BDSL-Klassifikation: 18.00.00 20. Jahrhundert (1945-1989) > 18.14.00 Zu einzelnen Autoren
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Bölls Romanerstling "Kreuz ohne Liebe" scheint die Missachtung der zuständigen Richter lange anzuhaften. Als Böll das Manuskript 1946 vollendete, reichte er es bei der Jury eines Wettbewerbs für den besten Kriegsroman ein und erhielt von den Literaturkritikern ein vernichtendes Urteil. Konsequent hielt der den Roman zurück, zumal sich die Art seines Schreibens auch sehr bald änderte. Als "Kreuz ohne Liebe" 2002 dann erstmals veröffentlicht wurde, begegnete ihm die Literaturwissenschaft nicht weniger abweisend, denn bis heute ist der Roman in auffälliger Weise eben nicht zum Gegenstand der Forschung geworden. [...] Der Text scheint Rezeptionshindernisse aufzuweisen, die eventuell seiner Qualität geschuldet sein mögen, ganz sicher aber auch auf einer anderen Ebene liegen. Das anthropologische Konzept nämlich, vor dessen Folie Böll seinen Protagonisten das Weltkriegserleben deuten lässt, zeugt von einem derart radikalen Christentum und unorthodoxen Katholizismus, dass sich damals wie heute Literaturkritiker wie Literaturwissenschaftler damit sehr schwer taten und tun.
Von "Hypothesen, die auf einer Hypothese gründen" : Ökologische Prognostik in den 1970er Jahren
(2013)
In ihren unterschiedlichen Dimensionen markiert die Prognostik das wissenschaftlich-politisch Imaginäre der Ökologie, das allererst konstituiert, was als relevantes Problem wahrgenommen wird und was nicht, das den beschriebenen Phänomenen eine spezifische Form verleiht und sie in bestimmte Theorien einfügt und das vor allem als regulative Instanz gesellschaftliche Prozesse steuert bzw. zu steuern versucht. Im Folgenden wird untersucht, welche Gestalten dieses Imaginäre in den 1970er Jahren annimmt. Dabei geht es zunächst um den in diesem Zeitraum geprägten Begriff "politische Ökologie", dann um das Verhältnis von Bevölkerung und Überleben, um Narrative der Prävention in ökologischen Aktionsprogrammen und um die Rolle des Abfalls in Zukunftsfiktionen. Der letzte Abschnitt widmet sich Hans Magnus Enzensbergers sogenannter "Komödie" Der Untergang der Titanic, die aus miteinander verwobenen Gesängen und Gedichten besteht, in denen technische, statistische, religiöse und wissenschaftliche Zukunftsmodellierungen als Repräsentationen der Zukunft durchdekliniert werden.
Der Titel des Beitrages ist freilich mit Absicht provokativ gewählt, denn den Kennern der deutschböhmischen Literatur sind Autoren wie Rothacker und Watzlik, Strobl und Pleyer, Hohlbaum und Ott, Göth und Altrichter, Stauff und die Teichmann nur als anstößige Beispiele von Schriftstellern bekannt, die im ‚Kampf ums deutsche Volkstum in Böhmen‘ an prominenten Stellen standen, die negativsten Auswüchse des Sudetendeutschtums repräsentierten, häufig die besonders abscheuliche Gattung des Grenzlandromans pflegten und nach 1945 die revanchistischen Ansätze eines Teils der Vertriebenen kanalisierten. Warum in aller Welt soll Johannes Urzidil, der letzte große Erzähler der Prager Schule, der große Humanist, der Homo vere humanus, Prags Menscheitsdämmerer, der hinternationale Troubadour des alten Prag – (so nur einige Überschriften von Aufsätzen über Johannes Urzidil) – warum soll Johannes Urzidil mit revanchistischen Autoren in einer Reihe genannt oder gar verglichen werden?
İngeborg Bachmann (1926-1973) en önemli Alman şairlerdendir. Seçilen şiir "Sieben Jahre später" [yedi yıl sonra] (1953) dili ve vezni bakımından dikkat çekici ölçüde doğaldır. "Açık üslubu"yla şiir giriş dersi için çok uygundur. Çok güçlü yan anlamlardan beslenmektedir: Çağrışımlı fikir bağlantıları bizi hayalimizde şairin ardından (sadece "tipik bir Avusturya problemi" olarak değilse de) Nazi ideolojisinden kendini pek az kurtarabilmiş olan memleketi Klagenfurt’a sürüklemektedir.
Buna karşılık "romantik özlem" ve klasik Goethe hatırası hemen hiç söz konusu olmuyor. Yazarın (aynı şekilde ortak düşündüğü) çağrısı çaresizlikten doğuyor. – Böyle bir metin için bilimsel yorum sanatının zahmetine girmeye de gerek yok. Bazen şiirdeki ve açıklamadaki yalın sözler daha çok şey anlatıyor. Şair kendisini toplumsal gerçeklikte bir şeyler "değiştirecek güç" olarak görmektedir. Bu 2013 yılında da güncelliğini korumaktadır.
The article examines the reception of Hugo von Hofmannsthal's works by two Czechoslovak authors writing in German: Max Brod and Josef Mühlberger. The reception of Hofmannsthal's oeuvre is reflected primarily in Brod's novel "Mira", Brod's correspondence with Hofmannsthal, and Mühlberger's essay "Hugo von Hofmannsthal". The article explores how both authors depict the Viennese poet and what they consider to be Hofmannsthal's main significance and legacy for future generations. The article also compares Brod's and Mühlberger's statements with thematically similar texts by the Austrian author.
Darstellungen der Erwerbsarmut sind in der deutschen Literatur spätestens seit dem 19. Jahrhundert weit verbreitet, prominente Beispiele stellen etwa Georg Büchners "Woyzeck" als schockierende gesellschaftliche Analyse des Teufelskreises aus Armut, Erniedrigung und Unterdrückung des Paupers sowie Gerhart Hauptmanns "Die Weber" als desillusionierende Darstellung der Ausbeutung des Proletariats dar. In den 20er und 30er Jahren gerät eine neue soziale Schicht in den Fokus der Aufmerksamkeit, die in zahlreichen sozialen Studien und literarisch, nun vorrangig nicht mehr in der Form des sozialen Dramas, sondern im Genre des neusachlichen Romans, aufgegriffen und beleuchtet wird: die Angestellten.
"Auf den Hügeln, rund um die Zentren großer Städte, stößt man merkwürdigerweise oft auf so eine Art städtisches Bergvolk. Jedenfalls ist in Berlin diese besondere Population auffallend in der Gegend des Prenzlauer Bergs und des Kreuzbergs, in Paris auf dem Montmartre und Montparnasse; im Londoner Hampton Heath und auf dem Wiener Spittelberg soll es vergleichbar sein." Mit diesen Zeilen beginnt Daniela Dahn ihre "Prenzlauer Berg-Tour", in der sie sich einer ethnologischen Forschungsreisenden gleich auf den abenteuerlich-verschlungen anmutenden Weg hinauf zum Prenzlauer "Bergvolk" begibt. Die zeitgenössische öffentliche Rezeption des Ende 1987 im Mitteldeutschen Verlag Leipzig/ Halle veröffentlichten Buches war einstimmig positiv; hervorgehoben wurde unisono insbesondere der Realitätsgehalt der Reportage. [...] Das nach der Publikation um sich greifende große öffentliche Interesse belegen nicht nur die zahlreichen Lesungen, Buchpräsentationen und Werbeanzeigen, sondern allen voran die Tatsache, dass die ersten beiden Auflagen (1987 und 1989) des Buches von insgesamt 27.000 Exemplaren in kürzester Zeit vergriffen waren. Doch wie lässt sich dieser Erfolg erklären? Ein gewichtiger Grund war vermutlich, so die Hypothese der nachfolgenden Überlegungen, dass Dahns Reportagen zum DDR-Alltagsleben im Rahmen damaliger Möglichkeiten – von "Sagbarkeitsregimes" hätte Michel Foucault gesprochen – einigermaßen ungeschminkt und schonungslos soziale Widersprüche des "real existierenden Sozialismus" in ihrer literarischen Aneignung zeigten. Dieser ungeahnt-ungekannte Darstellungsmodus überschritt Grenzen und evozierte reichlich Aufmerksamkeit.
Im Folgenden soll das Potential eines interdisziplinären narratologischen Theorietransfers an autobiographischen Holocausterzählungen unter Verwendung von Konzepten aus psychologisch orientierten Theorien erprobt werden: der Begriff der Positionierung aus der psychologischen Konversationsanalyse (discoursive psychology) und das Konzept der Glaubwürdigkeitsmerkmale aus der Gerichtspsychologie. Mit diesen Ansätzen sollen zwei charakteristische Merkmale autobiographischen Schreibens beschrieben werden, nämlich seine Zeitstruktur und sein Faktualitätsanspruch.
Zirkusartisten und Varietékünstler, Gaukler und Jahrmarktschausteller galten und gelten bis heute in der literarischen Rezeption nicht als verehrenswerte Künstlerfiguren, sondern fungieren vielmehr durch ihren Status abseits der Norm, den sie gleich im doppelten Sinne innehaben, als literarisches Sujet: Sie verbinden Mobilität und Mittellosigkeit und verweigern sich damit gesellschaftlich normierten Grenzziehungen. Hierin zeigen sie deutliche Überschneidungen mit einer anderen Personengruppe, die in der Literaturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten intensiv beforscht worden ist: die der "Zigeuner_innen". Allerdings beschränken sich die Forschungsergebnisse weitestgehend auf Darstellungen von der Frühen Neuzeit bis zur Romantik (Solms 2008; Breger 1998), eine Ausnahme bildet ein Sammelband von Susan Tebbutt (1998), der auch zeitgenössische "Zigeuner"-Repräsentationen mit in seinen Untersuchungsfokus einschließt. Direkte Sekundärliteratur zum Zirkus- und Jahrmarktroman ist dagegen nur vereinzelt zu finden und fokussiert sich in der Regel ebenso auf einen begrenzten Zeitausschnitt, spart also gegenwärtige Repräsentationen des Motivs aus (Bernecker 1990; Jones 1985; Laun 2007). An dieser Stelle sollen nun aber gerade zwei Werke aus der Gegenwartsliteratur näher untersucht werden. Sie unterscheiden sich von literaturgeschichtlich weiter zurückliegenden Schaustellerdarstellungen insofern, als sie weder einen distanziert wertenden Blick von außen wählen noch sich auf den metaphorischen Gehalt der Figur des fahrenden Künstlers beschränken: "Warum das Kind in der Polenta kocht" (1999) aus der Feder der rumänisch-stämmigen Schriftstellerin Aglaja Veteranyi sowie Franco Biondis "Karussellkinder" (2007) sind Schaustellernarrative aus der Binnenperspektive, sie schildern eine Kindheit im Schoß einer Zirkus- bzw. Jahrmarktfamilie am Rande der Normgesellschaft. Obgleich die beiden Texte völlig unterschiedlich erzählen, weisen sie doch frappante Ähnlichkeiten in ihrer Motivwahl auf: Sie hinterfragen tradierte Konzepte von Besitz, Reichtum und Armut sowie sozialer Zugehörigkeit mithilfe einer artifiziellen, hoch ästhetischen Bildsprache und greifen dafür auf interkulturelle Topoi zurück, die im Folgenden aus einer kulturwissenschaftlich-hermeneutischen Perspektive untersucht werden sollen.
In den Jahren von 1993 bis 2004 veröffentlichte Walter Kempowski den Zyklus 'Das Echolot. Ein Kollektives Tagebuch'. In zehn Bänden wurden mit Hilfe von Zitaten aus Dokumenten von Zeitzeugen entscheidende Phasen des Zweiten Weltkriegs wie die Invasion der UdSSR und die Schlacht um Stalingrad dargestellt. Abschnitte aus Tagebüchern, Briefen, Erinnerungen, Reden, Militärberichten und Radiosendungen wurden nach den Tagen angeordnet, an denen sie entstanden waren oder auf die sie sich bezogen (im Fall der Erinnerungen); sie bildeten so eine kollektive Darstellung des Krieges, die sich aus den Perspektiven von Personen verschiedener Gesellschaftsschichten zusammensetzt: Politiker, Militärs, Intellektuelle, deutsche Zivilisten, Juden und andere Opfer. Obwohl eine beträchtliche Anzahl von Texten aus bereits publizierten Büchern verwendet wurde, ohne die es kaum möglich gewesen wäre, ein vollständiges Bild des Zweiten Weltkrieges zu zeichnen, stammt annähernd die Hälfte der Zitate aus dem Archiv für unveröffentlichte Biographien, dessen Bestände der Autor im Laufe von mehr als zwei Jahrzehnten zusammengestellt hatte, indem er auf Flohmärkten und in Antiquariaten sowie durch Anzeigen nach Tagebüchern und Briefen aus der Zeit von 1900 bis 1950 suchte.
Die zehn Bände, die das kollektive Tagebuch 'Das Echolot' ausmachen, bilden vom ästhetischen Gesichtspunkt gesehen eine gigantische Montage von Zitaten ohne inhaltliche Texte des "Autors" in Form von Kommentaren oder verbindenden Erzählungen. Diese formalen Eigenschaften wurden sowohl von Carla Damiano in ihrer Dissertation Walter Kempowski's "Das Echolot" als auch von Kai Sina in Sühnewerk und Opferleben untersucht, aber beide beziehen sich vor allem auf die vier ersten Bände, Das Echolot '43. Die Form der Montage von Fremdtexten mit ihren Verfasserangaben erweckt beim Leser den Eindruck, dass Kempowskis Rolle sich auf die des Herausgebers oder "Kompilators" beschränkt, was z.B. von Holger Helbig vertreten wird. Mit Ausnahme der Vorworte ist in dem gesamten Zyklus die Stimme Kempowskis abwesend. Dieser Eindruck soll im vorliegenden Artikel korrigiert werden, indem die Tätigkeit des Autors bei der Auswahl und Kürzung seines Materials sichtbar gemacht wird.