CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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In seiner Rezension zur Kritischen Ausgabe der 'Einbahnstraße' schreibt Lorenz Jäger in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' vom 11.3.2010: "Zwischen Moskau und Paris liegt der geographische Raum dieses Buches, auch nach Süden hin ist er offen." Tatsächlich spielt der Süden Europas im Leben und Werk Benjamins eine wichtige Rolle. In Italien und Spanien hat er nicht nur längere Phasen seines Lebens verbracht, sondern bekanntlich auch zentrale, seine intellektuelle Entwicklung prägende Zäsuren erlebt. Seine autobiographischen Texte, Reisebilder und die Besprechungen einschlägiger Werke zur Kultur und Landschaft Südeuropas geben davon ein eindrucksvolles Zeugnis. Hinsichtlich der Rezeption der romanischen Literatur im engeren Sinn wird man aber von einer eher schmalen Tür nach Süden sprechen müssen, jedenfalls gemessen an den breiten Toren, die nach Westen in Richtung Frankreich bzw. nach Osten zur russischen Literatur führen. Gewiss, Benjamin kannte die italienischen Klassiker Dante, Petrarca, Boccaccio, Aretino oder Marsilio Ficino, aber sehr tiefe Spuren haben sie in seinem Werk nicht hinterlassen. Etwas anders sieht es bei den großen Autoren des spanischen 'Siglo de Oro' aus. Mit Cervantes als Erzähler, vor allem aber mit dem "Handorakel" von Baltasar Gracián und den Trauerspielen Calderons hat er sich seit den 1920er Jahren wiederholt und intensiv auseinandergesetzt. Aber auch hier fehlt, sieht man von der kurzen Rezension des spanischen Surrealisten Ramón Gómez de la Serna ab, jede nähere Beschäftigung mit bedeutenden Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Umso auffälliger ist vor diesem Hintergrund das Interesse, das Benjamin dem italienischen Dichter, Philologen, Essayisten und großen Aphoristiker Giacomo Leopardi (1798–1837) entgegengebracht hat. Es findet seinen deutlichsten Niederschlag in der Rezension einer deutschen Übersetzung von Leopardis 'Pensieri', die im Frühjahr 1928 geschrieben wurde und in der 'Literarischen Welt' vom 18.3.1928 erschienen ist. Größere Aufmerksamkeit hat diese Besprechung nicht gefunden. Bekannter ist der sich daran anschließende, zwei Monate später an gleicher Stelle publizierte Disput mit dem Übersetzer Richard Peters, der dem Kritiker Gelegenheit gab, zu grundsätzlichen Fragen der Übersetzungstheorie Stellung zu nehmen (WuN XIII, 144–147). Dagegen wurde die Verbindung zwischen Benjamin und Leopardi bislang in der Forschung von keiner Seite thematisiert.
Rezension zu Geoffrey Galt Harpham: Language Alone. The Critical Fetish of Modernity, New York, London (Routledge) 2002. 261 Seiten.
Der amerikanische Literaturwissenschaftler Geoffiey Galt Harpham, Präsident und Direktor des National Humanities Center in North Carolina, Gastprofessor für Anglistik an verschiedenen amerikanischen Universitäten sowie Gutachter des Wissenschaftskollegs zu Berlin, der bereits zahlreiche Beiträge zum Thema Sprache und Ethik veröffentlicht hat, legt mit diesem Buch eine in vier Kapitel untergliederte, herausfordernde Studie vor, die vor dem Hintergrund einer erkenntnistheoretischen und humanwissenschaftlichen Argumentation eine grundlegende Kritik am 'linguistic turn' des transdisziplinären wissenschaftstheoretischen Diskurses im 20. Jahrhundert unternimmt.
'[C]ulture as text' initially proved to be a pivotal bridging metaphor between cultural anthropology and literary studies. Following an admittedly ambivalent career path, the concept of 'culture as text' has nevertheless continued to rise and has become an over-determined general principle, an emphatic key metaphor, even an overall "programmatic motto for the study of culture" […]. At first, this concept was still closely connected to ethnographic research and to the semiotic framework of interpretive cultural anthropology. However, since the end of the 1990s it has been utilised to encompass a much broader interdisciplinary horizon for the study of culture. 'Culture as text' advanced from being a conceptual metaphor for the condensation of cultural meanings to a rather free-floating formula frequently referred to in analyses within disciplines involved in the study of culture. Surprisingly, 'culture as text' has remained a consistent key phrase throughout the discourses concerned with the study of culture—even after the culture debate had long since turned away from the holistic understanding of culture implied by the formula.
Tierfilme und -reportagen haben Konjunktur, neue Bildtechnologien ermöglichen immer differenziertere Einblicke in Verhaltens- und Lebensweisen bekannter und unbekannter Tierarten. Wir fühlen uns als teilnehmende Beobachter in scheinbar gewagtester Nähe. Das "Privatleben" der Tiere wird bis in den letzten Winkel verfolgt, die Entdeckung der Tierindividualitäten schreitet voran, Tiere bekommen ein Schicksal und wecken Empathie, der vor über 2000 Jahren entstandene Tier-Mensch-Verwandtschafts-Topos, dem noch jeder Gedanke an die Abstammung der Arten fern lag, wird neu belebt. Doch das kulturelle Interesse am Tier erschöpft sich nicht im Fasziniertsein durch perfekt visualisierte Verhaltensstudien oder durch neueste Lesarten der Tiermetaphorik, in der es stets weniger um Tiere als um Menschen geht. Der historische Wandel der menschlichen Tierbeziehung wird in der Tierethik reflektiert.
Seit der Antike umstrittene kognitive Fähigkeiten verschiedener Tierarten bilden heute einen einzelwissenschaftlich fundierten philosophischen Diskussions- und Forschungsgegenstand ("Der Geist der Tiere"). Die Biosemiotik macht große Fortschritte, der Tier-Mensch-Vergleich - bereits ein Kernstück antiker Anthropologie und Ethik - erfährt eine tiefgreifende Umwertung. Dabei steht nicht mehr von vornherein der Mensch im Mittelpunkt; vielmehr wird versucht, das Animalische in seiner Artenvielfalt als eine vielgestaltige eigene Lebensform zu beschreiben; diese ist nicht länger an Maßstäben einer Anthropozentrik zu messen, die im innersten teleologisch geblieben ist. Der Tier-Mensch-Vergleich wird heute nicht mehr so einseitig und ausschließlich auf kognitive Fähigkeiten bezogen. Vielmehr werden weitere Aspekte wie Emotionalität, Wertungs- bzw. Präferenzverhalten, moralanaloge Verhaltensweisen, Antriebsstrukturen, Soziabilität, Zeichenverhalten mit einbezogen. Diese Komplexität der Vergleichspunkte oder Vergleichseinheiten war erst mit dem neuzeitlichen Rationalismus immer mehr eingeschränkt worden. Die gegenwärtig wiedergewonnene Komplexität lässt nach historischen Vorbildern Ausschau halten; da verwundert es nicht, wenn eine Anthropologie ins Blickfeld rückt, die im Tier-Mensch-Vergleich einen ihrer wichtigsten Ausgangspunkte hatte: die antike Anthropologie.
Un titolo quale "Dialettica negativa e antropologia negativa" sembrerebbe preannunciare un lavoro di confronto tra Th. W. Adorno e Ulrich Sonnemann, sulla scia di una indicazione mutuata dalla "Introduzione" di "Dialettica negativa" (1966). E invece, disattendendo una simile aspettativa, la "Negative Anthropologie" cui ci si riferisce in questo saggio è quella di Günther Stern/Anders. L’idea di un confronto tra le due prospettive nasce dalla curiosità di capire la corrispondenza tra la "dialettica negativa" e l'"antropologia negativa", laddove con il secondo sintagma si intende la concezione andersiana di un'umanità inadeguata al mondo. Che poi non si tratti di una stranezza ma di un interrogativo legittimo lo conferma, indirettamente, lo stesso Adorno, che in una nota contenuta nella sezione della "Dialettica negativa" dedicata alla lettura del pensiero di Heidegger, chiama in causa proprio la lezione di Anders.
Unter den Formeln, die das Wesen des Menschen pointieren sollen – zoon legon echon, animal rationale usw. – gibt es die etwas humoreske Gleichung: homo est animal quaerens cur, der Mensch ist das Tier, das nach dem Warum? fragt. Wir werden noch sehen: wenn der Mensch sich vom Tier abzuheben sucht, wird er gefährlich. Die Gefährlichkeit des Fragens wird in den Wissenschaften weitgehend geleugnet. ...
Die vier Elemente im Zusammenhang der Anthropologie zu behandeln, ist heute keineswegs selbstverständlich. Die naturphilosophische Lehre von den Elementen fand ihre erste Ausprägung bei Empedokles. Ihre Ausarbeitung bei Platon und Aristoteles war für die Philosophie der Natur bis etwa 1800 paradigmatisch. Mit Antoine Laurent Lavoisier, Joseph Priestley und Sadi Carnot, denen der Nachweis der chemischen Zusammengesetztheit von Wasser, Luft und Feuer experimentell gelang und die damit den Grund für das periodische System der chemischen Elemente lieferten (schon zu Lavoisiers Lebzeiten zählte man über dreißig), war die Elementenlehre als Theorie der Natur wenigstens wissenschaftlich an ihr Ende gekommen. In diesen 2300 Jahren, in denen die vier Elemente die Pfeiler einer jeden Naturphilosophie bildete, hat es eine Reihe wesentlicher Korrespondenzen zwischen Elementenlehre und Anthropologie gegeben. Am wichtigsten ist die überragende Bedeutung, welche die Elemente in der hippokratisch-galenischen Medizin einnahmen, die ihrerseits bis ins 16., wenn nicht bis ins 18. Jahrhundert den Rahmen aller Krankheitslehren abgab. Allerdings kommt die Anthropologie selbst, von einigen Vorläufern abgesehen, erst im 18. Jahrhundert auf den Weg, in einer Zeit also, wo die Elementenlehre durch die moderne Chemie und die antike Humoralpathologie durch die anatomische und neurophysiologische Medizin abgelöst wurde. Auf die junge Anthropologie hat die Elementenlehre also keinen Einfluß mehr ausgeübt. ...
Ethnopoesie und Ethnographie
(2001)
This paper is a comparative investigation of two kinds of anthropological fieldwork – ethnopoetry and ethnography – made by two authors on the same subject, at the same place and time: the Afro-Brazilian temple Casa das Minas, in São Luis do Maranhão, in 1981-1982. The analysis focuses on the work of the German writer Hubert Fichte(1935-1986), 'Das Haus der Mina in São Luis do Maranhão (l989), and on the study of the Brazilian anthropologist Sergio FERRETTI, 'Querenbentã de Zomadônu. Etnografia da Casa das Minas do Mamnhão' (1983 and 1996). The comparison of methods and results reveals, on the one hand, advantages of the ethnopoetical approach in the art of interview, priority given to the informants' discourse, and the interpretation of religious rituals, from a general point of view. On the other hand, the special qualities of the ethnographical approach are the theoretical understanding and the didactic transmission of the other culture, combined with the translation of basic concepts through a glossary. – See also, in this number of Pandaemonium Germanicum, Sergio Ferretti's complementary article on "Ethnography and Ethnopoetry".
This paper, written by an anthropologist, describes his fieldwork experience in the Afro-Brazilian temple Casa das Minas, São Luis do Maranhão, in 1981-1982, done with the German writer Hubert Fichte. Although correcting some statements in Fichte's book on the same subject and criticizing his indiscretion towards several of his informants, the article emphasizes the learning process with the German "ethnopoet": his skillful interview technique, the priority given to subjects of general interest, the importance of card files, the sought for beauty in the statements… As to the methodological differences between ethnography and ethnopoetry, the latter is free from the conventions of anthropological work, being able to concentrate on the beauty of the text and to conceive ethnography as a literary form. On the other hand, the advantages of ethnography, especially in Malinowski's tradition, are in the commitment with true facts and the precision of details. – See also, in this number of Pandaemonium Germanicum, Willi Bolle's complementary article on "Ethnopoetry and Ethnography".
In this Paper, the idea of "ethnopoetics" is seen not exclusively as the characteristic trait of Hubert Fichte's (1935-1986) work, but as one among several forms of New Ethnology, which appeared in the context of the crisis of traditional ethnology in the 20th century. The first part intends to conceptually clarify several issues introduced by Fichte, such as the transformation of the world into words, the connection between fieldwork and interpretation, the "participant observation", and the encounter between hegemonic and peripheral cultures, comparing them with the ethnographical essays of Lévi-Strauss, Malinowski, Evans-Pritchard and Ruth Benedict. The second part is devoted to Fichte's posthumous book "Explosion", published in 1993 – where he relates his experience of three journeys in Brazil, between 1969 and 1982, a text which may be considered as his working journal and guide to all his publications on Brazil. I discuss how far the author realized his proposals to write a "novel of ethnology" and to create a "new ethnology".