SFB 268
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Zum Landnutzungswandel in der südlichen Sudanzone am Beispiel des Bauchi State (Nordost-Nigeria)
(1995)
In der südlichen Sudanzone Westafrikas sind die Aktivitäten des wirtschaftenden Menschen seit langer Zeit die Hauptfaktoren der Landschafts- und Vegetationsgestaltung. Die ursprüngliche natürliche Vegetationsdecke - entsprechend der klimatischen Gegebenheiten wahrscheinlich laubabwerfende Trockenwälder - ist durch anthropogene Eingriffe in vielfältiger Weise verändert oder auch gänzlich beseitigt worden. Die Veränderungen bestehen einerseits aus direkten Eingriffen durch Rodung (für Siedlungs- und Anbauflächen), die selektive Nutzung von Pflanzen (Brennholzeinschlag und Holzkohleherstellung, Bauholznutzung, Beweidung, Laubschneiteln und Sammeltätigkeiten) und durch gelegte Buschfeuer (Aufspüren von Jagdwild, Stimulanz neuen Graswachstums und "Öffnen" der Pflanzendecke vor Unterkulturnahme). Andererseits haben die anthropogenen Einwirkungen je nach Art, Intensität und Dauer auch die natürlichen Standortbedingungen (vor allem Boden, Wasserhaushalt und Klima) verändert. Nicht zu vernachlässigen sind des Weiteren die nachhaltigen Eingriffe in den Wildtierbestand. In weiten Teilen Westafrikas wurde der am Anfang des 20. Jahrhundert noch recht arten- und individuenreichen Wildtierbestand fast vollständig verdrängt oder ausgerottet. Im vorliegenden Beitrag sollen am Beispiel des südöstlichen Bauchi State die Veränderungen der allgemeinen sozioökonomischen Rahmenbedingungen und die wichtigsten Maßnahmen zur Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft und der dadurch bedingte Landnutzungswandel skizziert werden. Ausgangspunkt ist dabei der Zustand der Landschaft zu Beginn der Kolonialzeit, die hier in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts begann.
Zentrum und Peripherie : Prinzipien der Landverteilung bei den Mosi im Raum Tenkodogo (Burkina Faso)
(1995)
Die Stadt Tenkodogo liegt auf der Siedlungsgrenze zweier Ethnien - der Mosi im Norden und Nordwesten und der Bisa im Süden - und zugleich am nördlichen Rand des Mosistaates Tenkodogo, dessen Hauptstadt sie auch ist. Der südlichste Staat der Mosi liegt somit überwiegend nicht auf Mosi-, sondern auf Bisaterritorium. Die Untersuchungen in diesem Gebiet konzentrierten sich auf zwei Siedlungen, die sich unter unterschiedlichen Aspekten für einen Vergleich besonders gut anboten. Anhand dieser beiden Siedlungen soll den Kriterien der Raumaufteilung und Landverteilung in diesem Gebiet nachgegangen werden. Wichtige Fragen dabei sind: Gibt es Erklärungen für die Lage der beiden Siedlungen im Raum? Wie wird das Land verteilt? Wie gestaltet sich die Landzuteilung und die Arbeitsorganisation innerhalb der einzelnen Familien, bzw. der Bewohner der verschiedenen Gehöfte? Lassen sich aus all dem schließlich übergeordnete Prinzipien und Präferenzen ablesen, die über die konkrete Frage der Landverteilung hinaus Rückschlüsse auf andere gesellschaftliche und politische Bereiche ermöglichen?
Ungeachtet zahlreicher Anstöße aus der jüngeren Ethnizitätsdebatte gehören ethno- bzw. regionalspezifische Zuordnungen im Sprachgebrauch von Ethnologie und Geographie noch immer zur Regel. Im gleichen Zusammenhang bemüht man das Bild von sogenannten autochthonen Bevölkerungsschichten und später angekommenen Zuwanderern. Dies aber bewirkt das Festhalten an Luftschlössern, deren Beschaffenheit sich immer deutlicher als Fehlkonstrukt entpuppt. Generalisierende Feststellungen wie "das Ethnos A besiedelt das Gebiet B und hat die kulturellen Eigenschaften X, Y, Z" fördern lediglich einen essentialistischen Ethnizitätsbegriff. Gerade aber in Westafrika vermitteln Erkenntnisse über soziale Identitäten und das Verhältnis der Bevölkerung zur Vergangenheit oft ein ganz anderes Bild. Diese These wird nachfolgend anhand von Forschungen im zentralen Volta-Gebiet erörtert; im einzelnen liegen dazu Daten von Mamprusi und Kusasi in Nordost-Ghana vor sowie von Nuna im zentralen Süden von Burkina Faso.
Toponyme als Zeugen der Vergangenheit : Untersuchungen im nordnigerianischen Bergland der Hausa
(1995)
Toponyme können aufmerksamen Beobachtern wertvolle Hinweise auf Lebensweise und auch auf Identität oder Herkunft von Bewohnern bzw. früheren Siedlern einzelner Landstriche geben. Beispiele hierfür sind die Bezeichnungen für Naturerscheinungen wie Landschaftsformen, Flüsse bzw. Flußbetten und Gebirge, aber auch für vom Menschen geschaffene Gegebenheiten wie Siedlungen, Anbauflächen oder zu anderen Zwecken veränderter und damit genutzter Naturraum. Toponyme lassen sich jedoch nicht immer leicht entschlüsseln. Oftmals ist ein Grundwissen zur Geschichte und Lebensweise der Menschen, in deren Umfeld die Namen gebraucht werden, unerläßlich, um auf Besonderheiten überhaupt aufmerksam werden zu können. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Bezeichnung von Bergen, einzelnen Steinen, von Steinformationen und vom Menschen angebrachten Veränderungen an Steinen und Felsen. Als Untersuchungsraum dienten die ausschließlich von Hausa besiedelten Gebiete nördlich der Provinzhauptstadt Dutse (Jigawa-State) sowie die Region südlich von Gano, die rund 40 km südöstlich von Kano in Nordnigeria liegt.
Ein ungewöhnlicher Zufall wollte es, daß mir vor einiger Zeit beim Durchblättern eines Buches ein Brief in die Hände fiel, welcher sogleich meine Aufmerksamkeit erregte. Zum einen war es das übergroße Format der Briefbögen, sodann eine klare ebenmäßige Schrift, vor allem aber war es der Absendeort "Kaltungo", der mich veranlaßte, die einzelnen Seiten genauer in Augenschein zu nehmen. Der sechs Seiten lange Brief wurde am 1. August 1961 von Mr. FADA FESON, einem Lehrer der "Junior Primary School Ture", an Herrn ARND RUF in Feldberg, Bärental geschrieben und ist bis auf die Anrede, einige kurze Zitate sowie einen fünfzeiligen Absatz am Ende auf Hausa verfaßt. Der Anlaß des Schreibens ist ganz offensichtlich in mehreren historisch-ethnographischen Fragen des Adressaten zu sehen, um deren Beantwortung sich der Schreiber bemühte. Dieser Brief schien mir allein schon deshalb einer Veröffentlichung wert, weil hier verschiedene kulturgeschichtliche Themenbereiche eines Volkes und eines Gebietes angesprochen werden, die heute kaum mehr bekannt, vielleicht sogar schon vergessen sind.
Probleme der Nutzung von Weideressourcen bei den Shuwa-Arabern im nigerianischen Tschadbecken
(1995)
Die Weidewirtschaft, wie die Shuwa-Araber des Tschadsee-Gebietes sie betreiben, ist ein Forschungsbereich, in dem sich die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt in einem Savannen-Habitat besonders deutlich nachvollziehen lassen. Die Weidepflanzen sind von Klima- und Bodenverhältnissen und die Herdentiere in einem nicht unerheblichen Maße von geomedizinischen Faktoren wie der Verbreitung der Tsetse-Fliege abhängig. Der Mensch beeinflußt durch sein wirtschaftliches Management, die Auswahl und Zucht seiner Haustiere, die Frequentierung von Weidearealen und Transhumanzrouten, künstlich angelegte Buschfeuer, Anlage von Forstreserven etc., die naturräumlichen Gegebenheiten. Er wirkt mit diesen Eingriffen auch auf Selektionsmechanismen in der Pflanzenwelt hin und gestaltet die Savanne gewissermaßen zu einer "Kulturlandschaft" um. Die Savanne Westafrikas dient zu einem Großteil als Weideland, und bei dieser Nutzungsart tritt die Interdependenz zwischen dem Menschen und seiner "natürlichen" Umwelt besonders deutlich hervor. Es ergibt sich daraus eine Vielzahl von Fragestellungen, die hier zumeist nur anzusprechen, aber nicht erschöpfend zu beantworten sind. Einige der Grundfragen für diese Thematik können wie folgt formuliert werden: - Wie "natürlich" ist der als Weideland dienende Savannenraum? - Mit welchen naturgegebenen Determinanten werden die Tierhalter konfrontiert? - Über welche kultur- bzw. ethnospezifischen "Pläne" verfügen sie, um sich den Bedingungen ihrer ökologischen Nische anzupassen? - Trägt die viehwirtschaftliche Produktion eher zur Zerstörung oder zur Bewahrung der natürlichen Ressourcen bei?
Politik und Sprachverlust : die Rache der Prinzessin Gimbi und der Niedergang des Dorfes Numudara
(1995)
Das Dorf Numudara (Burkina Faso) liegt ca. 25 km südwestlich von Bobo-Dioulasso am Rand der Falaise von Banfora und zählt heute ca. 3000 Einwohner, größtenteils Tyefo, deren "Hauptstadt" Numudara war und ist. Heute umfaßt die Ethnie der Tyefo noch etwa 21000 Personen, die sich zwar ihrer "Identität" als Tyefo durchaus bewußt sind, aber im Gegensatz zu anderen ebenfalls kleinen Ethnien des südwestlichen Burkina Faso "ihre" Sprache, das Tyefo, weitgehend aufgegeben haben und die regionale Verkehrssprache Dyula sprechen. Als Grund dafür wird vermutet (die Tyefo selbst haben zu diesem Thema keine Meinung), daß die Tyefo so sehr unter der Verfolgung Samori Turés, dem nicht eben friedlichen Eroberer vom Ende des letzten Jahrhunderts, gelitten haben, daß sie ihre Sprache aufgaben, um nicht als Tyefo identifiziert zu werden.
In Tenkodogo, Burkina Faso, bietet sich gegenwärtig noch Gelegenheit, die Schlachtung von Rindern sowohl im sakralen als auch im profanen Kontext beobachten zu können. Diese Situation ist Moment einer Veränderung, nämlich der Verlagerung von der Schlachtung im rituellen zur Schlachtung im gewerblichen Rahmen. Am Hof des traditionellen Herrschers von Tenkodogo werden immer weniger Stiere während der rituellen Feste eines Jahres an den Gräbern der Ahnen geopfert. Immer mehr Rinder werden täglich auf dem modernen Schlachthof von Tenkodogo vermarktet. Sowohl im sakralen (rituellen) als auch im profanen (gewerblichen) Zusammenhang werden die Tiere geschlachtet, d.h. getötet, gehäutet, ausgenommen und grob zerteilt. In beiden Fällen führt dies dazu, daß die Körperteile der geschlachteten Rinder zum größten Teil vom Menschen verbraucht, d.h. klein zerteilt, verteilt, zubereitet und verzehrt werden. Beides, sakrale wie profane Schlachtung, dient der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch (Fleisch verstanden als Sammelbegriff für alle essbaren Bestandteile eines Tierkörpers, d.h. Muskel, Fett, Blut, Organe, Sehnen/Knorpel, Knochen/Knochenmark und Haut). Daneben spielen auch andere Ziele eine Rolle, etwa die Gabe an die Ahnen oder der Lebensunterhalt der gewerblichen Fleischer. Dennoch kann man, aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Ernährung für den Menschen, zu Recht davon ausgehen, daß die vorrangige Funktion sakraler und profaner Schlachtung in der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch besteht. Im Folgenden sollen sowohl ideelle Zusammenhänge als auch handwerkliche Methoden sowie die Verteilungssysteme im Rahmen beider Bereiche beschrieben und verglichen werden.
Die Ergebnisse der Feldforschungen, die hier vorgestellt werden, beruhen auf gemeinsamen Feldaufenthalten der Autoren in dem Untersuchungsgebiet in den Jahren 1990 und 1994. Die ersten Geländebegehungen in diesem Gebiet fanden zusammen mit Günter NAGEL im Februar 1990 statt. Einige seiner Anregungen für interdisziplinäre Arbeiten von Geisteswissenschaftlern und Physischen Geographen zur Landschaftsgenese dieses Raumes, seines Natur- und Nutzungspotentials und der realen aktuellen Inwertsetzung durch die ansässigen Waja wird er, so hoffen die Autoren, in den folgenden Ausführungen wiedererkennen. In dieser Untersuchung wurde vor allem der Frage nachgegangen, welche Beziehungen im südlichen Gongola-Becken zwischen der jüngeren Land-schaftsgenese und dem Natur- und Nutzungspotential bestehen, und wie letzteres von der Bevölkerung in Wert gesetzt wird. Von Interesse sind auch die Auswirkungen der jüngeren Nutzung auf den Naturraum und ihrer Wahrnehmung durch die Bevölkerung.
Die seit 1990 laufenden archäologischen Forschungen des SFB 268 in NE-Nigeria haben mittlerweile zur Entdeckung zahlreicher Siedlungsstellen geführt, deren Keramik Eckwerte in der endsteinzeitlichen und früheisenzeitlichen Besiedlungsgeschichte des südwestlichen Tschadbeckens aufzeigt. Zu den Plätzen Konduga und Gajiganna A-D wurden in der Kampagne 1993 weitere 11 Fundstellen der beiden letzten vorchristlichen Jahrtausende entdeckt. Sie streuen in einem ca. 48km2 großen Gebiet südöstlich von Gajiganna. Auf vier dieser Stellen wurden Testgrabungen, auf sieben Fundplätzen Begehungen vorgenommen. Dazu kommen über 30 wahrscheinlich eisenzeitliche Fundplätze, die ebenfalls nur begangen wurden. Für den relativ kleinen, exemplarisch ausgewählten Untersuchungsraum besteht somit eine umfangreiche Fundplatzliste, die für die nachfolgenden Betrachtungen eine solide Grundlage bietet.