CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Mein Beitrag zeichnet im ersten Teil die Theoreme der Soziologie nach. Bis in die siebziger Jahre - die Palette reicht von Talcott Parsons über Erving Goffman bis zu Rollenanalyse als kritische Soziologie, das sich zu Alfred Schütz bekennt, und darüber hinaus - kann man verschiedene Stränge der Argumentation unterscheiden, allesamt bemüht, zu sozialen Rollen bzw. der Rollenhaftigkeit des sozialen Lebens etwas zu sagen, und bei einigen außerdem, die (idealisierende) Typisierung ins Visier zu nehmen. Im zweiten Teil wird der Gang des Theaters in den letzten Jahrzehnten skizziert. Seit es kein Stück und kein Publikum – also keine Rollen – mehr geben soll, sondern ein Skript genügen und eine Performance ausreichen soll, hat sich eine Theaterkultur entwickelt, die mit Blick auf Rollenrepertoire und Aufführungspraxis sich durch Wissenschaft begründet oder selbst eine "angewandte Theaterwissenschaft" sein will. Im dritten Teil wird das Verhältnis zwischen Rollen und Theater angesprochen. Nun wird die Typisierung zum Thema: Denn die Gesellschaft und die Bühne haben gemeinsam, dass eine Typisierung stattfindet, wenn in den sozialen Rollen, die das Leben verkörpern, oder dem Leben, das auf der Bühne nachempfunden oder gelegentlich beschworen wird, zwischen den Protagonisten etwas geschieht. Die Gesellschaft und die Bühne - im Blick auf Typisierung und Theater - kann man unter die Perspektive eines Dritten stellen, das sowohl eine Methode der Wissenschaft als auch ein Vorgang des Alltags ist - das Verstehen.
Das Rollenfachsystem als Ordnungsprinzip, das die Theaterpraxis über Jahrhunderte hinweg in entscheidender Weise geprägt hat, ist in der neueren Theater- und Literaturwissenschaft als Forschungsgegenstand nicht etabliert. Es ist das Verdienst von Anke Detken und Anja Schonlau, mit ihrer Tagung "Rollenfach und Drama - Europäische Theaterkonvention im Text" an der Universität Göttingen im Jahr 2012 Optionen für eine Anknüpfung an die grundlegenden Forschungsarbeiten zum Rollenfach aus dem frühen 20. Jahrhundert eröffnet zu haben. Nur auf den ersten Blick eine ausschließlich ästhetische Kategorie, erweisen sich Rollenfächer in ihrer je spezifischen Ausgestaltung und aufgrund der Modifikationen, die sie durchliefen, als Reflex auf soziale Rollen. Entsprechende Zusammenhänge sollen im Folgenden anhand der Fächer der Soubrette und der munteren Liebhaberin skizziert werden.
Im Folgenden wird die Hypothese vorgestellt, dass Johann Nestroy (1801–1862) - der populäre Wiener Volksdramatiker, Volksschauspieler und Theaterdirektor - in seinem Unterhaltungstheater das bürgerliche Subjekt und seine Kultur dekonstruiert. Damit einher geht die Entlarvung der ideologisch aufgeladenen bürgerlichen Geschlechterordnung als soziale Konstruktion. Diese Annahmen werden anhand dreier Possen erläutert: 'Eine Wohnung ist zu vermiethen …' (Uraufführung 1837), 'Liebesgeschichten und Heurathssachen' (UA 1843) und 'Das Gewürzkrämer-Kleeblatt' (UA 1845).
Die 70er Jahre stellen einen Wendepunkt in der dramaturgischen Produktion Heiner Müllers dar. Die Produktion dieser Zeit kontrastiert effektiv mit den Stücken der Frühzeit, die, wie 'Der Lohndrücker' (1958), 'Die Korrektur' (1958), 'Die Umsiedlerin' (1961) und 'Der Bau' (1965), aufgrund von umfassenden künstlerischen Referenzen auf Brechts episches Theater üblicherweise im Kontext des Aufbaus des realen Sozialismus in der DDR situiert werden. Spätere Stücke wiederum, wie beispielsweise 'Hamletmaschine' (1977), 'Der Auftrag' (1979) und 'Quartett' (1980), sind innerhalb einer Orthodoxie des pädagogischen Theaters schwer zu verstehen. Sie sind gekennzeichnet durch die Montage von Texten verschiedenen Ursprungs, durch die Tendenz zu Chören und Monologen zum Nachteil des Dialogs und hauptsächlich durch die Zerstückelung der Fabel als Organisatorin der dramatischen Einheit des Textes. Es ist symptomatisch, dass dieses Transformationsmoment sich nach der Kritik an der Fabel richtet, denn gerade sie wurde von Brecht als das Herzstück des pädagogischen Theaters verteidigt, das heißt, als eine privilegierte Art, dem Publikum die Künstlichkeit der Situationen und die Art ihrer Darstellung bewusst zu machen. In seinen vielen Bezugnahmen auf Brecht hat Müller immer wieder hervorgehoben (und kritisiert), wie stark das epische Theater von der Fabel abhing: Das war es, was vielen Brecht'schen Texten den Charakter einer Parabel gab und sie der klassischen Wesensart versicherte.
Dieser Beitrag beabsichtigt zu zeigen, dass die Transformation von Müllers Theater in den 70er Jahren eng mit einer Abrechnung mit diesen Aspekten des Brecht'schen Theaters verbunden ist.
Obwohl das Rollenfach von der Forschung bisher stiefmütterlich behandelt wird, scheint die Kategorie zumindest für Schriftsteller und Theaterpraktiker ein ewiger Stein des Anstoßes zu sein. Inwiefern es ein Gewinn sein kann, die Kategorie des Rollenfachs bei der Analyse von Theaterstücken und Dramentexten zu berücksichtigen, wird im Anschluss an die einführenden Erläuterungen zu Definition, Geschichte und Stellenwert des Rollenfachs anhand von zwei Fallbeispielen darzulegen sein. Anhand von Gotthold Ephraim Lessings 'Emilia Galotti' und Friedrich Schillers 'Die Verschwörung des Fiesko zu Genua' soll demonstriert werden, wie unterschiedlich sich der Umgang mit dem Rollenfach auf die Dramentexte und deren Rezeption auswirken kann. Abschließend werden mögliche Konsequenzen für die Dramen-textanalyse angedeutet.
Der Begriff dessen, was Theater ist, hat sich in den letzten 20 Jahren sehr erweitert. Ich will zumindest einige der neuen Erscheinungsformen kurz skizzieren, weil sich mit ihnen die Wertung des Rollenbegriffs verändert hat. Der kompetenteste Chronist des Zustands, der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann, nennt unser Theater 'postdramatisch', weil der Theatertext weithin kein dramatischer Text mehr ist, konstatiert aber natürlich, daß die älteren Ästhetiken weiterbestehen. Es gibt heute auf den Bühnen eine sehr pluralistische Koexistenz von Dramen, adaptierten Filmen und Romanen, szenisch umgesetzten Recherchen, Interviews, biografischen Narrationen, ungegliederten Textflächen, Shakespeares Sonetten, Marx' 'Kapital', Schillers 'Räubern' und des Märchens vom Geist in der Flasche … Wenn Sie als Literaturwissenschaftler und Soziologen ein Symposion zusammenrufen unter der Überschrift 'Person - Figur - Rolle - Typ', nehme ich an, daß es für Sie an diesen Begriffen etwas zu erörtern (zu retten, zu korrigieren, zu verwerfen) gibt. Das ist für mich als Praktiker nicht so. Diese Begriffe sind für uns unbeschadet ihres Alters unstrittig und werden benutzt wie die Werkzeugteile eines Baukastens. Es lohnt sich nicht, darüber zu reden. Worüber es sich zu reden lohnt, ist das, was dazugekommen ist.
Diese Studie hat Ta'ziya zum Thema gewählt, um Fragen über Theater und seine unterschiedlichen Formen unter weiteren Aspekten als nur dem der Theatergeschichte untersuchen zu können. Neben der theoretischen Untersuchung wurde das Schwerpunktthema dieser Arbeit – Performativität des Mordes – anhand künstlerischer Prozesse erforscht. Dies geschah durch zwei Filmproduktionen (2008, 2011) und einen Workshop unter meiner Leitung gemeinsam mit zwei Assistenten (Hiwa Michaeli, Matin Soofi Pour) am 20. Oktober 2012, im Studio 44 (Dorkypark, Berlin) mit dem Titel: »Darstellung des Mordes in der Ta'ziya«. Die Teilnehmer des Workshop hatten keinerlei Kenntnisse über Ta'ziya. Anhand von Filmmaterial wurden die Mordszenen in Ta'ziya analysiert und diskutiert. In der zweiten und längeren Phase wurde rund um die Darstellung des Mordes praktisch experimentiert und ein Schwerpunkt auf Darstellungsformen der Authentizität gelegt. Das Ziel des Workshops war es, die Formen der Darstellung, die sich in Ta'ziya und bei den Mordszenen wiederholen, neu zu konstruieren. Diese Versuche haben sich mit den Darstellungsformen im theatralen System der Ta'ziya auseinandergesetzt, um die Möglichkeiten, die diese Form der Darstellung bietet, zu erkunden. Das Resultat wurde Teil dieser Arbeit und Mittel, die Thesen dieser Studie zu überprüfen.
Als Beginn der Theatermoderne gelten der Forschung gemeinhin Max Reinhardts vielgestaltige Versuche, das etablierte Modell des Repräsentationstheaters zu überwinden. Konzeptionell niedergeschlagen haben sie sich erstmals in den Überlegungen zur innenarchitektonischen Ausgestaltung des Berliner 'Kleinen Theaters', die Reinhardt in seinem Brief an den mit dem Projekt betrauten Freund Berthold Held vom 4. August 1901 anstellt: "Von der Bühne müssen meiner Ansicht nach unbedingt Stufen ins Publikum führen. Das können wir gut brauchen und erhöht die Intimität, vielleicht an jeder Seite ein paar Stufen, worauf in der Skizze gleich Rücksicht genommen werden möge." Die von Reinhardt gewünschten Stufen sollen die Einheit des den Bühnen- und Zuschauerraum umfassenden Raum-Zeit-Kontinuums markieren und so die programmatische Revision der im Laufe des 18. Jahrhunderts erfolgten Ausgliederung des Zeichenraums Bühne aus dem weltlichen Raum-Zeit-Kontinuum symbolisieren. In gleicher Weise markiert wird diese Revision der etablierten Kommunikationssituation Theater schon in Hugo von Hofmannsthals frühem lyrischen Drama 'Der Tod des Tizian' (1892), in dem dieser die Figur des Pagen ins Proszenium treten und das Publikum direkt ansprechen lässt, um die den Zuschauerraum vom Zeichenraum Bühne trennende Rampe in metaleptischer Geste zu überspielen. Bestimmt man das Repräsentationsparadigma, das durch diese Operationen überwunden werden soll, mit Jacques Derrida semiologisch als ein wesentlich durch die "Exteriorität des Signifikanten" bestimmtes Zeichenmodell, dann ist es wohl angemessen, die (im gemeinsamen Konzept der Salzburger Festspiele kulminierenden) Versuche Reinhardts und Hofmannsthals, mit dem Repräsentationsparadigma zu brechen, als ein von der Intention zur Interiorisierung des Signifikanten gesteuertes Programm zu bezeichnen.
Die häufig normativen Beschreibungen von Theatertexten werden in besonderem Maße durch materielle und räumliche Metaphoriken geprägt, welche die Wahrnehmung von Dramatik als Form nachhaltig beeinflussen. Ziel des Forschungsprojekts ist es, die epistemische Praxis der Theatertexttheorie nachzuvollziehen, um ihr implizites Set an Denkmustern, Sprachbildern und Zugangsweisen kritisch zu reflektieren.
Mit dem DFG-Netzwerk werden Bestrebungen aus der Literaturwissenschaft, der Theaterwissenschaft und der künstlerischen Forschung zusammengeführt, um die theoretische Erforschung von deutschsprachiger Gegenwartsdramatik produktiv voranzutreiben. Ziel ist es, in transdisziplinärer Absicht nach neuen Impulsen für eine zeitgemäße Theatertexttheorie zu suchen und den analytischen Austausch über die Dramatik der Gegenwart zu intensivieren.