Geschichtswissenschaften
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Konnte Michael Stolleis noch 1985 im Rechtshistorischen Journal beklagen, dass die Strafrechtsgeschichte ein blinder Fleck in der (rechts-)historischen Forschung sei, so ist seit etwa 1990 geradezu ein Boom der historischen Kriminalitätsforschung zu verzeichnen, der inzwischen auch die Rechtsgeschichte erfasst hat ...
Nach Hause…
(2002)
Wer kennt ihn nicht, den leisen, herzzerreißenden Klagelaut einer displaced person namens E.T.: "nach Hause…". Die übergroßen Augen sehnsuchtsvoll ins Weltall gerichtet, jammert jenes kleine, auf der Erde vergessene, unglückliche Wesen nach seiner Heimat, die fern und den Erdenbewohnern fremd und unbekannt ist – ein Nichtort, der gleichwohl der Ort des Ursprungs, des Zuhauseseins und aller Wehmut ist. ...
Auf die Fragen kommt es an: "Woher kommt der Mensch? wo will er hin? – und warum um alles in der Welt ist er da nicht geblieben?" Der Meister zirkulärer Sinnsuche hat als Fragender seine beste Rolle gefunden und damit den postheroischen Typus Mensch erschaffen, der in der Vieldeutigkeit der Welt erleichtert seinen Unfrieden findet: damit, dass Pazifisten Kriege verteidigen, dass die Außerparlamentarischen eine Partei gründen, dass die Konservativen die interessanteren Zeitungen machen und die Komik zur wirksamsten Waffe gegen Dummheit und Schmerz geworden ist. Matthias Beltz hat beiläufig mit Lebensweisheiten und assoziativ aufgetürmtem Scharfsinn nicht nur seine Fragen bewaffnet, in denen gewagte Antworten ihren vitalen Keim austreiben, sondern auch das Misstrauen gesät gegenüber politisch korrekten, nachgeplapperten und smarten Antworten. ...
Frankfurt am Main bezeichnet sich gern als multikulturelle Stadt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung stammt nicht aus Deutschland, genauer gesagt leben ca. 180.000 Menschen aus 181 Nationen in der Mainmetropole. Es handelt sich um Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen wie Arbeit, Studium, Heirat oder auch durch Verfolgung und Flucht zufällig oder beabsichtigt in Frankfurt leben. Es sind Männer und Frauen aus Europa, Asien und Afrika, die oft seit langem hier sind, es sind aber auch Kinder und Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind. Zu den Frankfurtern nichtdeutscher Herkunft zählen auch zwischen 3000 und 4000 EritreerInnen. Die meisten dieser Menschen verließen in den frühen 1980er Jahren als Flüchtlinge ihr Land. Sie flohen vor den Auswirkungen eines fast dreißig Jahre andauernden Krieges, in dem Eritrea um die Unabhängigkeit von Äthiopien kämpfte. Manche waren aktiv beteiligt, einige erlebten Folter und Gefängnis, viele hatten Angst vor diesen Repressalien. Ein großer Teil wurde aber auch erst hier geboren. Eritrea, ein relativ kleines Land am Horn von Afrika, ist heute eine unabhängige Nation, doch die Probleme dauern an. Die wirtschaftliche und soziale Lage, vor allem jedoch der immer wieder aufbrechende Konflikt mit dem mächtigen Nachbar Äthiopien hält viele der eritreischen Flüchtlinge ab, in ihr Heimatland zurückzukehren. Doch dies ist nur ein Aspekt des eritreischen Lebens in Frankfurt. Abgesehen von kleineren Zeitungsnotizen über stattfindende (meist kirchliche) Feste oder Neueröffnungen eritreischer Restaurants weiß man wenig über diese Menschen; wie sie hier leben, mit welchen Problemen sie umzugehen haben und was sie bewegt. Analog zur Informationslage über die Heimat dieser Menschen erfährt nur derjenige etwas, der ein besonderes Interesse zeigt. Selbst wenn mehrere Hundert eritreische Flüchtlinge auf die Straße gehen, um für Frieden in ihrem Land zu demonstrieren, findet dies kaum ein Echo in der deutschen Berichterstattung. Unter den afrikanischen Ländern steht die eritreische Exilgemeinschaft hinter der marokkanischen an zweiter Stelle und gehört somit zu den zahlenmäßig größten außereuropäischen Gruppen der Stadt. Doch trotz der relativ hohen Anzahl handelt es sich um eine unauffällige Gemeinschaft, die selten das Interesse der Öffentlichkeit oder der Wissenschaft findet. Andere Migrantengruppen wie Türken, Jugoslawen oder Marokkaner, die seit Jahrzehnten zum multikulturellen Stadtbild Frankfurts gehören, scheinen nicht nur wegen ihrer höheren Anzahl präsenter, sie wecken auch das Interesse der Wissenschaft. Die Untersuchungen von eritreischen Flüchtlingen beschränken sich dagegen bisher hauptsächlich auf ihre Eingliederung in die direkten Nachbarstaaten Eritreas. Die Frage nach Segregation, Akkulturation oder Integration wurde hier in zahlreichen Publikationen gestellt, sowie auch jene zum Themenbereich Ethnizität und Identität am Horn von Afrika. Die eritreischen Flüchtlinge in Deutschland blieben weitgehend unerforscht. Nach meiner Kenntnis existiert keine ausführliche Publikation zu den Auswirkungen im deutschen Exil. Wie sich z.B. der Befreiungskrieg auf das Identitätsbewußtsein der Exileritreer, auf ihre Integration oder auch auf das Verhältnis zu den in Deutschland lebenden Äthiopiern auswirkt, dies sind Fragen, die bisher unbeantwortet blieben. Eine ausführlichere Darstellung zum Leben der eritreischen Gemeinschaft in der BRD nennt zwar einen engen Zusammenhalt der Gruppe und ein ausgeprägtes Identitätsbewußtsein, doch sie äußert sich nicht zu Ursachen, bzw. Folgen (WUS, 1991). Die vorhandenen Informationen zur eritreischen Exilgemeinschaft in Deutschland beschränken sich meist auf offizielle Daten (Daffa, 1995; Schmalz-Jacobsen/Hansen, 1997). Auch Untersuchungen zu eritreischen Flüchtlingsfrauen und –mädchen in Frankfurt/Main geben wenig Aufschluß; es handelt sich um kurze Abhandlungen der Lebenssituation und eine Darstellung der Probleme als Flüchtling im Allgemeinen (ISD, 1986a; ISD, 1986b). Bereits vor dieser Untersuchung erlebte ich durch meine Bekanntschaft mit einigen jüngeren Eritreern in Frankfurt, daß die Exilanten trotz z.T. verschiedener Erfahrungshintergründe eine selbstbewußte, starke und geschlossene Gemeinschaft bilden, in der Loyalität und Solidarität eine große Rolle spielen. Damit einher geht das offen geäußerte und starke Geschichts- und Identitätsbewußtsein der Menschen als Angehörige der Nation Eritrea, das meinen ethnologischen Ambitionen entgegenkam, sie jedoch auch stark beeinflußte.
Die Begegnung mit dem Fremden : europäische Einflüsse auf die indigene Kunst Nordwestamerikas
(2002)
Für die indigene Bevölkerung der Nordwestküste Nordamerikas bedeutete die Ankunft des fremden, weißen Mannes eine unfassbare Neuigkeit, die erst in das autochthone Weltbild eingeordnet werden musste. Die anfänglich als übernatürlich eingestuften Wesen konfrontierten die Einheimischen mit einer fremden Lebensweise. Während des 18. und 19. Jahrhunderts hatten in diesem Kulturareal Kontakte mit Forschungsreisenden, Handelsleuten, Missionaren, Siedlern, Regierungsbeauftragten, Wissenschaftlern und Touristen Veränderungen in allen Lebensbereichen bewirkt. Von diesem Kulturwandel gingen Einflüsse aus, die sich auch auf die Kunst der indigenen Bevölkerung Nordamerikas auswirkten.
Schon in der frühen Kontaktperiode experimentierten indigene Künstler mit neuen Materialien, Stilelementen sowie europäischen Werkzeugen und fanden neue Absatzmärkte für ihre Produkte. Die Nachfrage der Fremden nach "Souvenirs" führte zur Ausbildung einer eigenen Gattung von Objekten, die für den Handel bestimmt waren und sich auch an europäischen Gebrauchsgütern orientierten. Die Objekte, die sich heute in zahlreichen Ländern befinden, zeugen von den regen Beziehungen zwischen der Nordwestküste Nordamerikas und Europa.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll am Beispiel der nördlichen Gruppen dieses Areals, vor allem der Tlingit und Haida, die Aufnahme des euro-amerikanischen Einflusses durch das indigene Kunstschaffen aufgezeigt und untersucht werden. Dabei soll vor Augen geführt werden, welche euro-amerikanischen künstlerischen Techniken, Materialien und Stilelemente adaptiert und in die indigene Kunst integriert wurden. Dieser Fremdeinfluss lässt sich an Kunstgattungen wie der Holzschnitzkunst, Textilkunst, Schmuckproduktion und Schamanenkunst nachweisen.
Primäres Anliegen der vorliegenden Arbeit ist, anhand ausgewählter Beispiele generelle Tendenzen und Entwicklungen innerhalb dieser Kunstbereiche aufzuzeigen. Im Rahmen dieser Untersuchungen soll eruiert werden: wie dem Fremden begegnet wurde, was die indigene Bevölkerung als fremd erlebte und welche Strategien sie im Umgang mit dem Fremden entwickelte. Des Weiteren soll aufgrund der komplexen Sozialorganisation dieser Gruppen sowohl geschlechterspezifisch als auch zwischen säkularer und Schamanenkunst differenziert werden. Außerdem soll der Versuch unternommen werden, die besondere Entwicklung dieser Fremdeinflüsse bei den verschiedenen ethnischen Gruppen nachzuvollziehen.
Ein zweiter Aspekt dieser Arbeit befasst sich mit dem Bild des Fremden im Spiegel des indigenen Künstlers. Ebenso wie europäische Reisende die indigene Bevölkerung in Reisetagebüchern und Gemälden festhielten, wurden umgekehrt auch Europäer von indigenen Künstlern bildlich dargestellt. Hierbei handelt es sich vor allem um Darstellungen von Seeleuten, Missionaren, Regierungsbeamten und Frauen. Aber auch das Umfeld des Fremden, d.h. vor allem seine materiellen Güter, wurden nachgebildet. Es stellt sich hier die Frage, in welchen Kunstbereichen, wie und warum der Fremde abgebildet wurde.
Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung gilt der Auseinandersetzung mit der Frage, wie und wann das Zusammentreffen von europäischen und indigenen Einflüssen zur Entwicklung einer Handelskunst bzw. neuen Märkten führte. Hierbei gilt das Interesse den Marktformen und den am Prozess beteiligten Gruppen bzw. "vested interest groups". In der vorliegenden Arbeit wird auch untersucht, in welchem Rahmen kommerzielle Transaktionen mit Fremden stattfanden. Des Weiteren wird beleuchtet, wie die Kommerzialisierung von Nordwestküstenkunst und die neu entstandene Nachfrage das indigene Kunstschaffen beeinflussten.
Die Forschungsergebnisse ermöglichen zunächst eine Aussage über die Art der Objekte, die europäische Einflüsse aufgenommen haben und zeigen die Lebensbereiche, in denen diese Gegenstände auftreten. Darüber hinaus soll ermittelt werden, welche Kulturelemente - als Ergebnis eine Prozesses der selektiven Adaption - übernommen wurden. Die Resultate dieser Analyse sollen es möglich machen, eine Entwicklung von der Rezeption europäischer Einflüsse bis zur Ausbildung einer Handelskunst bzw. Sammlerkunst aufzuzeigen.
Neben der Untersuchung dieser Fragen ist jedoch das Hauptinteresse der vorliegenden Arbeit, eine in Europa kaum bekannte und außergewöhnliche Kultur bzw. bislang nicht oder nur partiell publizierte Sammlungen aus deutschen und estnischen Museen, die wissenschaftlich und kulturell von unschätzbaren Wert sind, der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die Tatsache der Entwicklung des Staates in der Frühen Neuzeit in einem langsamen Übergang vom mittelalterlichen Personenverbandsstaat zum institutionellen Flächenstaat, ist von mehreren Wissenschaftlern zum Gegenstand ihrer Forschungen gewählt und es sind von ihnen allgemeine Essentials herausgearbeitet worden. ...
Rezension zu: Wolbring, Barbara: Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. Selbstdarstellung, öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Kommunikation. München: C.H. Beck Verlag 2000. ISBN: 3-406-46527-7; 367 S. Zitierweise: Christof Biggeleben: Rezension zu: Wolbring, Barbara: Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. Selbstdarstellung, öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Kommunikation. München 2000, in: H-Soz-u-Kult, 01.02.2002, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/NG-2002-008>.