BDSL-Klassifikation: 06.00.00 Mittelalter > 06.07.00 Gattungen und Formen
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Dieser Beitrag untersucht das Verhältnis von Intimität und Sexualität, Freundschaft und Liebe in der mittelalterlichen Adelsdichtung. Er zeigt, dass das Konzept der höfischen Liebe, das im 12. Jahrhundert entwickelt wurde, unter dem Einfluss des antiken Freundschaftsdiskurses steht. Im Grunde ist die höfische Liebe des Mittelalters als heterosexuelle Transformation eines Freundschaftsethos zu verstehen, das ursprünglich für Männer reserviert war. Diese Konstellation, in der Sexualität eine prekäre Rolle einnimmt, wird mit Hilfe der Thesen erläutert, die Niklas Luhmann in seinem Buch "Liebe als Passion" (1982) formuliert hat. Luhmann unterscheidet drei historische Stufen des Liebesdiskurses: die höfische Liebe des Mittelalters, die passionierte Liebe der frühen Neuzeit und die romantische Liebe des 19. Jahrunderts, die bis heute den Liebesdiskurs prägt. Im Gegensatz zur Luhmanns These des Nacheinanders zeigt der Beitrag, dass in der mittelalterlichen Poesie alle drei Formen der Liebe gleichzeitig vorhanden waren.
In seiner umfassenden Untersuchung zum deutschen geistlichen Lied im Mittelalter beschäftigt sich J. Janota (...) mit dem "Ruf" im Zusammenhang mit dem Credolied und dem Lied nach der Predigt. Er weist daß die "Nachrichten über mittelalterliche Predigtlieder jeweils nur eine Liedzeile" nennen. (...) [Volker Mertens scheint] das vorliegende Material noch nicht hinlänglich ausgebreitet und ausgewertet und einen Aussage, die über das faktische non liquet Janotas hinausgeht, möglich zu sein.
Es mag generell lohnend sein, bei Fazetien und Schwänken die eingefahrenen Wege von Stoff- und Gattungsgeschichte zu verlassen und analytisch genau zu werden, denn in den Niederungen des ‚niederen’ Erzählens sind komplexe Spuren epistemischer Verunsicherungen zu entdecken. Was indes speziell die Repräsentationen religiöser Praxis in frühmodernen Schwankerzählungen anbelangt, wäre von Fall zu Fall zu urteilen. So sehr Reliquienpraxis im 16. Jahrhundert ins Zentrum konfessioneller Konflikte gerät, so wenig kann das schwankhafte Erzählen von ihr immer schon eindeutig auf die Seite frühmoderner Pluralisierungen geschlagen werden. Solches Erzählen kann vielmehr einerseits als Ort konfessionalistischer Verarbeitung und Eindämmung sozialer, religiöser, ideologischer Differenz genützt werden. Andererseits steht es aber fallweise auch dort als Raum literarischen Probehandelns zur Verfügung, wo es schwer oder unmöglich zu sein scheint, Konkurrenzen relevanter Propositionen, Orientierungskomplexe oder Geltungsfonds durch Negativierung und Asymmetrisierung zu entschärfen. Dann dürfte indes von Pluralisierungen, auch solchen des Religiösen, die Rede sein. Einstweilen offen bliebe hierbei allerdings, ob es sich allein um die Verarbeitungs-, oder auch um Produktionsformen des frühzeitlichen Umbaus der Welt handelt.