SFB 268
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Ein ungewöhnlicher Zufall wollte es, daß mir vor einiger Zeit beim Durchblättern eines Buches ein Brief in die Hände fiel, welcher sogleich meine Aufmerksamkeit erregte. Zum einen war es das übergroße Format der Briefbögen, sodann eine klare ebenmäßige Schrift, vor allem aber war es der Absendeort "Kaltungo", der mich veranlaßte, die einzelnen Seiten genauer in Augenschein zu nehmen. Der sechs Seiten lange Brief wurde am 1. August 1961 von Mr. FADA FESON, einem Lehrer der "Junior Primary School Ture", an Herrn ARND RUF in Feldberg, Bärental geschrieben und ist bis auf die Anrede, einige kurze Zitate sowie einen fünfzeiligen Absatz am Ende auf Hausa verfaßt. Der Anlaß des Schreibens ist ganz offensichtlich in mehreren historisch-ethnographischen Fragen des Adressaten zu sehen, um deren Beantwortung sich der Schreiber bemühte. Dieser Brief schien mir allein schon deshalb einer Veröffentlichung wert, weil hier verschiedene kulturgeschichtliche Themenbereiche eines Volkes und eines Gebietes angesprochen werden, die heute kaum mehr bekannt, vielleicht sogar schon vergessen sind.
Lehnwörter dienen als wichtiges linguistisches Indiz für Sprachkontakt, d.h. der Koexistenz mehrerer Sprachen innerhalb einer bestimmten Region, deren Sprecher diese Sprachen alternativ verwenden. Sprachkontakte können im politischen, historischen, geographischen und/oder kulturgeschichtlichen Kontext betrachtet werden. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit linguistischen Einflüssen des Kanuri, einer nilosaharanischen Sprache, auf das Gamergu, das zur afroasiatischen Sprachfamilie gehört. Beide Sprachen werden in Nordost-nigeria gesprochen. Anhand von Beispielen aus dem Bereich der Lexik soll ein Zusammenhang von Geschichte und Linguistik deutlich werden. Lehnwörter im Gamergu finden sich in allen Bereichen des Kulturwortschatzes. Die hier aufgeführten Beispiele können dem semantischen Feld "Naturraum" im weiteren Sinne zugeordnet werden, wie z.B. Pflanzen, Bäume, Tiere, Himmelsrichtungen, Mineralien und Körperteile.
Anlaß für die exemplarische Untersuchung des Siedlungsmusters der Gulmance-Siedlungen südlich der Chaîne de Gobnangou waren die augenfälligen Siedlungsdisparitäten und die unübersehbaren Kongruenzen zu den naturräumlichen Gegebenheiten in der Region. Schon der Blick auf eine Karte der Bevölkerungsdichten in den einzelnen Provinzen Burkina Fasos zeigt, daß die Siedlungsdichte in den nahezu ausschließlich von Gulmance besiedelten Provinzen Gourma und Tapoa weit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Innerhalb der Provinz Tapoa wiederum fällt auf, daß Gebieten mit relativ hoher Bevölkerungsdichte nahezu unbewohnte Regionen gegenüberstehen. So reihen sich die Ortschaften der Gulmance in den Vorländern des Höhenzuges von Gobnangou dicht an dicht, während die Flachlandschaft rund um die Provinzhauptstadt Diapaga äußerst dünn besiedelt ist. Ebenso ist die südlich des Gobnangou-Massivs liegende Pendjari-Ebene, deren überwiegender Flächenanteil von Nationalparks eingenommen wird, nahezu unbesiedelt.
Im SW Burkina Fasos (sechs Monate Regenzeit und durchschnittlich über 1000 mm Niederschlag) wurden mehrere Trockenwälder auf ihr Artenspektrum und die Bodenverhältnisse hin untersucht. Die Waldformationen fallen durch die Dichte der Gehölzbedeckung, ihren Lianenreichtum und das fast vollständige Fehlen von Gräsern auf. Typische Gehölzarten sind Anogeissus leiocarpus, Diospyros mespiliformis und die Liane Saba senegalensis. Der dichte Strauchunterwuchs und die fehlende Grasschicht verhindern das regelmäßige Eindringen von Buschfeuern. Wegen der Dichte und des Alters der Bäume belegen diese Waldformationen, daß an den Standorten, zumindest für einen sehr langen Zeitraum, kein Feldbau betrieben wurde. Daher konnten sich, auch auf eher als ungünstig zu bewertenden Böden, Trockenwälder ausbilden, die zumindest in ihrer Physiognomie der potentiellen natürlichen Vegetation entsprechen. Jedoch finden sich in den Wäldern oft Spuren menschlicher Aktivitäten aus der Vergangenheit, so z.B. Steinsetzungen, Siedlungshügel und Gruben. Außerdem lassen sich vielfach Anzeichen einer rezenten Nutzung beobachten, so z.B. für die Entnahme von Werkholz, das Schneiteln mancher Baumarten zur Viehfuttergewinnung, gelegentliche Beweidung und das Sammeln von Wildpflanzen.
Bei den hier vorgestellten ethnologischen und geomorphologischen Aspekten von Brunnen und Getreidespeichern in der firgí-Region Musenes wird besonders die "angepaßte Technologie" der hier lebenden Menschen deutlich. Die kulturelle Entwicklung der Region hängt eng mit den besonderen naturräumlichen Bedingungen zusammen. Die Eigenbezeichnung als firgiwú (die Leute des Tons) verweist auf eine Beziehung der Bewohner zum Naturraum, in dem Ton eine besondere Rolle spielt und für den es spezielle Berufszweige gibt. Die Ressource Ton wird, gleichwohl im Bewußtsein, daß es sich hierbei um regionalspezifische Aspekte handelt, als integrierendes Moment über die ethnischen Grenzen hinweg als Teil ihrer firgiwú -Kultur verstanden. Offensichtlich hat diese eine lange Tradition. Interessant wäre, ob in anderen ähnlich ausgestatteten Naturräumen in Westafrika eine vergleichbare Anpassung bzw. Nutzung des Naturraumes zu finden ist, bzw. wie dort die Nutzungsstrategien aussehen.
Zentrum und Peripherie : Prinzipien der Landverteilung bei den Mosi im Raum Tenkodogo (Burkina Faso)
(1995)
Die Stadt Tenkodogo liegt auf der Siedlungsgrenze zweier Ethnien - der Mosi im Norden und Nordwesten und der Bisa im Süden - und zugleich am nördlichen Rand des Mosistaates Tenkodogo, dessen Hauptstadt sie auch ist. Der südlichste Staat der Mosi liegt somit überwiegend nicht auf Mosi-, sondern auf Bisaterritorium. Die Untersuchungen in diesem Gebiet konzentrierten sich auf zwei Siedlungen, die sich unter unterschiedlichen Aspekten für einen Vergleich besonders gut anboten. Anhand dieser beiden Siedlungen soll den Kriterien der Raumaufteilung und Landverteilung in diesem Gebiet nachgegangen werden. Wichtige Fragen dabei sind: Gibt es Erklärungen für die Lage der beiden Siedlungen im Raum? Wie wird das Land verteilt? Wie gestaltet sich die Landzuteilung und die Arbeitsorganisation innerhalb der einzelnen Familien, bzw. der Bewohner der verschiedenen Gehöfte? Lassen sich aus all dem schließlich übergeordnete Prinzipien und Präferenzen ablesen, die über die konkrete Frage der Landverteilung hinaus Rückschlüsse auf andere gesellschaftliche und politische Bereiche ermöglichen?
Einmal im Jahr, einundzwanzig Tage nach dem für Ahnen und Jenseitsmächte zelebrierten Erntedank, würdigen König und Hofstaat mit einem gesonderten Fest, Bugum Yaoge~, den Vorfahren, von dem sich die Tenkodogo-Dynastie in direkter Linie herleitet: Naaba Bugum. Naaba Bugum selbst hat seinen Fuß wahrscheinlich nie nach Ye~le~yan gesetzt, wie Tenkodogo - in Anlehnung an einen nahen Regenzeitfluß - damals noch hieß. Naaba Sigri leitete den Beginn einer Expansion ein, die etwa hundert Jahre später, unter einem seiner Nachfolger, Naaba Bãogo, zur Unterwerfung der südlichen Bisa von Loanga und Bane und damit zur größten territorialen Ausdehnung vor Einzug der französischen Kolonialmacht führen sollte.
Ungeachtet zahlreicher Anstöße aus der jüngeren Ethnizitätsdebatte gehören ethno- bzw. regionalspezifische Zuordnungen im Sprachgebrauch von Ethnologie und Geographie noch immer zur Regel. Im gleichen Zusammenhang bemüht man das Bild von sogenannten autochthonen Bevölkerungsschichten und später angekommenen Zuwanderern. Dies aber bewirkt das Festhalten an Luftschlössern, deren Beschaffenheit sich immer deutlicher als Fehlkonstrukt entpuppt. Generalisierende Feststellungen wie "das Ethnos A besiedelt das Gebiet B und hat die kulturellen Eigenschaften X, Y, Z" fördern lediglich einen essentialistischen Ethnizitätsbegriff. Gerade aber in Westafrika vermitteln Erkenntnisse über soziale Identitäten und das Verhältnis der Bevölkerung zur Vergangenheit oft ein ganz anderes Bild. Diese These wird nachfolgend anhand von Forschungen im zentralen Volta-Gebiet erörtert; im einzelnen liegen dazu Daten von Mamprusi und Kusasi in Nordost-Ghana vor sowie von Nuna im zentralen Süden von Burkina Faso.
Die weidewirtschaftliche Nutzung beeinflußt seit Jahrtausenden den Natur- und Kulturraum der westafrikanischen Savanne. Die Beweidung durch die verschiedenen domestizierten Tierarten hat in diesem Zeitraum einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Vegetationszusammensetzung gehabt und das vor allem in der Krautschicht. Übermäßige Beweidung kann - wie zahlreiche Untersuchungen zeigen - zu einschneidenden Veränderungen in der Pflanzendecke führen, die letztlich in einer völligen Zerstörung der Vegetation gipfeln können. Dieser Prozess wird landläufig als Überweidung bezeichnet und gilt als eine der wesentlichen Ursachen für Landschaftsschäden. Die in den letzten Dekaden ständig anwachsenden Tierbestände in Afrika südlich der Sahara haben die Situation weiter verschärft. Folgerichtig konzentrieren sich Meliorationsvorschläge auf eine Verringerung der Besatzdichte auf ein tragfähiges Maß. Angestrebt wird ein geregeltes Weidemanagement, das eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen ermöglicht. Trotz teilweise jahrzehntelanger Bestrebungen konnte dieses Ziel bis dato nicht erreicht werden, so daß in jüngerer Zeit Fachwissenschaftler zu der Überzeugung gekommen sind, daß diese Mißerfolge bereits auf Fehler in den grundlegenden Überlegungen zurückzuführen sind. Die aus diesen neuen Überlegungen resultierenden Modellvorstellungen in der Weideökologie sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. Dabei wird vor allem auf die Problematik der Beurteilung und Bewertung des Überweidungsprozesses eingegangen.