CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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In transkulturellen Texten der Gegenwart finden sich Praktiken der Übersetzung, Diskurse über Translationsprozesse, aber auch künstlerische Auseinandersetzungen mit übersetzten Texten. In Olga Grjasnowas 'Der Russe ist einer, der Birken' liebt spricht die Protagonistin Mascha, die Übersetzungswissenschaften im Doppelstudium studiert, mehrere Sprachen und ist zugleich - durch ihre biographische Herkunft, ihre Freundschaften und Liebesbeziehungen und durch ihren Beruf - in mehrere kulturelle Kontexte eingebunden. Durch diese vielfachen Transgressionen ist Übersetzung daher im Text auch als Transkonzept präsent.
Trojanows Roman über den britischen Kolonialoffizier Richard F. Burton wurde als Beispiel einer neuen deutschen Literatur gefeiert, die endlich "Vielstimmigkeit" zu ihrem Programm erhoben habe. In diesem Beitrag wird der spezifische Einsatz von Polyglossie im "Weltensammler" untersucht. Dabei interessiert im (post-)kolonialen Kontext, in dem der Roman verortet wird, ob man tatsächlich von einer "Poethik [!] der Mehrsprachigkeit" (Schmitz-Emans) ausgehen kann, oder ob die "fremden Stimmen" der "Subalternen", die der Roman hören lässt, nur ein weiteres Mal exotische Fremdheit vorführen.
Webportal Polyphonie. Mehrsprachigkeit_Kreativität_Schreiben http://www.polyphonie.at
Das Webportal Polyphonie. Mehrsprachigkeit_Kreativität_Schreiben ist 2012 aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt entstanden, das 2009 von einer Gruppe von ForscherInnen aus Italien und Österreich ins Leben gerufen wurde. Das Projekt untersucht die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Mehrsprachigkeit und Kreativität im Schreiben systematisch und aus interdisziplinärer Perspektive. Es setzt sich zum Ziel, den mehr oder weniger stringenten Zusammenhang von individueller oder gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und Kreativität im Allgemeinen bzw. literarischer Kreativität im Besonderen zu erforschen.
Der Aufsatz analysiert die 1867 herausgegebene Schrift "Austria Polyglotta" von Jan Evangelista Purkyně. Der aus Böhmen stammende Gelehrte beschäftigt sich anhand wissenschaftlich gesammelter Daten und mit Hilfe wissenschaftlicher Methodik mit der heute aktuellen Frage, wie das "Miteinander-Leben" in einer multilingualen Gesellschaft gestaltet werden kann, so dass sie durch den Druck der schon etablierten Sprach-Nationalismen nicht auseinanderbricht. Dabei verliert er aber auch das andere damit zusammenhängende Problem nicht aus den Augen: Wie wird dabei gegen die Nivellierung bzw. den Verlust von "nationalen Besonderheiten" gesteuert. Wie wird also eine nationale Identität in einem übergeordneten multikulturellen politischen Gebilde gewahrt? Der zentrale Schlüsselbegriff der Studie, wie schon der Titel verrät, ist die Sprachenproblematik und die damit verbundenen Fragen des Spracherwerbs. Die aus eigener Erfahrung resultierenden Ansichten Purkyněs können gerade heute anregend wirken.
Der Beitrag untersucht Polyglossie als eine Form der ästhetischen Polyphonie. Damit rücken die Aspekte der Vielstimmigkeit und Multiperspektivität in den Blick, poetologische Verfahren, die wesentlich die literarische Moderne des 20. Jahrhunderts prägen. Die zivilisatorische Moderne ist gekennzeichnet durch Dialogizität und Vielstimmigkeit, Dezentralisierung und Heterogenität, Simultanität und Interferenz. Über eine Ästhetik des Polyphonen re-lektieren literarische Texte so Merkmale einer modernen Lebens- und Erfahrungswelt, was anhand von Alfred Döblins modernem Großstadtepos "Berlin Alexanderplatz" veranschaulicht wird.
Der Beitrag untersucht die verschiedenen Funktionen literarischer Mehrsprachigkeit in Francesco Colonnas "Hypnerotomachia Poliphili" (1499) und François Rabelais' "Pantagruel" (1532) und "Gargantua" (1535), die auf Colonna zurückgreifen. Er unterscheidet die Wirkungen der Sprachmischung (im Sinne einer Hybridisierung der Sprache, in der erzählt wird) von den Wirkungen, welche die Polyglossie (im Sinne der Pluralität der in einem Werk verwendeten Sprachen) hervorbringt. Daraus ergeben sich auf der Ebene der Narration wie auf der von Syntax und Lexikon unterschiedliche Ästhetiken, die, indem sie den Autor in der von ihm verwendeten artifiziellen Sprache zum Verschwinden bringen, im Diskurs des Textes die Stimme des Anderen hörbar machen.
Ist von Polyglossie oder Multilingualität die Rede, so kann damit Verschiedenes gemeint sein: Erstens die literarische Mehrsprachigkeit einzelner Autoren oder Kulturgemeinschaften, die in verschiedenen Sprachen kommunizieren und Texte verfassen – ohne dass ein und derselbe "Text" notwendig mehrsprachig sein muss. Dabei handelt es sich um ein traditionsreiches Phänomen: Man denke nur an das jahrhundertelange Nebeneinander von Volkssprache und Latein in mehreren europäischen Kulturen zwischen Spätantike und Früher Neuzeit, an das Französische als Konversationssprache unter Adligen und Gebildeten bis ins 19. Jahrhundert hinein, an die Konkurrenz von indigenen und offiziellen Sprachen in kolonialen Kontexten sowie an Regionen und Nationen wie die Schweiz, Belgien und Kanada, in denen bis heute mehrere Sprachen gleichberechtigt oder aber qua Trennung von Schrift- und Umgangssprache in Gebrauch sind. Zählt man auch dialektale Varianten dazu, so gibt es wohl keine monolingualen Nationen und auch keine monolingualen Nationalliteraturen. Neben solchen regionalspezifischen und sprachpolitischen Konstellationen gibt es außerdem verschiedenste individualbiographische, aus denen mehrsprachige Autoren hervorgehen, die in mehreren Sprachen schreiben und publizieren – diese Sprachen aber nicht unbedingt in einem Text vermischen.
Die literarische Mehrsprachigkeit einzelner Autoren oder Kulturgemeinschaften – die in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Texte verfassen, ohne dass ein und derselbe Text mehrsprachig sein muss – ist ein altes Phänomen. Man denke nur an das historische Nebeneinander von volkssprachlicher und lateinischer Literatur oder an die Koexistenz von Schrift- und Umgangssprache, die bis heute verschiedene Kulturen und Nationen kennzeichnen. Ebenso alt ist die davon zu unterscheidende Mischsprachigkeit – das heisst Mehrsprachigkeit in ein und demselben Text –, wie sie etwa in der so genannten makkaronischen Dichtung vorkam, über Jahrtausende hinweg in verschiedensten literarischen Gattungen auftrat und seit dem späteren zwanzigsten Jahrhundert unter den Bedingungen der Globalisierung und der Multikulturalität rasant zunimmt.
Der vorliegende Themenband versammelt Beiträge, die polyglotteTexte – also solche, in denen mehrere Sprachen miteinander interagieren – genauer unter die Lupe nehmen, um zu erötern, wie die Sprachmischungen Textästhetik und -semantik prägen, wie sie funktionalisiert und sprach- oder kulturpolitisch motiviert sind.Vorgestellt wird ein breites Spektrum polyglotter Texte aus europäischen und (latein-) amerikanischen Kulturräumen, von der Antike bis in die Gegenwart.
Valery Larbaud, der unter anderem als Wegbereiter von Joyce in Frankreich gilt, ist als mehrsprachig kompetenter Autor von Werken mit fremdsprachigen Einlagerungen eine wichtige Vermittlerinstanz zwischen der standardisierten literarischen Polyglossie des 19. Jahrhunderts von Mérimée bis Loti und den vielfältigen neuen Varianten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben. Noch deutlicher als an den Erzählungen und Gedichten zeigt sich das an seinen Reisetagebüchern, die jetzt in einer kritischen Gesamtausgabe vorliegen und durchaus als Literatur sui generis gelten dürfen. Mehrsprachig sind sie als Ganzes: zum einen in dem Sinn, dass ein beträchtlicher Teil von ihnen auf Englisch und nicht in Larbauds Muttersprache Französisch verfasst ist, seltsamerweise aber gerade nicht die in England geschriebenen Hefte; zum anderen durch die Übernahme von zahlreichen fremdsprachigen Wendungen in die jeweilige Trägersprache, so dass streckenweise geradezu der Eindruck einer individuellen französisch-englisch-spanisch-italienischen Mischsprache entsteht. Mit dieser Schreibpraxis verbunden und im Journal ebenfalls gut dokumentiert sind außerdem ein lebhaftes linguistisches Interesse am Sprachvergleich und ein eigenartiges, mit erkennbarer Lust betriebenes Versteckspiel mit der eigenen sprachlichen Identität gegenüber Dritten.
Ausgehend von der Verschränkung der aktuellen Diskurse von Spatial Turn und Emotional Turn wird in dem Beitrag der Frage nachgegangen, inwiefern der Begriff 'Heimat' als Raum des sozialen und symbolischen Handelns des Menschen bzw. dessen Emotionen in den Werken deutschsprachiger Gegenwartsautor(inn)en tschechischer Herkunft konstruiert wird. Während im Roman Die Fassade (Libuše Moníková) der Heimat eine symbolische Funktion eines externen Gedächtnisses zugesprochen wird, rückt in dem Roman Georgs Sorgen um die Vergangenheit… (Jan Faktor) die räumliche Komponente in den Vordergrund. Die Hauptfigur in Novemberfäden (Katja Fusek) konstruiert dagegen ihren Heimatbegriff aus der eigenen emotionsbeladenen Erinnerung heraus, wobei dessen Revision eine notwendige Voraussetzung für die eigene Identitätsbildung auf Grund der Konfrontation von 'Fiktion' und 'Realität' darstellt.