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Asmodai in Olmütz
(2004)
"Spunda hat sich sowohl als magischer Dichter als auch als Theoretiker und Verkünder der magischen Substanz einer neuen Dichtung in seinem Essayband "Der magische Dichter" (1923) deklariert. Seine Vorstellung von der magischen Dichtung ergab sich aus einer Steigerung und Metamorphose des Expressionismus. [Immerwieder hat es ihn] zu längeren Aufenthalten nach Olmütz, zur Suche nach magischen Phänomenen, [gezogen]. Durch [ihre] geheimnisvollen Kräfte [gab die Stadt] dem Dichter Spunda einen magischen Wink, den er der Öffentlichkeit weitergab:Fort mit der Unterdrückung, fort vom Krieg, fort von der Gewalt. Dieser Wink wirkt wie ein Friedensmanifest, inmitten des Zweiten Weltkrieges."
Daß der Begriff Natur für das 18. Jahrhundert im allgemeinen von kaum zu überbietender Bedeutung ist, ist eine derart grundlegende Erkenntnis, daß sie beinahe ans Triviale grenzt. Auch für die Ästhetik der Zeit ist seine Relevanz unmittelbar einsichtig, wenn auch im einzelnen, für verschiedene Personen und verschiedene Zeiträume, genau zu klären. Wie steht es aber mit dem Roman der Aufklärung und mit seiner - erst in rohen Zügen gegen Ende des Jahrhunderts sich entwickelnden - Theorie? Die Antwort auf diese Frage ist weder naheliegend noch offensichtlich. Lassen wir also als Spezialisten zunächst einen erfahrenen Literaturkritiker zu Wort kommen, der sich im „Teutschen Merkur“ des Jahres 1778 „Ueber den Mangel des Epischen Geistes in unserm lieben Vaterland“ - so der Titel des Beitrags - herzhaft beklagt: „Zum epischen Wesen gehören wackre Sinnen. So sehr man jetzo von Liebe zur Natur schwatzt, so sind doch wenig der Herren Poeten, die so ganz von Natur durch die Gegenwart eines lieben Baums zur Serenade erweckt würden, wie Freund Asmus [d.i. Matthias Claudius]. Bey den meisten ists garstige Tradition, und sie lieben die schöne Natur, weil sie ist beschrieben und besungen worden.“ Ein hartes Urteil, zweifellos; ist es aber auch ein gerechtes? Und wo findet sich die Natur im Roman der Aufklärung, wenn sie nicht von den „lieben Bäumen“ inspiriert ist? Um diese Fragen zu beantworten, werde ich zunächst einige allgemeine Überlegungen zur Entwicklung des Naturbegriffs in der Ästhetik vorausschicken (I), bevor ich mich meinem eigentlichen Thema auf zwei Wegen nähere: Zum einen werde ich die Funktion von Natur als Stoff der Dichtung in Romanen untersuchen, und zwar am Beispiel von literarischen Gärten in empfindsamen und antiempfindsamen Romanen Jean-Jacques Rousseaus, Johann Karl Wezels und Friedrich Heinrich Jacobis (II). Zum zweiten werde ich auf die Funktion der Natur für die Gestaltung des Romans in der Erzähltheorie bei Friedrich Blanckenburg und anderen Kritikern, und zwar in Beziehung zur Gartentheorie der Zeit bei Christian Hirschfeld eingehen (III).
Die Erschaffung des künstlichen Menschen stellt seit Jahrhunderten eine technische und intellektuelle Herausforderung für die Menschen dar. Insbesondere das 18. Jahrhundert wurde als Jahrhundert des Maschinenmenschen verstanden – auch und gerade in seiner Selbstdeutung. Denn es ist das Jahrhundert aufge-klärter Humanität, das den Traum vom künstlichen Menschen zu träumen beginnt, ein Traum, der am Ende des 20. Jahrhunderts als gleichsam virtueller overkill menschliche Lebendigkeit negiert und dadurch zum Alptraum zu werden droht. Vor diesem Hintergrund mag es nützlich sein, noch einmal auf das 18. Jahrhundert zurückzuschauen und sich zu vergegenwärtigen, welche Maschinenvorstellungen virulent waren, wo es um reale Maschinen, wo um Metaphern ging und welches einerseits innovative und andererseits kritische Potential sich damit verknüpfte.
"During a Thunder-Storm", ein 1821 veröffentlichtes Gedicht über das Verhältnis des Menschen zu Gott von John Bowring (1792-1872), hat unlängst einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es bildete den obligatorischen Aufgabenteil des Übersetzungswettbewerbes Lyrik-Shuttle, der anläßlich des Europäischen Jahrs der Sprachen 2001 gemeinsam vom Lyrik-Kabinett München und dem Münchener Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik) erstmalig veranstaltet wurde. Neben der Gebundenheit durch Metrum und Reim, dem Alter und der anspruchsvollen Wortwahl bestand einer der Auswahlgründe für dieses Gedicht seitens der Organisatoren darin, daß es sich um einen unbekannten Text handelte. Die TeilnehmerInnen des Wettbewerbs sollten bei ihrer Lösung der Übersetzungsaufgabe alternativlos Neuland betreten und nicht – wie bei einem prominenteren Gedicht (bzw. Verfasser) zu erwarten – durch bereits vorliegende Nachdichtungen beeinflußt werden. Vor einhundertsiebzig, ja wohl auch noch vor einhundertfünfzig Jahren konnte "During a Thunder-Storm" dagegen eine weit größere Popularität für sich beanspruchen. Die Geschichte, die damit verbunden ist, liefert ein aufschlußreiches Fallbeispiel aus dem Bereich der internationalen literarischen Kommunikation – der zeitgenössischen Entwicklung, die für den späten Goethe zunehmend ins Zentrum seines Interesses rückte und die er seit dem Ende der 1820er Jahre unter der Losung "Weltliteratur" offensiv propagierte.
Der Beitrag gibt ein Beispiel dafür, wie philologische Kompetenz für die Analyse von medienkulturellen Phänomenen fruchtbar gemacht werden kann. Ausgehend von Wolfgang Isers Leerstellentheorem wird nach der Funktionsweise ästhetischer Erinnerungsanlässe gefragt – zum einen in systematischer Hinsicht durch einen Vergleich von Schrift, Bild und Klang, zum anderen in historischer Hinsicht durch einen Vergleich analoger und digitaler Medien. Es ergibt sich, daß die ästhetischen Strategien, mit denen traditionellerweise Literatur, bildende Kunst und Musik Leerstellen eröffnen, auf Animationen beruhen, die durch ihre computertechnische Realisierung grundsätzlich nivelliert werden. Folglich bedarf es neuer Verfahren der Leerstellengenerierung, um unter den Bedingungen digitaler Medien die Erinnerung zu aktivieren.
VW hat zur Internationalen Automobilausstellung 2003 unter dem Titel Aus Liebe zum Automobil eine großformatige Hochglanzbroschüre herausgebracht, in der die üblichen Bildkompositionen von Sonnenuntergang und glitzernden Radkappen, Kinderaugen und sicherheitversprechenden soliden Heckformen, gewaltiger Natur und erhabener Technik zusätzlich bereichert wurden durch – Liebesgedichte. Ja, in der Tat: sentimentalische Gedichte, Aphorismen, Weisheitssprüche und Bonmots zum Thema Liebe. Das Spektrum reicht vom ersten Korintherbrief (vgl. taz, 20. September 2003) über LaRochefoucauld und Marie von Ebner-Eschenbach bis hin zu Erich Frieds berühmter »Was es ist«-Schmonzette und einer lyrischen Reflexion des Fußballers Diego Armando Maradona. Ein Feuilletonist der Jungen Welt findet diese neue Werbekampagne schlichtweg »zum Kotzen« und fragt bestürzt: »Was hat denn VW mit Liebe zu tun?« (Junge Welt, 2. Oktober 2003) Nichts, möchte man meinen. Aber so einfach kann man es sich nicht machen, schließlich leben wir in der Postmoderne, dem Zeitalter der Ironie, der Beliebigkeit eines ›Anything goes!‹
Über den Umgang mit Knigge
(2004)