CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Zwar haben die Intellektuellen das zwanzigste Jahrhundert nicht in gleicher Weise geprägt wie die Massenmörder, die Wohlfahrt und die ethnischen Säuberungen. Dennoch war es ihr Jahrhundert. Das – nennen wir es einmal so – Unbehagen in der Schriftkultur enthält die Aufforderung an sie, Abschied zu nehmen: Wovon, das bleibt die Frage. Zu viele Abschiede, zu viele Ankünfte; nicht allein Intellektuellen fällt es schwer, dergleichen noch ernst zu nehmen. Und sie passen sich an: Man kann beim besten Willen nicht mehr behaupten, daß sie es ernst meinen. Darin liegt auch ein Abschied, kein Zweifel, der langsame, von Kehrtwenden aller Art durchsetzte Rückzug aus einer Inszenierung, die vielleicht überflüssig, aber niemals langweilig war – ein Luxus, wie ihre besseren Vertreter immer gewußt haben. Ein Luxus des Subjekts, das angesichts seiner Diagnosen entweder in spröder Resignation verharrt oder als Dolmetscher von Sehnsüchten auftritt, die mit der Oberfläche der Dinge zu sehr verklebt sind, als daß ihr verstreutes Aufflackern jemals das Reich der Freiheit hätte ankündigen oder der Verwirklichung näherbringen können. Auch im brüchigen Universum der Intellektuellen hatten und haben die Frondeure des Prinzips Hoffnung einen schweren Stand. Richtig ist allerdings, daß die kluge Einschätzung des Umstands, wie schwer es fällt, alle imaginär gerichtete Hoffnung fahrenzulassen, ihnen das Überleben gesichert und sie unter Herrschaften in Gefahr gebracht hat, für welche die Überführung solcher Hoffnungen in Gegenwart beschlossene Sache war.
Das Verschwinden des östlichen ‘Blocks’ von der ideologischen Landkarte hat – in West und Ost – eine Reihe von Phantomschmerzen gezeitigt, deren zufriedenstellende Diagnose noch aussteht. Zwar fehlte es nicht an ehrgeizigen Versuchen, aber es fügte sich, daß sie alle mehr oder minder unreflektiert in die der Politik und dem Wirtschaftsleben abgelernten Formeln von der ‘Unsicherheit’ oder ‘Ungewißheit’ kommender Entwicklungen mündeten, selbst die seinerzeit auf ganz andere Problemstände gemünzte Habermas-Vokabel von der ‘Neuen Unübersichtlichkeit’ kam hier und da schüchtern zu neuen Ehren. Das mochte, um an eine Wendung Kants zu erinnern, in der Praxis hingehen, doch in der Theorie schuf die sich in solchen Floskeln bekundende Auslieferung an einen kommenden Zeitgeist eine Opportunismusvariante, die man, eine Lieblingsvokabel dieser Jahre aufgreifend, getrost ‘virtuell’ nennen könnte. Warum sich den Kopf zerbrechen, wenn alles im Fluß ist und das Passende sich früher oder später schon finden wird? Die intellektuelle Selbststornierung kennt allerlei Quellen und mancherlei Gründe, auch Abgründe – es scheint, als erlebten manche Heroen des öffentlich ergriffenen Wortes schmerzliche Bewußtseinslagen noch einmal, allerdings nicht, wie zu ihrer Zeit, eingespannt zwischen Hoffen und Bangen, sondern im Licht des Verdachts, daß mit dem beschädigten Hoffen auch das Bangen nicht mehr das alte sein dürfe. Wer profitiert, sind die Eiferer und die Spötter: Feindschaft stabilisiert, Loyalität, zumal verdeckte, nicht minder.
Das Ende der Kritik
(1997)
Die Kritik – was ist das? Offenbar dies und das: eine okkasionelle Tätigkeit, ein Spektrum wenig zusammenhängender ‘Institutionen’, ein berufliches ‘Credo’, vor allem aber eine Idee, ein Wert, dem Unwert auf zweideutige Weise verbunden. Ein Idol also, produktiv dadurch, daß es die Einbildung vieler stimuliert. Nichts anerkennen, was nicht am checkpoint irgendeiner Kritik festgehalten und gründlich kontrolliert wurde: So lautet die Maxime, der sich der wissenschaftliche Alltag ebenso unterwirft wie das Gefühlsleben des durchschnittlich ‘kontrollierten’ Individuums. Zwar gilt sie nur unter Vorbehalt, doch dieser – kritische – Vorbehalt gegen die Kritik schwächt sie nicht ab, sondern macht sie praktikabel: er integriert sie in den Gang der Dinge, ins Netz der Verpflichtungen und Rücksichten, in die Einsicht, daß es gelegentlich an der Zeit ist, Sachen zu tun, die einfach nicht zu rechtfertigen sind, weil jede Art der Rechtfertigung von vornherein als Skandalon gälte.
Das große Subjekt
(1997)
Ein junger Mensch, am Ende des Studiums angekommen, wird von seinem Professor eingeladen. Der Abend neigt sich; der Rotwein löst die Zungen, schließlich gesteht der Ältere, seinerzeit bei der Lektüre einer der damals im Schwang befindlichen Schriften, möglicherweise Herbert Marcuses Triebstruktur und Gesellschaft, geweint zu haben. Der junge Mensch ist frappiert. Seine Reaktion, gemischt aus Neugier und Abwehr, hat weniger mit dem Titel zu tun, den er kaum kennt, als mit der späten Selbstentblößung, deren Zeuge er geworden ist. Sie gibt ihm zu denken. Bald begreift er, daß damals nicht bloß eine empfindsame Leserseele vom Schmerz über das trostlos-glorreiche Schicksal der Welt überwältigt worden war. Etwas Subtileres hatte sich hier zugetragen, eine Erschütterung, die mehr mit dem Los verband, das sich der Intellekt in jenem wie in anderen Büchern der Epoche bereitet, eine Katharsis im Begriff, ausgelöst durch Begriffe und – im besten Fall – hinführend zu Begriffen.
Über Simulationsmodelle
(1997)
In der Debatte um die Möglichkeiten der neueren rechnergestützten Technologien, eine Welt ohne Vorbild zu erzeugen, hat sich spätestens mit Baudrillards "Echange symbolique et la mort" von 1976 der Simulationsbegriff als eine Art Leitkategorie etabliert. Von der klassischen Tätigkeit des Simulanten zum aktuellen Versuch der numerischen Modellierung von Klimaänderungen, Populationsverhalten oder neuronaler Bildgenerierung überspannt der Begriff dabei ein von Fach zu Fach, Anwendung zu Anwendung, Situation zu Situation kaum mehr überschaubares Feld. Einen gewissen Bedeutungskern und eine bestimmte historische Transformation dieses Kerns, auch eine mögliche Grenze des Simulationsbegriffs versucht der folgende Beitrag zu skizzieren.
Given Tournier's own indication that the story of Taor in the last part of "Gaspard, Mechior & Balthazar" came to him from Edzard Schaper's "Die Legende vom vierten König" and Henry van Dyke's "The story of the other wise man", this article compares the three texts in order to determine their respective theological perspectives. It is argued that Schaper's and van Dyke's respective tales constitute meditations on the sheep and the goats pericope from Matthew 24. Tournier's tale, on the other hand, involves a different theological focus: the first temptation of Christ from Matthew 4:14 as this pericope relates to Deuteronomy 8:2-3. This shift in focus makes food central to the spiritual journey of Tournier's protagonist: the gluttonous Taor makes a symbolic transition from "living on bread alone" to living by "every word that comes out of the mouth of God" (the bread of the Eucharist). It is argued that because Taor begins his journey from the spiritually immature (from a Christian perspective) position of the Israelites in Exodus 16, his starting point is pre-Christological and, therefore, his journey is far greater than those of Schaper's and van Dyke's respective protagonists. The latter possess rudimentary Christological knowledge right from the start and therefore undergo less extensive spiritual metamorphosis than does Taor.
Absicht dieser Arbeit ist es, den Begriff vom "Scheitern in Würde" als eine Leitidee im Denken Wolfgang Hildesheimers darzustellen. Der Ausdruck findet sich in auffälliger Weise über das gesamte Werk verstreut, von den frühen Anfängen in den "Lieblosen Legenden" 1952 bis zu seinem letzten Text überhaupt, der "Rede an die Jugend" aus dem Jahre 1991. Über die formelhafte Wiederholung hinaus bildet er eine Grundströmung, die auch dort zu erkennen ist, wo das Wort selbst nicht erwähnt wird. Welches Weltbild liegt dem Ausdruck "Scheitern in Würde" zugrunde? Welche Motive und ethischen Kategorien sind zu bedenken, um ihn zu verstehen? Handelt es sich vielleicht nur um einen spezifischen Ausdruck von Melancholie? Lassen sich Veränderungen im Laufe des Werks benennen? Worin besteht schließlich die Würde, von der Wolfgang Hildesheimer spricht? Dies sind die Fragen, denen ich in meiner Arbeit nachgehen möchte. Der Ausdruck "Scheitern" soll in seinen Varianten aus den Texten Wolfgang Hildesheimers erst ermittelt werden. Das werden in erster Linie literarische Texte sein, danach seine wenigen theoretischen Äußerungen, schließlich jene Reden und Interviews, die allein bleiben, nachdem er 1984 das literarische Schreiben aufgegeben hat. Die einigen Kapiteln vorangestellten Collagen sollen als Beleg dafür dienen, daß Hildesheimer sich auch als bildender Künstler mit eben jenen Problemen auseinandergesetzt hat, die hier besprochen werden sollen. Daß allein ihr Vorhandensein eine Konsequenz dessen ist, was er als sein subjektives Scheitern schildert, soll Thema des Kap. 6.1. "Rückzug in die Collage" sein.
This paper focusses On the discussion of the preservation of expressive aspects in translation., Considerations are grounded on the HJELMSLEVian concepts of the isomorphy between the planes of content and expression, which are both constituted by-substance and form. The present study intends to show that the connotative equivalence of a text can only be achieved in the target language when attention is paid to both the formal-stylistic and the textual-normative dimensions. This involves the appropriation of the stylistic values of the linguistic expression in the source language and, mainly, the understanding of the tropes and the relationships between them. Thus, the present study draws on discourse analysis, comprehending "enunciation" theories and the rhetorical and pragmatic considerations on the level of expression. Considering that the literary text is privileged in providing stylistically marked choices, it is important to highlight the phonetic and semantic correspondences, that is, the close relationship between sound and meaning, which harbours one of the major difficulties in translation. The theory is applied to "Os Sertões" (English translation: "Rebellion on the Backlands") by Euclides da Cunha.