BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.05.00 Antike und abendländische Literatur
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (13)
- Part of a Book (11)
- Review (4)
- Part of Periodical (3)
Language
- German (31)
Has Fulltext
- yes (31)
Die Antike im doppelten Aspekt von Mythos und Geschichte war lebenslang einer der von Hofmannsthal bevorzugten Themenkreise. Sein Interesse daran reicht in die ersten Anfänge zurück und setzt sich bis ins Spätwerk fort. Schon ein flüchtiger Blick auf die lange Reihe der Titel zeigt die beeindruckende Dichte der Projekte: Auf den Alexander-Stoff, der bereits Ende der achtziger Jahre in den Vordergrund rückt, folgen 1891 eine im Umriß ganz vage gebliebene "mythische Komödie", die vielleicht den Titel "Athene" tragen sollte, im Jahr darauf das Hades- und Alkibiades-Thema sowie die Auseinandersetzung mit den "Bacchen" des Euripides, die zwischen 1904 und 1918 im "Pentheus"-Plan weiter vorangetrieben wird. Ein erstes 'fertiges' Stück ist der - kurz vor "Tor und Tod" - im März 1893 entstandene Einakter "Idylle", der auf schmalstem Raum eine antikisierende Szene "im Böcklinschen Stil" gestaltet. Im Sommer 1893 werden Entwürfe zum 1906 wieder aufgenommenen "Traum" notiert, der auf einer Erzählung des Plutarch in der Demetrius-Vita 27 beruht.
Seine Annäherung an die Antike, soweit sie an die attischen Tragiker anknüpft, fühlt sich dem eingestandenen Ziel verpflichtet, den "Anschluß an große Form" zu suchen und damit, vom lyrischen Drama weg, die wirkliche Bühne zu erobern. Dabei geht es ihm von Anbeginn darum, die antiken Stücke aus ihrer "maskenhaften Starrheit zu lösen", wie es anläßlich des "Alkestis"-Plans im Januar 1894 heißt; ein Gedanke, den auch Hermann Bahr 1923 im Rückblick seines Tagebuchs formuliert, wenn er daran erinnert, daß er und Hofmannsthal sich vor drei Jahrzehnten vor der "Gypsgriechelei der Heysezeit" zu retten versucht hätten, ganz im Einklang mit Max Reinhardt, der die Unlust, antike Dramen zu spielen, dem "gipsernen " Charakter der vorliegenden Übersetzungen und Bearbeitungen anzulasten pflegte.
Dieser Aufsatz will weder eine wissenschaftliche Einteilung der biblischen Prophetie vornehmen noch zielt er auf einen Überblick über die Wirkungsgeschichte der Prophetie. Mein Ziel ist es vielmehr anzudeuten, wie moderne Literatur und modernes Denken prophetische Reden und Zukunftsbegriff e auf subtile und unerwartete Arten beerben. [...] Hier möchte ich einen allgemeinen Überblick über prophetische Literatur anbieten und gleichzeitig über den biblischen Kanon und sein Nachleben nachdenken. Ich beginne mit den drei Arten der biblischen Prophetie: der klassischen, der biographischen und der apokalyptischen, anschließend entwickle ich das stichpunktartig an zwei Beispielen der biblischen Prophetie und des modernen Schreibens, schließlich zeige ich die innere Antinomie oder Aporie der jeweiligen Art.
[Der] Status des Rechts [ist] in der Odyssee grundsätzlich ambivalent [...]: Auf der einen Seite grenzt sich Odysseus unter Berufung auf eine allgemeine "rechtliche Ordnung" (thémis) und die öffentliche Versammlung (agorá) von der rechtlosen Welt der Kyklopen ab, auf der anderen liegt Interpretation und Durchsetzung von Recht im Konfliktfall beim Einzelnen: Was "Recht" ist, wird zu einem großen Teil von Macht, Einfluss und Ansehen der Parteien bestimmt. Dennoch hieße es die Komplexität der in der Odyssee beschriebenen Ordnung zu vereinfachen, wollte man sie auf ein rohes Recht des Stärkeren zurückführen – Odysseus wird in seinem Epos schließlich gerade nicht durch Verbindlichkeit durchsetzende Stärke, sondern durch wendige, ja unverbindliche Listigkeit charakterisiert. Doch wie ließe sich dann die zuguterletzt wiederhergestellte rechtliche Ordnung differenziert beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst eine Reflexion auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Recht und Epos vorzunehmen. Sie soll in den folgenden Abschnitten in der Diskussion einiger maßgeblicher rechtshistorischer Ansätze am Beispiel der Ilias geleistet werden. Im zweiten Hauptteil dieses Textes wird dann eine Lektüre der Odyssee unter dem Aspekt epischer Verbindlichkeit im Vordergrund stehen; sie wird in die Frage münden, in welchem Verhältnis die formale Geschlossenheit des Epos zur Herstellung von Ordnung steht. Die Problematik der epischen Form wird ihrerseits abschließend zum Verhältnis von Epos und Recht zurückführen, wobei nun allerdings das Epos als Gegenstand von mündlicher Überlieferung und (mythischer) Gesetzgebung im Zuge der pólis-Werdung Athens im Mittelpunkt steht.
Die Frage, wie sich 'Bibel' und 'Literatur' zueinander verhalten und ob es notwendig und sachgemäß ist, die Größe 'Bibel' der Größe 'Literatur' eigenständig gegenüberzustellen, präsentiert sich zunächst als ein Teilgebiet des weiten Themenfeldes 'Religion und Literatur'. Dieser Zusammenhang wird in den letzten Jahren sowohl in den Fachbereichen der Theologie, im Besonderen in der Praktischen Theologie, als auch in den Literaturwissenschaften verstärkt diskutiert. Nicht von ungefähr, denn das Thema 'Religion' hat in den Medien und im Feuilleton, wie bereits hinreichend bemerkt wurde, Konjunktur. Dies nimmt zunächst nicht wunder, denn Themen haben eben Konjunktur; sie scheinen in der öffentlichen Diskussion auf, dokumentieren Zeitstimmungen, finden ihren Niederschlag in der zeitgenössischen Kunst und Literatur und verschwinden wieder. Vertreter der Theologie zeigen sich dennoch einerseits erfreut über das neu erwachte Interesse an ihrem Fach, stellen eine "Renaissance des Religiösen" fest und begeben sich auf das Terrain der Gegenwartsliteratur, um dort den "religious turn" aufzuspüren. Andererseits kommentiert man, was man dort vorfindet, aus der Warte des 'Theologen' oder dem persönlichen religiösen Gefühl heraus. Diese Perspektive muss der Literaturwissenschaft, zumal derjenigen, die sich der Gegenwartsliteratur widmet, befremdlich erscheinen. Dementsprechend übersieht ein Teil ihrer Fachvertreter das scheinbare "Megathema" entweder, indem unter den "neuen Paradigmen der Gegenwartsliteratur" die Auseinandersetzung mit den Biowissenschaften, der Popkultur und den 'Neuen Medien' namhaft gemacht wird, 'Religion' aber nicht einmal dem Komplex der "Remythisierungen" eingliedert werden mag; oder das Erkenntnisinteresse verlagert sich auf eine gemeinsame Textgruppe 'Bibel und Literatur', wobei man zum einen nach Verarbeitungen von 'Bibel in der Literatur' fragt und zum anderen die Qualität von 'Bibel als Literatur' untersucht.
Rezension zu Beate Burtscher-Bechter, Peter W. Haider, Birgit Mertz-Baumgartner u. Robert Rollinger (Hg.): Grenzen und Entgrenzungen. Historische und kulturwissenschaftliche Überlegungen am Beispiel des Mittelmeerraumes. Würzburg (Königshausen & Neumann) 2006 (=Saarbrücker Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft, Bd. 36). 372 S.
Rezension zu Christian Moser: Buchgestützte Subjektivität. Literarische Formen der Selbstsorge und Selbsthermeneutik von Platon bis Montaigne. Tübingen (Niemeyer) 2006 (= Communicatio, Bd. 36). 764 S.
Die Studie Christian Mosers gilt einer für die abendländische Literatur- und Wissensgeschichte grundlegenden Verfahrensfigur, die in der antiken Kultur ihren Anfang nimmt: der Erkundung des Selbst auf dem Weg über die Lektüre des Buchs bzw. der Bücher.
Rezension zu Eckart Goebel u. Elisabeth Bronfen (Hg.), Narziss und Eros. Bild oder Text? Göttingen (Wallstein Verlag) 2009. (= Manhattan Manuscripts, hg. von Eckart Goebel, Paul Fleming u. John T. Hamilton, Bandnummer: 2), 302 S.
'Narziss und Eros', Band 2 der 'Manhattan Manuscripts', die Eckart Goebel mit Paul Fleming und John T. Hamilton herausgibt, setzt literaturhistorisch bei Ovids Fassung des Narziss-Mythos an und geht zeitgemäß - kontextgebunden - einen großen Schritt über Freud hinaus. Anstatt sich an den Ungereimtheiten, Spannungen und Widersprüchen der Ausführungen Freuds abzuarbeiten, legt der Band ohne viel Aufhebens die Kriterien narzisstischer Persönlichkeitsstörung nach dem Diagnoseklassifikationssystem DSM-N ('Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders', Fourth Edition) der American Psychiatrie Association zugrunde, holt Eros in den Titel und bringt damit (Un)Ordnung in Ovids und Freuds Ordnungen der Geschlechter.
Rezension zu Edgar Pankow/Günter Peters (Hg.): Prometheus. Mythos der Kultur. München (Wilhelm Fink Verlag) 1999. (= Literatur und andere Künste). 248 Seiten.
Wenn der vorliegende Band Beiträge aus verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen versammelt, so entspricht dies der Schlüsselrolle, welche die Gestalt Prometheus (oder vielmehr: die durch diesen Namen aufgerufene, verschieden konnotierbare Leerstelle) auf den verschiedenen diskursiven Territorien der abendländischen Kultur spielt. Das Projekt Prometheus vereint in diesem Fall Vertreter der Philosophie, Klassischen Philologie, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Filmwissenschaft und Kunstgeschichte.
In der Redeordnung des Memoriale stehen sich göttliches Wort, eigene und fremde Rede, Medium und Schreiber, Mund und Schrift, Körper und Passionen gegenüber. Unerhörter Anlass für die Abfassung dieses Memoriale ist die conversio der Angela, in der sie sich von ihrem irdischen Leben als Ehefrau und Mutter ab- und der Liebe in Gott zuwendet. Dabei ist das Memoriale, das diese Umkehr zur Darstellung bringt, nicht aus der Aktualität einer drängenden Situation geschrieben und dokumentiert deshalb keine autobiographische Unmittelbarkeit. Wie bei Augustinus ist das Schema der conversio das der Nachträglichkeit: Erst aus dieser Perspektive kann das Ganze überhaupt zur Darstellung gebracht werden. Im Unterschied zur sorgfältig narrativ ausgefeilten, autobiographische Züge tragenden Bekehrung von Augustinus ist das dabei Besondere dieser conversio, dass sie nicht von eigener Hand verfasst ist: Angela diktiert ihre Bekehrung ihrem Beichtvater, woraufhin dieser mit der Niederschrift zugleich das Gehörte ins Lateinische übersetzt. Wenn der Beichtvater das Bekenntnis direkt von ihrem Mund abschreibt, fallen Beichte und Bekenntnis zusammen, damit aber nicht das Subjekt der Rede und der Verfasser. Die von Angela leidenschaftlich erfahrene Liebe zu Gott steht im Zeichen der Autorität nicht nur der Kirche und der Patristik, sondern auch der Schrift. Angelas Rede ist die der Anderen. Das Memoriale wird im Nachzeichnen ihrer conversio aber nicht zum einfachen Ausdruck laienhafter volkssprachlicher Sakralität, sondern ist diskursive Strategie und performative Ökonomie der Sakralisierung. Die Übertragung des Gottesbegehrens Angelas in die Schrift erweist sich als Kontrafaktur und Transformation der Bibel. So sehr diese Konstellation von beichtender Konvertitin und schreibendem Beichtbruder in den historischen Moment der Entdeckung einer weiblichen spirituellen Empfänglichkeit im 13. Jahrhundert passt, so sehr findet sich hierin die Moderne wieder: mit Clemens von Brentano oder Urs von Balthasar, die von den weiblichen Lippen die göttlichen Offenbarungen ablauschen, die ihnen selbst nicht zuteil werden.
"Nicht nur die Vernunft von Jahrtausenden – auch ihr Wahnsinn bricht an uns aus. Gefährlich ist es, Erbe zu sein. Noch kämpfen wir Schritt um Schritt mit dem Riesen Zufall, und über der ganzen Menschheit waltete bisher noch der Unsinn, der Ohne-Sinn, warnt Nietzsches Prophet Zarathustra."
Das hier benannte Problem der Zufälligkeit, Gefährlichkeit und Versicherbarkeit kollektiv verbindlicher Sinnbildung steht im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen. Was Nietzsche angeht, so bewegt sich sein Lösungsvorschlag durchaus noch im schematischen Rahmen der klassischen Lösung bei Platon: der Zugang zur wahren Erkenntnis, zum "Menschen-Sinn mithin, ist einigen auserwählten Wenigen vorbehalten. Bei Nietzsche dienen dabei insbesondere seine "Physiologie der Ästhetik" und das darauf aufbauende "Pathos der Distanz" als Sicherungen gegen eine Vermengung zwischen der Mehrheit der "Heerdenmenschen" und der Minderheit der "Übermenschen"-Kandidaten: die aus einem Akt der Selbstselektion hervorgegangenen "Einsamen" und "Ausscheidenden" sollen jenes "auserwählt[e] Volk" bilden, aus dem zuguterletzt der "Übermensch" erwachsen würde