CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Unsere wichtigsten Informationsquellen zur antiken Medizin sind Texte und Artefakte, archäologische und anthropologische Überreste (wie etwa Skelette, mumifiziertes menschliches Gewebe, Nahrungsreste oder Spuren von Lebensgewohnheiten). Im Laufe der Zeit sind jedoch viele dieser Belege durch Feuereinwirkung oder Verfall aufgrund ungünstiger Umweltbedingungen, oder auch, weil die Zeugnisse verlegt wurden und nicht mehr auffindbar waren, verloren gegangen oder stark beschädigt worden. Um herauszufinden, wie Menschen in der antiken Welt über die Seele und den Körper dachten und wie sie es mit Gesundheit und Krankheit hielten, müssen Medizin- und Philosophiehistoriker deshalb Detektivarbeit leisten: Auf der Basis fragmentarischen Materials gilt es, relevante Hinweise aufzuspüren und die Vergangenheit zu rekonstruieren. Vergegenwärtigt man sich dabei, dass einige Quellen mehr als 2.000 Jahre alt sind, ist es erstaunlich, wie genau die vorfindbaren Informationen sein können und wie nahe wir damit an die Vorstellungen antiker Menschen herankommen können.
Thomas Manns Erzählung Der Erwählte steckt voller Bezüge zu anderen Texten. Spätestens an seinem Ende, noch nach dem "Valete", wird an dem, was in der Terminologie Genettes "Paratext" genannt wird, explizit ersichtlich, dass Der Erwählte eine Vorlage hat; dort steht: "Diese Erzählung gründet sich in den Hauptzügen auf das Versepos 'Gregorjus' des mittelhochdeutschen Dichters Hartmann von Aue, der seine 'Geschichte vom guten Sünder' aus dem Französischen ('Vie de Saint-Grégoire') übernahm.' Der Text ist die Übernahme einer Übernahme, bzw., wieder mit Genette, ein Hypertext auf einen Hypotext, der seinerseits ein Hypertext auf einen Hypotext ist usw., so dass man es hier an jeder Stelle mit Intertextualität zu tun hat. Dieser Tatbestand kann der gebildete Leser/die gebildete Leserin allerdings auch zuvor bemerken, wenn er/sie über Zitate, Plagiate und Anspielungen weiterer Texte stolpert. Das wurde natürlich längst auch schon bemerkt: Daraus besteht die Thomas-Mann-Quellenforschung. War aber beispielsweise Walter Berendsohn 1945 noch eher nett überrascht, bei einem Textvergleich zwischen Thomas Manns Tristan und Richard Wagners Tristan und Isolde zu dem Ergebnis zu kommen, "daß sich der Dichter einen recht ansehnlichen Teil seines Wortmaterials von dort geholt hat", sogar "ganze Sätze", so ist das zwanzig Jahre später im Thomas-Mann-Archiv etwas anders, wie Hans Wysling berichtet:
Als Thomas Manns Arbeitsweise bekannt wurde, war man zuerst ratlos. Es herrschte damals, um es drastisch zu sagen, eine dicke Luft im Archiv. [...] Waren Thomas Manns Werke denn alle ausgestopfte Vögel? War er ein 'arch-deceiver'? [...] Wir suchten nach einem angemessenen Montage-Begriff, wir suchten nach den verschiedenen Bedeutungen, die das Wort 'Quelle' für Thomas Mann hat
Dass Max Aubs Biographie über den Maler Jusep Torres Campalans einer fiktiven Person gilt, dass nicht nur die hier gebotenen Informationen zum Leben und Wirken dieser Figur fingiert sind, sondern auch das im Zusammenhang damit präsentierte 'OEuvre' des Künstlers von Max Aub selbst stammt, sieht man dem Buch Aubs zunächst einmal nicht an; auf den zweiten Blick mögen sich Auffälligkeiten ergeben (wie etwa nicht zueinander stimmende Detailangaben), aber dergleichen kann ja auch Nachlässigkeiten bei der Recherche, beim Lektorieren oder bei der Drucklegung geschuldet sein. Der Roman wird in Form und Ausstattung nach dem Vorbild einer Künstlerbiographie gestaltet. Dazu gehören neben den biografisch-narrativen Teilen des Buchs diverse Abschnitte, die den Duktus faktografischer Darstellungen imitieren; so ein chronikalischer Teil, der JTCs Leben und Wirken in Form einer annalistischen Tabelle in das zeitgenössische historische und kunsthistorische Umfeld einordnet, ferner auch ein umfangreicher Anmerkungsteil, der die Ausführungen weiter historisch und forschungsgeschichtlich kontextualisiert. Und dazu gehören insbesondere auch Reproduktionen und Beschreibungen angeblicher Werke des fiktiven Protagonisten, welche die Suggestion der Existenz dieses Malers schon insofern verstärken, als hier Beschreibung und Beschriebenes, Bildteil und Katalog gemeinsam präsentiert werden. Bilder, die man sieht, so die immanente Logik der Suggestion, sind evidenterweise ‚wirkliche‘ Bilder. Und wenn man, hiervon ausgehend, akzeptiert, dass die Kommentare zu diesen Bildern 'faktografisch' sind, dann ist es nur ein weiterer Schritt zur Akzeptanz auch der übrigen Mitteilungen als 'faktografisch': ein Analogieschluss zwar, aber ein naheliegender.