 bekleidete Friedländer eine außerordentliche Professur in Freiburg und arbeitete in dieser Zeit seine Vorstellungen über die Modifikation und Reinterpretation kanonisch gewordener Epochenbegriffe aus. In seiner Antrittsvorlesung widmete er sich als einer der Ersten der manieristischen Periode der italienischen Malerei. Sein Aufsatz "Die Entstehung des antiklassischen Stiles in der italienischen Malerei um 1520", der aus seinem Habilitationsvortrag hervorgegangen war, aber erst 1925 erschien, darf als Gründungsdokument einer Rehabilitierung des Manierismus gelten. Für Friedländers späteren Vortrag "Der antimanieristische Stil um 1590 und sein Verhältnis zum Übersinnlichen" in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg im Curriculum 1928 /29 ist dieser Aufsatz von großer Bedeutung, und deshalb muss auf seinen Versuch der Neubewertung dieser künstlerischen Strömung kurz eingegangen werden. 'Manierismus' wurde als Epochenbegriff im 19. Jahrhundert von Jacob Burckhardt eingeführt und sowohl von ihm wie auch von seinen Nachfolgern weitestgehend pejorativ verwendet. [...] Bis heute ist der 'Manierismus' als Stil- und Epochenbegriff ein polarisierendes Streitthema in der Kunstgeschichte geblieben: Der Auffassung, der Manierismus sei eine konsequente Weiterentwicklung oder Übersteigerung der Renaissance, die schließlich im Barock resultiere, steht eine andere Position gegenüber, zu deren Lesart auch Friedländers gehört. Sie erkennt den Manierismus als eine eigene Stilepoche an, die durch einen starken Bruch mit der Renaissance im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts eingeläutet worden sei. [...] Um den negativ konnotierten Terminus des Manierismus mitsamt seiner ablehnenden Valenz zu umgehen und andererseits einen "neuen Stilwillen" zu betonen, wählt Friedländer den Begriff "antiklassisch". [...] Vier Jahre nach Erscheinen seines Aufsatzes zum Manierismus widmete sich Friedländer aus Anlass seines Vortrags an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg der Ablösung des antiklassischen Stils. Für die erneute Gegenbewegung der Kunst um 1590, die andere vor ihm unter den Epochenbegriff des Barock subsumiert hatten, schlägt er die Bezeichnung des antimanieristischen Stils vor. [...] Friedländer war weniger daran interessiert, sich als Begriffspräger in die Kunstgeschichte einzuschreiben, als vielmehr daran, homogenisierende Epochenbegriffe kritisch ins Visier zu nehmen. Eine Zusammenfassung unter einen "Generalnenner, etwa wie Barockzeitalter" lehnte er ebenso ab wie andere "ziemlich willkürlich gesetzte und definierte Termini" wie Gotik, Renaissance, Klassizismus etc. Friedländer plädierte auch in weiteren Abhandlungen für mehr Differenzierung und für eine Betrachtungsweise, die nicht in einem monolithischen Stildenken aufgeht, sondern eine Überlagerung der Generationen und ein Nebeneinander disparater Haltungen und Schulen berücksichtigt. Er hat dabei immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die etablierten Epochenbezeichnungen der Kunstgeschichte oft einem Begriffsarsenal der Herabwürdigung früherer Epochen entsprang. [...] Was konnte Friedländer mit seinem Vortrag "Der antimanieristische Stil um 1590 und sein Verhältnis zum Übersinnlichen" zum Erreichen der Ziele der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg beitragen? Welche methodischen Überschneidungen konnten sich möglicherweise ergeben, auch wenn theoretische und methodische Grundsatzdebatten so wenig die Sache von Friedländer wie von Warburg waren?
"Untying the Mother Tongue" explores what it might mean today to speak of someone's attachment to a particular, primary language. Traditional conceptions of mother tongue are often seen as an expression of the ideology of a European nation-state. Yet, current celebrations of multilingualism reflect the recent demands of global capitalism, raising other challenges. The contributions from international scholars on literature, philosophy, and culture, analyze and problematize the concept of 'mother tongue', rethinking affective and cognitive attachments to language while deconstructing its metaphysical, capitalist, and colonialist presuppositions.
Unsere Helden. Eine Inventur : zu einer Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum der Ukraine 2014/2015
(2023)
Aus Anlass seiner kuratorischen Tätigkeit bei einer Ausstellung in Kiew im Zeichen des Euromaidan verfolgt Michael Fehr die aktuelle Renaissance von Heldennarrativen bis zum sowjetischen und antiken Heroenmythos zurück und zeigt am Beispiel der Sammlung des Nationalen Kunstmuseums der Ukraine auf, welche unterschiedlichen Funktionen verschiedene Heldentypen in bestimmten Konstellation erfüllen können.