CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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The essay will focus on three of the "many faces of irreversibility", sketching a history of irreversibility in 20th-century Russian thought: The abstract irreversibility of time in physics, the 'embodied' irreversibility of biological evolution and, finally, the irreversibility of cultural processes. The first part will trace the history of irreversibility in 19th-century physics and biology. The second part will discuss Vladimir Vernadsky's theory of biological time as an attempt to synthesize physical and biological irreversible processes ('neobratimye protsessy') as phenomena of asymmetry in space-time. The third part will look at the migration of scientific ideas of irreversibility into the theory of culture, i.e., Juri Lotman's semiotic theory of irreversibility as unpredictable and unrepeatable processes of culture. In this three-step sketch, the history of irreversibility will be outlined as one of spatialization (from an abstract law to the image of 'time's arrow') and of specialization (from the law of entropy to the case of the generation of meaning).
Über den Abfall des Menschen
(2019)
Die historisch gewachsene Relevanz des Abfallproblems kulminiert in jüngsten theoretischen Versuchen, die Kultur als Ganzes vom Müll her in den Blick zu nehmen. Damit wird ausbuchstabiert, worauf Begriffe wie 'Wegwerfgesellschaft' hindeuten: dass Müll nicht nur als Anderes oder Rest der Produktion zu denken ist, sondern in einem viel grundlegenderen Zusammenhang mit dieser steht. Eine bis heute relevante Pionierarbeit zum Müll ist Michael Thompsons "Rubbish Theory". Am Beispiel von Seidenbildern aus dem 19. Jahrhundert zeigt er, wie einstmals Wertloses zur Antiquität wurde und welche sozialen Distinktionen mit der Deklaration einer Sache als Abfall verbunden sind. In seiner Spur lesen neuere soziologische Studien am Müllaufkommen den sozialen Status der 'Entsorger' ab: Zeige ihnen deinen Müll, und sie sagen dir, wer du bist. Reich sein heißt auch, etwas wegzuwerfen haben, und was den einen Müll, ist andern Lebensmittel. Nach Thompson ist klar geworden, dass etwas zu Müll nicht allein aufgrund seiner intrinsischen Eigenschaften wird. Eine spezielle Aufgabe der Kulturwissenschaften liegt daher in der Untersuchung der kulturellen und sozialen Codierung von Müll und des historischen Wandels objektbezogener Wertzuschreibungen.
'Weltliteratur' ist heute in aller Munde. Längst bezeichnet der Ausdruck nicht mehr einfach eine Menge von Texten, sondern steht für einen Diskurs über das Selbstverständnis der Literaturwissenschaft jenseits der Nationalphilologien. Vor allem im angloamerikanischen Raum wird 'world literature' heiß diskutiert, und inzwischen nimmt die Diskussion auch in Deutschland Fahrt auf. [...] Ein solches Konzept entwirft auch Ottmar Ettes jüngster Band "WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt (Stuttgart: Metzler, 2017)". Er konzipiert Weltliteratur aus der Perspektive einer Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft - einem Projekt, zu dem der Autor bereits zahlreiche Arbeiten vorgelegt hat. Denn wenn Literatur das Wissen des Lebens und des Lebendigen in ganz besonderer Weise erlebbar machen könne, dann könne sie auch ein Wissen von den Komplexitäten und Asymmetrien der modernen Welt fortgeschrittener Globalisierung vermitteln. In "WeltFraktale" wird das Lebenswissen der Literaturen der Welt an einer Reihe von Aufsätzen zur Reiseliteratur, zu neuen transnationalen Schreibweisen und zu transnationalen Kulturtheorien exemplifiziert, die sich locker um einige programmatische Überlegungen gruppieren, um die es im Folgenden vor allem gehen soll.
Der Altphilologe Johannes Stroux hat unmittelbar nach Kriegsende bemerkenswerte Anstrengungen unternommen, die Altertumswissenschaft aus ihrer Isoliertheit herauszuführen und in die von Künstlern, Wissenschaftlern, Intellektuellen unterschiedlicher Couleur, von Politikern, Gewerkschaftlern, Kirchenleuten angestrebte "Erneuerung der deutschen Kultur" zu integrieren. Stroux reagierte damit auf die Resignation vieler Altertumswissenschaftler, die sich in die Defensive gedrängt fühlten.
Zwei Überlegungen haben die Wahl des Gegenstandes bestimmt. Die erste ist pragmatisch-systematischer Art. Als die Denkschrift Geisteswissenschaften heute 1991 den von ihr ins Auge gefassten Wissenschaften "als Kulturwissenschaften eine neue Perspektive" vorzeichnete und dazu "Kultur" als "Inbegriff aller menschlichen Arbeits- und Lebensformen" charakterisierte, hat sie zumindest hierzulande eine Welle zuvor ungesehener transdisziplinärer Gegenstandsbestimmungen, Forschungsparadigmen, Projekte und Professurdenominationen ausgelöst. Dies alles hat entschieden über frühere Rahmen wie Cultural Studies, Sciences de la culture oder (für in Deutschland so genannte 'Fremdphilologien') Landeskunde hinausgegriffen und hinausgeführt. Entsprechend den vielfältigen Aspekten, die 'Kultur' zu bieten vermag, stehen deren Erkundung tendenziell kaum endliche Räume offen. Neue und bedeutende Erkenntnisse über jeweils besondere Ordnungen "des geselligen Verkehrs der Menschen" und die darin wirkenden "Absichten" wurden und werden erarbeitet. Die Folge von 'turns', die nicht selten auf ernste Erkenntnis zielen, mit deren Propagierung aber auch Aufmerksamkeit, Netzwerke und Drittmittel für einzelne Bereiche dieser Arbeit geschaffen werden sollen, ist beeindruckend. Nicht alle Beteiligten möchten andererseits die aus dem 19. Jahrhundert hergebrachte Organisation der Wissenschaft in voneinander getrennten Disziplinen überhaupt in Frage gestellt sehen - seien es deren Vertreter selbst, die das Bewährte als zu Bewahrendes betrachten, seien es die Administratoren nach älteren Mustern gewirkter Universitäten, die Finanz- und Stellenpläne sparversessen weiter oder wieder so zu stricken suchen wie bisher. Extremistische Tendenzen entweder zum Aufgeben der Disziplinen zugunsten kleinteiliger Gegenstandsbereiche oder zur Rücknahme der kulturwissenschaftlichen Öffnung, zum Beispiel zugunsten einer erneuten Rephilologisierung, sind in Wissenschaftsgremien und Wissenschaftsverwaltungen unverkennbar.
Transkulturalität, Transnationalität, Transgender, Transspecies – Innerhalb des letzten Jahrzehnts erleben die politischen und wissenschaftlichen Debatten um Theorien, die sich dem Präfix 'trans-' (lat. 'jenseits, über, über – hin') verpflichtet sehen, eine bemerkenswerte Konjunktur. Grundlegend verbindet sich mit diesen Konzepten die Vorstellung eines übergreifenden und umfassenden Diskurses, der für durchlässige Konturen plädiert. Analytisch ermöglichen die Theorien des 'trans' die konzeptuelle Erfassung von Phänomenen, die sich in einem Prozess des Werdens befinden und aus entgegengesetzten Strukturen, Logiken, Dynamiken und Funktionsweisen bestehen. 'Trans' verweist folglich nicht auf geschlossene Identitätsvorstellungen, sondern enthält fluide Grenzverläufe. Die damit verbundenen subversiven Vorstellungen finden sowohl verstärkt Gehör in gesamtgesellschaftlichen Kontexten als auch innerhalb wissenschaftlicher Disziplinen, die sich abseits einer Fortschreibung kanonischer Inhalte neu konzipieren.
Relevant für kulturtheoretische Reflexionen im engeren Sinne wurden 'Trans-Konzepte', also etwa Transnationalität, Transkulturalität oder Transgender, erst in dem Moment, in dem die zu überschreitenden Grenzen, die zu transzendierenden Entitäten als Einschränkung, ideologische Verblendung, Herrschaftsformation oder affirmative Systemreproduktion angesehen wurden. Dabei ist die vielfach diskutierte Problematik, die darin besteht, dass nur stabile und relevante Grenzen überhaupt transgrediert werden können und zudem dieser Akt selbst so etwas wie eine Bestätigung der bestehenden Systeme sein kann, nur dann ein Problem, wenn die Identitäten, die Systeme, die Ordnungseinheiten als fundamental dysfunktional oder gar schädlich angesehen werden. Überlegungen, die sich an diesen Band sinnvoll und produktiv anschließen könnten, sind nicht ganz leicht anzustellen. Einen Ausblick auf das Kommende bieten zu wollen, ist immer schwierig. Die Frage, was nach 'trans' kommt, ist ähnlich schwer zu beantworten wie diejenige nach dem Nachfolger der 'Post'- Konstruktionen.
Transspezieskonzeptionen als Identitätskonzeptionen in Selbstinszenierungen, in populären Narrationen, in der Neurowissenschaft oder der Psychologie sind im Verhältnis zu anderen Transkonzepten (Transgender, Transkulturalität, Transnationalität, Transsozialität etc.) unterrepräsentiert und bieten gerade deshalb die Möglichkeit einer interdisziplinären und vergleichenden Analyse. Beobachtbar ist dabei, dass Transspezieskonzeptionen eine Mensch-Tier- Differenz zu unterminieren scheinen, indem sie menschliche Alleinstellungsmerkmale vorzugsweise von Identität, Person, Selbst und Psyche auf nichtmenschliche Tiere ausdehnen. Im Zentrum der Untersuchung steht deshalb die Frage, wie diese Konzeptionen mit den Begriffen 'Identität' und 'Spezies' genau verfahren und wie sie sich zu jener Grenze verhalten, die sie zu überschreiten vorgeben.
Bekanntermaßen hat der Begriff des Hybriden in den Kulturwissenschaften in den letzten drei Jahrzehnten eine beeindruckende Konjunktur erlebt. In Reaktion auf die virulenten Anforderungen der voranschreitenden Pluralisierung von Lebenswelten erschien die Öffnung und Verflüssigung vormals statischer Konzepte als geeignetes Mittel, unangemessenen, simplifizierenden Kategorisierungen entgegenzuwirken. Zwanzig Jahre nach dem Aufkommen des Bhabha'schen Hybriditätsverständnisses läuft der Begriff jedoch Gefahr, selbst zu einer mondial einsetzbaren Universalkategorie zu werden und birgt somit Risiken, die insbesondere in den postcolonial studies weiterhin zu diskutieren sein werden. Obwohl somit im folgenden Beitrag das kritische Bewusstsein ob generalisierender kulturtheoretischer Konzeptualisierungen mitschwingt, wird anhand des Verantwortlichkeitsdiskurses im Anthropozän eine Modellierung des Hybriden analysiert und als (unmittelbar kontextbedingtes) probates 'Behelfs- mittel' ausgewiesen. Das Gegenwirken der bipolaren Narrative und deren Einwirkungen auf ontologische Ebenen des menschlichen Subjektes im Anthropozän erfordert tragfähige Analyseinstrumente; die Denkfigur der Chimäre wird hierbei als ein Versuch fungieren, variable Vernetzungen von Subjekt(en) und 'Natur(en)', nivellierter als dies Hybriditätskonzepte leisten, zu analysieren. Der folgende Ansatz soll es erlauben, Plausibilitäten von Dichotomien infrage zu stellen und das menschliche Subjekt als 'Mischwesen' aus kantischer Vernunft und somatischer Determinante zu diskutieren.