BDSL-Klassifikation: 19.00.00 1990 bis zur Gegenwart >19.13.00 Zu einzelnen Autoren
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„[...] Goethe [liebte] die Herzogin Anna Amalia [...] und [blieb] ihr ein Leben lang treu“, so lautet die zentrale Hypothese des in Weimar lebenden Juristen und Schriftstellers Ettore Ghibellino, mit der sich angeblich sämtliche „Widersprüche“ in Goethes Leben und Werk erklären ließen. In seinem Buch „J. W. Goethe und Anna Amalia / Eine verbotene Liebe“, zuerst 2003 erschienen, unternimmt der Autor nichts Geringeres als den Versuch, die Goethe-Forschung auf eine ‚neue Grundlage‘ zu stellen. [...] Ghibellionos Ansatz ist historisch so fragwürdig, das zugrunde liegende Kunst- und Literaturverständnis derart einseitig biographistisch, der Umgang mit den Quellen so unreflektiert, ja manipulativ, die Kenntnisnahme und Einbeziehung der aktuellen Forschungsliteratur so selektiv, dass sich eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung eigentlich verbietet. In der Fachwelt hat Ghibellinos Veröffentlichung daher weder Interesse noch Unterstützung gefunden. Allerdings vermarktet der Autor mit seinem Buch geschickt das große allgemeine Interesse an der Person Goethes, dabei auch voyeuristische Bedürfnisse des Publikums bedienend. Inzwischen sind bereits zwei Nachauflagen (2004 und 2007) und eine englische Übersetzung (2007) erschienen. Aus diesem Grund muss diese neue ‚Weimar Legende‘ in aller Deutlichkeit als das benannt werden, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Erfindung des Autors.
Paul Mersmann, Europäer
(2008)
Der Surrealismus, die europäische Sprachschule der Zwischenkriegszeit, ist nicht tot. Er hat die leichtgewichtigen Werke Bretons und Aragons überlebt, das Ende der Ismen und den neuen Verismus, weil er in der Werbung und der Politik mächtige und prinzipiell unabschaffbare Verbündete besaß. Er musste sie nicht erst lang überzeugen. In ihm fanden sie willkommene Werkzeuge ihrer Überzeugungsarbeit. Der elitäre Kommunarismus, der massendemokratische Elan, der jede einzelne Handlung mit einer Zukunft verbindet, die weiß und offen in einem kochenden Weltall schwebt – Blochs Feuertopf (»Die Materie ist ein Feuertopf«) mitsamt dem rituellen Kopfschütteln, das er hervorruft, ist sein Erzeugnis. Der Surrealismus der Tat scheut die Macht, die er sucht. Er sucht nicht ihre Nähe, sondern sie selbst, er will sie, aber im Modus des Nichtbesitzens. Er will nicht als ihr Inhaber gelten, sondern als ihr Zerstäuber. Dazu bedarf es einer Gesellschaft von Gleichgesinnten, die es nicht gibt, die sich von Fall zu Fall erfinden muss, um den, der die Gunst der Stunde nützt, um sich in den Besitz des Zaubermittels zu setzen, wieder zu entzaubern und, wenn möglich, von der Bühne zu vertreiben.
Die Formel vom chinesischen 21. Jahrhundert scheint ihre betörende Wirkung zunehmend auch in der Sphäre der Literatur zu entfalten. Indem deutschsprachige Schriftsteller vermehrt China als literarisches Thema entdecken, bahnt sich nach der wirtschaftlichen nun auch eine kulturelle Globalisierung an.