BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.03.00 Vergleichende Literaturgeschichte
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Statt die fruchtlosen Debatten über die Erweiterung oder Ergänzung ihres Aufgabenbereichs fortzusetzen, sollte sich die Vergleichende Literaturwissenschaft auf die Zeit ihrer Entstehung besinnen, da sie sich (vor allem in Frankreich) parallel zur Philosophie und den Sozialwissenschaften entwickelte. Emile Durkheims Einladung an Gustave Lanson, einen Vortrag zum Thema 'L'Histoire littéraire et la sociologie' (1904) an der Ecole des Hautes Etudes zu halten, hatte damals eine symbolische Bedeutung, die heute im sozialwissenschaftlichen Kontext aktualisiert werden könnte. Denn nur eine Vergleichende Literaturwissenschaft, die Anschluß an die sozialwissenschaftlichen Debatten der Vergangenheit und der Gegenwart sucht, kann hoffen, eine theoretische Dynamik zu entfalten, die sie für ihre Gesprächspartner in den Sozialwissenschaften interessant werden läßt. Zu diesen Gesprächspartnern gehören vor allem die anderen Komparatistiken, die von Philologen bisher kaum beachtet wurden: die Vergleichende Soziologie, Semiotik, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft. Von ihnen, ihren Problemen und Lösungsvorschlägen, kann die literarische Komparatistik einiges lernen. Zugleich kann sie in bestimmten Fällen den Sozialwissenschaftlern helfen, ihre Probleme zu lösen und neue Probleme zu erkennen.
'Übergang' ist eine Metapher für die Beschreibung ideengeschichtlicher Prozesse. Sicher ist ihr Bedeutungsfeld weiter. Kurt Röttgers (2007) nennt neben der anthropologischen Konstante: dem Übergang als Erfahrung von Tod und Geburt, den Übergang als Metamorphose, den Übergang als Transzendieren sowie dessen Negation: nämlich das Transzendieren als ein unstatthaftes, gar mit Tabu belegtes Übergehen von einer Sphäre in die andere. Hinüberzugehen kann, so Röttgers weiter, auch bedeuten, über eine Schwelle zu gehen, fortzuschreiten zu Neuem und in diesem Akt des Fortschreitens das Werden und die Geschichte, ja die Geschichtlichkeit selbst, auch in ihrer radikalen Verneinung alles Vorangegangenen, zu bejahen. Gerade im Zusammenhang mit letzteren Bedeutungszuschreibungen hat die Metapher des Übergangs im geschichtsphilosophischen beziehungsweise bewusstseinsphilosophischen Konzept des Deutschen Idealismus ihre Nobilitierung erfahren. Bewusstseinsphilosophisch ist dieses Konzept insofern, als es von den seit Descartes zentralen Prämissen der Orientierung an sich selbst sowie der Bildung von Allgemeinbegriffen ausschließlich auf der Grundlage von Erfahrung und damit auf der Grundlage von etwas zunächst in der Vorstellung Gegebenem ausgeht (vgl. Zeuch 2001). Die Frage, der ich im Folgenden nachgehe, ist, ob diesem Konzept, das seinen Kairos um 1800 hat, ein besonderes Potential zukommt, das der Ideengeschichte gegen ihre Kritiker auch in der Gegenwart eine 'raison d'etre' verleiht, wenn es um den Rekonstruktionsversuch komplexer gesellschaftlicher, politischer, philosophischer Zusammenhänge und Kontinuitäten über mehrere Epochen oder Zeitabschnitte hinweg geht.
'Komparatistik' - 'Vergleichende Literaturwissenschaft' - 'Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft': Was ist das für eine wissenschaftliche Disziplin, die unter drei verschiedenen Bezeichnungen firmiert und damit Verwirrung stiftet. Will diese Wissenschaft durch die Methode des Vergleichs allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Literatur herausfinden? Ist der Vergleich die einzige Methode dieser Wissenschaft? Wie stehen Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft zueinander? Ergänzen oder fliehen sie sich? Im folgenden stelle ich zunächst einige komparatistische 'Vergleichsmodelle' vor (I.) und klassifiziere und diskutiere anschließend unterschiedliche Verwendungsweisen des Vergleich-Begriffs (II.).
Wenn sich die Systemtheorie nicht als theoretisches Fundament der Komparatistik eignet, weil Komparatistik nicht theoriefähig ist, sondern schlicht eine pragmatische Option, bei der 'die Literatur überhaupt' im Vordergrund steht, dann stellt sich jetzt die Frage, inwiefern die Systemtheorie einer solchen "Allgemeinen Literaturwissenschaft" behilflich sein kann. Das kann sie in sehr vielfältiger Weise und entsprechende Arbeiten in ihrer unterschiedlichen Ausrichtung können hier natürlich nicht aufgezählt werden. Hier soll- nach einer übergeordneten Bemerkung - nur gezeigt werden, wie die Systemtheorie einen bereits dynamischen Zeichenbegriff in der Vorstellung einer gesamtgesellschaftlichen Dynamik zur Geltung bringen kann: Relevant wird Semiotik erst als Systemtheorie. Das sagt natürlich mehr über Systemtheorie als über Komparatistik aus, aber wie anders wäre komparatistisch zu arbeiten als unter Zuhilfenahme von "fremden" Theorien und Methoden - was im Übrigen für jede andere Philologie auch gilt.
„Great writers,“ those who constitute our canon (at any given moment, one should add warily, since aesthetic canons fluctuate considerably over time), have invariably been the focus of reception studies, partly because they provide the most fertile ground for research, but partly also because literary scholars (and in particular the aspiring doctoral candidate: I myself graduated with an influence /reception study of this kind) need some justification for their endeavors, and what better ticket into the ivory rower - or onto the book market - than the study of the most seminal and widely accepted authors? James Joyce is just such a „great author.“ And „James Joyce and German Literature,“ the subject of this essay, must inevitably result in some form of reception study. But just what form should it take? Within the limited space of one article, it would be impossible to survey in toto Joyce's influence on German literature; that is, the multiple receptions of Joyce by some four or five generations of authors writing in German.
The essay provides a contrapuntal "parallactic" reading of Johann Wolfgang Goethe's "Bildungsroman" Wilhelm Meisters Lehrjahre - with its extensions Wilhelm Meisters theatralische Sendung and Wilhelm Meisters Wanderjahre - and James Joyce's high modernist A Portrait of the Artist as a Young Man (1916) and Ulysses (1922). Derived from astronomy, the term parallax designates, transferred to literary history, a narrative stratagem, a metapoetical rationale, and an interpretive method. Joyce employs it as a key concept and narrative tool in Ulysses to denote a stereoscopic perspective applied to the protagonists’ actions and the world they live in. Leopold Bloom thus refl ects on it and the technique of Ulysses is determined by it. On a higher plane, literary critics, too, engage in literary historical parallax whenever they read texts intertextually — as exemplified in this essay. A parallactic reading of the novels’ protagonists Wilhelm Meister and Stephen Dedalus, as regards not just their identification with Shakespeare’s Hamlet but also the symbolic connotations embedded in their names and mythological pretexts, allows us to shed new light on the roles and significance of narrative irony, chance, and paternity in these novels.
[Sammelrezension zu:] Peter V. Zima: Komparatistik und Peter V. Zima: Komparatistische Perspektiven
(2012)
Sammelrezension zu Peter V. Zima: Komparatistik. Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Tübingen (Narr Francke Attempto Verlag) 2011 (= UTB 1705). 425 S.
Ders.: Komparatistische Perspektiven. Zur Theorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Tübingen (Narr Francke Attempto Verlag) 2011. 169 S.
Peter V. Zimas Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft hat wohl viele Studierende der Komparatistik durch ihr Studium begleitet. Nun ist das Werk in der zweiten Auflage erschienen, überarbeitet und durch Kapitel zur Vergleichenden Gattungsgeschichte (behandelt am Beispiel des Romans) sowie der Thematologie und Mythenforschung ergänzt. Gleichzeitig erscheint ein weiterer Band des Klagenfurter Professors für Vergleichende Literaturwissenschaft, in dem er Arbeiten zur Theorie des Fachs vorlegt: 'Komparatistische Perspektiven'. Auch er soll im Rahmen dieser Rezension kurz besprochen werden.