CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Experimentation with forgeries in art and literature as a deliberate renunciation of authenticity and originality was practiced long before postmodern times. The following article shows a network of literary forgers playing around with apocryphal constructs. It monitors a chain reaction from the pioneer Cervantes in his meta-fictional second part of 'Don Quixote' to Jorge Luis Borges' "Pierre Menard" rewriting one chapter of Cervantes' classic and Umberto Eco's postmodern construction of Borges' invented character Bustos Domecq ending up at Pablo Katchadjian's "Aleph gaining weight". Radical appropriation between artistic resource and informal practice contributes to dismantled orthodoxy, subverted values, and attacked conventions. Plagiarism loses its harming effect; instead, authors celebrate different types of forgeries by simulation, bluff, lies, manipulation, or camouflage. Ultimately, by these artistic devices, they shed light on the affinity to processes of fictionalization itself.
Der Ansatz, dass Katastrophen als diskursive Produkte immer auch ein Symptom der Sinnsuche sind, wird auch in Bernhard Strickers Aufsatz 'Hiob - unser Zeitgenosse?' aufgegriffen. Die Unglücksfälle, die Hiob im Alten Testament widerfahren, können als eine Akkumulation persönlicher Katastrophen gedeutet werden, die sich zunächst durch ihre scheinbare Sinnlosigkeit auszeichnen. Stricker vergleicht zwei zeitgenössische filmische Neugestaltungen der Hiob-Geschichte ('A Serious Man' und 'Das Leben ist zu lang'), die ein ironisches Spiel mit den narrativen Strategien der Sinnstiftung im Angesicht des Realen in Form der Katastrophe treiben.
Das Spiel, die Maskerade und andere Elemente des Karnevals sind Fixpunkte in beinahe allen Texten von Felicitas Hoppe. Sie tauchen aber nicht nur auf inhaltlicher Ebene auf, sondern sie sind zudem wesentliche Bestandteile des ästhetischformalen Erzählprogramms der Autorin. Im vorliegenden Beitrag soll unter Berücksichtigung von Michail Bachtins Konzepten der Dialogizität und Polyfonie das karnevaleske Moment in Felicitas Hoppes Erzählwerk, vor allem in den Romanen 'Paradiese, Übersee' (2003), 'Johanna' (2006), und 'Hoppe' (2012) herausgearbeitet werden und zwar auf Ebene des Sujets, der Sprache und der Textgattung. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei vorangestellt, dass das Motiv des Karnevals von seiner Anlage her keine bewusste narrative Strategie darstellt (auch wenn es durchaus als solches eingesetzt werden kann). Statt einer autorzentrierten Interpretation soll daher die 'Karnevalisierung' der Literatur ganz im Sinne Michail Bachtins als Traditionslinie und Textdynamik begriffen werden, die flexibel ist und die Individualität der einzelnen Autorinnen und Autoren in keinster Weise tangiert beziehungsweise formal einengt.
Monika Schmitz-Emans' Beitrag 'Literarische Echos auf Lissabon 1755' beleuchtet verschiedene Texte, die sich auf das Lissaboner Erdbeben - eine paradigmatische Katastrophe - beziehen: Im Vergleich der Texte von Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Peter Sloterdijk und Reinhold Schneider zeigt sich die diskursive Bedingtheit von Katastrophen, die letztlich das Produkt zeitspezifischer Wissensformationen sind. Das Reflexionsniveau literarischer Katastrophendarstellungen erlaubt es, diese Prozesse der Diskursivierung und Sinnstiftung neu zu denken.
Wenn eine Katastrophe die Hinwendung zum Schlimmen ist, die schweres Leid und ein verderbliches oder schmerzliches Geschehen verursacht, so sind die Protagonistinnen in Émile Zolas 'Nana' und Frank Wedekinds 'Lulu' sowohl Verursacherinnen als auch Opfer von Katastrophen. Ausgelöst werden diese durch die destruktiven Naturen der Figuren, welche Zola und Wedekind unterschiedlich interpretieren. Während Nana als ein sich ihres Handelns nicht bewusstes Tier auftritt, erscheint mit Lulu eine Gestalt, die scheinbar jedwede Rolle annehmen kann, abhängig davon, wie ihr Betrachter sie sehen und heißen will.
Interpretation ist offenbar nicht die einzige Umgangsweise mit Texten, aber gleichwohl ein systematisches Herzstück, um der 'textual uncertainty' beizukommen. Die Material Studies zeigen dies – gelegentlich entgegen ihrer eigenen Absicht – in eindrucksvoller Weise und erlauben es, hermeneutische Fragen neu, präziser, offener zu stellen: Ein Text lässt sich in seiner Komplexität der materiellen Produktions-, Archivierungs-, Erschließungs- und Rezeptionsprozesse offenbar nie ganz erfassen, aber das Ganze trägt im Sinne eines Maximalmodells der materialen Interpretation als Korrektiv und produktive Verunsicherung, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen verstärkt es die 'textual uncertainty' (›das Textganze gibt es nicht‹), zum anderen aber hält es die konstruktive Idee aufrecht, dass man dem Text ›näher‹ kommt, wenn man sich nur um alle Ebenen bemüht, die ihn ausmachen. Gegenwärtig ist es eine reizvolle Aufgabe für die Textwissenschaften (nicht nur für solche, die mit Literatur im engeren Sinne zu tun haben), zunächst einmal die weitreichenden Veränderungen im Umgang mit dem Objekt Text zur Kenntnis zu nehmen, interpretative Konzepte und Praktiken im Wandel zu untersuchen und den Umgang mit solchen Veränderungen theoretisch sowie 'am Text' zu prüfen. Diese Aufgabe ist überaus umfassend und verändert das Bild all der mit Text umgehenden Wissenschaften. Philologische Nüchternheit hilft hier ebenso wie performative Energie im Umgang mit der Materialität der Materialität. Um die eingangs zitierte Aussage Sontags aufzugreifen: Heute geht es darum, dass wir das Gesehene, Gehörte, Gefühlte angemessen interpretieren, ohne zu meinen, dass in Material und Sinnlichem allein der Sinn verborgen wäre.
Der epistemologische Wandel in der Biologie Mitte des 19. Jahrhunderts brachte das Postulat einer "potentiellen Unsterblichkeit" physischer Lebewesen hervor. Dieses komplementierte nicht nur vielfältige metaphysische und religiöse Vorstellungen seit der Antike, sondern verunsicherte einmal mehr die Begriffe vom Leben und vom Tod. Es traten Organismen in den Fokus der Aufmerksamkeit, die sich vollständig selbst regenerieren oder extreme Lebensumstände durch Anabiose überdauern konnten, nicht alterten, durch Teilung ewig fortlebten und keine Leiche hinterließen, kurzum: bei denen nicht mehr von einem natürlichen Tod die Rede sein konnte. Ergründet wurde, warum bei komplex strukturierten Organismen anders als bei einfachen das genetische Programm der Zellen deren Altern und Absterben bestimmt – eine Funktion, die sich als eng an die zweigeschlechtliche Fortpflanzung geknüpft erwies –, und warum die Verlängerung der Fortpflanzungsperiode Langlebigkeit hervorrief. In diesem Kontext wurde ein neuer Topos geschaffen: der Tod als Krankheit bzw. Defekt des Menschen, den es zu heilen und zu beheben galt. Und zugleich stellte sich die Frage nach einer Übertragung biologischer 'Unsterblichkeitstechniken' auf den nach Optimierung und Vervollkommnung strebenden Menschen.
Abschließend stellt Solvejg Nitzke in ihrem Aufsatz 'Apokalypse von innen' dar, wie traditionelle Narrative vom Ende der Menschheit in Debatten um das Verhältnis von Mensch und Natur aktualisiert und verschärft werden. Natur wird in diesen Narrativen (wieder) zum Subjekt, das sich gegen die sie bedrohende Menschheit zur Wehr setzt. Diese Umkehrung des (Natur-)Katastrophenbegriffs zurück zu einer intentional agierenden Kraft als ihrer Ursache, stellt die Frage wer die Macht besitzt zu entscheiden, wann und vor allem für wen Gefahr und Zerstörung zur Katastrophe werden.
Erzählen
(2011)
Was ist Erzählen? Erzählen ist eine sprachliche Handlung: Jemand erzählt jemandem eine Geschichte. An dieser Handlung lassen sich – in Analogie zu der linguistischen Grundeinteilung zwischen der Pragmatik, Semantik und Syntax der Sprache – drei Dimensionen unterscheiden.
(a) Erstens ist das Erzählen eine Sprachhandlung, die in einem bestimmten Kontext zwischen einem Erzähler und einem oder mehreren Rezipienten stattfindet. Diese Kommunikation kann unterschiedlich gestaltet sein, beispielsweise als mündliches Erzählen mit kopräsenten Gesprächsteilnehmern oder zerdehnt als schriftlicher Kontakt zwischen räumlich und zeitlich voneinander entfernten Autoren und Lesern. Die Praxis des Erzählens kann unterschiedlichen Funktionen dienen: Man kann erzählend informieren, unterhalten oder belehren, moralisch unterweisen, geistlich stärken oder politisch indoktrinieren, Erzählgemeinschaften bilden, individuelle oder kollektive Identität en stiften usw. Pragmatische Aspekte des Erzählens stehen insbesondere bei der Untersuchung nicht-literarischer ›Wirklichkeitserzählung en‹ (Klein/Martínez 2010) im Vordergrund, also beim Erzählen in institutionellen, quasi-institutionellen und alltäglichen Situationen, etwa Gerichtserzählungen, Predigten, Krankheitsgeschichten beim Arzt oder Therapeuten, journalistischen Reportagen oder dem Klatsch unter Arbeitskollegen.
(b) Eine zweite Dimension der Erzählhandlung umfasst das, was mitgeteilt wird: den Erzählinhalt, nämlich bestimmte Figuren, Schauplätze und Ereignisse, die sich zu einer Geschichte zusammenfügen.
(c) Drittens schließlich ist das ›Wie‹ des Erzählens von Interesse, die Gestaltungsweise der Erzählung. Dazu gehören rhetorische und stilistische Mittel, aber auch die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Erzählstimme, etwa der aus dem Text erschließbare ›Standort‹ des Erzähler s (der sich innerhalb innerhalb oder außerhalb seiner eigenen Geschichte befinden kann), das Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt des Erzählens und dem Zeitpunkt der erzählten Handlung oder auch die Perspektive der Darstellung. Während die erste Dimension den pragmatischen Kontext des Erzählens umfasst, betreffen der Erzählinhalt (das ›Was‹) und die Erzählweise (das ›Wie‹) textinterne Aspekte.