CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Schöndummheit. Über Ignoranz
(2008)
Der reizvolle Begriff der Schöndummheit geht, im Verbund mit ähnlich attraktiven Ausdrücken wie dem der "Dummlistigkeit", auf Robert Musil zurück. Im Rahmen seiner Rede vom 17. März 1937 mit dem ebenso schlichten wie vielsagenden Titel "Über die Dummheit" zeigen Ausdrücke wie Schöndummheit und Dummlistigkeit an, dass es sich bei Fragen der Ignoranz, als deren Teil die Dummheit im Folgenden zu bestimmen sein wird, um Probleme handelt, für die keine eindeutigen Lösungen parat stehen. [...] Angesichts der von John Locke skizzierten Ausgangslage, derzufolge der Bereich des Nichtwissens immer umfassender ist als der des Wissens, eine Einsicht, die auch dem "Mann ohne Eigenschaften" zugrunde liegt, ist die Rede "Über die Dummheit" die systematische Ausarbeitung eines Problems, das im Zentrum des "Mann ohne Eigenschaften" steht. Im Folgenden wird es jedoch weniger darum gehen, Musilexegese zu betreiben, als vielmehr darum, mit Musils Hilfe und über ihn hinaus das unerschöpfliche Reich der Ignoranz zu durchwandern. Drei Problemzusammenhänge dienen der Vermessung des Terrains der Ignoranz als Leitfaden: die Unmöglichkeit, auf indifferente Art und Weise über Dummheit zu sprechen, der Zusammenhang von Ignoranz, Klugheit und Verstellung, sowie die Schwierigkeit, Unwissenheit zu definieren.
Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Beiträge zum Thema der Liminalität stellt sich zugleich die Frage nach der theoretischen Grundlegung des Begriffes im Zwischenraum von Ethnologie und Diskursanalyse. Der vorliegende Beitrag knüpft an mögliche Erweiterungen des Liminalitätsbegriffes in anderen Disziplinen an, möchte im Blick auf den Zusammenhang von Liminalität und Literalität jedoch zugleich den Akzent verschieben, indem er Freuds Psychoanalyse zum Gegenstand der Diskussion nimmt. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist nicht nur die Tatsache, dass sich im Denken Freuds auch in seinen unterschiedlichen Phasen immer wieder die Auseinandersetzung mit liminalen Phänomenen beobachten lässt, sondern zugleich der eigentümliche Ort von Freuds eigenem Schreiben im Zwischenraum von Wissenschaft und Fiktion. Das gilt für die frühe, gemeinsam mit Fließ entwickelte Theorie von der grundsätzlichen Bisexualität des menschlichen Wesens wie für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Traums als einem Übergangsstadium zwischen Schlaf und Erwachen. Eine besondere Bedeutung gewinnen Theorie und Schreiben der Liminalität bei Freud in seinen späten Ausführungen zur Ich-Theorie, in denen die frühe Unterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem eine Revision erfährt, die zugleich zu der Begründung eines Oberflächenmodells führt, in dem das Phänomen der Liminalität neu fundiert wird. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich nach einem kurzen Seitenblick auf die Bedeutung der Liminalität für das Denken Walter Benjamins daher auf zwei zentrale Schriften Freuds, "Die Traumdeutung" und "Das Ich und das Es".
Schriftkultur und Schwellenkunde? Überlegungen zum Zusammenhang von Literalität und Liminalität
(2008)
In einem ersten Schritt geht es um die begriffliche Klärung der Ausdrücke Literalität und Liminalität, um auf dieser Grundlage mögliche Anschlusspunkte zwischen beiden Bereichen zu markieren, ohne in die doppelte Gefahr einer völligen Unverbindlichkeit oder einer zu großen begrifflichen Enge zu fallen. Das Ziel der folgenden Überlegungen besteht demzufolge darin, von der Frage, was eigentlich gemeint ist, wenn von Literalität und Liminalität gesprochen wird, bis zu der weiterführenden Frage vorzudringen, was in Zukunft geleistet werden kann, wenn sich gezeigt hat, dass die Begriffe Literalität und Liminalität nicht nur für sich unverbunden nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig ergänzen und so unterschiedlichen Forschungsprojekten Raum geben.
Ich möchte im Folgenden zeigen, dass bereits das frühe Manuskript der "Berliner Chronik" eine Bearbeitung der Gattungen 'Stadtbild' und 'Autobiographie' darstellt und - das ist sein Charakteristikum - diese Bearbeitung auch in Szene setzt. Des weiteren soll nachgezeichnet werden, dass die "Chronik" auf äußerst komplexe Weise autobiographische und topographische Schreibweisen miteinander verknüpft und dabei - so meine These - zu dem maßgeblichen Text wird, in dem Benjamin die Kategorie des Raumes für sein Denken entfaltet. Anders gesagt: Im Schreiben der "Berliner Chronik" richtet der Kulturhistoriker Benjamin sein Denken räumlich aus.
Meine Überlegungen auf diesen Seiten drehen sich um ein von Walter Benjamin handbeschriebenes Blatt Papier, an dem sich die "performative" Dimension von Benjamins Poetik paradigmatisch illustrieren lässt. Das Manuskriptblatt (Benjamin-Archiv Ms 931) wurde von Gershom Scholem auf ca. 1935 datiert und gehört thematisch in den Umkreis des etwa zwei Jahre vorher verfassten sprachtheoretischen Essays "Lehre vom Ähnlichen". Dort heißt es, dass die "Einsicht in die Bereiche des 'Ähnlichen' [...] weniger im Aufweis angetroffener Ähnlichkeiten [zu gewinnen sei] als durch die Wiedergabe von Prozessen, die solche Ähnlichkeiten erzeugen" (GS II, 204). In Benjamins Beschriftung von Ms 931 wird dies in die Tat umgesetzt: wir können uns den Schreibprozess, dem sich der handschriftliche Text auf jenem Blatt verdankt, als Selbsterforschung eines solchen Prozesses denken. In dem vorliegenden Versuch scheint jedoch, neben der Erzeugung von Ähnlichkeiten, die "Überwindung des Mythos" (Ms 931) als zweiter Pol am Horizont auf. Zusammen stecken jene beiden Pole ein dialektisches Spannungsfeld ab, in welchem sich sowohl Benjamins Schreibprozess als auch der meinige bewegen, und dessen Gesetzlichkeit das eigentliche Objekt dieser Überlegungen ausmacht. ...
Modern memory theories conceptualize literature as a medium of cultural memory. Yet, the following article challenges this conceptualization, arguing that ascribing a memory function to literature undermines the de-pragmatization of literature in modernity. Through a poetological reading of Ralf Rothmann's novel "Milch und Kohle" (2000) the article then investigates in which way a memory function could be ascribed to modern literature without undermining the latter's status as a de-pragmatized system.
Sguardi al limite : Il tema della soglia nel pensiero letterario di Thomas Bernhard e di Ernst Bloch
(2008)
[...] Nelle riflessioni di Bernhard, come in quelle di Bloch, l'esilità del traciato di confine tra opera ed esistenza contribuisce a determinare profondamente lo statuto stesso della immagine e dello sguardo che la contempla. Di fronte a un'arte che è divenuta terreno incerto, l'occhio dello spettatore non può che muoversi in costante bilico, sull'orlo del precipizio, sulla linea di demarcazione tra il mondo irredento e quel regno outopico che la rappresentazione artistica rivela. Ciò che emerge da entrambe le letture è la consapevolezza della necessità di calarsi nelle crepe e negli abissi della realtà. In fondo questo è uno degli insegnamenti fondamentali di Bloch: è nelle buche e nelle lacune che costellano il terreno dell'esistenza che si annida il possibile sognato. Il confine (lo Zwischenraum) incollocabile, tra vita e arte, deve essere affrontato in tutta la sua problematicità funambolesca, e non tolto per mezzo della creazione di un universo fittizio. La relazione pendolare restituisce il senso della cornice mobile, come consapevolezza della impossibilità di tracciare una fisionomia nitida e definitiva del reale. Sia nella prospettiva di Bemhard sia in quella di Bloch l'immagine che tiene prigionieria l'umanita e l'idea della forma formata, una soluzione definiva posticcia e inautentica. La necessaria contromossa consiste allora nell'affidarsi a uno sguardo inquieto, perché consapevole di un'alterità che sempre sfugge.
Bruchstückhaft und enigmatisch gibt sich Kleists unermüdlich erforschtes Textstück "Über das Marionettentheater". Kleists Text ist gekennzeichnet durch wenig kohärente Passagen, durch verwirrende An- und Zusammenschlüsse, durch Risse innerhalb der Narration, durch dezentrierte, verwundete, fragmentierte, ersatzstückhafte, maschinenhafte Körper (der "Dornauszieher", die Marionetten, die Figuren aus Prothesen) oder durch Figuren, die die Grenzen des 'Menschlichen' aufbrechen, wie zum Beispiel der fechtende Bär. Die Komplexität des Textes wird unter anderem darüber beschrieben, dass er, wie z.B. William Ray herausstellt, zu viel bedeutet. Dieser Befund ergibt sich nicht zuletzt daraus. dass der Text eine große Zahl an wissenschaftlichen Feldern und Themen berührt, wie zum Beispiel "aesthetics, theology, the mechanics of marionettes, history, consciousness, affectation, the self, and the Fall". Was diese Felder dabei leitmotivisch durchzieht, ist der Bezug auf den Körper.
Science in Wonderland
(2008)
Lewis Carroll's Alice, who first explores Wonderland (1865) and later on the country behind the Looking-Glass (1872), belongs to the most well-known characters in world literature. [...] The scientific reception of Carroll's stories – concerning physics as well as the humanities – has taken place on different levels. On the one hand, […] various Carrollian ideas and episodes obviously correspond to topics, subjects and models that are treated in the contexts of scientific discourses. Therefore, they can be quoted or alluded to in order to represent theories and questions […] – as […] physical models of the world […]or theoretical models of language and communication. […] On a more abstract level of observation, Carroll's stories have been used in order to explain and to discuss the pre-conditions, the procedures, and the limits . of scientific modeling as such. Above all, they make it possible to narrate on the problem of defining and observing an 'object' of research. […] According to Deleuze, the paradox structures of the world that Alice experiences give an idea of all meaning being groundless and all logic being subverted by the illogical. Finally, besides all affinities of Alice's adventures to scientific attempts to explain the world, the absolutely incomprehensible is present in Carroll's books as well. Especially the self proves to be something profoundly incomprehensible […].
Mit der Abwendung von Norm- und Regelpoetiken […] wird der Weg frei für individuell-besondere, dezidiert anti-systematische Reflexionen über Literatur. Im 20. Jahrhundert ist es für die Mehrzahl der Schriftsteller selbstverständlich, das eigene literarische Schaffen theoretisch-reflektierend zu begleiten. Oft knüpft sich die poetologische Reflexion an persönliche Geschichten über Erlebnisse und Erfahrungen des Schriftstellers, unbeschadet der sogenannten poststrukturalistischen Totsagung des Autors (vielfach allerdings in direkter oder indirekter Reaktion auf diese). Erinnert sei an Uwe Johnsons „Begleitumstände“, an Peter Härtlings „Finden und Erfinden“, an Peter Bichsels „Der Leser, Das Erzählen“, an Hermann Lenz' „Leben und Schreiben“ als einige Vorlesungsreihen aus der Folge der Frankfurter Poetikvorlesungen, die hier stellvertretend für viele andere stehen können. Erscheint vielen Autoren das eigene Œuvre als nachhaltig durch persönliche Erfahrungen geprägt, so ist es nur folgerichtig, wenn Auskünfte über dieses Œuvre sich mit Berichten über eigene Erlebnisse verbinden. […] Zwischen Autobiographie und Fiktion bestehe allenfalls eine fließende Grenze, so […] Hermann Lenz in seiner (programmatisch betitelten) Vortragsfolge „Leben und Schreiben“; entsprechend sei das Schreiben über die Genese der eigenen Fiktionen reflexive Selbstdarstellung. Die Vortragssituation wird zur Spiegelfläche, auf der das Gesicht des Schriftstellers erscheint. Aber was für ein Gesicht ist das?