CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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In ihren Arbeiten zu Emily Dickinson und Paul Celan macht Shira Wolosky immer wieder auf die thematischen und linguistischen Gemeinsamkeiten der beiden Autoren aufmerksam. Dabei betont sie beispielsweise die stilistischen Auffälligkeiten in beiden Werken. Zudem beschreibt Wolosky neben den Parallelen eine Art des Austauschprozesses zwischen den Werken, die durch die Übersetzung Celans entstehe. In einer zweiten Arbeit zu Dickinson und Celan führt sie diesen Gedanken weiter aus und sieht in der Übersetzung eine Darstellung von Celans eigener Perspektive auf Dickinsons Werk. Auch in der deutschsprachigen Forschung gibt es Beiträge, die herausgearbeitet haben, dass eine nähere Beschäftigung mit Dickinson und Celan relevant ist, da beide ähnliche Themen in ihren Dichtungen behandeln, darunter "die Beziehung des Ichs innerhalb der Spannungsfelder von Liebe und (zumeist unerfülltem) Begehren, Zeit und Ewigkeit, Schöpfung und Vergänglichkeit, Tod und Unsterblichkeit, Gott und Transzendenz, Offenbarung und verweigerter Theodizee." Trotz dieser vielversprechenden Untersuchungen wurde den Dickinson-Übersetzungen Celans im Allgemeinen in der Forschung wenig Beachtung geschenkt, bzw. wurde der Schwerpunkt vor allem auf linguistische Analysen gelegt (so wie die von Wolosky selbst). Im Folgenden möchte ich daher das Gedicht "Because I could not stop for Death", das in der Übersetzung Celans 1959 im Fischer Almanach erschien, näher betrachten und dabei fragen, auf welche Weise sich Celans Übersetzung von Dickinsons Vorlage unterscheidet. Dabei werde ich an Woloskys These anknüpfen, dass Celan die Gedichte nicht nur übersetzt, sondern auch stark bearbeitet und mit seiner eigenen Dichtung verbindet.
Am 23. April 1967 hält Theodor W. Adorno im Deutschlandfunk einen Radiovortrag über Stefan George. Es ist nicht das erste Mal, dass Adorno sein ambivalentes Verhältnis zu dessen Dichtung thematisiert: Nachdem er unter dem Einfluss der Zweiten Wiener Schule zwischen 1925 und 1928 einige von Georges Gedichten vertont hatte, 1939/40 den Briefwechsel zwischen George und Hugo von Hofmannsthal besprochen hatte, 1957 auch in "Lyrik und Gesellschaft" ausführlich auf George zu sprechen kam, stellt Adorno in diesen bilanzierenden Überlegungen noch einmal die Frage, was an George überhaupt zu 'retten' sei. Er greift damit eine Problematik auf, die auch Walter Benjamin Zeit seines Lebens beschäftigt hat. [...] Insbesondere in Georges Baudelaire-Übersetzungen löse sich das ein, was wiederum Benjamin von einer gelungenen Übersetzung "forderte" - die rücksichtslose, fast gewalttätige Erweiterung der (eigenen) Sprache, ihr ephemerer Charakter, die beinahe "wörtliche Versenkung in die andere Sprache". Auch wenn Adornos Eloge auf Georges Übersetzungen deren Qualität sicherlich gerecht wird, befremdet doch die Nähe, in die an dieser Stelle Georges Veränderung der deutschen Sprache und Benjamins Reflexionen zur Übersetzung gerückt werden. Adorno übergeht in seiner Überblendung von Georges Praxis und Benjamins Übersetzungstheorie einen zentralen Punkt, dem sich die folgenden Überlegungen widmen wollen: Benjamins (Neu-)Übersetzung Baudelaires samt ihrem Vorwort "Die Aufgabe des Übersetzers" gewinnt aus der polemischen Distanzierung von George und seinem Kreis überhaupt erst Gestalt, sein übersetzerischer Anspruch ist in radikaler Abgrenzung zu George konzipiert. Um Georges antagonistische Rolle in Benjamins Theorie und Praxis der Übersetzung zu verdeutlichen, sollen vor allem der literaturbetriebliche Kontext von Benjamins "Die Aufgabe des Übersetzers", die Akteure, gegen die er sich wendet, sowie die Metaphern und Bilder, in die Benjamin seine Theorie der Übersetzung kleidet, in den Blick gerückt werden. Zunächst gilt es dafür, das komplexe Verhältnis Benjamins zu dem Übersetzervorbild und -antipoden George sowie dessen Kreis zu skizzieren. Ich möchte mich dann insbesondere auf das Bild vom "inneren Bergwald der Sprache selbst" konzentrieren, das Benjamin an zentraler Stelle als subtile Spitze gegen George und dessen Dante-Übersetzung verwendet. An diesem Bild erhellt sich zugleich das von Benjamin herausgestellte distanzierte Verhältnis des Übersetzers zu seinem Material, die sogenannte 'Aufgabe des Übersetzers'.
Le discours "Notre point de vue Suisse" de 1914 rend Carl Spitteler populaire en Suisse romande. Les célébrations de son 70ème anniversaire y sont spécialement solennelles et chaleureuses. Par la suite, la majeure partie de son oeuvre est traduite en français. Encouragé par Romain Rolland, le plus illustre de ses admirateurs francophones, Charles Baudouin (1893-1963), psychanalyste français domicilié à Genève, se met à traduire les trois grandes épopées de Spitteler. Cet immense travail, enfin achevé dans les années 1950, n'arrive pas à réanimer l'intérêt pour le poète. Mais ces traductions nous ouvrent les yeux sur l'originalité du vers Spittlerien.
Am 14. und 15. Februar 2020 fand an der Universität Bern der Workshop "Vergleich - Übersetzung - Weltliteratur. Komparatistische Praktiken in der Diskussion" statt. Die Veranstaltung war zugleich Auftaktveranstaltung für das geplante DFG-Netzwerk "Undiszipliniert? Komparatistische Praktiken und ihre gesellschaftliche Bedeutung" und wurde organisiert von Melanie Rohner, Netzwerkmitglied an der Universität Bern, und den Antragstellern des Netzwerks, Joachim Harst und Alena Heinritz. Das Programm des Workshops setzte sich aus netzwerkinternen Besprechungen und drei öffentlichen Impulsvorträgen zusammen, an die jeweils eine Diskussion eines ausgewählten Textes anschloss.
Im Folgenden erörtert Alexander Nebrig den Zusammenhang zwischen der international anschlussfähigen Philosophie Spinozas in Auerbachs Werk einerseits und der internationalen Verbreitung ebendieses Werkes andererseits. Es geht um die ideellen Eigenschaften von Literatur, die ihren Entstehungs- und primären Vertriebsraum überschreitet und in Übersetzungen Erneuerung findet. Bislang wurden Auerbachs Erzählungen vornehmlich mit dem Pantheismus Spinozas in Verbindung gebracht. Die Spinoza-Rezeption lässt sich aber noch stärker präzisieren. Zu zeigen ist, dass die Affektenlehre der spinozistischen Ethik für Auerbachs Figurenpsychologie strukturbildend wurde (I, II). Im Anschluss an die Überprüfung dieser Hypothese wird in einem zweiten Schritt Auerbachs Spinoza-Rezeption in Verbindung mit seiner Einstellung auf internationale Kontrolle des Werkes gebracht (III, IV). Das neue grenzüberschreitende Verwertungsbewusstsein wurde von der Entstehung des übersetzungsrechtlichen Denkens ermöglicht. Auerbach verfolgte aufmerksam die urheberrechtliche Entwicklung und trat selbst als Lobbyist internationaler Urheberübereinkünfte auf, was ihn zu einem Pionier internationaler Werkherrschaft macht. Leitend ist an dieser Zusammenführung von literarischer Hermeneutik und Urheberrechtsgeschichte die bereits an anderen Fällen erörterte These, dass Vertriebs- und Vermittlungslösungen in einem wechselseitigen Verhältnis mit der Werkstruktur stehen können.
Die Erfahrung ist wohl jedem bekannt, der schreibt und liest, daß ein Satz dann verstanden ist, wenn man das, was er besagt, auch anders formulieren könne. Andererseits gibt es eine eigentümliche Resistenz auch verstandener Worte, ihren Gehalt einfach in neue Formen umzugießen - es gibt zumal im poetischen Text eine Verschmelzung von Evidenz und Einzigkeit, und zwar auch für den Verfasser eines solchen Textes. Nicht ohne Grund scheidet man die "intentio auctoris" von der "intentio operis", gerade am eigenen Text ist dieses Sich-Entziehen des Wortes vielleicht sogar am drastischsten und geradezu bestürzendsten zu sehen.
Die Übersetzung, insbesondere die literarische, ist vor allem eine Art Kulturübertragung. Neben der Beherrschung der Sprachen setzt sie die Kenntnis des Allgemeinen und Besonderen des Landes wie Kultur, Tradition, Glauben, geschichtliche und gesellschaftliche Begebenheiten und auch soziale Strukturen voraus. Wenn die Sprachen und Kulturen tiefgreifend wahrgenommen werden, können die übersetzten Texte die Adressaten erreichen, d.h., dass die Ausgangssprache und -kultur für die Zielrezipienten verständlich sein können. So wird der Übersetzer als Kulturträger angenommen. Cornelius Bischoff ist beispielsweise ein wohlbekannter Name für den deutschen und türkischen Literaturkreis. Er ist vor allem bekannt als "der deutscheste Türke und der türkischste Deutsche" sowie als eine Brücke zwischen Deutschland und der Türkei. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Cornelius Bischoff, einen Kulturträger zwischen der deutschen und türkischen Übersetzung, zu behandeln. Als ein "Haymatloser" fand er in der Türkei die Möglichkeit, die türkische Sprache und Kultur wesentlich kennenzulernen und viele türkische Werke ins Deutsche zu übersetzen. Als ein Übersetzer trug er zuallererst dazu bei, die türkische Literatur, die bedeutenden türkischen Schriftsteller, die türkische Kultur und Tradition sowie den türkischen Sprachgebrauch in Deutschland bekannt zu machen. In der vorliegenden Arbeit wird die Besonderheit Bischoffs in der Übersetzungswelt im Hinblick auf drei Aspekte diskutiert: zuerst im Hinblick auf den Zusammenhang seiner Wurzeln in der Türkei und im Türkischen - schon in seinen Wurzeln, besonders mütterlicherseits, wurde das Türkische verinnerlicht -, dann auf die in der Türkei verbrachten Jahre - die Jahre, in denen er "haymatlos" genannt wurde - und zuletzt auf die Wahrnehmung und Aneignung der türkischen Sprache, Kultur und Gesellschaft - was auf ihn lebenslang einwirkte. In diesem Kontext wird versucht, sein Leben, seine Werke und seine Wirkung im Rahmen der übersetzerischen Tätigkeit zu analysieren.
Die Übersetzung der Kashinawa-Mythen in Theodor Koch-Grünbergs "Indianermärchen aus Südamerika"
(2019)
Neben seinen ethnologischen und linguistischen Studien zu indigenen Kulturen der Amazonasregion beschäftigte sich der deutsche Brasilienforscher Theodor Koch-Grünberg auch mit indigenen Mythen und hatte klare Vorstellungen davon, wie diese mündlich überlieferten Erzählungen dokumentiert und übersetzt werden sollten. Modellcharakter hatte für ihn die interlineare Übersetzung des brasilianischen Historikers João Capistrano de Abreu von Texten aus dem Kashinawa, einer Panosprache, die noch heute im brasilianisch-peruanischen Grenzgebiet von Mitgliedern der ethnischen Gruppe gesprochen wird. Capistranos Textsammlung "Rã-txa hu-ni ku-ĩ" wurde 1914 in Brasilien veröffentlicht. Bereits 1920 erfolgte die Publikation der "Indianermärchen aus Südamerika" durch Koch-Grünberg, wobei von den 117 ins Deutsche übertragenen Geschichten 13 aus Capistranos Werk stammten. In diesem Beitrag soll anhand ausgewählter Textbeispiele die Übersetzung Koch-Grünbergs aus dem Kashinawa ins Deutsche diskutiert werden. Grundlage war dabei die transkribierte Textsammlung in Originalsprache mit einer Wort-für-Wort-Übersetzung ins Portugiesische sowie einem angehängten Glossar und einem Grammatiksketch. In Koch-Grünbergs eigenen Aufzeichnungen wird zusätzlich deutlich, dass es sich um einen multiplen Übersetzungsprozess handelt: von einem mündlich präsentierten narrativen Diskurs mit performativen Elementen in Schriftsprache, von einer indigenen Sprache Südamerikas in eine typologisch weit entfernte europäische und von einer vollkommen unbekannten Kultur in eine für den brasilianischen wie den deutschen Leser nachvollziehbare.
The aim of this study is to trace back the translator of "Reinhold Lubenau Seyahatnamesi [Osmanlı Ülkesinde, 1587-1589]" and focus on her translation approach through paratexts. The traveller portrays the Muslim 'other' whom he met in the Ottoman Empire where he spent his time between the years 1587-1589, when the Ottoman Empire had the power and Islam was being perceived as a threat to them versus his own culture which he belonged to as a Prussian Protestant. The translation of this itinerary is available to Turkish readers after approximately 400 years in 2012. What makes this translation interesting is the translation of a source text, in which the target culture was being portrayed from the perspective of the 'other', into a target language. How was this 'foreign' perspective constructed by the traveler translated and reflected in the paratext? What was the approach of the translator against the challenges he encountered during the translation process? Answers to these questions among many others were being searched through an examination of paratexts. In addition, it was also discussed whether the author moved to the reader or the reader moved to the author. Paratexts encourage reading and direct the reception (Genette 2016). In this study, book covers, names, titles, genre, graphics illustration and footnotes were examined. Translator footnotes, which were provided by the translator in order to make the text clear, were classified in order to underline the functions of these footnotes. Translator footnotes are the tools, which make translators visible and help them to raise their voices in the texts. In peritexts, translator can provide extra information to the readers, explain and justify his/her translation decisions.