BDSL-Klassifikation: 06.00.00 Mittelalter > 06.04.00 Studien
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Wenn der heilige Martin im frühen Mittelalter zum Hausheiligen der Karolinger und Merowinger avanciert und als Schlachtenhelfer angerufen wird, dann liegt das in seiner allgemeinen Anrufbarkeit als Heiliger begründet und dem Vertrauen in seine Wunderkraft, derer man sich durch seine Reliquien – allen voran die Mantelhälfte – versichern wollte, während es für die von ihm erhoffte Schlachtenhilfe "in seiner Lebensgeschichte keinen beweiskräftigen Rückhalt" gibt. Dass er selbst einst Soldat war, spielt dabei keinerlei Rolle – nicht einmal in einer jener seltsam schief anmutenden Übertragungen, die das Patronat eines Heiligen mit dessen Folterinstrument verknüpfen, so im Falle des Soldaten-Märtyrers Sebastian, der zum Patron der Bogenschützen wird, durch deren Pfeile er doch zu Tode kam. Allenfalls wäre von einer in der Latenz bleibenden ikonischen, auf Ähnlichkeit beruhenden, Zeichenrelation auszugehen, die im einstigen Soldaten und nunmehr spirituellen Gottesstreiter Martin ein kriegerisches Handeln im Namen Gottes vorgebildet sieht. Explizit gemacht wird ein solcher Zusammenhang aber nicht. Martin bleibt der wundertätige und barmherzige Mönchsbischof, sein "Streiten" bleibt metaphorisch und erinnert daran, dass in der christlichen Tradition Gewalt gerade kein Heilsweg ist.
Die "wîlsælde"-Disputation : zur Auseinandersetzung mit der Astrologie in der "Kaiserchronik"
(2005)
Als Einschub in der mittelhochdeutschen "Kaiserchronik" bieten die drei Disputationen weitaus tiefer greifende philosophisch-theologische Betrachtungen als der übrige Erzähltext. Die "wîlsælde"-Disputation greift die Auseinandersetzung mit der Astrologie auf. Der vorliegende Aufsatz vergleicht dieses Streitgespräch mit seiner patristischen Vorlage, den pseudoklementinischen "Recognitiones", und erkäirt die Umgestaltung des Stoffes in der "Kaiserchronik" im Hinblick auf Unterschiede in den astrologischen Richtungen im 4. und im 12. Jahrhundert.
Remigius von Auxerre
(2006)
Die lateinischen ,Disticha Catonis', im 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden, zählen zu den neben der Bibel verbreitetsten Werken des Mittelalters. Getragen wurde ihr Erfolg zu großen Teilen von der Institution ,Schule'. Mit den Worten der inzwischen über anderthalb Jahrhunderte alten, aber noch immer unersetzten Untersuchung zu ihren deutschen Übersetzungen: "Kein werk hat während des mittelalters eine entfernt so weite verbrei tung gefunden wie die unter dem namen des Cato bekannten lateinischen distichen. sie waren das factotum beim unterrichte der jugend, die aus ihnen die anfangsgründe der grammatik poesie und moral kennen lernte [ .. .]."
Die dem pädagogischen 18. Jahrhundert vorausliegende Bildungs- und Erziehungsgeschichte stellt keinen Gegenstand dar, der in einem disziplinenübergreifenden Forschungs- und Diskussionszusammenhang bearbeitet würde. Ein Überblick über den Stand der Forschung ist indes nicht nur auf grund der disziplinären Streuung der zahlreichen Forschungsbeiträge von einschlägiger Relevanz kaum zu gewinnen, die historisch arbeitende Erziehungswissenschaftler beibringen, Mittelalter- und Frühneuzeithistoriker, Literaturwissenschaftler, die sich mit Texten oder Kunsthistoriker, die sich mit anderen einschlägigen Artefakten dieses Zeitraums befassen.
Ob Lernen eher eine Angelegenheit des Hörens oder eher eine des Lesens sei, darüber können im Spätmittelalrer Missverständnisse Aufkommen [...] Die kleine Szene aus einem Gesprächsbüchlein des 15. Jahrhunderts, dem ,Es tu scolaris', ruft einen ihren Lesern offenbar nicht mehr ganz selbstverständlichen Sachverhalt in Erinnerung: Auch im Ausgang des Mittelalters vollzieht sich der Erwerb des Lernstoffs im Trivialunterricht wesentlich auditiv, im Rahmen mündlicher Unterweisung.