CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Als das ZfL 1996 unter dem Namen Zentrum für Literaturforschung seine Arbeit aufnahm, gehörte der jüngst verstorbene Rainer Rosenberg zu den ersten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Bis zu seiner Pensionierung 2001 leitete er das Projekt "Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft seit 1945 - Veränderungen des Literaturbegriffs", an dem auch Petra Boden mitarbeitete. In ihrem Nachruf erinnert sie an einen in der DDR sozialisierten Germanisten, der besonders mit seinen Arbeiten zur Literatur des Vormärz und zur Geschichte der Germanistik bekannt geworden ist.
Die zweibändige Brecht-Biographie "Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln" des DDR-Germanisten Werner Mittenzwei (1927–2014) gilt bis heute als Standardwerk. Seit ihrem Erscheinen 1986 im Aufbau-Verlag und ein Jahr später im westlichen Suhrkamp Verlag erlebte sie mehrere Auflagen. In der zeitgenössischen bundesrepublikanischen Kritik fand sie ein eher verhaltenes Echo. Das hatte politische und wissenschaftsgeschichtliche Gründe. Mittenzweis Werk, das bis dahin in der DDR Unerhörtes zu Brecht und der marxistischen Intellektuellengeschichte aus den Archiven zutage gefördert und kritisch dargestellt hatte, geriet schnell in den Schatten der von der Sowjetunion ausgehenden radikaleren Umwertungen während der Perestroika- und Glasnost-Politik. Das Echo war aber sicher auch deswegen verhalten, weil Mittenzweis biographische Methode weder traditionellen noch zeitgenössischen Erwartungen - etwa der Diskurstheorie, des Strukturalismus oder der Dekonstruktion - entsprach, denen Kategorien wie Autor und Werk und damit auch das Genre der Biographie überhaupt fragwürdig geworden waren. Liest man dreißig Jahre später Mittenzweis bedeutendstes Werk wieder, so relativieren sich beide Vorwürfe. Heute erscheint das Buch als der nur kurzzeitig mögliche Versuch, Brecht kritisch aus einer Epoche, einer Bewegung heraus zu verstehen, welcher der Biograph selbst noch angehörte.
Vor kurzem noch hatte an dieser Stelle der Ratschlag gestanden, wir Geisteswissenschaftler sollten uns, anstatt uns gegenüber dem Vorwurf, wir seien streitmüde geworden, in Harnisch zu werfen, lieber "weniger um uns selbst und mehr um Gegenstände kümmern." Während im Doktorandenzimmer des ZfL noch darüber gegrübelt wurde, ob man sich besser mehr oder besser weniger streiten solle, worüber man streiten müsse oder nicht dürfe, warum man das Streiten verlernt oder nie erlernt habe, wie man sich in den Streit einbringen oder sich aus ihm heraushalten könne und weshalb es für unsere Generation (die der gegenwärtig Studierenden) schwieriger oder auch einfacher sei mit dem Streiten als für die vorangegangenen - während dieser Überlegungen also wurde der gute Ratschlag von ganz anderer Seite vom Tisch der Germanistik gefegt. Jetzt wird gestritten, und es wird sich dabei wenig um die Gegenstände des Fachs, dafür umso mehr um das Fach selbst gekümmert. Erisapfel ist die "Relevanz". Es steht die skeptische Frage im Raum, ob die Literaturwissenschaft, insbesondere die germanistische, noch eine hat. Als Maßeinheit für die Relevanz des Fachs verwendet das Feuilleton die Anzahl der Koryphäen, die das Fach zu bieten hat. Früher, so geht die Rede, hatten wir noch welche, nun haben wir keine mehr.
Die kürzlich entflammte Diskussion über eine "Krise der Germanistik" hat einen ihrer Funken aus Michel Houellebecqs jüngstem Roman "Unterwerfung" ("Soumission", 2015) geschlagen. Roman und Autor sind als Auslöser kontroverser und polemischer Diskussionen bekannt, wenn auch bislang nicht unbedingt über gesellschaftliche Funktion und Strahlkraft der Deutschen Philologie.
Nachdem Martin Doerry im Spiegel die Krise der Germanistik wiederbelebt hat, bleibt unklar, ob es diese jemals gegeben hat, immer schon gab oder ob wir es hier mit einem Zombie des Feuilletons zu tun haben. Der Artikel zeugt zunächst einmal von einer enttäuschten Erwartung an die Germanistik, die dem Fach eine merkwürdige Potenz zuschreibt. Nur gut, dass die Historiker dieser Erwartung nachkommen, denn bei ihnen werden noch "die großen Fragen der Zeit diskutiert". Doerry hat sich offensichtlich mehr von den Literaturwissenschaftlern erwartet.
Für die Einzelsprachlichkeit der Literatur : Nebenbemerkung zum jüngsten Streit um die Germanistik
(2017)
"Daß gepfleget werde / Der feste Buchstab, und Bestehendes gut / Gedeutet." Das ist aus der letzten Strophe von Hölderlins "Patmos" ("Nah ist / und schwer zu fassen …" etc.). Die Hymne schließt mit: "Dem folgt deutscher Gesang." Was daraus zu Zeiten gemacht wurde und wie schlecht es gedeutet wurde, ist bekannt. Es gibt also gute Gründe zu fragen: Hat das irgendetwas mit uns heute, unseren politischen und medialen Umwelten und Umbrüchen zu tun? Darf man so anfangen, oder auch: so weitermachen? Haben wir Germanisten, vor allem die der vorangegangenen Generation, nicht hart an der Befreiung unseres Faches aus den Verstrickungen der Nationalphilologie einschließlich aller Idealismen, Romantizismen, Nationalismen gearbeitet? Und ist Hölderlin nicht auch irgendso'n Toter und so überforscht wie die Nordsee überfischt?
Diyalog 2019/2
(2019)
Im Fachbereich Literaturwissenschaft versucht der erste Artikel, mit Hilfe einer Filmanalyse bestimmte Motive der interkulturellen Begegnung herauszuarbeiten und den Umgang mit Fremd und Eigen, Nähe und Distanz zu erörtern, des Weiteren versucht die Autorin, die Filme "Dreiviertelmond" und "Kolya" aus aktueller Perspektive zu besprechen und Antworten darauf zu finden, wie eine Verständigung zwischen den Kulturen, zwischen den Generationen möglich ist. Der zweite Beitrag bearbeitet nach einer kurzen Skizzierung der theoretisch-methodischen Grundannahmen der postkolonialen Literaturwissenschaft sowie der Erläuterung des Begriffs 'postkolonial' zunächst die Fiktionalisierung der Diskurse des Kolonialismus und Orientalismus in Steffen Kopetzkys Roman "Risiko" und nimmt dabei auf die Ansätze von Edward W. Said, Homi K. Bhabha und Gayatri Ch. Spivak Bezug. Im dritten Beitrag handelt es sich um "den Rückkehr-Mythos im Epos von Nibelungen und Odysseia". Der vierte Beitrag thematisiert die "sprachliche Verwandlungskraft in Herta Müllers Roman 'Atemschaukel'". Der letzte Beitrag dieser Kategorie konzentriert sich auf das Thema der "Entfremdung in Hasan Kayıhans Roman 'Gurbet Ölümleri'". [...]
Diyalog 2019/1
(2019)
Im Fachbereich der Deutschen Literatur beschäftigt sich der erste Artikel mit Hofmannsthals Orientbild anhand seines Reiseberichts "Reise im nördlichen Afrika". Der zweite Beitrag verfolgt den Rezeptionsprozess von Kafkas Werken in der Türkei, wobei die Interpretationen von Kafkas Werken durch türkische Rezipienten und ihre Einflüsse auf die türkische Literatur und Leserschaft im Zusammenhang mit den geschichtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklungen des Landes berücksichtigt werden. Im dritten Beitrag handelt es sich um die Ursachen des Misserfolgs von drei historischen Persönlichkeiten (Huldrych Zwingli, Jean Calvin und Jan Hus), die etwa 100 Jahre vor Martin Luther einige wichtige protestantische Gedanken geäußert hatten. Die Rubrik Migrantenliteratur wird mit einem einzigen Artikel vertreten, in dem der Film "Wut" des deutsch-türkischen Regisseurs Züli Aladağ im Fokus steht. Die Rubrik Komparatistik beinhaltet zwei Beiträge. Der erste Artikel vergleicht die Kriminalromane von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann ("Das Fräulein von Scuderi") und Agatha Christie ("The Murder at the Vicarage") miteinander und beschäftigt sich mit den listigen weiblichen Detektiven am Beispiel von dem Fräulein von Scuderi und Jane Marple. Im zweiten Artikel geht es um Werke "Wie kommt das Salz ins Meer?" von Brigitte Schwaiger und "Kadının Adı Yok" [Die Frau hat keinen Namen] von Duygu Asena, die mit Hilfe von Edmund Husserls Begriffen Intentionalität und Noemas untersucht werden. [...]
Diyalog 2018/2
(2018)
Im Fachbereich der Deutschen Literatur beschäftigt sich der erste Artikel mit der Vielfältigkeit der Methoden und stellt einen neuen Ansatz zur Interpretation von Texten deutschsprachiger Volkslieder in den Mittelpunkt. Der zweite Beitrag fokussiert die historischen Figuren (Süleyman, Zrínyi und Theodor Körner) aus dem deutschen Knabenbuch von 1862 von Ludwig Eichrodt. Im dritten Beitrag lässt sich eine literaturpsychologische Annäherung an das Asberger-Krankheitsbild des Protagonisten Buchmendel von Stefan Zweig lesen. Im vierten Artikel dieser Rubrik steht der Roman "Der falsche Nero" von Lion Feuchtwanger als ein Roman im Un-Wandel der Zeiten im Fokus. Antisemitismus in Europa und seine Auswirkungen in der Literatur machen das Thema des fünften Beitrags aus. Die Rubrik Migrantenliteratur beinhaltet zwei Beiträge. Der erste Artikel hat die Romane von Rafik Schami als Ausgangspunkt und beschäftigt sich mit der Begegnung orientalischer Kultur und orientalischen Denkmustern in ihnen. Im zweiten Artikel geht es um "Ver-rückte Sprache im Berliner Ballhaus Naunynstrasse". [...]
Diyalog 2020/1
(2020)
Im Fachbereich Literaturwissenschaft beschäftigt sich der erste Artikel mit dem Begriff der "neuen Weiblichkeit" und unternimmt einen Vergleich zwischen dem Werk von Halide Edip Adıvar "Ateşten Gömlek" (1922) [dt. Das Flammenhemd] und dem Werk von David Herbert Lawrence "The Fox" (1922) [dt. Der Fuchs]. Der zweite Beitrag bearbeitet die sogenannte Schäferkultur. In ihrem Artikel erwähnt die Autorin wichtige Auswirkungen des Geographie- und Glaubenssystems auf die Menschen und den Schäferberuf, welcher einer der ältesten Berufe ist und angesichts dieser Einflüsse entstand. Im dritten Beitrag handelt es sich um die Reiseberichte des deutschen Orientalisten und Reisenden Eduard Sachau (1845-1930). Der Autor geht davon aus, dass Sachaus Reise ein Prozess der orientalistischen Wissensproduktion war und er diese Informationen, die er während seiner Reise gesammelt hat, auf unterschiedliche Weise in akademische Texte umgesetzt hat. Der vierte Beitrag setzt sich zum Ziel, die merkmalspezifischen Handlungsweisen von Vater und Sohn in ausgewählten Geschichten des Romans "Als Vaters Bart noch rot war - Ein Roman in Geschichten" unter pädagogischem Gesichtspunkt zu untersuchen. In der fünften Studie wird die Sichtweise von Frauen, Frauenbildern, verschiedenen weiblichen Rollen in der deutschen und türkischen Gesellschaft im Roman 'Die Brücke vom goldenen Horn' von Emine Sevgi Özdamar analysiert. Es wird beabsichtigt, aus dem Blickwinkel einer Schriftstellerin aufzuzeigen, wie sich die Frauenbilder in den Jahren 1966-1975 in Deutschland und in der Türkei darstellten, ob es Unterschiede zwischen den zwei Kulturen gab und vor welchem geschichtlichen und sozialen Hintergrund die Frau, die im Mittelpunkt steht, lebte. Der sechste Beitrag thematisiert die Lacansche Psychoanalyse und untersucht die drei Perioden (real, imaginär und symbolisch) des psychischen Subjekts. Nach diesen theoretischen Kenntnissen wird das Vogelbild in der Kurzgeschichte "Vogel Rock" von Marie Luise Kaschnitz im Lichte der Informationen der Lacanischen Psychoanalyse untersucht. Die Autorin versucht, die Projektionen der Prozesse der Verfremdung zu behandeln. Der letzte Aufsatz dieser Kategorie möchte die Reiseberichte der Schweizer Journalistin, Reporterin, Autorin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach, die im Oktober 1933 eine Mission als Journalistin in den Orient aufnahm, in den Blickpunkt stellen. Die Autorin bezweckt dabei zum Verständnis des Türkenbildes einen Beitrag zu leisten, welches Schwarzenbach in der deutschen Literatur vertritt. [...]